Protocol of the Session on January 18, 2006

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Fahren Sie doch einmal zu MAN-Turbo und reden Sie mit denen darüber, was die von Ihren Energieszenarien halten. Die freuen sich, dass sie inzwischen am Neubau eines Reaktors in Finnland wenigstens mit Lieferungen teilnehmen dürfen. Ich sage Ihnen, dass mir solche Entwicklungen nicht gleichgültig sind. Mir sind diese schon gar nicht gleichgültig, wenn ich den Stolz, den viele in diesem Hause immer wieder vorgetragen haben, über den Zustand und das Niveau der Forschung bei der Brennstoffzelle und ihrer möglichen frühzeitigen Anwendung berücksichtige, aber wir dann die Aussage darüber verweigern, wie wir uns denn, ohne 15 oder 20 Jahre länger zu warten, die Produktion des Wasserstoffs vorstellen. Es kann ja sein, dass wir für die Nutzung im Inland keine Mehrheit mehr finden. Aber das sind teure Wege, die wir uns dann leisten. Dann werden wir

das am Ende aus Südafrika und China importieren.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich werde dann wiederum Ihre Klage hören.

Was die Energieeffizienz angeht, so bin ich sehr einverstanden damit, auf diesem Gebiet sehr ehrgeizige Ziele zu verfolgen. Das tun wir aber zum Beispiel im Bereich der Kraftwerkserneuerung. Das tun wir bei Forschungsvorhaben bis zum schadstofffreien Steinkohlekraftwerk. Es gibt andere Elemente, da sind wir noch nicht so weit. Aber glauben Sie nicht, dass Sie uns Versäumnisse vorwerfen können in Bezug auf die Nutzung eines Programms, bei dem die KfW gerade die Einzelheiten der Konditionen zwischen den Bundesressorts verabschiedet. Seien Sie ganz beruhigt: Nordrhein-Westfalen wird kräftig daran teilhaben.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Sie schlafen nach wie vor!)

Wenn Sie nicht eine solch lange Klausurtagung gehabt und mich gestern beim Besuch der Deubau begleitet hätten, hätten Sie zum Beispiel erkennen können, wie weit unsere Verabredungen mit der Energieagentur des Landes sind, um landesweit für dieses Programm nicht nur zu werben, sondern auch den Kontakt zu denen zu suchen, die dann die Entscheidungen über Investitionen zu treffen haben. Seien Sie ganz beruhigt.

Herr Römer, ich bestätige gerne und nachdrücklich, dass die Bergleute eine harte und ehrliche Arbeit leisten; aber ich bestätige das auch vielen anderen Arbeitnehmern. Wenn Sie am Montag beim Jahresauftakt gewesen wären und mitbekommen hätten, mit welcher Begeisterung die Unternehmer – drei waren es, es sind „Hidden Champions“ – von der Qualität und Motivation ihrer Mitarbeiter geschwärmt und gesagt haben, das sei maßgeblich für ihren Markterfolg, dann dürfen Sie nicht eine Gruppe von Arbeitnehmern neben eine andere stellen und versuchen, irgendetwas Besonderes daraus zu machen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich sage Ihnen – die Aussage hören Sie nicht gerne, aber die Bevölkerung muss sie kennen, damit sie versteht, warum wir was wollen –: Mehr als 50 % des Etats des Wirtschaftsministers fließt an 38.000 Arbeitsplätze im Steinkohlenbergbau, und 1 Million Menschen in Nordrhein-Westfalen suchen Arbeit. Das halte ich für eine Schieflage.

(Beifall von CDU und FDP)

Was die Versorgung mit Steinkohle angeht: In Bezug auf Ihre Vereinbarungen im Kohlekompromiss haben Sie doch sicher einmal gerechnet, welchen Beitrag die heimische Steinkohle am Ende überhaupt noch leisten kann. Dieser liegt deutlich unter 10 %.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Fünf!)

Deshalb: Sprechen Sie doch mit den Menschen ehrlich darüber, dass jetzt schon 60 % der in Nordrhein-Westfalen verbrauchten Steinkohle importiert wird.

(Beifall von der FDP)

Das macht man doch nicht, weil man ökonomisch dumm und umweltpolitisch blind ist, sondern weil die Produktionskosten dieser wertvollen Reserve in unserem Land trotz aller Effizienzsteigerung, trotz weltweit führender Bergbautechnik dreimal so hoch sind wie die Kosten, die man trotz explodierender Weltmarktpreise derzeit für die importierte Kohle zahlen muss. Ich kenne keine Prognose – deshalb müssen wir in Ruhe darüber reden, das werden wir auch tun –, die besagt, dass es darauf hinauslaufen könnte, dass wir mit unserer heimischen Steinkohle Produktionskosten haben, die irgendwo in der Nähe von Weltmarktpreisen liegen können. Wenn Ihnen anderen Zahlen zugänglich sind, gerne. Zeigen Sie sie mir!

Zum Tariftreuegesetz: Viele Menschen wissen nicht – und Sie wollen auch nicht, dass sie es erfahren –, dass uns alle Experten, alle, die damit umgehen müssen, dringend ersuchen, das Gesetz abzuschaffen, weil es nicht administrierbar ist.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das stimmt nicht! Siehe Minden! – Zuruf von der SPD: Außer den Gewerkschaften!)

Das ist schön. Auf den Zwischenruf habe ich gewartet. Was hat das Tariftreuegesetz – es ist jetzt in Kraft – an dem Ereignis gerüttelt, das Sie beklagen?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Es ist nicht an- gewandt worden!)

Dann fragen Sie mal jemanden, der es anwenden will, was er tun soll. Wenn Sie ehrlich auch mit den Bauarbeitern umgehen, dann würden Sie ihnen sagen, dass der Schutz, den Sie angeblich mit diesem Gesetz organisieren wollen – wenn überhaupt – viel besser mit einem Entsendegesetz zu erreichen ist als mit Tariftreue.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Nein!)

Doch. Wir haben schon innerhalb NordrheinWestfalens unterschiedliche Tarife; lassen Sie sich das einmal erklären.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das brauche ich mir nicht erklären zu lassen!)

Je nach Schwerpunkt des Unternehmens gehört das eine dem Gartenbautarif an, das andere dem Tiefbautarif.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Weil es verschie- dene Gewerke sind!)

Nein, sie bieten dieselbe Leistung an. Ich muss Sie enttäuschen. Es ist dem Auftraggeber zum Beispiel auch nicht gestattet, einen Tarifvertrag vorzuschreiben. Das ist alles „weiße Salbe“.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das ist Unwis- senheit, Frau Ministerin!)

Alle Ihre Fachleute, die das früher aus dem Ministerium heraus begleitet haben, ob sie Schwanhold oder Behrens hießen, haben uns die Vermerke hinterlassen, mit denen sie vor der Einführung dieses Gesetzes gewarnt haben. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Abgeordnete Eumann, SPD-Fraktion, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine persönliche Vorbemerkung zu Beginn: Mein Kollege Priggen hat richtigerweise vom „Barcelona-Prozess“ in der „Lissabon-Strategie“ gesprochen. Beides sind wunderbare Städte, die eine in Portugal und die andere in Spanien.

Ich hatte bei den Ausführungen des Kollegen Brockes ein bisschen das Gefühl, als müssten wir Ihnen ein Geschichtsseminar empfehlen; denn der Hinweis auf den Neoliberalismus als Grundlage für soziale Marktwirtschaft, Herr Brockes, ist wirklich hanebüchen. Mit Blick auf Ihr Engagement im Bundesrat habe ich große Sorge, Herr Brockes, dass die Stimme des wichtigsten Landes dieser Republik über Ihre Differenzen im Bundesrat blockiert wird und wir damit nicht die Chancen nutzen können, die die große Koalition in Berlin dem Land Nordrhein-Westfalen bietet. Also klären Sie Ihre Differenzen in der Koalition, damit wir im Bundesrat gemeinsam für Nordrhein-Westfalen und die Interessen unseres Landes streiten und kämpfen können.

(Beifall von der SPD)

Zum Thema Wahrnehmung: Den Bericht, den Frau Thoben vorgestellt hat, habe ich sehr genau gelesen, Herr Dr. Droste. Ich darf zitieren – auf Seite 23 steht –:

„NRW-Wirtschaft wächst 2005 im Gleichschritt mit der deutschen. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Konjunktur … wieder aufwärts gerichtet … Das BIP Nordrhein-Westfalens ist nach der Berechnung des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder in der ersten Hälfte“

das steht in dem Bericht –

„von 2005 … sogar etwas rascher als im Bundesgebiet …“

So das RWI in seinem Konjunkturbericht. Deswegen geht es hier darum, Patente zu sichern. Das, was da passiert, ist das Ergebnis des Zusammenwirkens eines wirtschaftlichen Aufschwungs weltweit – davon profitiert die NRW-Wirtschaft überproportional – und der Rahmenbedingungen, die selbstverständlich Minister Schartau gelegt hat.

Wenn das RWI als Überschrift „Die Belebung setzt sich fort“ wählt, heißt das, es wird nicht bei null begonnen, Frau Ministerin Thoben. Das war im Schwanengesang von Herrn Droste schon etwas anders formuliert. Also: Es wird aufgesetzt.

Was wir wollen, ist nur eines: Wir wollen nicht, dass Nordrhein-Westfalen schlechter geredet wird, als es ist, aber wir wollen gleichzeitig nicht, dass die Dinge schöner geredet werden, als sie sind, sondern wir wollen eine klare und nüchterne Analyse. Wenn der Finanzminister in seiner Rechnung 1,8 % Wachstum zugrunde legt und Frau Thoben vorsichtige 1,4 oder 1,5 % nennt, freue ich mich über die 1,8 %, und wenn es mehr wird, ist das gut für Nordrhein-Westfalen.

Da, Frau Thoben, mache ich Ihnen einen Vorwurf mit Blick auf Ihre erste Einlassung heute Morgen. Unter Ihren Perspektiven fand sich kein Wort zum Thema Beschäftigung, kein Wort zu den Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen. Denn Walter Haas hat völlig Recht, wenn er heute sagt: Wachstum muss zur Beschäftigung werden.

(Beifall von der SPD)

Darauf geben Sie in Ihren Perspektiven, meine Damen und Herren von der Regierung keine Antwort. Das taucht bei Ihnen nicht auf.

Der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit NordrheinWestfalens liegt in der Innovation, und ich bin froh, wenn Priggen beim Thema Effizienz Gabriel

zitiert, und stimme Priggen ausdrücklich zu. Nur mit innovativen Produkten, Verfahren, Dienstleistungen und damit verbunden mit hoch qualifizierten Fachkräften wird Nordrhein-Westfalen auch zukünftig nachhaltiges Wachstum, sichere Arbeitsplätze und gesellschaftlichen Wohlstand sichern und aufbauen können.

Auch da, Frau Thoben, mein Vorwurf an Ihre Adresse: Ich kenne zwar Ihre Ressortverteilung, aber dass Sie anders als Ihr Vorgänger in Ihren Perspektiven kein Wort zu den Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen und deren Bedeutung beim Innovationsprozess in diesem Land sagen, das ist ein wirklicher Makel. Denn nur mit Unternehmern, die etwas unternehmen, und nur mit hoch qualifizierten Beschäftigten wird man diesen Prozess der Innovation in Nordrhein-Westfalen erfolgreich auf den Weg bringen können. In Ihren Perspektiven findet sich zu den Beschäftigten und den Anforderungen kein Wort.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Doch, Sie hat etwas sagen lassen durch Unternehmer!)

Sie hat etwas sagen lassen, aber weder heute hier noch in den Perspektiven.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)