Protocol of the Session on March 16, 2006

Auf dem Weg dorthin sind wir heute leider genauso weit wie bei unserer ersten Lesung am 18. Januar diesen Jahres, wo wir zum ersten Mal über diese Gesetzesänderung gesprochen haben. Bei der Beratung dieser Gesetzesänderung im Ausschuss hat sich wieder einmal gezeigt, dass CDU und FDP auch nach neun Monaten noch nicht in ihrer Rolle der regierungstragenden Fraktionen angekommen sind.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Mit Regierungsverantwortung ist nämlich auch Verantwortung verbunden, sich mit anderen als der eigenen Meinung auseinander zu setzen und Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen. Gutsherrenart ist hier eigentlich fehl am Platze.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Opposition ist Mist, aber Regieren ist anscheinend auch nicht ganz einfach.

Auf den ersten Teil der vorliegenden Gesetzesänderung, das Public Viewing zur Fußballweltmeisterschaft, brauche ich hier nicht mehr groß einzugehen. Wir von der SPD wundern uns zwar immer noch über den Maximalpegel des Lärms, der im Hochsommer bei geschlossenem Fenster gemessen wird, aber für Ihre handwerklichen Fehler müssen Sie sich verantworten, nicht wir. Wir sind dabei keine Spaßbremsen und wünschen allen Teilnehmern an den Public-Viewing-Veranstaltungen viel Spaß und gute Fußballspiele auf dem Großbildschirm.

(Beifall von der SPD)

Es ist jedoch ein starkes Stück, dass man hier versucht, uns auf dem Ticket der Public-ViewingVeranstaltung zur Fußballweltmeisterschaft neue Biergartensperrzeiten unterzujubeln. Dieses Thema ist im Landtag nicht neu. Seit dem 15. Mai 2001 ist es nun schon sage und schreibe das vierte Mal, dass die FDP versucht, ihren Antrag zu den Sperrzeiten der Biergärten im Landtag durchzusetzen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Diesmal mit Erfolg!)

Umso mehr verwundern uns die WetterfahnenReaktionen der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich zitiere aus dem Plenarprotokoll vom 28. Juni 2002:

„Überall dort, wo im Einzelfall keine Störung vorliegt oder die kommunalen Behörden heute schon ein öffentliches Interesse an anderen Regelungen feststellen können, werden auch individuelle Lösungen gefunden. Das heißt doch im Klartext, dass es für Ihren Antrag überhaupt keinen Grund gibt.“

Darauf wird Beifall von der CDU notiert. – Ein weiteres Zitat aus dem gleichen Protokoll:

„Glauben Landespolitiker wirklich, dass sie von Düsseldorf aus besser entscheiden können, was vor Ort richtig ist?

Wir von der CDU finden es nach wie vor besser, den Frieden vor Ort erst gar nicht zu gefährden, …“

Rednerin dieser beiden Zitate war Frau Andrea Milz von der CDU. Wir geben ihr auch heute noch Recht, denn es stimmt, dass es laut LandesImmissionsschutzgesetz überall dort, wo es keinen stört, schon jetzt keine 22-Uhr-Grenze gibt.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das ist falsch!)

Im Umkehrschluss heißt das: Nur dort, wo der Biergartenlärm stört, ist er auch verboten. Dieses Verbot können die Kommunen dann im Einzelfall aufheben. Zu Recht ist der Antrag der FDP damals mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden.

Zwei Jahre später war es nicht anders. Im Plenarprotokoll vom 13. Mai 2004 können Sie nachlesen:

„Was bedeutet es, wenn die FDP immer wieder mit diesem Antrag kommt? Das kann doch nur heißen: Sie will den Bürgern Rechte nehmen, die schlafen wollen, und den Leuten Rechte geben, die lautstark feiern wollen, ‚lautstark’ nicht ‚feiern’.“

Auch das Zitat stammt übrigens von Frau Milz.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das kann ja nicht wahr sein!)

Ich hätte Spaß daran gehabt, wenn sich Frau Milz auch heute wieder zu diesem Thema geäußert hätte.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Darf sie nicht mehr! Frau Milz darf das nicht mehr!)

Auch 2004 das gleiche Abstimmungsergebnis wie 2002 und schon 2001, Herr Papke: Der Antrag der FDP wird wieder mit den Stimmen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Da sehen Sie einmal, wie beharrlich wir sind!)

Nun diskutiert der Landtag erneut darüber, ob von Düsseldorf aus bessere Lösungen gefunden werden als in den Kommunen vor Ort. Ich sage Ihnen: Das wird Ihnen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht gelingen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Diesmal kriegen wir eine Mehrheit!)

Die vorliegende Gesetzesänderung ist handwerklich schlecht gemacht, und ich sage Ihnen schon heute voraus, dass Sie damit rechtlich auf die Nase fallen werden. So sind auch die Bayern mit ihrer Biergartenverordnung bereits vor dem Verfassungsgericht gescheitert. Selbst die kommunale Familie in NRW steht nicht hinter Ihnen, was verschiedene Gespräche gezeigt haben.

(Dr. Axel Horstmann [SPD]: Keine Frage!)

Den von uns in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam erarbeiteten Änderungsantrag haben Sie im Ausschuss rigoros und ohne weitere Prüfung abgelehnt.

Wenn Sie Ihre Gesetzesänderung umsetzen, wird es spannende Diskussionen um guten und schlechten Lärm geben.

(Svenja Schulze [SPD]: Genau!)

Erklären Sie bitte einmal dem Bäckermeister, der nach 22 Uhr noch Brötchen vorbacken will, warum er um 22 Uhr seinen Ofen ausschalten muss – aus Lärmschutzgründen –, während nebenan im Biergarten die Party lautstark und feuchtfröhlich weitergehen darf.

(Beifall von Johannes Remmel [GRÜNE] – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Fragen Sie die Bäcker, warum Sie die Ökosteuer eingeführt haben?)

Das ist nicht das Thema, Herr Papke.

Müssen Brauereien zukünftig Biergärten angliedern, damit sie über 22 Uhr hinaus arbeiten können, weil dann der Produktionslärm im Freizeit

lärm untergeht? Die Gesetzesänderung zielt also auf eine Spaßgesellschaft zulasten der Kleinen und Schwachen, und wir werden sie daher ablehnen.

(Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Auch Sie von der CDU müssten ihn eigentlich ablehnen, wie auch in den drei Debatten zuvor, wenn Sie ehrlich sind und nicht nach dem Motto handeln „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“. Oder ist es wieder so, dass der Schwanz immer noch überdeutlich mit dem Hund wackelt und die große Regierungsfraktion leider nur abnicken darf. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Wiegand. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Remmel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Argumente hier und auch im Ausschuss schon einmal ausgetauscht. Insofern glaube ich, dass man nicht noch einmal alles wiederholen muss und man sich auf das Wesentliche beschränken kann.

Also: Wir alle wollen eine wunderbare Weltmeisterschaft. Die letzten Tage aber haben gezeigt, dass die Öffnung der Biergärten nicht das Wesentliche ist, um eine wunderbare WM zu erreichen. Das Erste muss im sportlichen Bereich passieren, und auch das Drumherum im sportlichen Bereich muss stimmen. Dann kann die Freude tatsächlich kommen.

Aber was findet hier mit Ihrem Gesetzentwurf statt? – Es gibt vielleicht einen Tatbestand, der gesetzlich zu regeln wäre – wobei wir das auch noch infrage stellen –, nämlich die Frage, wer, wie und in welchem Umfang die Public-Viewing-Veranstaltungen durchführen kann. Dort bleiben Sie interessanterweise entgegen aller Fachmeinungen in Ihrem Gesetzentwurf sehr restriktiv, indem Sie erklären: Diese Veranstaltung darf ausschließlich die Kommune durchführen.

Es bleibt bisher offen, warum nur die Kommune solche Veranstaltungen durchführen darf und sich nicht auch Dritte entsprechend beteiligen können, wenn sie sich innerhalb der Rahmenbedingungen bewegen. Das scheint nicht einsehbar. Warum sollen nicht auch Dritte im Auftrag von Kommunen beispielsweise solche Veranstaltungen durchführen dürfen? Dazu ist eine dezidierte Fachmeinung sowohl von der sozialdemokratischen Seite als

auch von unserer Fraktion und von den kommunalen Spitzenverbänden vorgetragen worden. Mich wundert etwas, dass Sie nicht die Größe haben, dies dann auch in Ihren Gesetzentwurf aufzunehmen.

Aber das Eigentliche, was heute mit Ihrem Gesetzentwurf passiert, hat die Kollegin schon beschrieben – ich habe es auch schon in der ersten Runde deutlich aufgezeigt –: Mit dem trojanischen Pferd Fußballweltmeisterschaft wird die Frage der Öffnungszeiten der Biergärten als generelle Regelung eingeführt. Es findet genau das statt, was Herr Kress in dankenswerter Offenheit beschrieben hat: Die FDP mit Ihrem Anliegen bekommt an dieser Stelle ein Zugeständnis.

Natürlich wissen wir, dass es die neoliberale Fraktion innerhalb der CDU schon immer gegeben hat und dass es diese auch heute in wahrscheinlich noch größerem Maße als in der letzten Legislaturperiode gibt. Aber es gab – und ich hoffe, es gibt sie auch immer noch – eine Mehrheit in Ihrer Fraktion, die anders denkt, und Sie haben an der Stelle ein Zugeständnis an Ihren Koalitionspartner machen müssen. Das darf man auch entsprechend beschreiben.

Hier geht es um die Frage der Prioritäten.