Protocol of the Session on January 18, 2006

sondern dazu gehört auch, dass wir im nordrheinwestfälischen Parlament unsere ureigenen nordrhein-westfälischen Interessen gegenüber der hessischen Landesregierung wahrnehmen.

(Beifall von CDU und FDP)

Lieber Herr Kollege Wißen, da gilt für uns, für die nordrhein-westfälische Landesregierung: Zuerst das Land und dann die Partei! Bitte schreiben Sie sich das ins Stammbuch, denn das werden Sie an anderer Stelle in der Politik der Landesregierung noch häufiger erfahren. Wir nehmen zuallererst einmal nur ureigene nordrhein-westfälische Inte

ressen wahr. Dafür sind wir gewählt worden, und da sehen wir uns in der Verantwortung.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie das mal Herrn Solf!)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Flughafen Paderborn/Lippstadt verfügt derzeit über eine Start- und Landebahn von 2.180 m, über ein Instrumentenlandesystem und über moderne Fluggastabfertigungsanlagen. Er hat im Jahr 2005 ca. 1,35 Millionen Fluggäste abgefertigt. Er ist über die Autobahn A 44 ausgezeichnet zu erreichen.

Um Flüge zu entfernteren Mittelstreckenzielen, beispielsweise zu den Kanarischen Inseln, bei voller Nutzlast abwickeln zu können, ist in der NRWLuftverkehrskonzeption 2010, die von allen Parteien hier im Landtag mitgetragen worden ist, eine Verlängerung der Start- und Landebahn auf ca. 2.500 m vorgesehen. Das Planfeststellungsverfahren wird voraussichtlich bereits im nächsten Monat eingeleitet werden, nachdem die Flughafengesellschaft alle erforderlichen Gutachten und sonstigen Unterlagen beigebracht hat.

Meine Damen und Herren, ich will gleich eine Ankündigung anschließen: Dieses Planfeststellungsverfahren wird nach Recht und Gesetz, aber schneller als in Münster/Osnabrück, wo Sie zehn Jahre gebraucht haben, um die Verlängerung der Start- und Landebahn zu genehmigen, vorangetrieben, weil wir uns nicht weiter abhängen lassen wollen von anderen Bundesländern oder europäischen Nachbarstaaten.

(Zuruf von der SPD: Zum Beispiel Hessen!)

Der Verkehrslandeplatz Kassel-Calden verfügt bisher über eine Start- und Landebahn von 1.500 m, die für einen Mittelstreckenflugbetrieb, insbesondere für weite Mittelstreckenziele, nicht ausreicht. Da die vorhandene Startbahn aus topographischen Gründen nicht verlängert werden kann, plant der Flugplatzbetreiber in vollem Einvernehmen mit der hessischen Landesregierung den Neubau einer 2.500-m-Bahn. Auch die Region Kassel ist über die Autobahn A 44 und andere Autobahnen gut erschlossen. Der Flughafenbetreiber setzt ausdrücklich auf das Engagement leistungsfähiger – was immer das sein mag – Billiganbieter.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, damit ist die Grundproblematik des hessischen Vorhabens beschrieben: Kassel-Calden soll einen Ausbauzustand erhalten, den der Flughafen Paderborn/Lippstadt bereits heute, weitgehend jedenfalls, vorzuweisen hat. Er zielt auf dasselbe Angebotssegment ab wie der Flughafen Pader

born/Lippstadt. Die Einzugsbereiche beider Flughäfen überlappen sich in erheblichem Umfang.

Die in dem jetzt zur Debatte stehenden Antrag geäußerte Vermutung, der Flugbetrieb an einem wie beschrieben ausgebauten Flughafen KasselCalden gehe zulasten des Flughafens Paderborn/Lippstadt, ist deshalb zutreffend. Die Flughafen Paderborn Lippstadt GmbH schätzt den zu erwartenden Passierrückgang auf ca. 30 %.

Daher habe ich bereits im Oktober letzten Jahres gegenüber der hessischen Landesregierung meine Bedenken wegen der Auswirkungen geltend gemacht. Die Prüfung der Frage, welche Möglichkeiten die Landesregierung hat, um diese unerwünschten Auswirkungen zu vermeiden, ist bei mir negativ ausgelaufen; denn es gibt kaum rechtliche Möglichkeiten, um etwa auf die hessische Luftfahrtbehörde einzuwirken. Allerdings hat diese, wie jede Planfeststellungsbehörde, zu prüfen, ob das Vorhaben erforderlich, das heißt: vernünftigerweise geboten ist. Insoweit spielt die Bedarfsfrage eine erhebliche Rolle.

Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst in einem Urteil zum Flughafen München hervorgehoben, dass der Eintritt einer prognostizierten Bedarfslage bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein müsse. Andernfalls handele es sich um eine unzulässige Vorratsplanung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Flugplatzes Kassel-Calden ist eingeleitet und daher nach Recht und Gesetz durchzuführen. Einwirkungen auf den Prüf- und Abwägungsvorgang zum Beispiel durch den Bund oder NordrheinWestfalen wären nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar. Diesen Standpunkt würde ich selbstverständlich auch für Vorhaben in Nordrhein-Westfalen vertreten. Ich sage aber ganz deutlich: Wir haben schon heute erhebliche Zweifel daran, ob die Bedarfsdeckung, die notwendig ist, um Kassel-Calden neu bauen zu können, tatsächlich gegeben ist.

Ob eine länderübergreifende Luftverkehrspolitik eine Konkurrenzsituation zwischen einzelnen Flughäfen vermeiden könnte, wird sich erweisen müssen.

Einen Ansatz bietet die Initiative Luftverkehr, die in den letzten Jahren unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Verkehr und unter Beteiligung der Länder unter anderem Grundsätze für die Entwicklung der Flughafeninfrastruktur in Deutschland erarbeitet hat. Im Rahmen des Erarbeitungsverfahrens sind die Länder mit Erfolg und –

wie ich meine – aus guten Gründen Tendenzen zur Zentralisierung auf die Flughäfen Frankfurt und München entgegengetreten.

Eine Koordinierung der Flughafenplanungen auf Bundesebene ist zu begrüßen, eine Zentralisierung aber abzulehnen.

In dem Antrag ist die Frage der Kooperation der Flughäfen Paderborn und Kassel angesprochen worden. Kooperationen zwischen Flughäfen sind grundsätzlich zu begrüßen. Sie können aber nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn die Interessenlagen der betreffenden Flughäfen im Einklang stehen.

Hier dürfte realistischerweise kein Interesse des Betreibers von Kassel-Calden bestehen oder zu erwecken sein, auf das Neubauvorhaben zugunsten einer Kooperation mit Paderborn zu verzichten. Auch eine in dem Antrag angesprochene Verbesserung der Anbindung der Region Nordhessen an den Flughafen Paderborn dürfte keinen Verzicht auf das Ausbauvorhaben erwarten lassen.

Somit könnte wohl nur eine Neupositionierung der hessischen Landesregierung in der Finanzierungsfrage Einfluss auf die Realisierung des Ausbaus von Kassel-Calden haben. Angesichts der neuen gemeinschaftlichen Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen der Europäischen Union sowie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dieser Frage bleibt abzuwarten, ob und in welchem Umfang die hessische Landesregierung die in dem Antrag angesprochene Absicht realisieren kann, das Ausbauvorhaben mit öffentlichen Mitteln in Höhe von 151 Millionen € tatsächlich zu fördern.

Ich hege in der Tat Zweifel, ob sich die hessische Landesregierung mit ihrem Ausbauvorhaben auch europarechtlich auf der sicheren Seite befindet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir zum Abschluss noch folgende Anmerkung: Sollten die Bemühungen, einen Ausbau von Kassel zugunsten einer Kooperation zu vermeiden, nicht den gewünschten Erfolg haben, ist es umso wichtiger, den Flughafen Paderborn/Lippstadt so zu stärken, dass er auch in einem Wettbewerb mit dem Flughafen Kassel bestehen kann.

Hierfür bietet die angestrebte Verlängerung der Start- und Landebahn auf ca. 2.500 m gute Voraussetzungen. Ich freue mich ganz besonders, dass Sie, Herr Kollege Becker, für Ihre grüne Landtagsfraktion heute noch einmal deutlich ge

macht haben, dass Sie zu den Ausbauplänen in Paderborn/Lippstadt und zu der Luftverkehrskonzeption des Landtags aus der alten Legislaturperiode stehen.

Wenn wir nordrhein-westfälische Interessen wahrnehmen wollen, dann sollten wir das gemeinsam mit einem starken und einmütigen Votum dieses Landtags tun. Von daher ist die heutige Debatte ein wichtiges Signal in Richtung Hessen gewesen. Dafür bedanke ich mich bei allen vier Fraktionen des Landtags ganz besonders, insbesondere aber auch bei der Landtagsfraktion der Grünen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, mir liegt noch eine Wortmeldung von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Bitte schön, Herr Keymis, Sie haben noch eine Minute und 36 Sekunden Redezeit.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, jetzt müssen wir schon wieder in die Bütt, weil Sie sich nicht konzentrieren und nicht zuhören. Herr Kollege Becker hat ausdrücklich gesagt, dass er den Standort für tragfähig hält, dass er die Verlängerung nicht für notwendig hält und dass er eine Überarbeitung des Luftverkehrskonzeptes als eine Voraussetzung für zukunftsweisende Verkehrspolitik im Luftbereich ansieht. Das hat er im Namen der Fraktion der Grünen gesagt.

Sie sollten wirklich besser zuhören – wie ich – ich darf mir diesen Halbsatz noch erlauben – überhaupt finde, dass Sie konzeptionslos argumentieren, weil Sie Argumente, die Sie gegenüber Kassel-Calden anwenden, für Nordrhein-Westfalen nicht gelten lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

In dem Moment, in dem eine Landesgrenze dazwischen liegt, gilt das, was wir für NordrheinWestfalen sagen, nicht. Für Sie gilt das aber in dem Moment, in dem es sich um ein hessisches Konkurrenzprojekt handelt. Das ist keine konsistente Luftverkehrspolitik.

Ich bin genau der Auffassung, die Herr Kollege Becker hier vertreten hat: Wir brauchen eine nationale Perspektive in Bezug auf diese Frage. – Nordrhein-Westfalen ist heute schon mit Flughäfen überbesetzt. Das ist völlig klar. Kassel-Calden ist ein weiteres Beispiel dafür, was nicht in ein nationales Konzept passt. So weit dazu.

Bitte hören Sie beim nächsten Mal besser zu. Herr Kollege Becker hat es wirklich eindeutig gesagt. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Keymis. – Inzwischen ist eine Reihe von Wortmeldungen eingegangen, vor allen Dingen von Mitgliedern der Fraktionen, die noch ein bisschen Redezeit haben. Für die FDP-Fraktion hat Herr Rasche das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Themen der Debatte möchte ich noch einmal kurz aufgreifen.

Herr Wißen, Sie sprachen den Wettbewerb an. – Natürlich ist die FDP immer für Wettbewerb. Wir müssen uns aber in diesem Haus doch die Frage stellen, ob wir für einen staatlich subventionierten Wettbewerb sind oder ob das der völlig falsche Weg ist. Das ist der gravierende Unterschied zu Nordhessen.

Herr Wißen, Sie haben außerdem die Kooperation von Köln/Bonn und Düsseldorf angesprochen und fragten, ob sie funktioniert oder nicht und woran diese gescheitert ist.

Fragen Sie doch einmal den Vorgänger von Herrn Wittke, der das doch über Jahre versucht hat. Sie können ja vielleicht einmal die Erfolge der vergangenen Monate und Jahre schildern. Man muss ein bisschen vorsichtig sein, wenn man irgendjemandem Vorwürfe macht, der 200 Tage an der Regierung ist.

(Beifall von FDP und CDU)

Der entscheidende Punkt ist aber die Vorgehensweise der Grünen. Diese Debatte wird hier ja morgen fortgesetzt. Sie wollen wacker vier Flughäfen in Nordrhein-Westfalen fördern, der Rest soll nicht mehr bestehen bleiben. Aber wenn diese vier Flughäfen notwendige Ausbaumaßnahmen vornehmen müssen, um auch für die Zukunft wirklich gewappnet zu sein, dann kommen Sie jedes Mal, ob in Münster, in Köln/Bonn, in Düsseldorf oder wie gerade bei dem Beispiel in Paderborn/Lippstadt, und bekämpfen diese Flughäfen, die Sie eigentlich unterstützen wollen, bei jeder Ausbaumaßnahme mit allen Kräften.

(Beifall von Dieter Hilser [SPD])

Darin besteht Ihre widersprüchliche Luftverkehrspolitik.

(Beifall von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Die führt zum Stillstand in der Luftverkehrspolitik. Sie bringt den nordrhein-westfälischen Flugplätzen nichts. Sie bringt weder etwas für die Arbeitsplätze noch für die Wirtschaft in NordrheinWestfalen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rasche. – Herr Abgeordneter Lehne von der CDU-Fraktion, Sie haben 17 Sekunden. Meinen Sie, dass das reicht für eine Begrüßung und für eine Verabschiedung?

(Zuruf: Bis zum Pult reicht das! – Olaf Lehne [CDU] zieht seine Wortmeldung zurück.)