Protocol of the Session on March 16, 2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, Sie werden heute – so befürchte ich – mit

Ihrer Stimme einem Gesetz Ihren Segen geben, das offensichtlich verfassungswidrig ist.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Ach!)

Sagen Sie später nicht, Sie hätten es nicht gewusst. Unser Gutachten liegt vor. Wir haben Sie mehrfach und deutlich darauf hingewiesen und um eine erneute Prüfung gebeten. Wenn Sie sich so sicher sind, hätten Sie doch diesen Weg mitgehen können; dann hätte man es noch einmal genau unter die Lupe nehmen können. Darüber haben Sie sich arrogant hinweggesetzt. Ich prophezeie Ihnen: Damit werden Sie nicht durchkommen.

Die Antwort, die mir der Minister angekündigt hat – die Stellungnahme, die er mit zuleiten wollte –, ist eine Farce; das ist ein Fünfzeiler, in dem steht: Wir haben eine andere Meinung. – Das ist doch keine Replik auf ein verfassungsrechtliches Gutachten von über 20 Seiten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Herr Reck, Herr Vesper hat gestern schon gesagt, dass es komisch ist, dass das Schulministerium in der Frage der Festsetzung der Staffelung der Gebühren für den Besuch der offenen Ganztagsgrundschule genau dem Grundsatz gefolgt ist, dass man das auf einer anderen Ebene machen muss als auf der Ebene der Kommunen und auf der Ebene der einzelnen Einrichtungen.

(Christian Lindner [FDP]: Das haben Sie a- ber damals nicht so gesehen!)

Lieber Kollege Lindner, auch bei der Frage des Kopftuchs haben die Richter gesagt: Wenn man das verbieten will – das muss man nicht –, muss es der Gesetzgeber tun, weil es ein Grundrechtseingriff ist. Das kann nicht eine nachgeordnete staatliche Behörde tun. Das ist der gleiche Grundsatz, den nicht irgendwer beschlossen hat, sondern eine Mehrheit des Verfassungsgerichts der Bundesrepublik Deutschland. So viel zu unserer Haltung zu diesen Rechtsbedenken, über die Sie leichtfertig hinweggehen.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Wir lehnen dieses Gesetz wegen bildungspolitischer und gleichheitspolitischer Erwägungen, weil wir es für falsch halten, aber auch wegen der verfassungsrechtlichen Bedenken ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Als nächster Redner hat der Abgeordnete Lindner von der FDP-Fraktion das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Frau Löhrmann, Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, warum Sie erst auf der Zielgeraden der Gesetzesberatung mit einem neuen Gutachten aufwarten.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: „Auf der Zielge- raden“ – das ist ja lächerlich!)

Sie hätten Monate Zeit gehabt, Ihre Bedenken vorzutragen. Sie haben diese Bedenken nicht vorgetragen. Kein anderer Sachverständiger hat diese Bedenken vorgetragen.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Doch, in der Anhörung! – Zuruf von der SPD: Doch, in der Anhörung sind diese Bedenken vorgetragen worden!)

Es drängt sich der Eindruck auf, dass Ihr Anliegen eine Verzögerungstaktik ist und nicht ein Beitrag zur Klärung in der Sache.

(Beifall von FDP und CDU)

Nach einer wirklich jahrelangen Diskussion in meiner Partei und in anderen Parteien, einer monatelangen Diskussion über diesen Gesetzentwurf in diesem Haus und nach der Debatte gestern ist die Entscheidungslage doch auch klar.

Sie befürchten, dass durch die Einführung von Studienbeiträgen neue Hürden für die Aufnahme eines Studiums geschaffen werden. Wir wissen: Die skandalös große Bedeutung der persönlichen Herkunft für den Bildungserfolg muss in der Jugend- und Schulpolitik überwunden werden. Und dort handeln wir.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie behaupten, mit Studienbeiträgen ließen sich die Studienbedingungen nicht verbessern. Wir sind überzeugt, dass mit den 320 Millionen € an zusätzlichen Einnahmen für die Hochschulen eben doch die Lehre und die Ausbildung nachhaltig verbessert werden können.

(Beifall von Manfred Kuhmichel [CDU])

Sie bemängeln, die Geld-zurück-Garantie sei nicht individuell einklagbar. Wir haben mit dem neuen Prüfgremium aber erstmals eine Anlaufstelle für Studierende geschaffen, die sich beschwert fühlen, und damit einen großen Beitrag zur stärkeren Kundenorientierung der Hochschulen geleistet.

(Zuruf von der SPD: Das ist keine Geld- zurück-Garantie!)

Sie behaupten, die Studienbeiträge seien nicht sozialverträglich. Wir haben mit der nachgelagerten Finanzierungsmöglichkeit aber die Voraussetzung dafür geschaffen, dass niemand, der nicht über ein hinreichendes Einkommen verfügt, an einem Hochschulstudium gehindert wird.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das können Sie doch gar nicht garantieren!)

Sie kritisieren, dass zinsgünstige Darlehen dadurch, dass wir einen Ausfallfonds geschaffen haben, auch ohne Risikoprüfung gewährt werden. Wir bekennen uns dagegen nachdrücklich dazu, von denjenigen, die zukünftige Leistungsträger dieser Gesellschaft sind, auch einen Solidarbeitrag einzufordern.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Zuletzt haben Sie, Frau Löhrmann, auf Gutachten gestützt vorgetragen, grundrechtsrelevante Fragen seien nicht durch den parlamentarischen Gesetzgeber beantwortet worden.

Wir glauben dagegen nicht, dass die Wesentlichkeitstheorie hier verletzt worden wäre,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das ist ein Grundsatz!)

weil etwa die maximale Höhe der Studienbeiträge und auch die Befreiung von Studienbeiträgen durch den Gesetzgeber geregelt ist. Liebe Frau Löhrmann, der Unterschied zu Schulen und offener Ganztagsschule, bei denen Sie diese Bedenken damals nicht geäußert haben, ist, dass Hochschulen im Gegensatz zu Schulen Satzungsrecht haben. Ihre Bedenken sind also auch insofern nicht stichhaltig.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Es geht um die Kommunen!)

Sie erwecken den Eindruck, als wollten Sie Studierende vor Studienbeiträgen bewahren. Wir dagegen wollen Studierende vor Ihrer Hochschulpolitik bewahren,

(Beifall von FDP und CDU)

weil Sie ihnen Chancen vorenthalten. Deshalb wird dieses Gesetz heute eine Mehrheit in diesem Hause finden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Lindner. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern sehr ausführlich zu allen wesentlichen Punkten dieses Gesetzentwurfs Stellung nehmen können. Ich will die Gelegenheit nutzen, noch einmal kurz auf die Debattenbeiträge einzugehen.

Mit Blick auf die Beiträge von Herrn Reck und Herrn Lindner möchte ich mich nochmals seitens der Landesregierung – auch als Wissenschaftsminister – bei den Regierungsfraktionen und dem Finanzminister dafür bedanken, dass wir heute nicht nur über das Studienbeitragsgesetz beschließen, sondern auch über den Zukunftspakt für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.

Sehr verehrte Frau Brunn, Sie standen auch einmal in der Verantwortung, wenn auch die finanzielle Situation des Landes damals noch anders aussah. Ich hätte mir gewünscht, wenn Sie in Anbetracht der Entwicklung der letzten Jahre sowohl finanzpolitisch als auch hochschulpolitisch gewürdigt hätten, dass dieser Landtag mit seiner Mehrheit heute nicht nur beschließen möchte, dass für die Hochschulen in den nächsten Jahren, wenn das Beitragsrecht auch wahrgenommen wird, netto bis zu 320 Millionen € zusätzlich bereit stehen, um die Qualität von Studium und Lehre zu verbessern, sondern auch, dass diese Landtagsmehrheit trotz der Widrigkeiten des Haushalts, für die Sie jahrelang Mitverantwortung im Land getragen haben, bereit ist, den Hochschulen Finanzierungssicherheit zu geben und ihnen all das an staatlicher Unterstützung zu geben, was sie brauchen, um den Studierenden in den nächsten Jahren vernünftige Bedingungen anbieten zu können.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich hätte mir auch gewünscht, wenn Sie in Ihrem Beitrag rückblickend ehrlich hinzugefügt hätten, dass das Stopfen von Löchern – das schreiben Sie diesem Entwurf zu – in den letzten Jahren von Ihnen vorgenommen worden ist. Sie – damals Rot-Grün – haben erstmalig Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen in Höhe von 650 € pro Semester eingeführt,

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

nicht nur für Langzeitstudierende, sondern auch für Studierende im Zweitstudium. Und Sie haben die Einnahmen daraus im Jahr 2004 komplett beim Finanzminister abgeliefert. Da ist nichts an die Hochschulen geflossen. Das ist doch die Wirklichkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

In Anbetracht der Situation, des Wettbewerbs, dem sich unsere Hochschulen stellen müssen, unternimmt die neue Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf alle Anstrengungen, den Hochschulen faire Rahmenbedingungen zu geben. Gleichzeitig öffnet sie den Hochschulen eine zusätzliche Einnahmequelle, damit die Studierenden bessere Bedingungen antreffen. Wenn Sie es ehrlich meinten, müssten Sie einen eigenen Gegenentwurf vorlegen, der die Ziele, die wir mit unserem Entwurf verfolgen, zumindest in gleicher Weise erreichen hilft.

Dazu haben Sie nichts vorgelegt. Sie haben auch in der Debatte keinen Gegenentwurf gebracht. Sie haben nur gesagt: Das wollen wir nicht. Aber damit zeigen Sie den Universitäten und Fachhochschulen sowie den Studentinnen und Studenten in Nordrhein-Westfalen eben keine Perspektive auf. Sie lassen Sie mit ihren Problemen alleine.

(Zurufe von der SPD: Och!)