Zweitens können wir es uns aus Sicht der demographischen Entwicklung – deshalb braucht man kein soziales Gewissen zu haben; es ist von der Nüchternheit geboten – nicht mehr leisten, dass ganze Jahrgänge von Schülern ihre Potenziale nicht nutzten.
Wie ist denn die Entwicklung? Sie kommen in die Grundschule, sprechen schon die Sprache nicht, sind dann auch schlechter in Fächern wie Mathematik.
Ihr Weg in die weiterführende Schule ist vorgegeben. Sie haben erneut Erfahrungen mit dem Scheitern und haben auch auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Das können wir uns für Tausende von Kindern in diesem Land aufgrund der Demographie nicht mehr leisten. Eine älter werdende Gesellschaft braucht gut ausgebildete Schüler.
Individuelle Förderung und soziale Gerechtigkeit setzen eine bessere frühere Förderung voraus. Ich habe über die Sprachbiographie gesprochen, die wir vom vierten Lebensjahr an gemeinsam mit den Grundschulen so fortschreiben wollen, dass das, was im vierten Lebensjahr festgestellt und gefördert worden ist, in der Schule mit der gleichen Systematik fortgeführt werden soll. Wir werden den Grundschulen mit besonders schwierigen Standortbedingungen neben den vorhandenen sozialpädagogischen Fachkräften zusätzliche Lehrer für individuelle Förderung zur Verfügung stellen. Allein 2006 sind es 600 Stellen für die Grundschulen.
derbedarf dafür gesorgt, dass Förderangebote, Fördermöglichkeiten und zusätzliche Personalressourcen wirkungsvoll den Kindern zugute kommen, die darauf angewiesen sind.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Eltern wählen auch in Zukunft, Frau Kollegin Schäfer, grundsätzlich für ihr Kind die Schulform der Sekundarstufe I. Wenn allerdings absehbar ist, dass ein Kind für eine Schulform evident nicht geeignet ist, wollen wir dieses Kind keinem absehbaren schulischen Misserfolg aussetzen.
Ob einem Kind offensichtlich die Eignung fehlt, wird nicht nur die Grundschule feststellen. Natürlich gibt es eine Beratung mit der weiterführenden Schule. Erst wenn die Eltern trotz Beratung bei ihrem Wunsch bleiben, gibt es den dreitägigen Prognoseunterricht.
Insofern sind wir dankbar für den Antrag, den die Fraktionen von CDU und FDP vorgelegt haben. Wir wollen die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern verbessern. Wir wollen die Qualitätsentwicklung und Profilbildung der Schulen weiterentwickeln. Wir wollen die Schulen selbstständig und eigenverantwortlicher machen. Wir werden konkrete Maßnahmen für die Herausforderungen durch die demographische Entwicklung ergreifen, zum Beispiel durch die Möglichkeit, kleine Grundschulen zu Grundschulverbünden zusammenzufassen.
Wir wollen diejenigen stärken, von denen die Wirksamkeit unserer Schulen und die Zukunftschancen unserer Kinder letztlich abhängen. Das sind die Lehrerinnen und Lehrer. Dies betrifft sowohl die Abschaffung der Drittelparität als auch die stärkere Eigenverantwortung für die Schulen.
Und wenn das mit den Gutachten so eingeleitet wird, wie das jetzt beschlossen ist, Frau Kollegin Schäfer, dann heißt das natürlich, dass das mehrgliedrige Schulsystem durchlässiger werden muss. Es ist eine ganz wichtige Änderung in der Systematik, dass nämlich jetzt …
Nein, Entschuldigung, es ist nicht das Gegenteil. Wenn Sie gescheiterte Schüler mit entsprechenden Erfahrungen haben, ist das etwas anderes, als wenn sie die Schule verpflichten, in jedem Jahrgang festzustellen, ob die Kinder nicht in eine höhere Schule gehen können.
Es ist in der Systematik etwas völlig anderes, wenn in jedem Jahr – und nicht nur nach Klasse 10 – ein Aufstieg in die andere Schulform möglich wird. Wenn die Schule darauf verpflichtet wird, dass sie dies untersucht, dann ist das etwas anders, als Sie es bisher gemacht haben.
Mit unserem Konzept der Schulzeitverkürzung am Gymnasium bis zum Abitur wird auch die Durchlässigkeit des Schulsystems am Ende der Klasse 10 verbessert. Hauptschüler, Realschüler, Gesamtschüler können sich bei entsprechenden Voraussetzungen anders als beim Konzept der alten Regierung für eine gymnasiale Oberstufe ihrer Wahl anmelden und in drei Jahren die allgemeine Hochschulreife erwerben. Besonders leistungsstarke Real- und Gesamtschüler können dabei wie Gymnasiasten ihr Abitur nach insgesamt zwölf Jahren ablegen.
Schülerinnen und Schülern werden damit am Ende der Sekundarstufe I entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit alle Optionen für die Fortsetzung ihres Bildungsweges und für weiterführende Schulabschlüsse ermöglicht werden. Dazu gehört im Übrigen auch das Berufskolleg. Die Möglichkeiten, dort zum Abitur zu gelangen, werden wir noch stärker in der Öffentlichkeit bekannt machen. Wir werden dafür sorgen, dass die Schulaufsicht mit fachlichem Hintergrund und konkreter Erfahrung die Schulen unterstützt. Hierbei wird künftig nicht die Aufsicht, sondern die Beratung im Vordergrund stehen.
Wir bringen die Schulen in einen fairen Wettbewerb, der Leistung fördert und unterstützt. Wir schaffen die gleichen Bedingungen für diesen Wettbewerb. Diese Debatte bietet die große Chance – und Ihre Anträge ebenso –, dass die Bürgerinnen und Bürger Alternativen vor Augen haben. Die Alternativen liegen hier auf dem Tisch. Ich bin überzeugt: Wenn die Bildung in NordrheinWestfalen wieder besser wird, wenn wir wieder ein starkes Land sind, dann haben sich diese Alternativen auch für die Bürger in diesem Land gelohnt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Laschet, ich gestehe ohne Weiteres zu, die Welt in der Schule war nicht hundertprozentig in Ordnung; sie hätte vor dem 22. Mai besser sein können.
Das gestehe ich Ihnen ohne Weiteres zu, aber ich glaube nicht, dass Sie das Ziel eines besseren oder des modernsten Schulsystems erreichen, indem Sie eine völlig falsche und völlig veraltete Richtung einschlagen, wie Sie sie jetzt mit dem neuen Schulgesetz vorgeben.
Herr Minister, ich wundere mich auch ein bisschen über Ihre Ausführungen zum Thema Schuleinzugsbezirke. Als Integrationsminister müssten Sie ein starkes Interesse daran haben, dass Migranten und Kinder von Migranten nicht ausgegrenzt werden.
Durch die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke werden Schülerinnen und Schüler ausgegrenzt. Gerade wegen der Schulbezirke mit einem hohen Migrationsanteil – Herr Witzel, das wissen Sie vielleicht nicht und kennen es möglicherweise nur aus dem Fernsehen, aber ich weiß, wovon ich rede – sollten Sie ein großes Interesse daran haben, Herr Minister Laschet, dass diese Abschaffung der Schuleinzugsbezirke nicht passiert. Ich wundere mich ein bisschen, denn als Integrationsminister haben Sie vor ein paar Wochen die Abschaffung der Schuleinzugsbezirke noch völlig kritisch gesehen. Heute dagegen verteidigen Sie sie und singen das hohe Loblied darauf. Das passt aus meiner Sicht nicht ganz zusammen.
Kommen wir jetzt aber zu dem von Ihnen vorgelegten Antrag: In Ihrer ganz eigenen bescheidenen Art sprechen Sie gleich in der Überschrift davon, dass NRW durch Sie das modernste Bildungssystem in ganz Deutschland erhalten wird. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, aber Hochmut kommt vor dem Fall.
es viel Applaus für Ihr Gerede über den schlanken Staat und über Bürokratieabbau. Ihre Parole war „Mehr Eigenverantwortung wagen“. So weit die schwarz-gelbe Theorie.
Schauen wir uns doch mal die Praxis an. Wo ist denn der Bürokratieabbau in Ihrer Schulpolitik? Wo bleibt denn die versprochene Eigenverantwortung? – Wir haben in den letzten Wochen bereits viel zum Thema Schulgesetz im Plenum, im Ausschuss und übrigens auch in der Anhörung – nicht viele von Ihnen waren dabei, Herr Kaiser wohl – vernommen, wo es auch um dieses Thema ging. Ich finde es deswegen richtig, dass man sich heute einmal einige kleine Punkte herausgreift und ein bisschen detaillierter darauf schaut.
Bislang wurden beispielsweise die Schulleiter regelmäßig durch den Rat als Schulträger gewählt. Künftig soll diese Aufgabe den Schulkonferenzen zufallen, allerdings, Frau Pieper-von Heiden, völlig ohne Schülerbeteiligung – das haben Sie nämlich gerade verschwiegen –, denn minderjährige Schüler sind eben bei dieser Wahl in der Schulkonferenz ausgeschlossen.
Natürlich ist es so! Und wenn Sie demnächst die Einschulung auf fünf Jahre vorziehen und das Abitur nach zwölf Jahren einführen, dann sind das – fünf plus zwölf kann ich auch rechnen – 17. Da werden wir nicht so richtig viele Schüler haben, die mitwählen dürfen. Sie haben davon also die Schüler ausgeschlossen, und das heißt für sie wohl gelebte Demokratie.
Ich frage Sie ausdrücklich: Warum und vor welchem Hintergrund wollen Sie eigentlich den Gemeinden das Recht nehmen, die Schulleitung zu besetzen? Schulen sind integraler Bestandteil des öffentlichen Lebens in einer Gemeinde. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass es dort ein vertrauensvolles Verhältnis gibt. Sie gehen nun hin und setzen den Kommunen die Schulleiter praktisch vor die Nase und entziehen der bisherigen Vertrauensbasis den Boden.
Ein echtes Mitspracherecht der Schulträger ist da Fehlanzeige, und Eigenverantwortung für Kommunen sieht nach meiner Ansicht auch völlig anders aus.
rufskollegs abschaffen. Was ist das für ein Verständnis von mehr Eigenverantwortung, wenn Städte und Gemeinden künftig keine effektive Schulentwicklungsplanung mehr betreiben können? – Die Reaktion der Sachverständigen auf diese Pläne während der Anhörung vor einigen Tagen spricht doch auch Bände: Egal ob GEW- oder VBE-, CDU- oder SPD-geführte Kommunen, die Statements der Experten waren einhellig und eine schallende Ohrfeige für die Regierung.
Möglicherweise haben Sie von den beiden Gewerkschaften oder gerade von der GEW keinen Applaus erwartet, aber wie reagieren Sie eigentlich auf die Kritik der Kommunen, auf die Kritik von vielen CDU-Bürgermeisterinnen und -Bürgermeistern, die sehr deutlich und nachvollziehbar Ihre vorgelegten Pläne kritisieren? Wie gehen Sie mit der Schelte des Städtetages und des Städte- und Gemeindebundes um?
Herr Claus Hamacher stellt fest: 195 von 225 Gemeinden erwarten erhebliche Probleme durch die Abschaffung der Bezirke.
Selbst die Mc Kinsey Company kann nicht mehr als zarte Hoffnungen an die Aufhebung der Schuleinzugsbezirke knüpfen. Auch Sie von der CDU waren bis vor ein paar Monaten noch strikt gegen eine Auflösung der Schuleinzugsbezirke. Das haben Sie wohl alles schon vergessen.