Meine Damen und Herren, Bemühungen gab es in den letzten Jahren viele, um zu einer Übereinkunft mit Vertretern der Muslime – ähnlich der Verträge mit den Kirchen in NRW – zu kommen. Aber es gelang bisher nicht, die Verschiedenheit und Zersplitterung der muslimischen Verbände unter ein gemeinsames Dach zu bringen, um damit einen Ansprechpartner als Interessenvertreter möglichst vieler Muslime in NRW zu haben. Nur unter dieser Voraussetzung kann es aus meiner
Sicht zu verbindlichen Absprachen im Sinne der Kirchenverträge und damit zu einer echten Gleichstellung der Religionen bei uns kommen.
Kontraproduktiv ist es hier aus meiner Sicht, wenn – wie es zurzeit ja passiert – einzelne Verbände versuchen, über den Rechtsweg ihren Status als Religionsgemeinschaften einzuklagen. Die muslimische Interessenvertretung wird damit einer Zersplitterung ausgesetzt und nur geschwächt.
Es geht nicht darum, dass sich die Muslime in NRW zu einer Glaubensauslegung zusammenschließen sollen. Da soll, da darf der Staat sich nicht einmischen. Es geht darum, dass der Staat Mitspracherechte für die Muslime in Fragen des islamischen Religionsunterrichts, einer deutschen Imamausbildung, der Seelsorge in Justizvollzugsanstalten – in all diesen gesellschaftspolitisch wichtigen Fragen – nur gewähren kann, wenn er diese Vereinbarung mit einer muslimischen Vertretung trifft, die mit einer Stimme und möglichst für viele Musliminnen und Muslime in NRW spricht.
Es ist aus meiner Sicht erfreulich, dass aufseiten der muslimischen Verbände genau diese Debatte läuft und ein ganz großes Stück vorangekommen ist.
Wir wollen diesen Prozess mit dieser interfraktionellen Arbeitsgruppe fördern. Wir wollen im Dialog mit den Verbänden auf Augenhöhe weiter vermitteln und die Interessen des Staates auf der einen Seite und die Interessen der Musliminnen und Muslime in NRW auf der anderen Seite versuchen zusammenzufügen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Integration in diesem Land.
Ich freue mich sehr, dass dieser Versuch – so können wir es ja erst einmal nur nennen, denn das Ziel haben wir vor Augen, aber es ist noch nicht erreicht – heute interfraktionell gelingt. Wir haben uns da sehr viel vorgenommen. Es gilt vielleicht am Ende dieses Prozesses auch einmal an der einen oder anderen Stelle einen dicken Knoten durchzuschlagen.
Die Kollegin Altenkamp hat auch schon darauf hingewiesen: Ich verstehe das nicht nur als Aufgabe der Regierung – Minister Laschet wird sicher gleich etwas zu seinen Aktivitäten sagen –, sondern auch als Aufgabe dieses Parlaments, auf diesem Weg der Integration hier mit dem Thema Islam in NRW einen guten Schritt voranzukommen.
Meine Damen und Herren, ein persönlicher Wunsch zum Schluss: Ich wünsche mir sehr, dass wir auch bei anderen integrationspolitischen Fragen ähnlich kooperativ zusammenarbeiten können. Allzu sehr wird in Deutschland in alten Reflexen aufeinander reagiert, wenn es um dieses Thema geht. Leider, meine Damen und Herren, ist es in Wahlkampfzeiten immer besonders beliebt, dass Einzelne aus dem Thema Ausländerintegration billigen politischen Profit schlagen wollen. Dies ist ein gutes Beispiel, wie es anders gehen kann. Ich hoffe, es findet viele Nachahmer.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir freuen uns, dass es gelungen ist, ein gemeinsames Vorgehen aller Fraktionen zu vereinbaren. Es wäre ja auch ein Treppenwitz gewesen, wenn wir von den Muslimen verlangen, sich auf ein Gremium zu verständigen, und selbst als Parlament nicht in der Lage gewesen wären, in dieser wichtigen Frage zu einer gemeinsamen Haltung zu finden.
Die Notwendigkeit einer zentralen Vertretung der Muslime ist seit vielen Jahren offensichtlich. Wir haben hier auch verschiedentlich darüber beraten. Ich erinnere daran, dass meine Fraktion im Jahr 2002 bereits einen entsprechenden Antrag vorgelegt hat. Wir hatten damals eine politische Repräsentanz des Islams als Fundament für die weitere Integration gefordert, als Fundament deshalb, weil damals wie heute klar ist, dass viele Probleme im Miteinander nur zu lösen sind, wenn der Staat auch ein Gegenüber hat, mit dem er sprechen kann.
Das bekannteste Beispiel dieser Fragen, die miteinander beraten werden müssen, ist sicherlich der islamische Religionsunterricht. Aber es sind auch andere politische Themen auf der Tagesordnung. Ich denke etwa an den Bau von Moscheen, die Einrichtung von muslimischen Friedhöfen, die Teilnahme muslimischer Mädchen an Klassenfahrten oder auch die Beseitigung religiös bedingter Ausbildungshemmnisse, wenn etwa ein Fleischerlehrling in der Abschlussprüfung ein Schwein zerlegen muss. Oft wurden diese Fragen in der Vergangenheit entweder den Gerichten überlassen oder in die religiösen Gettos gedrängt.
schwierig, weil dem Islam ein anderes Verständnis als beispielsweise dem Christentum zugrunde liegt. Er ist schlechterdings nicht institutionalisiert. Es fehlen hierarchische Strukturen, die Verfasstheit einer Kirche. Zweitens sind bestenfalls 10 % der Muslime in Nordrhein-Westfalen organisiert. Von daher ist es schwierig, einen der großen Dachverbände, seien es der Islamrat, der Zentralrat oder andere, zum Sprachrohr zu erklären.
Auch wenn diese drei Großen im Moment versuchen, einen gemeinsamen Dachverband zu gründen, kann man absehen, dass sie auch zusammen noch nicht die notwendige Mitgliederzahl haben, um für alle Muslime in Nordrhein-Westfalen zu sprechen.
Es gibt ein weiteres Problem, das hier angesprochen werden muss. Das ist die finanzielle Abhängigkeit verschiedener Großorganisationen vom türkischen Staat. Ausländische Regierungen ehemaliger Entsendestaaten sollen zwar weiterhin als internationale Partner hoch geschätzt werden, aber sie können nicht Repräsentanten der Muslime in Nordrhein-Westfalen sein.
Zum Dritten gibt es Probleme damit, einen Vertreter zu finden, weil es nicht den Islam gibt, sondern viele unterschiedliche religiöse Strömungen, die auf einen Nenner zu bringen sich schwierig gestaltet.
Mit der ernsthaften Suche nunmehr nach einem politischen Repräsentanten setzen wir ein deutliches Signal der Akzeptanz des Islams in unserer Gesellschaft, das auch den muslimischen Bevölkerungsteil verstärkt motivieren soll, Integrationsangebote anzunehmen. Denn – darauf ist hingewiesen worden – auch wir müssen Erwartungen an diejenigen formulieren, die in unserer Mitte leben wollen.
Wir brauchen eine Repräsentanz des Islams, damit er aus den Hinterhöfen hervorkommen kann. Wir wollen den Religionsunterricht nicht länger den Koranschulen überlassen, sondern der überwiegenden Mehrheit friedliebender Muslime auch im Rahmen etwa der öffentlichen Schulen ein Angebot machen. Gleiches gilt für die ImamAusbildung.
Niedersachsen war – wir haben das dieser Tage gelesen – schneller als wir. Niedersachsen will als erstes Bundesland den „echten Religionsunterricht“ für Muslime einführen. Dort ist es schon gelungen, eine Repräsentanz des Islams zu etablieren. Auch in Hessen und Hamburg haben bereits Ansprechpartner in den politischen Raum gefunden, die als Körperschaft des privaten Rechts an
NRW soll und darf hier nicht hinterherhinken. Im Gegenteil: Wir müssen uns eine Vorreiterrolle neu erarbeiten. Denn in keiner EU-Region leben mehr Muslime als in unserem Bundesland.
Wir wissen um die Schwierigkeiten, einen zentralen Ansprechpartner zu finden. Wir vertrauen aber auf die Dialogbereitschaft der Muslime. Der Antrag aller Fraktionen auf ein gemeinsames Gremium des Landtags ist ein deutliches Signal in diese Richtung. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung begrüßt den von den Fraktionen vorgelegten Antrag ausdrücklich, unterstreicht er doch noch einmal den Konsens dieses Hauses und der Landesregierung, den in unserem Land lebenden Bürgerinnen und Bürgern muslimischen Glaubens adäquat und auf Augenhöhe zu begegnen.
Insofern gab und gibt es nirgendwo den Vorbehalt, warum sich jetzt auch noch der Landtag um diese Angelegenheit kümmert. Im Gegenteil ist es geradezu richtig, dass sich der Landtag auch um diese Frage kümmert. Denn das, was eine interministerielle Arbeitsgruppe mit einer Unterarbeitsgruppe Dialog mit dem Islam leistet, ist etwas völlig anderes als der Konsens aller demokratischen Kräfte, die sich in diesem Landtag wiederfinden, ebenfalls gegenüber den muslimischen Bürgern im Land zu signalisieren, dass sie als Religionsgemeinschaft anerkannt und willkommen sind. Wir wollen, dass sie beispielsweise in der Schule oder auch an anderen Orten so stattfindet wie die anderen Religionen, die es bei uns gibt.
Insofern war es ermutigend, dass Papst Benedikt XVI. bei seinem Besuch anlässlich des Weltjugendtages ausdrücklich gesagt hat, auch Muslimen stehe das Recht zu, Identität in eigenem Religionsunterricht zu finden. Das Passstück dazu ist die islamische Vertretung, die wir brauchen. Außerdem sind es die Regeln, die wir setzen. Es sind die gleichen Regeln, die wir für die christlichen Religionen setzen: unter deutscher Schul
Genau das macht Integrationspolitik deutlich. Insofern ist es wichtig, dass an der Stelle kein parteipolitischer Streit darüber entsteht, erst recht sollten nicht, wenn man vielleicht einmal kurz davor ist, mit einer Religionsgemeinschaft ein Abkommen zu schließen, die anderen dann parteipolitisch genutzt werden, um das Ganze zu torpedieren. Wenn Integrationsoffensive vom Landtag und allen dort vertretenen vier Fraktionen getragen wird, ist das sehr hilfreich. Das kann eine Landesregierung allein eigentlich nicht leisten. Denn eine Landesregierung steht immer im Spiel zwischen Regierung und Opposition. Und wenn Opposition in einem solchen Prozess nicht mitginge, wäre ein Erfolg in der Integrationspolitik sehr schwierig.
Sehr wichtig ist für mich auch die Frage, ob mit den islamischen Verbänden Integrationspolitik stattfindet. Ich glaube, sehr viele Zuwanderer legen Wert darauf, dass nicht die islamischen Verbände unsere alleinigen Ansprechpartner in Sachen Integrationspolitik sind. Die kommunalen Migrantenvertretungen sind demokratisch gewählte Vertreter der Zuwanderer vor Ort, die mit vielen anderen unsere ersten Ansprechpartner sind. Dialog mit dem Islam ist nicht identisch mit Integrationspolitik allein. Dialog mit dem Islam betrifft die Menschen, die als Muslime glauben. Das ist längst nicht die überwiegende Mehrheit der bei uns lebenden Zuwanderer. Wir müssen deshalb darauf achten, nicht jeden Zuwanderer, jeden türkischen Staatsbürger gleich zu einem gläubigen Muslim zu erklären. Denn auch dort gibt es Religionsfreiheit. Insofern ist diese Differenzierung wichtig.
Es ist beschrieben worden, dass wir nicht am Punkt null beginnen, sondern auch die frühere Landesregierung schon große Anstrengungen unternommen hat und es bisher eher an den muslimischen Verbänden als an der Landesregierung, dem Landtag, seinen Fraktionen und allen, die bemüht sind, liegt, sich auf eine einheitliche Vertretung zu verständigen.
An der Stelle müssen wir schon die Botschaft klarmachen: Wir warten nicht bis zum SanktNimmerleins-Tag. Wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Einigungsmöglichkeiten unter den islamischen Verbänden gibt, müssen wir notfalls mit einem, zweien oder in welcher Konstellation auch immer mit dem Religionsunterricht beginnen. Solange dieser Religionsunterricht nicht stattfin
det, ist eine ganze Generation von Schülern eben nicht religiös unterwiesen worden. Diese Unterweisung fände weiter außerhalb der Schule statt. Wir sollten uns die laufende Legislaturperiode als Zeitrahmen setzen und an ihrem Ende den Religionsunterricht auch in Nordrhein-Westfalen so haben, wie ihn sich andere Bundesländer ebenfalls vorgenommen haben. Notfalls sollten wir dann mit dem starten, der zu den entsprechenden Bedingungen, die wir für Integration formuliert haben, bereit ist, den ersten Schritt zu machen.
Der Prozess wird kompliziert. Dieser betrifft Fragen des Staatskirchenrechts, die federführend von der Staatskanzlei behandelt werden. Die Schulministerin ist bezüglich des Religionsunterrichts sowie der Ausbildung der Religionslehrer gefragt. Der Integrationsminister ist bei den Kontakten zu den Verbänden der Zuwanderer gefragt. Deshalb haben wir in der letzten Woche diese interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, die eine Untergruppe Dialog mit dem Islam hat.
Die Landesregierung bietet an, in dieser Frage ganz eng mit dem Landtag zusammenzuarbeiten. Nach Ihrem Antrag, wenn ich ihn richtig verstanden habe, haben Sie den Integrationsbeauftragten hinzu geladen. Aber auch die Minister, die in diesem Feld arbeiten, stehen dem Landtag jederzeit zur Verfügung.
Vielen Dank, Herr Minister Laschet. – Meine sehr verehren Damen und Herren, ich schließe damit die Beratung.
Alle vier Fraktionen des Hauses haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht und direkte Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag Drucksache 14/1103 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag aller vier Fraktionen vom Landtag einstimmig angenommen worden.
2 Kreativität freisetzen und Kräfte bündeln – Trendwende in der Innovationspolitik Nordrhein-Westfalens
Der Ministerpräsident hat mit Schreiben vom 24. Januar mitgeteilt, dass der Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie,