Protocol of the Session on February 16, 2006

dass nur 5 % dieser Verfahren überhaupt in eine höhere Instanz gehen, dass das also nicht der entscheidende Punkt ist?

Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass es eigentlich im Wesentlichen oft oberflächliche Planung ist, dass falsche Voraussetzungen die Grundlage gebildet haben und deshalb Pläne oft lange gelegen haben? Das hat nichts mit Ideologie zu tun, sondern einfach mit der bisherigen Art, mit diesen Dingen umzugehen.

Herr Keymis, Sie haben sich an dieses Rednerpult gestellt und gesagt, Sie seien gegen den Ausbau, gegen den Neubau von Straßen. Das haben Sie klar gesagt. Und das war die falsche Ausrichtung.

(Beifall von der FDP)

Sie haben während Ihrer Regierungsverantwortung sowohl in Berlin als auch in Düsseldorf alle Möglichkeiten genutzt, möglichst viele Stellschrauben einzubauen, um die Planungs- und Genehmigungsverfahren endlos zu verlängern. In Nordrhein-Westfalen warten viele Städte und Gemeinden 30 bis 40 Jahre auf Umgehungsstraßen.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Das gibt es über 20 Jahre!)

In Holland und in Belgien warten sie fünf bis sechs Jahre darauf. Sie, Herr Keymis, sind für die Politik der Verhinderung des Bauens von Straßen verantwortlich. Genau das wird die neue Politik von CDU und FDP verändern. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Nun hat der zuständige Minister, Herr Wittke, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir erleben in diesen Tagen häufiger, dass hier Staatsminister a. D. ohne Vergangenheit auftreten. Aber es ist eine neue Qualität, dass zum ersten Mal eine Fraktion ohne Vergangenheit einen Antrag in dieses Plenum einbringt.

In der Tat haben Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, keine Vergangenheit, wenn Sie so tun, als hätten Sie nichts damit zu tun, dass in sieben Jahren rot-grüner Regierungsverantwortung in Berlin Jahr für Jahr die Mittel im Fernstraßenbau, Jahr für Jahr die Mittel in der In

frastrukturplanung zusammengestrichen worden sind.

(Beifall von der CDU)

Sie haben keine Vergangenheit, wenn Sie so tun, als hätten Sie nichts damit zu tun, dass unter Ihrer Verantwortung die LKW-Maut nicht so eingesetzt wurde, wie es gesetzlich vereinbart worden ist.

Sie haben keine Vergangenheit, wenn Sie so tun, als hätten wir in Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit möglichst viele Bundesmittel ins Land geholt. Sie haben es nicht geschafft, Planungsreserven anzulegen, während die Bayern allein in den letzten zehn Jahren über 680 Millionen € zusätzlich bekommen haben, unter anderem aus Nordrhein-Westfalen, weil Mittel ungenutzt zurückgeflossen sind.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist schon dreist, wenn Sie so tun, als hätten Sie mit all dem nichts zu tun gehabt. Sie haben hier die Verantwortung getragen, und Sie haben zu verantworten, dass es an der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen an allen Ecken und Enden hapert.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach dem Regierungswechsel 1998 in Berlin sollte ja alles besser werden. Das Volumen des Bundesverkehrswegeplanes sollte finanzierbar festgeschrieben werden, sollte realistisch und transparent sein.

Natürlich hat der grüne Koalitionspartner das anders verstanden, nämlich so, dass über das Finanzvolumen der Bedarf möglichst vieler Straßen zu verneinen und ergänzend durch die Sternchenaktion mit dem Ökostern die Planung zu erschweren sei.

Herr Keymis, es ist eben nicht richtig, dass es an den Verfahren lag. Es war Ihre Umweltministerin a. D., Frau Höhn, die in Blankenheim öffentlich erklärt hat: Ich kann den Lückenschluss bei der A 1 in der Eifel zwar nicht verhindern, aber ich werde ihn so lange verzögern, wie es in meiner Macht steht.

(Beifall von der CDU)

Es ist kein Geheimnis: Von der LKW-Maut gehen, anders als angekündigt, keine zusätzlichen Impulse für die Straßenfinanzierung mehr aus, weil die Haushaltsfinanzierung gekürzt wurde. Drei Jahre nach Verabschiedung des Bundesverkehrswegeplans haben wir immer noch kein Fünfjahresprogramm als Handlungsprogramm, weil es kein be

lastbares Finanzierungskonzept gegeben hat. Und es ist wahr: Rund ein Drittel der Vorhaben des Bundesverkehrswegeplanes sind nicht mehr finanziert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Heute geht es der SPD, die in der fraglichen Zeit die Verkehrspolitik in Berlin und Düsseldorf zu verantworten hatte, darum, festzustellen, dass Nordrhein-Westfalen künftig dringend mehr Mittel benötigt und die neue Landesregierung sich mehr engagieren muss. Diese Aufforderung ist allerdings nicht notwendig, weil die neue Regierung, während Sie noch Anträge und Papiere schreiben, schon längst gehandelt hat.

(Beifall von der CDU)

Wir haben in den letzten Monaten dafür gesorgt, dass wir endlich wieder Planungsreserven anlegen können, damit nicht am Jahresende Mittel nach Berlin zurückgegeben werden müssen, wie es unter Ihnen, Herr Horstmann, jahrelang der Fall gewesen ist.

(Beifall von der CDU)

Wir haben in den wenigen Monaten, in denen wir jetzt regieren, dafür gesorgt, dass Planverfahren in Nordrhein-Westfalen beschleunigt werden, indem sie – wie bei der Bezirksregierung Detmold – an einer Stelle konzentriert und Arbeiten nicht mehr doppelt gemacht werden, wie es früher unter Ihrer Verantwortung geschehen ist.

(Beifall von der CDU)

Und vor allem haben wir ideologische Blockaden gelöst und dafür gesorgt, dass einfacher, gesunder Menschenverstand, ganz normale Vernunft wieder Einzug hält in die Verkehrsinfrastrukturplanung in unserem Land.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Davon merkt man aber nichts!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Bilanz der SPD zum Antrag, die von den Versäumnissen ablenken soll, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Menschen nach wie vor im Stau stehen, weil in der Vergangenheit nicht engagiert genug Verkehrspolitik gemacht worden ist, weil Verkehrspolitik in Nordrhein-Westfalen im Grunde genommen überhaupt nicht stattgefunden hat.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: So ein Quatsch!)

Sie kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Straßenengpässe nicht beseitigt wurden und auch der Ballungsraum Rhein-Ruhr bei der Verteilung der Schieneninvestitionen leer

ausgegangen ist. Sie sind jahrelang einer Schimäre namens Metrorapid hinterhergelaufen und haben Millionen versenkt, ohne auch nur einen einzigen Euro in die tatsächliche Verbesserung der Infrastruktur zu stecken.

(Beifall von der CDU)

Sie haben Hirngespinsten hinterhergetrauert, statt tatsächlich aktive Nahverkehrspolitik, statt aktive Schienenverkehrspolitik hier in NordrheinWestfalen zu betreiben.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Das machen Sie doch auch nicht!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist keine Frage: Wir freuen uns auf die angekündigten zusätzlichen Bundesverkehrsinvestitionen. Allerdings geht es nicht um eine Aufstockung der Investitionsmittel des Bundes für den Verkehrswegeplan. Es geht vielmehr darum, einen kleinen Teil der Kürzungen der Vergangenheit rückgängig zu machen. Die Landesregierung begrüßt das ausdrücklich – das will ich fürs Protokoll festhalten.

Im Ergebnis werden wir statt einer Absenkung des Volumens auf 8 Milliarden € pro Jahr künftig nur noch eine Absenkung auf 9 Milliarden € pro Jahr haben. Immerhin haben wir 1 Milliarde € pro Jahr mehr und eine mittelfristige Verstetigung bis 2009. Das ist in der Tat erstmals eine Trendwende.

Wir müssen jetzt aber keine zusätzlichen Projekte erfinden, sondern können die erforderlichen Projekte des Bundesverkehrswegeplans besser ausfinanzieren.

(Oliver Keymis [GRÜNE]: Ich dachte, da ge- be es keine!)

Gleichwohl wird die Finanzierungslücke nicht voll geschlossen sein. Dazu wären weitere 2 Milliarden € pro Jahr erforderlich. Die Landesverkehrsminister und die Pellmann-Kommission haben den Bedarf für den Fahrplan des Bundesverkehrswegeplans rechtzeitig benannt.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die Erkenntnis, dass erhöhte Bundesverkehrsinvestitionen in Nordrhein-Westfalen dringend benötigt werden, ist in der Tat richtig. Bei der SPD-Fraktion hätte diese Erkenntnis jedoch schon vermittelt werden müssen, als sie noch Regierungsverantwortung trug. Offenkundig sind die Defizite und die Probleme bei Schiene und Straße in den vielen Jahren Ihrer Regierungsverantwortung angehäuft worden. Zusätzliche Mittel sind vor allem deshalb erforderlich, um den Nachholbedarf, den Sie uns hinterlassen haben, Stück für Stück abzuarbeiten.

Ich erlaube mir, einmal vom eigentlichen Thema abzuweichen, weil auch der Kollege Wißen dieses Recht für sich in Anspruch genommen und viel über Landesverkehrspolitik gesprochen hat, obwohl sich der Antrag nur mit Bundesverkehrspolitik beschäftigt.

Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Bundesfernstraßenbau; da haben Sie in fahrlässiger Weise zugelassen, dass Mittel, die für Nordrhein-Westfalen vorgesehen waren, nicht ins Land gelassen wurden. Das gilt auch für den Landesstraßenbau. Sie haben uns alleine beim Landesstraßenbau einen Sanierungsbedarf von über 300 Millionen € hinterlassen. Darum ist es gut, dass wir im Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2006 wenn auch bescheidene, aber immerhin doch mehrere Millionen Euro zusätzlich eingestellt haben, um dieses Defizit Ihrer Hinterlassenschaft Stück für Stück abzubauen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, besonders traurig ist, dass Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit beim Einsatz und bei der Vergabe der knappen Bundesmittel für Verkehrswegeinvestitionen weit hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Dies, weil wichtige Verkehrsprojekte häufig nicht mit der notwendigen politischen Rückendeckung der gesamten Landesregierung vorangebracht werden konnten!

Ich will jetzt durchaus die Kollegen der Sozialdemokratie in Schutz nehmen.