Ich sage es jetzt ganz leise, aber ich sage es dennoch: Bayern fährt so viele Schienenkilometer wie Nordrhein-Westfalen, hat aber weniger Geld. Nur um dies noch einmal deutlich zu machen. Sie müssen sich also gute Argumente überlegen, wenn Sie Änderungen erreichen wollen.
Vielleicht haben Sie ja, Herr Minister Wittke, am vergangenen Sonntag schon von dem einen oder anderen Kollegen der anderen Länder Unterstützung dafür signalisiert bekommen, die Mittelaufteilung zugunsten Nordrhein-Westfalens zu verändern. Das würde uns sehr interessieren. Benennen Sie uns bitte Ihre Verhandlungsziele, anstatt nur darüber zu lästern, dass andere angeblich zu wenig Mittel für Nordrhein-Westfalen herausgeholt haben.
Nächste Bemerkung: Was tut Nordrhein-Westfalen, um sich auf die wohl kommenden Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr vorzubereiten? Wie sehen die Planungsdaten Ihres Hauses aus? Welche Vorgaben wollen Sie machen? Wie sollen die Mittel zukünftig innerhalb von Nordrhein-Westfalen verteilt werden?
Ich finde den Effizienzansatz richtig. Aber man muss beachten: Effizienz kann man nicht allein daran messen, ob irgendwo ein Zug mit 500 Fahrgästen und woanders ein Zug mit 5.000 Fahrgästen fährt. Es kann sein, dass die 5.000 auch ineffizient transportiert werden, weil die Leistung zu teuer bezahlt wird.
Mit anderen Worten: Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es vor allen Dingen erforderlich sein wird, dass wir die Wettbewerbsintensität auf der Schiene weiter steigern. Ich halte es für einen ziemlichen Irrweg, wenn Sie – wie oft dargelegt – glauben, dass die Auftraggeber, die Zweckverbände selber, auf ihrer Seite, auf der Seite der Auftraggeber, die erforderlichen Effizienzgewinne realisieren können. Das werden sie nicht können. Das Gros der Kosten entsteht natürlich bei der Erbringung der Betriebsleistungen. Wenn Sie effizienter werden wollen, dann müssen Sie einen Weg aufzeigen, wie die Betriebsleistungen an und für sich effizienter erbracht werden können.
Nun will ich aber doch noch eine Bemerkung machen, die mir angesichts der Tagesaktualität wichtig zu sein scheint. Was die Nahverkehrskunden in Nordrhein-Westfalen derzeit am meisten umtreibt, ist nicht die bevorstehende Revision der Regionalisierungsmittel. Was sie umtreibt, ist die Welle von Preissteigerungen bei Bussen und Bahnen. Wenn ich das richtig sehe, hat der Tarifausschuss des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr heute beschlossen, die Fahrpreise in diesem Jahr zum zweiten Mal um durchschnittlich 4,9 % anzuheben, nachdem es in diesem Jahr bereits eine Erhöhung um 3,4 % gegeben hatte. Der VRR nennt als Grund neben gestiegenen Kosten für Diesel und Strom sinkende Landeszuschüsse, Herr Minister Wittke.
Das Gleiche tut übrigens auch der Sprecher der Rheinbahn. Am 11. März konnten wir in der „NRZ“ lesen, dass öffentliche Mittel durch das Land gekürzt würden und dies eine Ursache dafür sei, dass man Preissteigerungen um 4,9 % noch im Laufe des Jahres realisieren wolle.
Da sage ich Ihnen: Wie auch immer Sie die Sache mit den 200 oder 240 Tagen beim Schülerverkehr darlegen wollen – Sie sind verantwortlich dafür, dass diese Preiserhöhungswelle jetzt durch das Land rollt, Ihr Einsatz in Berlin für Regionalisierungsmittel hin oder her.
Ich muss dies in dieser Deutlichkeit feststellen, weil Sie sich an diesem Pult damit gebrüstet haben, dafür zu sorgen, dass im Jahre 2006 keine Kürzungen im öffentlichen Nahverkehr stattfinden würden.
In der letzten Debatte wollten Sie uns noch den abrechnungstechnischen Umstand, dass 2006 – weil für 2005 – noch einmal die gleichen Beträge ausgezahlt werden, als Entschuldigung entgegenhalten nach dem Motto, Sie hätten mit den Preissteigerungen ja nichts zu tun. Was die Verkehrsunternehmen gegenwärtig tun und beschließen, straft Sie Lügen, Herr Minister Wittke.
Die stellen sich alle auf die Kürzung der Landesmittel ein, und sie erhöhen die Preise auch für die Schülertickets, deren Stabilität Sie noch Anfang des Jahres mit dicken Presseschlagzeilen garantieren wollten.
Sie haben versucht, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Die Verkehrsunternehmen belehren uns, die Öffentlichkeit, insbesondere die Fahrgäste, eines Besseren. Preissteigerungen auf breiter Front – das ist das Ergebnis Ihrer Politik von Kürzungen bei der Schülerbeförderung, die unter RotGrün nie stattgefunden haben. Es war uns möglich, mit 240 Gültigkeitstagen zu arbeiten. Warum sollte es Ihnen nicht möglich sein, Herr Minister Wittke?
Nun ein Wort an die CDU-Landtagsfraktion: Ich verstehe gar nicht, Herr Schulte – ich sage es auch hier noch einmal –, wie Sie, die Sie zum großen Teil Vertreter der ländlichen Regionen sind, in denen die Zuschüsse zu den Schülerfahrtkosten nicht 10 % der Einnahmen der Verkehrsunternehmen ausmachen, sondern bis zu 60 und 70 %, einer solchen Kürzung das Wort reden können, bei der doch klar ist, dass sie einseitig gegen die Interessen des ländlichen Raums und der Fahr
Nun kommen Sie mir nicht mit Kompensation über Fahrzeugförderung und Ähnliches. Das alles wird nicht funktionieren. Im Ballungsraum werden allemal mehr Fahrzeuge beschafft als in den ländlichen Regionen. Sie nehmen den Verkehrsbetrieben in den ländlichen Regionen die Möglichkeit, gerade jungen Menschen Mobilität anzubieten, und das praktischerweise in einem Jahr, das vom Ministerpräsidenten als Jahr des Kindes ausgerufen worden ist. Das ist ein weiteres Kapitel Ihrer Politik gegen Kinder. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Horstmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Lehne das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Horstmann, ab und an machen Sie mir richtig Freude,
Freude insofern, als dass ich dann immer schmunzeln und feststellen muss: Einem gewissen Realitätsverlust unterliegen Sie schon.
Sie heben den Vergleich mit Bayern hervor. Für mich ist das das typische Beispiel für ein Autorennen mit Fahrerwechsel: Sie fahren die Kiste gegen die Wand, der Wagen hat beinahe einen Totalschaden und hubbelt noch Richtung Ziel, und dem neuen Fahrer des Fahrzeugs, Herrn Wittke, Herrn Ministerpräsidenten Wittke,
Herrn Minister Wittke, sagen Sie dann: Wenn Sie nicht im Ziel ankommen oder zu spät am Ziel ankommen, dann liegt es an Ihnen. Sie hätten ja ordentlich fahren können.
Nun aber zur Sache! Die Sprecher und der Ausschussvorsitzende sollten Informationen erhalten. Sie haben sie auch erhalten, soweit ich weiß. Herr Wittke hat also wie im Übrigen auch sein Wort gehalten.
Dass die Grünen als Oppositionspartei unter einem enormen Realitätsverlust leiden, ist bekannt. Vor drohenden Kürzungen von Bundesgeldern die Augen zu verschließen hilft nicht. Wir wollen den Haushalt Nordrhein-Westfalen sanieren und werden auch unseren Beitrag beisteuern müssen, den Haushalt des Bundes zu sanieren. Die Grünen unterstellen nach wie vor, dass man Geld in Hülle und Fülle hat, obwohl sie genau wissen, dass dies sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene nicht der Fall ist. Diese Form von Realitätsverlust begleitet Sie und wird Sie anscheinend auch ewig weiter begleiten.
Es wird auch vergessen, dass die Bewegungslosigkeit auf Bundes- und kommunaler Ebene aufgrund der exorbitanten Verschuldung des Staates zu einem erheblichen Prozentsatz von Rot-Grün verursacht worden ist.
Ein notwendiger Strukturveränderungswille geht dem Antrag der Grünen völlig ab. Nur nichts ändern! Aus diesem Grunde wird die CDU-Fraktion den Antrag auch ablehnen. Die Lösung kann nicht sein, nichts zu tun, nur zu fordern und weiter auszugeben, sondern die Lösung muss darin liegen, auch im Nahverkehr Konsolidierungsmöglichkeiten zu finden.
Wir sehen Einsparmöglichkeiten zum Beispiel in der Zusammenfassung einzelgesetzlicher Regelungen im Bereich ÖPNV. Dazu müsste die Zusammenführung und Pauschalisierung der Einzelregelungen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes, des Bundesschienenwegeausbaugesetzes und des Bundesregionalisierungsgesetzes erfolgen.
Die im Bundesregionalisierungsgesetz geltende Mittelbereitstellung für den ÖPNV und deren Verteilung auf die Bundesländer läuft 2007 bekanntlich aus. Folglich ist rechtzeitig über die neue Festsetzung der Mittel und deren Verteilung zu entscheiden – wobei die Grünen Recht haben, dass Nordrhein-Westfalen außergewöhnlich schlecht abschneidet und hier nachverhandelt werden muss.
Eine grundlegende Neuorganisation des ÖPNV und der Mittelbereitstellung muss vorgenommen werden. Eine Reform der Finanzierung und der Organisation des ÖPNV und des SPNV ist dringend erforderlich. So müssen folgende grundlegende Ziele angestrebt werden:
Zusammenführung der Mittel für den SPNV und ÖPNV; Öffnung der SPNV-Mittel für den Nahverkehr auf der Straße; keine einseitige Priorität für den Schienenverkehr; Lockerung der Zweckbindung der Gemeindeverkehrsfinanzierungsmittel; Vorantreiben der Intermodalität und Abbau von
Systemgrenzen sowie von Wettbewerbsverzerrungen bei konkurrierenden Verkehrsträgern, insbesondere bei Beihilfen und Ausnahmeregelungen; Stärkung der Konkurrenz für effektivere, bessere Leistungen und mehr Kosteneinsparung, unter anderem Stärkung des unternehmerischen Handelns, diskriminierungsfreier Netzzugang für Wettbewerber der Bahn; größere Gestaltungs- und Verwendungsflexibilität der öffentlichen Finanzmittel für Aufgabenträger durch Zielvereinbarungen; Entflechtung der Organisationsstruktur von ÖPNV und SPNV. Hier gibt es 64 Verkehrsträger. Das muss nicht sein. Eine stärkere Kooperation wäre durchaus sinnvoll.
Weiterhin gilt es, Kundeninteressen stärker in den Vordergrund zu stellen, unter anderem durch eine verbindliche Festschreibung von Fahrgastrechten. Insofern ist eine Reform in Kooperation mit allen Beteiligten erforderlich. Im Jahr 2006 sollte es uns gelingen, die dementsprechenden strukturellen Vorbereitungen zu treffen, damit im Jahr 2007 die Verkehrsträger neu organisiert werden können.
Nein. – Ich wäre auch dankbar, wenn sich beispielsweise der VRR und andere Verbände nicht sofort an die Presse wenden würden, um dort große Dinge von sich zu geben oder um eine Erhöhung von 4,9 % durchzusetzen.
Mir wäre es viel lieber, wenn erst einmal über eigene Strukturveränderungen nachgedacht werden könnte und Einsparpotenziale gehoben würden.
Nur so kann es gelingen, mit weniger Mitteln das bestmögliche Ergebnis zu finden. Die simple und unkorrekte Zielsetzung der Grünen „Wir verlangen nur und ändern nichts“ wird keinen Erfolg bringen und im Übrigen auch folgenden Generationen Handlungsspielräume nehmen.
Wie schwierig diese Aufgabe ist, zeigt sich unter anderem auch daran, dass 31 Kreise, 23 kreisfreie Städte, neun Zweckverbände und eine Agentur zu beteiligen sind.
Ich fordere die Opposition auf, dem Entschließungsantrag der CDU- und der FDP-Fraktion zu folgen. Es gilt, die Augen nicht zu verschließen und notwendige Reformen und Einsparmaßnahmen durchzuführen. Nur so wird es gelingen, un
ter dem weiter steigenden finanziellen Druck mit weniger Geld mehr zu erreichen. – Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.