Protocol of the Session on February 1, 2006

Wenn der Vorwurf also lautet, dass nur die rotgrüne Politik der letzten Jahre an unserem Rückstand Schuld sei, dann kann dies zumindest nicht die Forschungs- und Finanzpolitik des Landes gewesen sein. Denn bei der Bereitstellung von öffentlichen Mitteln – das zeigen die Daten mehr als deutlich – haben wir alles getan, was möglich war.

Es ist im Übrigen erstaunlich, dass der Minister, der bei der Forschung in diesem Haushalt etwa 36 Millionen € kürzt, heute hier versucht, die Verantwortung auf andere zu schieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Allein minus 29 Millionen € aus den laufenden Mitteln, minus 6 Millionen € bei TIP und minus 15 Millionen € bei der Titelgruppe 64 für Forschung, Lehre, Internationales und Transfer!

Nun behaupten Sie aber auch noch, dass wir falsche Prioritäten gesetzt haben, und Sie verweisen dabei insbesondere auf die Steinkohlesubventionen. Da kann ich nur sagen: Ich freue mich, wenn sie jetzt die erneuerbaren Energien auch für sich entdeckt haben. Schließlich ist es uns mit dem EEG beziehungsweise dem Energieeinspeisegesetz in den letzten Jahren gelungen, neue Märkte im Bereich der nachhaltigen Energieerzeugung zu schaffen. Als Folge hat es zahlreiche Technologieschübe und deutliche Kostensenkungen gegeben. Etwa 150.000 Arbeitsplätze und viele aufstrebende Unternehmen sind entstanden.

Wie passt das zusammen, wenn im Landeshaushalt die Mittel des Ren-Programms nun von 21 auf 17 Millionen € gekürzt werden und Sie dies akzeptieren, Herr Pinkwart?

In Deutschland und auch in Nordrhein-Westfalen müssen in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren die Hälfte der Kraftwerke ersetzt werden. Dieses Investitionsfenster bietet die herausragende Chance, unsere Energieversorgung so zu modernisieren, dass sie umweltverträglicher und effizienter wird. Dazu gehören intelligente Netze, neue Speichertechnologien, moderne Erzeugungs

technologien oder die Kraft-Wärme-Kopplung, nicht zuletzt auch vielfältige Energieeinspartechniken. Gerade in diesem Bereich gibt es ein immer noch unterschätztes Innovationspotenzial mit großen Beschäftigungschancen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Wenn Sie diesen Sektor der Energieversorgung richtig ernst nehmen würden, dann bräuchten sie nicht mehr über einen Ausbau der höchst umstrittenen Kernenergie nachzudenken.

(Horst Becker [GRÜNE]: So ist es!)

In Zeiten, wo Hightechkonzerne wie Schott oder Sharp Lobbyarbeit für Solarenergie machen, glaubt doch kaum jemand mehr an das innovative Potential der Kernkraft. In Zeiten des Klimawandels und knapper Ressourcen ist eine ambitionierte Umweltpolitik Antriebsmotor für eine Wirtschaft mit hoher Innovationskraft und Dynamik.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Bei Pinkwart kam da nichts! Null!)

Aufgabe der Politik ist es, Anreize und Strukturen zu schaffen, die Innovationen für eine drastische Senkung des Material-, Energie- und Flächenverbrauchs begünstigen.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Auf null!)

Hohe Innovationspotenziale liegen auch in umweltschonenden Mobilitäts- und Transportsystemen. Neue Antriebstechnologien, eine höhere Effizienz und saubere Treibstoffe, die Verringerung des Kraftstoffverbrauches hin zum Ein-Liter-Auto sind wichtige Innovationsbausteine im Verkehrssektor.

Gerade in diese Bereiche müssen die Mittel für Forschung und Entwicklung fließen: in die Grundlagenforschung und in die angewandte Forschung. Dabei kommt in der Tat der Vernetzung und Zusammenarbeit von Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten eine besondere Rolle zu, natürlich auch dem besonderen Forschungsprofil der Fachhochschulen, die nahe an der Praxis und in der anwendungsorientierten Forschung besonders stark sind.

Innovationen, Herr Pinkwart, müssen aber auch der Gesellschaft nutzen, den Menschen und der Umwelt. Weil wir die Herausforderungen der Globalisierung, den demographischen Wandel und die Veränderungen in den familiären Beziehungen gestalten wollen, brauchen wir Innovationen nicht nur in Technik und Wirtschaft. Es geht auch um gesellschaftliche, kulturelle und geistige Innovati

onen. Als Bedingung für wirkliche Innovationsfähigkeit brauchen wir eine Erneuerung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Sie fängt im Kopf und im Miteinander an. Dabei ist Bildung die zentrale Voraussetzung.

In diesem Zusammenhang bin ich froh, Herr Pinkwart, dass Sie versprochen haben, Schluss zu machen mit der Ideologisierung in der Forschungs- und Technologiepolitik.

(Beifall von den GRÜNEN und Christian Lind- ner [FDP])

Ich nehme Sie beim Wort: keine Verschwörungstheorien mehr über Feldhamster, weg mit den Horrorszenarien über eine Verspargelung der Landschaft bei der Windkraft!

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Chris- tian Lindner [FDP])

Bauen Sie die Blockaden gegen wichtige Technologiefelder durch Barrieren und Denkverbote beim Verbraucherschutz, bei den Umwelttechnologien und bei der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion ab! Dann werden wir dem gemeinsamen Ziel näher kommen, nachhaltige Innovationen in wichtigen Zukunftsfeldern zu fördern.

Liberalisierung und Wettbewerb alleine reichen nicht aus, um Nordrhein-Westfalen zum Energieland Nummer eins zu machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Lindner für die FDPFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Mit der heutigen Regierungserklärung hat eine nordrheinwestfälische Landesregierung erstmals eine Innovationsstrategie vorgelegt, die auf einer nüchternen Lagebeschreibung fundiert ist.

(Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD] – Jo- hannes Remmel [GRÜNE]: Das sind Allge- meinplätze!)

Allein diese Art der ungeschönten Lagebeschreibung hat politischen Neuigkeitswert.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das ist unter Niveau!)

Wenn Sie Niveaukritik machen, Herr Remmel, dann müssen Sie sitzen bleiben und meine Ausführungen insgesamt würdigen. Sie können sich mit solch einem Zwischenruf nicht verabschieden. Das ist unparlamentarisch. Ich bin von Ihnen an

deres gewohnt, Herr Remmel. Schade, aber vor Enttäuschungen ist man nie sicher.

Die bislang vorgelegten Analysen hatten den Charakter von Beruhigungspillen. Beispielsweise kann man die Standortanalyse des legendären Zahlenjongleurs Jan Marc Eumann,

(Carina Gödecke [SPD]: Anders herum! Nur für das Protokoll!)

die er mit seiner Pressemitteilung vom 17. Januar verbreitet hat, leicht zusammenfassen, und zwar im Stil von Radio Eriwan. Frage an Radio Eriwan: Ist NRW Forschungsland Nummer eins? Antwort: Im Prinzip ja, man muss nur die Forschungsausgaben der Großunternehmen aus der Statistik herausrechnen.

Das ist wie bei diesen sozialistischen Witzen. Frage an Radio Eriwan: Warum haben einige Menschen Glatzen, andere nicht? Antwort: Im Prinzip haben alle Menschen Glatzen, nur auf einigen wachsen Haare.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD] – Marc Jan Eumann [SPD]: Bei denen lacht man wenigstens; bei Ihnen kommen einem die Tränen!)

Das war die Qualität Ihrer Lageanalyse.

(Beifall von der FDP)

Deshalb ist es gut, dass dieses Land nicht mehr von diesen Analysten regiert wird.

Eine ehrliche Bestandsaufnahme, die durch die angekündigten Berichte zur technologischen Leistungsfähigkeit zudem jährlich fortgeschrieben werden soll, erfordert Mut.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Radio Eriwan dis- tanziert sich!)

Zu diesem Mut beglückwünscht meine Fraktion die Landesregierung. Wir haben auch deshalb der Regierungserklärung von Minister Pinkwart mit großer Zustimmung zugehört.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Zuerst waren es nur vier! – Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Die FDP-Landtagsfraktion, Herr Pinkwart, unterstützt die Landesregierung bei ihrem überaus couragierten Ziel, Nordrhein-Westfalen bis zum Jahre 2015 zum Innovationsland Nummer eins zu machen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Herr Lind- ner hat nur einen aus seiner Fraktion, der zuhört!)

Nach unserer Überzeugung hat die Koalition im Übrigen den Grundstein für diese Strategie bereits gelegt.

Herr Eumann hat gesagt, die Koalition ließe die Hochschulen im Stich. Sie leben in einer anderen Welt, Herr Eumann.

(Beifall von der FDP)

Im Übrigen haben Sie auch noch ein einfältiges Weltbild.