Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich Sie mit meiner vierten Rede schon so freudig erregen darf, dass Sie sich hier schon ein bisschen „aufkaspern“. Das ist eine herrliche Geschichte.
Lieber Herr Becker, bei all den Sorgen Nöten, die Sie offensichtlich umtreiben, und bei all dem großen Kummer, muss man sich wirklich Sorgen machen, ob Sie nicht irgendwann wie der große ExWeltenlenker Joschka Fischer hier mit zerknautschtem Gesicht stehen und nur noch um das Plenum joggen. Machen Sie sich einmal keine Sorgen!
Es ist auch ein besonderer Akt der Heuchelei, wenn gerade die Grünen, die in den letzten zehn Jahren an einem Raubzug gegen die Kommunen teilgenommen haben, sich hier jetzt als edler Rächer der Enterbten darstellen.
Rot-Grün hat die Stadträte durch die Politik im Land in den letzten zehn Jahren und, was ich hinzufüge, auch im Bund in den letzten sieben Jahren faktisch brutal entmachtet. Es gibt doch in den Kommunen kaum noch Spielräume. 95 % der kommunalen Haushalte – das wissen Sie Herr Becker; Sie werden mir als eigentlich kundiger Kommunalpolitiker im Rhein-Sieg-Kreis beschrieben – sind gesetzlich oder vertraglich gebunden. Die 5 % in den vielen Kommunen – zumindest da, wo es noch halbwegs gut aussieht – sind am En
Das ist auch einer der Gründe, die das wirkliche Problem, noch ehrenamtliche Mitstreiter zu finden, ausmachen. Seien wir doch mal ehrlich! Das Problem, dass wir immer weniger Leute finden, die sich das noch antun wollen, haben wir in allen Parteien. Das hat aber nichts mit der Kommunalverfassung zu tun, sondern das hat etwas damit zu tun, dass im Stadtrat faktisch nichts mehr zu „kamellen“ ist. Darin besteht doch das Problem, warum die Leute sich fragen, was sie eigentlich noch im Stadtrat tun und warum sie hier ihre Arbeitszeit verplempern.
Sie lesen irgendwelche Spekulationen von engagierten Journalisten. Es ist auch okay, dass die darüber spekulieren. Lassen Sie uns aber einmal den ganz normalen parlamentarischen Beratungsweg zum Thema Gemeindeordnung hier starten. Dabei haben Sie noch jede Menge Gelegenheit, auch zu § 107 GO etwas zu sagen. Das haben Sie jetzt zum dritten Mal hintereinander getan. Sie stochern zum Thema § 107 GO wild im Nebel herum. Machen Sie die Leute doch nicht so ängstlich! Niemand – nicht einmal der schlimmste Neoliberale, dessen Fratze Sie hier immer an die Wand malen – will irgendwelche Stadtwerke enteignen. Sie laufen aber mit diesem Angstszenario durch die Gegend. Wir wollen das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrem Antrag unterstellen.
Ich werde sicherlich nicht die Hälfte seiner Fragen beantworten können. Deswegen möchte ich lieber im Zusammenhang vortragen.
Sie wollen Ihre selbst geschaffene künstliche Aufregung von uns beantwortet haben. Ich will dazu beitragen.
Wir werden bei der Verwaltungsstrukturreform Aufgaben kommunalisieren und damit den Gemeinderäten mehr Verantwortung zurückgeben. Unter dem Stichwort „Mehr Verantwortung nach unten“ müsste das einer Partei, die früher einmal für Basisdemokratie stand, eigentlich gefallen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie hätten nicht bis heute warten müssen, bis ich Ihnen das sage und Ihnen Ihre Ängste nehme.
Das alles steht im Koalitionsvertrag und ist übrigens gar kein Geheimnis. Gewöhnen Sie sich doch daran, dass wir Punkt für Punkt in Ruhe die Dinge abarbeiten,
Nehmen Sie sich einen Stift und den Koalitionsvertrag. Streichen Sie durch, was wir gemacht haben. Dann wissen Sie immer, was in den Wochen und Monaten bis zur nächsten Landtagswahl noch auf Sie zukommt.
Das ist für Sie ganz neu. Das ist eine neue Qualität von Verlässlichkeit. Bei Ihnen wurde das früher auf Papier geschrieben und in die Ecke geworfen. Wenn Ihnen nichts mehr einfiel, haben Sie ein Düsseldorfer Signal gemacht und munter weiterregiert.
Sie heucheln heute ein Aufklärungsbedürfnis in einigen Details, das Sie persönlich, Herr Becker, eigentlich gar nicht mehr haben müssten. Die kommunalpolitischen Sprecher, mein Kollege Engel und mein Kollege und Freund Rainer Lux, haben in diesem Hause etwas zum Thema „Berufung der Beigeordneten“ ausgeführt. Das war bei einer Podiumsdiskussion am 11. Januar. Ich glaube, Sie waren dabei.
Sie müssten wissen, dass alles, was Sie vor einigen Minuten dargelegt haben, nicht der Wahrheit entspricht. Sie sind in Wahrheit nicht an Sachaufklärung interessiert, sondern daran, Unruhe in die kommunale Familie zu bringen. Das machen Sie offensichtlich nicht einmal besonders gut, Herr Becker. Sie waren am Dienstagabend auch beim Städte- und Gemeindebund. Ich habe dort niemanden nervös gesehen. Die Damen und Herren dort waren alle ganz entspannt.
(Zuruf von der SPD: Das hätten Sie tun sol- len! – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD] – Weitere Zurufe)
Genau, Herr Körfges, aus Ihrer Sicht ist in Wahrheit alles in Ordnung. Sie wollen nichts anderes. Sie wollen sich weiter so durchwurschteln wie bisher.
Sie wollen Landespolitik wie in den letzten 39 Jahren beziehungsweise wie in den letzten zehn Jahren – mit gemogelten Wachstumserwartungen, mit schleichend dahinsiechenden, verfassungswidrigen Haushalten, mit entmachteten Kommunen und mit einem Späßchen beim Regieren ab und zu. In Wahrheit bekommt niemand mit, dass Sie regiert haben. Heute tut sich etwas.
Sie befürchten natürlich, dass es nicht in Ihre Richtung läuft. An vielen Stellen ist diese Befürchtung richtig.
Was für ein Problem haben Sie eigentlich damit, dass wir im Koalitionsvertrag Folgendes schreiben: Wir prüfen, die Wahlzeit zu entkoppeln? – Sie schreiben in Ihrem Antrag etwas vom demokratischen Zusammenhang von Rat und Bürgermeister. – Wollen Sie, dass der Bürgermeister demnächst wieder vom Rat gewählt wird? Wenn Sie das wollen, so sagen Sie es klar heraus. Das hat mit Basisdemokratie nichts mehr zu tun.
Sie schreiben etwas vom Rat als Souverän. – Für uns ist der Bürger der Souverän und nicht der Stadtrat. Wenn das der letzte traurige Rest von der grünen Idee der Basisdemokratie ist, sind Sie einer Konkurserklärung nur ganz knapp entgangen.
Meine Damen und Herren, wir haben Sie in der Vergangenheit zu vielen Dingen unter dem Stichwort Subsidiarität gezwungen: zum Beispiel zur Direktwahl der Bürgermeister. Sie wollten das nie. Gerade aus Sicht der SPD war es richtig, das nicht zu wollen.
Wir haben Sie gezwungen zu Bürgerbegehren und zu mehr direkter Demokratie. Sie wollten davon immer nichts wissen, wenn es konkret wurde.
Herr Becker, ich will Ihnen etwas ganz Persönliches verraten. Sie wissen, dass ich aus der Stadt Rhede im Kreis Borken komme. Da bin ich seit elf Jahren im Stadtrat. Dort haben wir – das wissen Sie sicherlich – einen grünen Bürgermeister.
Glauben Sie wirklich, ich würde Ihrem Parteifreund durch mein positives Mittun im Landtag mehr Rechte einräumen? – Nie im Leben! Das können Sie sich hinter die Ohren schreiben.
Es wird einige Veränderungen in der Gemeindeordnung geben. Das können Sie im Koalitionsvertrag nachlesen. Die Kommunen werden gestärkt. Sie erhalten finanzielle Verlässlichkeit durch die Erhaltung des Verbundssatzes und eine GO, die das konsequent fortsetzt, wozu wir Sie in der Vergangenheit gezwungen haben.