Protocol of the Session on February 16, 2006

Wenn ich mir die Situation in Nordrhein-Westfalen ansehe, sind die Kommunen sehr unterschiedlich aufgestellt. Deshalb muss das Land hier Verant

wortung übernehmen und schauen, inwieweit die für Katastrophenschutz und Gesundheitspolitik zuständigen Minister stärker auf die Kommunen einwirken und ihnen deutlich sagen, bis wann welche Schritte eingeleitet werden sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat alles nichts mit Panikmache zu tun. Es hat nur etwas damit zu tun, dass Sie uns auch die Fragen stellen lassen und uns die Fragen beantworten müssen, wenn Sie uns auffordern, in einer Aktuelle Stunde das Thema Vogelgrippe zu diskutieren. Es ist die Rolle des Parlaments, Fragen zu stellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Landesregierung das umsetzt, was geboten und notwendig ist. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Steffens. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Romberg das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele Fragen waren nicht so ganz passend. Die Verhältnismäßigkeit wurde bei manchen Fragen nicht beachtet. Die letzten Fragen, die Frau Steffens gestellt hat, will ich davon gänzlich ausnehmen.

Wenn aber die Opposition fragt, ob jede Biologische Station Vogelkot einsammeln muss, ob der Vogelmist jetzt vollständig vernichtet werden muss, wenn Herr Remmel fragt, ob jetzt jeder tote Vogel in Nordrhein-Westfalen sofort eingesammelt und untersucht werden muss, dann muss ich sagen: Wir haben einen strengen Winter und es ist ganz normal, dass Tausende Vögel eines natürlichen Todes sterben. Dann ist die Verhältnismäßigkeit gefragt. Diese war bei vielen Fragen nicht vorhanden, auch nicht bei denen von Frau Howe.

Herr Henke ist dankenswerterweise schon auf die Krankenhausbetten eingegangen. Weltweit ist die Bettendichte nirgendwo so hoch wie in NordrheinWestfalen. Dann sollen wir bettenmäßig nicht auf einen eventuellen Krankheitsfall eingerichtet sein? Das war echt lächerlich, Frau Howe.

(Beifall von der FDP)

Genauso lächerlich fand ich Ihre Sorge um das Fachwissen der Ärzte. Als müsste der Staat das Fachwissen der Ärzte herstellen! Sie können beruhigt sein. Die Ärzte werden gut vorbereitet sein, um die Menschen angemessen zu behandeln. Diese Sorge ist sicher unberechtigt.

Herr Henke hat richtigerweise gesagt: Es handelt sich um eine Vogelkrankheit. Wie sieht es eigentlich, wendet man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an, mit dem Engagement bei menschlichen Erkrankungen aus? Wie ist es bei den Volkskrankheiten, an denen jährlich Hunderttausende Menschen sterben?

Wenn wir als Parlament bei diesen menschlichen Krankheiten ein solches Engagement an den Tag legen würden wie bei dieser Vogelkrankheit, wäre ich als Arzt und Gesundheitspolitiker begeistert. Ich nenne Volkskrankheiten wie Schlaganfall und Herzinfarkt sowie den Umgang mit Suchtmitteln, zum Beispiel mit Alkohol und Nikotin. In dieser Hinsicht sind andere europäische Länder deutlich weiter als wir.

Wenn wir wirklich Todesfälle in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen verhindern wollen, sollten wir darüber nachdenken, ob es nicht sinnigere Ansätze gibt, als an dieser Stelle Fragen über Eventualitäten bis ins letzte Detail zu stellen, die irgendwann nach außen hysterieformend wirken.

(Carina Gödecke [SPD]: Sie haben doch die Aktuelle Stunde beantragt! Wir haben doch eine ganz andere haben wollen!)

Die Befassung mit dem Aspekt Bevorratung finde ich völlig richtig und wichtig. Dort sind riesige Unterschiede bei den Bundesländern. Dort ist NRW Spitze. Natürlich soll jeder darauf einwirken.

(Carina Gödecke [SPD]: Den Schwachsinn kann man sich doch nicht anhören!)

Sie brauchen gar nicht so erregt zu sein.

(Carina Gödecke [SPD]: Doch! Es ist Ihre Aktuelle Stunde! Was haben Sie für ein Par- lamentsverständnis!)

Wenn ich mir Ihre Bundesgesundheitsministerin anschaue, hat sie schon Verantwortung, wenn es darum geht, wie sie die Prävention bei der Vogelgrippe aufzieht.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Wollen Sie einmal zuhören?

(Carina Gödecke [SPD]: Das entscheide ich auch ganz allein!)

Sie hat schon Verantwortung.

Wenn in den unterschiedlichen Bundesländern so unterschiedlich bevorratet wird und in manchen Bundesländern eben nur für 5 % der Bevölkerung Medikamente angeschafft wurden, dann stelle ich mir schon die Frage, was Ulla Schmidt macht. Kann sie nicht einmal eindeutig an die Adresse

dieser Bundesländer gerichtet erklären: Dies ist zu wenig. Ich als Bundesgesundheitsministerin wünsche eine bessere Vorsorge? – Das hat Frau Schmidt nicht gemacht. Sie schimpft seit Wochen nur über Ärzte. Das ist traurig und steht einer Gesundheitsministerin in diesem Punkt wirklich schlecht an.

(Beifall von FDP und CDU)

Die Maßnahmen dieser Landesregierung sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sehr gut. Es wird nicht übertrieben, sondern sorgfältig und adäquat gehandelt.

Ich persönlich schätze die Gefahr als wirklich gering ein. Es ist eine Vogelgrippe und keine Menschengrippe, die uns alle befällt, nur weil irgendwo tote Vögel herumliegen. Ich möchte Sie alle bitten, dies auch nach außen hin zu vertreten und keine weitere Panik zu initiieren. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Romberg. – Für die Landesregierung möchte jetzt Herr Laumann reden. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig, dass der nordrhein-westfälische Landtag heute Morgen über die Vogelgrippe debattiert. Ich finde es auch gut, dass sehr deutlich geworden ist, dass wir es in diesem Land zurzeit mit einer Tierseuche zu tun haben und noch nicht mit einer Grippeentwicklung, die uns vor akute Herausforderungen stellt.

Deshalb ist es völlig klar, dass die Bemühungen der Landwirtschafts- und Umweltminister im Fokus stehen. Wir sind aktuell daran beteiligt, eine sehr verständliche Handlungsempfehlung zum Arbeitsschutz zu erarbeiten, zum Beispiel wenn es in Nordrhein-Westfalen um die Entsorgung von der Krankheit befallener Tierkadaver gehen sollte.

Hier ist nämlich Vorsicht geboten, weil bis jetzt alle Übertragungen auf Menschen nur durch einen direkten Kontakt mit einem infizierten Tier oder einem infizierten Tierkadaver zustande gekommen sind. Jeder weiß, dass wir es zumindest bei den Wildvögeln auch für Nordrhein-Westfalen in den nächsten Tagen überhaupt nicht ausschließen können, dass solche infizierten Tiere oder Tierkadaver gefunden werden.

Aber, wie gesagt, es ist eine Vogelgrippe. Aus Sicht eines Gesundheitsministers und des Gesundheitssystems entwickelt sich daraus erst dann eine

sehr problematische Situation, wenn der Vogelgrippevirus seine Eigenschaften verändert, die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt und wir damit gegebenenfalls eine Pandemie in Europa – oder, wie man wohl fast sagen muss: auf der Erde – bekommen. Deswegen steht natürlich im Fokus meines Hauses, wie wir uns darauf einstellen.

Erstens. Gegen einen neuen Grippeerreger – um es einmal etwas allgemein auszudrücken, damit die Menschen es auch verstehen – gibt es kein Impfmittel. Das kann es auf dieser Erde nicht geben. Sollte dieser Fall überhaupt eintreten, werden die Forschungsinstitute dieser Welt vier bis sechs Monate brauchen, um überhaupt ein Impfmittel zu entwickeln.

Aus diesem Grund haben die nordrheinwestfälische Landesregierung und mein Haus dafür gesorgt, dass wir für diese vier bis sechs Monate nach bestem Wissen und Gewissen ausgestattet sind, um erkrankten Menschen helfen zu können. Als einziges Bundesland in Deutschland haben wir für 30 % der Bevölkerung antivirale Medikamente gekauft. Sie wissen, dass wir dafür 67 Millionen € aufgewandt und 6,35 Millionen Therapieeinheiten an Medikamenten bekommen haben. Zurzeit sind Medikamente für 1,25 Millionen Menschen hier in Nordrhein-Westfalen eingelagert; Ende dieses Jahres werden es die gesamten 6,35 Millionen Therapieeinheiten sein.

Da alle Fachleute davon ausgehen, dass, wenn diese Grippewelle ausbricht, daran etwa 30 % der Bevölkerung erkranken werden, kann man nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft sagen, dass Nordrhein-Westfalen als einziges Land in Deutschland in der Lage sein wird, für alle diese erkrankenden Menschen Medikamente zur Verfügung zu stellen. Diese Situation muss man sehen.

(Beifall von CDU und FDP)

Die zweite Feststellung betrifft die aktuelle Situation in Berlin. Wir wissen, dass viele Bundesländer nur für 5 % bis 15 % ihrer Bevölkerung diese Medikamente gekauft haben. Wahr ist, dass, wer jetzt bestellt, aufgrund der weltweiten Nachfrage nach diesen Medikamenten diese Medikamente erst in anderthalb Jahren erhalten wird.

Was ich an dieser ganzen Geschichte im Moment überhaupt nicht verstehe – das sage ich ganz deutlich –, ist das völlige Wegtauchen des Bundesgesundheitsministeriums sowohl auf der politischen Ebene als auch auf der Fachebene,

(Beifall von der CDU)

wenn es darum geht, auch andere Länder dazu aufzufordern, konsequenter für ihre Bevölkerung vorzusorgen.

(Beifall von CDU und FDP)

Dieses Verhalten des Bundesgesundheitsministeriums finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall von CDU und FDP)

Man muss sich ja nur einmal den Fall einer Pandemie vorstellen. Wie wollen wir denn etwa dort, wo ich wohne, wo die niedersächsische Grenze teilweise nur 10 oder 15 km entfernt ist, bei der Ausgabe in Apotheken unterscheiden zwischen einem nordrhein-westfälischen Patienten mit einer Verordnung und einem niedersächsischen Patienten mit einer Verordnung?

Hier muss auf Bundesebene mehr Druck ausgeübt werden, damit auch andere Länder ihre Verantwortung wahrnehmen, so schwierig es auch angesichts der Finanzkraft der öffentlichen Hände sein mag, die dafür notwendigen Mittel in den Haushaltsplänen auszuweisen. Ich gebe zu: Auch bei uns war das nicht einfach. Als ich am 29. Juni ins Amt kam, gab es zwar schon das Problem, aber noch nicht einmal einen einzigen Euro in irgendeinem Haushaltstitel, um dieses Problem zu lösen. Das möchte ich hier auch noch einmal in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich möchte mich auch bei meinen Kollegen im Kabinett sehr herzlich dafür bedanken, dass man diese Summe Geldes zur Verfügung gestellt hat, damit wir für diesen Fall gut vorbereitet sind.

Wir sind in Nordrhein-Westfalen mit unserer Kapazität von 140.000 Krankenhausbetten gut aufgestellt; und wenn alle Stricke reißen, können wir zusätzlich auf einiges an Kurkliniken zurückgreifen. Der Kollege Henke hat darauf hingewiesen: In einer solchen Situation wird ja kein planbarer medizinischer Eingriff mehr in anderen medizinischen Disziplinen vorgenommen, sodass eine gewaltige Anzahl von stationären Betten bereitsteht.