Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Antrag müsste das Haus, wenn es sich selbst ernst nimmt, insgesamt zustimmen. Ich bin sehr gespannt auf die Beratung.
erst jetzt in die entscheidende Runde. Erst jetzt sind die entsprechenden Gesetzentwürfe da, wo sie hingehören, nämlich im Bundestag, im Parlament. Ich erlaube mir eine Anleihe bei der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. März:
„Das Wort ‚Parlament’ kommt vom altfranzösischen ‚parler’ und dem italienischen ‚parlare’. Das heißt ‚reden’, nicht ‚nicken’.“
Insofern sind wir auch erst am Anfang der entscheidenden Beratungen dieses so wichtigen Reformwerks und nicht etwa am Ende, an einem Ende, an dem nur noch abgenickt und durchgewunken wird, was in Hinterzimmern von wenigen Spitzenpolitikern ausgekungelt wurde. Aus gutem Grund gibt es in unserer Demokratie Anhörungen, Ausschussberatungen, Antragsmöglichkeiten und alle anderen parlamentarischen Verfahren, damit Bedenken und Zweifel erhoben werden können, damit die beste fachliche Lösung entwickelt werden kann, damit gute Ideen den Weg in ein Gesetzeswerk finden können und damit Gesetzentwürfe auf Herz und Nieren geprüft werden.
Meine Damen und Herren, das, was die große Koalition in Berlin ausgerechnet bei der größten Verfassungsreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aushebeln will, legt ein mehr als zweifelhaftes Demokratieverständnis an den Tag.
Der Ministerpräsident, der leider nicht hier ist – ausgerechnet unser Ministerpräsident –, hat sich an die Spitze der „Basta!“-Bewegung gesetzt. Sie, Herr Ministerpräsident, der Sie so gern von der Demut vor dem Parlament sprechen, sagen: Basta, durchwinken, nicht mehr drüber reden, sonst wird es schwierig.
Wenn die Spitzen der großen Koalition in Berlin glauben, nur durch die Beschneidung der Rechte des Bundestages und ohne Beteiligung der Landtage diese Reform durchsetzen zu können, zeigt dies nur, dass offensichtlich in der Sache manche Vorschläge so schlecht sind, dass sie einer kritischen Betrachtung nicht standhalten.
Das sehe nicht nur ich so, meine Damen und Herren. Wolfgang Thierse bemerkt zu dem Vorgehen: Parlamentarische Debatten heißen nicht „Friss, Vogel, oder stirb, das ganze Paket darf nicht mehr angetastet, nur noch bestaunt werden“. So geht das nicht in einer parlamentarischen Demokratie. – Da hat Herr Thierse Recht.
Und wenn die stellvertretende FDP-Vorsitzende Pieper feststellt: „Wer wirklich eine Föderalismusreform will, darf nicht jeden Unsinn mitmachen, weil die Jahrhundertreform richtig ist, sondern muss auf die Verbesserungen in der Sache setzen“, hat auch sie Recht.
Durch die Reform droht zum Beispiel ein Dumping der Umweltstandards zwischen den Ländern. Darüber reden wir morgen noch ausführlicher. Es ist erstaunlich, dass sogar der FDP-Vorsitzende Westerwelle, der ja eigentlich auch schon genickt hatte, laut „Handelsblatt“ vom 14. März nachdenklich wird und feststellt: Es ist schon fraglich, ob 16 verschiedene Umweltstandards wirklich Sinn machen.
Ministerpräsident Ringstorff betont, dass die Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Deutschland oberste Leitlinie der Politik sein müsse und nicht ein Wettbewerbsföderalismus zwischen den Bundesländern. Der droht etwa beim sensiblen Heimrecht und der Pflege.
Namhafte Rechtsexperten, Justizministerinnen und -minister gleich welcher politischen Farbe sind gegen eine Gesetzgebungskompetenz der Länder im Strafvollzug. Das muss Sie doch nachdenklich machen.
Last but not least die Bildung: Hier ist die Schar der Kritiker am größten. Von Kardinal Lehmann über Wirtschafts- und Wissenschaftsvertreter, die Bertelsmann Stiftung, Eltern, Schüler, Lehrervertreter bis hin zu den Vereinten Nationen, alle warnen vor den Folgen der jetzigen Einigung für das deutsche Bildungssystem.
84 % der Deutschen sind nach einer ForsaUmfrage für eine einheitlichere und zentralere Gestaltung des Schulwesens. Ich füge ausdrücklich hinzu: Hier geht es um die Bildungsstandards und die Bildungsziele und nicht um mehr. Hier geht es dann um viel Freiheit in der Ausgestaltung, Freiheit für die Länder, Freiheit vor allem für die Bildungseinrichtungen.
Es kann doch nicht im Ernst sein, dass im Ergebnis die Kultusministerkonferenz, deren Abschaffung einige lauthals gefordert und die viele immer kritisiert haben – eigentlich alle haben sie immer kritisiert –, jetzt noch mehr Macht bekommt, und das ohne jede parlamentarische Kontrolle. Sie wird mehr Macht haben und nicht weniger,
Meine Damen und Herren, dabei ist noch nicht einmal klar, ob die Blockademöglichkeiten des Bundesrates tatsächlich abgebaut werden und somit ein zentrales Ziel der Föderalismusreform erreicht wird.
Das sind so viele Bedenken, so gut begründete Bedenken, so breit geteilte Bedenken, dass wir sie gründlich abwägen müssen in einem normalen parlamentarischen Verfahren unter Beteiligung auch der Landtagsabgeordneten. Die Föderalismusreform ist zu wichtig, um sie nach dem Motto „Augen zu und durch“ durch Bundestag und Bundesrat zu peitschen. Wir brauchen sorgfältige fachliche Beratungen, damit die Mutter aller Reformen wirklich ein Erfolg wird und sich nicht für Bildung und Umwelt als böse Stiefmutter entpuppt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Löhrmann. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Biesenbach das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Löhrmann, um es gleich vorweg zu sagen: Heute ist nicht der Tag der Grünen. Bereits die Begründung, mit der Sie heute Morgen die Änderung der Tagesordnung erreichen wollten, war schwach. Auch jetzt haben Sie inhaltlich nichts vorgetragen, was uns irgendetwas Neues bringt. Es scheint wirklich Positionen zu verändern, je nachdem, ob man an einer Regierung beteiligt ist oder wie Sie jetzt auf der Oppositionsbank sitzt.
Frau Steffens, lassen Sie jetzt doch auch einmal die anderen zu Wort kommen. – Das, was in jetzt Berlin auf den Weg gebracht wird, wird im Zusammenhang mit diesem Ziel seit vier Jahren intensiv diskutiert. Als wir in Berlin noch Rot-Grün hatten, habe ich von den Grünen nicht die Bedenken gehört, die Frau Löhrmann heute mit dieser Verve hier vorträgt.
Das war auch etwas anderes. Damals waren Sie mit dabei. Heute müssen Sie Fronten stabilisieren, um aufzufallen. Alles, was Sie heute fordern, heißt in der Sache doch nichts anderes, als dass Sie das Paket, das im Augenblick in Berlin eingebracht worden ist, neu aufschnüren und nachverhandeln wollen.
Wir diskutieren seit Jahrzehnten und inhaltlich in Bezug auf das, was jetzt vorliegt, seit vier Jahren mit dem Ziel, es einmal ernst zu machen. Die Reichsbedenkenträger hat es immer gegeben. Wenn wir den Reichsbedenkenträgern folgen, werden wir nie zu einem Ergebnis kommen. Das haben auch Sie hier sehr schön deutlich gemacht.
Worum geht es denn ganz simpel? Wir wollen mehr Freiheit für die Länder und auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die Landtage. Das wird uns in Berlin in diesem Paket zusammengeschnürt.
Nein. Wenn es darum ginge, sich in der Sache vorwärts zu helfen, hätte ich keine Bedenken. Hier geht es aber doch nur darum, Positionen auszutauschen, die wir alle kennen.
Im Augenblick sind wir der Meinung: Das, was in Berlin diskutiert wird, mag noch durch das Parlament gehen. Dann sollen wir allerdings auch die Gestaltungsmöglichkeiten ausnutzen. Denn was gibt es am Verfahren zu kritisieren, weil nicht jeder Ausschuss noch etwas darüber anmerken kann und weil nicht 20 Anhörungen stattfinden? Nein, es geht schlicht um eine Verfassungsänderung. Für die Verfassung ist in Berlin der Rechtsausschuss zuständig. Der Rechtsausschuss tagt. Jeder, aber wirklich jeder hat auch in Berlin die Möglichkeit, die Bedenken mitzuteilen – wobei Sie hier ja interessanterweise eine Sammlung von Gegenstimmen aufgemacht haben, die alle im Augenblick nicht in Berlin beteiligt sind.
Natürlich wollen Sie als Opposition mit hinein. Die Mehrheiten sagen aber ganz einfach: Wir wollen jetzt damit ernst machen. Das werden wir auch tun. Wir bekommen Gestaltungsmöglichkeiten. Wir bekommen Kompetenzen. Wir werden dafür sorgen, um es im groben Überblick zu sagen, dass demnächst die Zustimmungsfälle im Bundesrat von etwa 60 % auf 35 % reduziert werden und dass wir in einer sehr großen Zahl von Fällen die Chance bekommen, durch landeseigene Gesetze auch hier zu gestalten, nämlich dann, wenn wir mit der Berliner Lösung nicht einverstanden sind.
Alle diejenigen, die jetzt heftig argumentieren, das wollten sie alles nicht, müssen an zwei Ecken zugeben, dass sie schlicht Angst davor haben.
Nein, wir haben nur keine Lust auf Anhörungen, deren Ergebnisse wir schon heute kennen. Das bringt nichts. Die Positionen sind doch bekannt. Und wenn sie die gleiche Qualität haben wie Ihr Verfassungsgutachten heute Morgen, ist es auch noch verlorene Zeit.
Ich mache es Ihnen ganz deutlich. Zwei Beispiele signalisieren, woran es liegt. Erstens. Den Strafvollzug wollen einige Länder nicht, weil sie schlicht die Verantwortung nicht haben möchten. Sie sehen dabei aber nicht die Möglichkeiten, die der Strafvollzug bietet. Wir sind gerne bereit, den Strafvollzug zu übernehmen und auch deutlich zu machen, dass wir Behandlungsvollzug wirklich wollen.
Zweites Beispiel: das Tarifrecht oder auch die Zuständigkeit für den öffentlichen Dienst. Wir wollen hier Leistungsanreize schaffen. Und eines wollen wir nicht: dass wir uns wieder irgendwo mit Kompromissen unterordnen müssen, die keinem helfen und die auch noch faule sind. Wir werden hier zu der Verantwortung stehen und auch die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Wir laden Sie herzlich ein, dabei mit zu tun. Das muss dann aber auch heißen: Wir bringen uns ein und versuchen nicht zu blockieren.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, der mir wirklich wichtig erscheint. Der Ministerpräsident hat im Bundesrat gesagt: Mit dem Angebot, das jetzt eingebracht wurde, ist das Gesellenstück des Föderalismus gelungen. Zum Meisterstück gehört aber auch noch die Reform der Finanzverfassung. – Dazu sind Sie ebenfalls eingeladen. Wir können uns nur wünschen, dass dies möglichst noch in dieser Legislaturperiode erfolgt; denn dann haben wir den großen Schritt wirklich getan.
Wir stehen zu den Möglichkeiten. Wir freuen uns auf die Verantwortung. Wir tragen das Paket mit und sagen: Gebt den Ländern schnell die Chance, die Möglichkeiten zu realisieren. – Wir werden dieser Verantwortung hier in Nordrhein-Westfalen gerecht werden.
Vielen Dank, Herr Kollege Biesenbach. – Als nächster Redner hat Herr Kollege Kuschke für die Fraktion der SPD das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will gleich zu Beginn keinen Zweifel daran lassen, dass wir erstens sagen – ich denke auch, dass das unstreitig ist –: Es war notwendig, diese Reformbemühungen anzupacken.
Zweitens glauben wir auch, dass das jetzt vorhandene Paket durchaus den Namen Reform verdient. Damit würdige ich und würdigen wir das Gesamtpaket.