Herr Sagel, „Nachhaltigkeit“ ist für uns keine grüne Worthülse, sondern praktische Politik. Mit dem vom Finanzminister vorgelegten Sanierungskonzept wird die Handlungsfähigkeit der Landespolitik wieder gewonnen. Wir geben allen Beteiligten – das sind unter anderem Kommunen, Hochschulen und Empfänger öffentlicher Leistungen – eine Planungssicherheit.
Meine Damen und Herren, die Koalition der Erneuerung hat mit dem Haushalt 2006 den Weg für die Zukunft NRWs vorgezeichnet: Realistisch, zukunftsorientiert, maßvoll, konsequent und immer nah bei den Menschen. Die Jahre rot-grüner Stagnation und finanzpolitischem Chaos sind vorbei. Wir beweisen auch in der Finanzpolitik: NRW kommt wieder! – Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, mir liegt noch eine Wortmeldung des Abgeordneten Lindner von der Fraktion der FDP vor. Er ist aber nicht im Raum. Weitere Meldungen sehe ich nicht. Deswegen schließe ich jetzt die Debatte zur ersten Lesung des Haushaltsgesetzentwurfes und eröffne zugleich die Beratungzum Gemeindefinanzierungsgesetz 2006. Herr Innenminister Dr. Wolf hat den Gesetzentwurf zu Beginn der Debatte eingebracht.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns knapp fünfeinhalb Stunden lang mit dem von der neuen Landesregierung eingebrachten Haushaltsentwurf für das Jahr 2006 auseinander gesetzt und darüber diskutiert.
Für mich persönlich kann ich schon nach diesen fünfeinhalb Stunden ein Fazit ziehen: Dass dieser Haushaltsentwurf nicht sonderlich mutig ist, kann man daran erkennen, dass Sie knapp 6 Milliarden € neue Schulden machen.
Und anders als der Spruch des Ministerpräsidenten, Kürzungen würden alle spüren, dem Wortlaut nach vermuten lässt, bezieht sich das „alle“ wohl
Dass Sie sich nicht freuen, diesen Haushaltsentwurf einzubringen, sieht man – insbesondere meine Damen und Herren von der CDU – Ihrer Körperhaltung schon an. Das hat man bei der Einbringungsrede des Finanzministers gemerkt. Das war nicht die Haltung eines Menschen, der offensiv einen Haushaltsentwurf vertritt, sondern eines, der eher eine abwehrende, fast demütige Haltung einnehmen muss.
Meine Damen und Herren – insbesondere von der CDU –, dass Sie nicht stolz sind, einen solchen Haushaltsentwurf einzubringen, merkt man daran, dass ich Sie zu 95 % dabei erwischt habe, wie Sie sich in Ihren Redebeiträgen an der Opposition und an der Frage, was denn früher einmal war, Herr Klein, abgearbeitet haben.
Sie haben uns aber nicht das aufgezeigt, was Sie denn stolz in diesem Haushaltsentwurf verkünden, was denn die neue Politik in NordrheinWestfalen sein soll. In der Tat: Auf das, was Sie vorgelegt haben, können Sie wirklich nicht stolz sein.
Ihre Argumentation zeigt im Übrigen, dass sie auf einmal in der Realität angekommen sind. Plötzlich stellen Sie fest, dass Sie alle Ihre Versprechen, die Sie noch vor dem 22. Mai 2005 gemacht haben, Zug um Zug brechen müssen. Das wird aus den Haushaltsbeiträgen, die Sie heute über fünfeinhalb Stunden gebracht haben, deutlich.
Um mit der Mär aufzuräumen, das sei ein ehrlicher Haushalt, sage ich: Herr Klein, Herr Rüttgers, wenn Sie Jugendlichen erklären, dass das Kürzen von Haushaltsansätzen, zum Beispiel beim Landesjugendhilfeplan, eigentlich eine Erhöhung sei, dann geht wirklich der letzte Rest an politischer Glaubwürdigkeit dieses Hauses verloren.
Herr Laschet, ich möchte auch mit der Legendenbildung aufräumen, dass Sie 112 Milliarden € Schulden übernommen hätten. Ich bitte, keine Legendenbildung zu betreiben. Wir machen es jetzt einmal chronologisch. Dieser Finanzminister hat einen zweiten Nachtragshaushalt 2005 vorgelegt, in dem ausweislich stand, dass der Schuldenstand 103 Milliarden € beträgt. Alles, was danach gekommen ist, haben Sie zu verantworten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es deutlich zu sagen: Der Inhalt des schönen grünen Buches mit den Reden des Herrn Diegel, das Frau Löhrmann dem Herrn Ministerpräsidenten überreicht hat, besagt, dass der Schuldenstand vor der Wahl 111 Milliarden € betragen habe. Sie haben vor dem 22. Mai 2005 einen Schuldenstand von 111 Milliarden € festgestellt und trotzdem alle Versprechungen herausposaunt.
Nach dem 22. Mai 2005 stellen Sie fest, dass es nur 103 Milliarden € sind; man hat sich halt ein wenig verrechnet. Sie machen in diesem Haushaltsplanentwurf noch einmal zusätzlich fast 6 Milliarden € neue Schulden und brechen trotzdem noch alle Versprechen. Das ist Tatsache.
Mit dieser Erblastlegende müssen Sie aufhören. Denn eins ist klar: Das ist Ihr Haushalt. Das sind Ihre Schulden. Und die Politik gegen Kinder ist Ihre Politik.
Herr Stahl, der bedauerlicherweise nicht hier ist, vermutlich bei Käsesahne in der Kaffeeklappe sitzt, hat eine Rede gehalten, deren Niveau deutlich über dem der Rede vom Kollegen Petersen lag. Dennoch ist festzuhalten, dass er Leitbilddiskussionen im Sinne von „Wir wollen Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen haben, wir wollen keine Regulierung durch den Staat, wir wollen die Verantwortung und Freiheit den Betroffenen geben“ …
Die Wahrheit ist, dass demnächst Frauen, die mit ihren misshandelten Kindern in ein Frauenhaus flüchten wollen, genau diese Art von Freiheit und Verantwortung kennen lernen dürfen, indem sie, wenn sie dort vor verschlossenen Türen stehen, wieder zu ihrem prügelnden Ehemann zurück müssen. Das ist die Freiheit und Verantwortung, die Sie hier propagieren. Das ist Zynismus im Sinne der Betroffenen.
Die Rede von Herrn Wolf heute Morgen war ein Feuerwerk an Rhetorik, viel Technik und ein bisschen Langeweile. Das ist dem Thema auch angemessen. Aber es endete mit einer wirklich unhaltbaren Behauptung. Herr Wolf, ich will Ihnen zugestehen, dass das Sein das Denken bestimmt. Dass Sie nicht mehr in der Rolle des kommunalpolitischen Sprechers der FDP-Fraktion wie noch vor wenigen Monaten sind und hier nun völlig andere Dinge diskutieren, was Finanzbeziehungen zwischen Kommunen und Land angeht, erkenne ich an. Dass Sie das GFG im Wesentlichen auf der Grundlage dessen fortschreiben, was wir als Sozialdemokraten gesagt haben, nämlich die Kommunen in Nordrhein-Westfalen gehörten finanziell ordentlich ausgestattet, weil sie in Nordrhein-Westfalen auch eine Menge an Aufgaben zu erledigen haben, ist in Ordnung. Herr Wolf, Sie haben aber in Ihrer Rede kein Wort darüber gesagt, dass Sie außerhalb des GFG in allen anderen Bereichen eine Politik gegen Kinder und Kommunen in diesem Land betreiben und dass Sie eigentlich nur eine Politik nach dem Motto verfolgen: Wir kürzen bei den Kurzen und nehmen die Kommunen in die Ausfallbürgschaft.
Sie verlieren kein Wort darüber, Herr Wolf, dass Sie den Kommunen 114 Millionen € bei den Kindergärten, 20,9 Millionen € beim Jugendplan und 27,4 Millionen € bei den Schülerfahrtkosten nehmen wollen. Die Sache mit der Schulmilch und andere Sauereien lasse ich einmal außen vor.
Sie verlieren kein Wort darüber, Herr Wolf, dass Sie am § 107 der Gemeindeordnung herumdoktern wollen, ganz der freiheitlich-demokratischen Prämisse „Privat vor Staat“ folgend. Sie bewerten gar nicht, ob privat überhaupt der richtige Schritt bei einer Verwaltungsstrukturreform ist. Für Sie als FDP-Mann ist Privatisierung ein Wert an sich, den es zu verfolgen gilt. Auch davon, dass Sie damit nicht nur die Versorgungssicherheit in der kommunalen Daseinsvorsorge, sondern vor allem auch die wirtschaftlichen Standbeine der Kommunen gefährden, wenn nicht sogar wegschlagen werden, haben wir in Ihrer Rede nichts gehört.
Wir haben auch kein Wort davon gehört, dass Sie in Nordrhein-Westfalen die Spielbankabgabe von 15 auf 12 % kürzen wollen. Wohlgemerkt. Diese Spielbankabgabe soll anstelle der Gewerbesteuereinnahmen an die Kommunen fließen.
Um in dem Jargon der Leistung, die dort angeboten wird, zu bleiben: Das ist kalte Abzocke, Herr Wolf, zulasten der Gemeinden.
Sie führen aus, dass im GFG ein neuer Referenzzeitraum für die Steuerschätzung gegenüber den Kommunen angewandt werden soll. Dagegen ist dem Grunde nach nichts zu sagen. Auffällig, Herr Wolf, ist allerdings, dass Sie dieses neue Instrumentarium zu einem Zeitpunkt anwenden, in dem ein Anstieg der kommunalen Steuereinnahmen zu verzeichnen ist. Sie machen damit nichts anderes, als bei den Kommunen einen Kredit aufzunehmen; denn nach den alten Regelungen würden die Kommunen bereits in diesem Jahr von den Steuermehreinnahmen profitieren. Die werden ihnen jetzt durch den neuen Referenzzeitraum vorenthalten.
Sollte das der ideologische Auftakt dafür sein, dass man sagt: „Die bekommen ja mehr Geld, dann können wir auch den Verbundsatz 2007 kürzen“, dann wünsche ich Ihnen eine gute Fahrt, dann werden wir uns auf vielen Podiumsdiskussionen mit den kommunalen Vertretern, mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, mit den Landrätinnen und Landräten, wiederfinden.
Ich möchte nun Ihr Augenmerk auf eine Besonderheit lenken, die die Kommunen betrifft, nämlich auf die Kürzungen bei den Kindergärten in Höhe von 114 Millionen €. Unabhängig davon, dass das der Linie „Wir kürzen bei den Kurzen“ entspricht, beginnen Sie damit einen Wettbewerb zwischen den Kommunen, der nicht auf gleicher Augenhöhe stattfindet. Die Kommunen werden überwiegend nicht in der Lage sein, das, was Sie mit der Kürzung bewirken, nämlich dass Elternbeiträge, die Sie nicht mehr erstatten, von den Kommunen selbst zu zahlen sind, zu leisten, sondern im Gegenteil: Im Jahr des Kindes, vom Ministerpräsidenten verkündet, werden in den allermeisten nordrhein-westfälischen Kommunen die Elternbeiträge für den Kindergartenbesuch steigen. Das ist, gemessen an Pisa und der Betreuungspolitik, die wir in diesem Land bisher betrieben haben, völlig kontraproduktiv.
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen. Herr Wolf, Sie haben mit großen Krokodilstränen in den Augen verkündet, der Kassenkreditbestand der Kommunen liege bei über 10 Milliarden €. Ja, das ist richtig. Das ist die Form einer Kreditaufnahme, die nach der Gemeindeordnung eigentlich überhaupt nicht vorgesehen ist und deren sich die Kommunen zurzeit bedienen müssen, weil ihre
Ich möchte nur an eines erinnern: Sie sind jetzt in einer völlig neuen Verantwortung. Blicken wir vielleicht einmal zwei Jahre zurück. Wir wären heute vielleicht in einer anderen Situation, wenn Sie, Herr Wolf, nicht aus ideologischen Gründen, und Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nicht aus parteitaktischen Gründen die Modernisierung der Gewerbesteuer im Vermittlungsausschuss 2004 verhindert hätten. Dann hätten wir heute nicht die Situation, dass die Kommunen Kassenkredite in der Höhe von 10 Milliarden € vor sich herschieben müssen.
Ein Teil dieser 10 Millliarden € haben Sie politisch mit zu verantworten. Ich hoffe nur, dass das gelingt, was jetzt angekündigt ist, nämlich dass wir in Berlin in einem zweiten Anlauf gemeinsam versuchen, eine ordentliche Reform der Unternehmensbesteuerung und gleichzeitig eine Reform der Gemeindesteuer hinzubekommen, damit endlich aufhört, dass Sie versuchen, vernünftigen Regelungen im Wege zu stehen, nach dem Motto: Das könnte den Sozialdemokraten nutzen, da machen wir nicht mit. – Nordrhein-Westfalen muss sich an die Spitze derer stellen, die gemeinsam für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen und bundesweit eine Reform vorantreiben wollen, die die Finanzen der Gemeinden endlich auf eine solide Basis stellt und sie zukunftsfähig machen kann.