Protocol of the Session on December 14, 2005

Frau Thoben, ich erwarte, dass Sie für restlose Aufklärung sorgen und sicherstellen, dass RWE alle Schäden ausnahmslos ersetzt. Das ist die Forderung, die Sie zu erfüllen haben. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Sagel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Kollege Dr. Romberg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Mensch kann die Natur nicht gänzlich beherrschen. Das ist ein Fazit dieser Katastrophe, die das Münsterland getroffen hat. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit im Leben. Das heißt aber nicht, dass wir nicht versuchen sollten und müssen, besser zu werden und zu gucken: Welche Probleme haben bei der Bewältigung dieser Katastrophe bestanden? Was kann souveräner gelöst werden?

Die Hilfsmaßnahmen, die gelaufen sind, waren in vielen Bereichen großartig. Es gab ein tolles Engagement. Das haben viele Kollegen schon gesagt. Aber auch hier müssen wir fragen: Können wir noch besser werden? Wie kann es sein, dass Menschen nach fünf Tagen immer noch bei drei Grad im Wohnzimmer gesessen haben? Können solche Hilfsmaßnahmen, gerade die Versorgung mit Notstromaggregaten, nicht besser werden? Der Innenminister hat schon zugesagt, es zu koordinieren und zu gucken, wie wir wirklich bei so einer Katastrophe besser werden können.

Dass die Münsterländer zum Teil verärgert sind, wenn sie so lange im kalten Wohnzimmer gesessen haben, gleichzeitig die nächste Stromerhöhung von RWE angekündigt wird und sie im „Spiegel“ lesen, dass schon seit längerem bekannt ist, dass die Masten spröde sind, kann man nachvollziehen. Deshalb ist es vernünftig, objektiv aufzuklären. Jetzt pauschal zu sagen, RWE sei an allem schuld und müsse jetzt alle Schäden tragen, Herr Sagel, finde ich ein bisschen einfach. Man sollte objektiv prüfen, wie die Zusammenhänge wirklich waren. Da wollen wir auf alle Fälle hundertprozentige Aufklärung, so weit das möglich ist.

Ich kann auch nicht verstehen, dass diese Masten, wenn sie wirklich spröde sind, noch weitere zehn Jahre herumstehen sollen. Wir müssen auch schauen, wie Wohnbevölkerung besser gesichert werden kann, gerade wenn es um den Neubau

von Strommasten geht. Sind die Abstandsregelungen zur Wohnbebauung ausreichend? Ich konnte zum Beispiel nicht nachvollziehen, dass die Menschen in Teilen von Ochtrup, als sie wieder Strom hatten, trotzdem evakuiert wurden, weil Strommasten zu brechen drohten. Stehen die Strommasten zu nah an der Wohnbebauung?

Herr Kollege Dr. Romberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Sagel?

Ich habe nur wenig Zeit und wollte den Gedanken noch zu Ende führen.

Wir müssen also prüfen, ob wir noch mehr Schutz brauchen. Auch Erdkabel machen sicher mehr Sinn, wenn auch nicht großflächig. Wir können nicht für das gesamte Münsterland oder ganz NRW den Strom in die Erde legen. Aber im Rahmen von Wohnbebauung, von wichtigen Straßen, von Kreuzungen müssen wir überlegen, wie wir Infrastruktur und Menschen besser schützen können. Das ist unsere Aufgabe. Das sollten wir in den nächsten Monaten zuverlässig angehen und die Aufklärung weiter vorantreiben. – Danke sehr.

(Beifall von der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Romberg. – Als nächste Rednerin hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme die Frage des Vertrauensverlustes sehr ernst. Trotzdem ist es Aufgabe der Politik, unterschiedliche Sachverhalte auch als unterschiedliche Sachverhalte zu behandeln. Wir haben einerseits die Frage, wie wir mit dem singulären Ereignis im Münsterland umgegangen sind. War der Teil halbwegs in Ordnung und nachvollziehbar? Davon getrennt haben wir nach meiner Überzeugung die generelle Frage: Wie wollen wir die technische Kontrolle über Leitungsnetze aufgrund dieser Erfahrung, die wir dort gemacht haben, möglicherweise anders organisieren als derzeit?

Wenn eine Abgeordnete hier fragt, ob ein Jahrhundertwetter bis Weihnachten noch einmal wiederkommen kann, sehe ich mich außerstande, diese Frage zu beantworten.

(Beifall von der FDP)

Selbst wenn Sie es noch einmal formulieren und von mir eine Antwort verlangen, kann ich es nicht. Ich bitte, das einfach zu akzeptieren.

Ein TÜV als Lösung setzt voraus, dass wir derzeit keine Organisation kennen und haben, deren Zuständigkeit man für diese Frage schärfen kann. Warum rufen Sie sofort nach einer neuen, zusätzlichen Bürokratie? Nehmen Sie zur Kenntnis: Das hat sonst kein einziger Wirtschaftsminister bundesweit gewollt!

(Beifall von der FDP)

Nächste Frage: Berechtigte Belange, braucht man einen Ombudsmann? Ich rede auch mit den zuständigen Stellen in der Region. Weder die Bürgermeister noch der RP, der dort die Wünsche und Sorgen der Menschen sammelt und abwickelt und sich mit den Nöten der Menschen beschäftigt, auf die sie schnell eine Antwort suchen, sagen: Dazu brauchen wir eine neue Bürokratie. Warum landen Sie immer bei solchen Antworten? – Wir nicht.

Außerdem haben wir für die Unternehmen, die Liquiditätsschwierigkeiten haben, sehr schnell zusammen mit der NRW-Bank ein Programm aufgelegt. Ich höre, es wird sehr gut angenommen; offensichtlich geht es unbürokratisch und schnell.

Herr Brockes, ich danke Ihnen für Ihre nüchterne Betrachtung und auch für die Hinweise darauf, welche Fragen schlicht noch offen sind. Ja, das kann man gar nicht deutlich genug sagen.

Herr Römer hat mir eine Frage gestellt, die ich gerne beantworten will, weil man meint, man hätte wieder etwas gefunden, was vielleicht die FDP oder ein Minister der FDP etwas anders sieht als die CDU. Ich muss Sie enttäuschen. Ich kann hier auch für Herrn Wolf erklären: Das, was Sie ihm unterstellen, hat er so nicht vorgetragen. Wenn ich es in der Sache noch einmal beantworten darf: Der flächendeckende Ersatz von Kabeln – unterirdisch – ist keine Lösung. Sie ist technisch nicht beherrschbar. Derzeit laufen unterirdische Kabel auf viel kürzeren Strecken. Mit weiteren Strecken hat man keine Erfahrung, allenfalls liegen ein oder zwei Probeläufe vor. Außerdem liegen die Mehrkosten bei dem Zwei- bis Dreifachen. Das hilft uns also nicht.

Ich will die Fragen, die noch offen sind, gerne hier noch einmal nennen, Herr Priggen. Ich werde auch zeitnah weiter darüber berichten. Die Informationen, die mir zugehen und die, die ich zusätzlich noch abfordern kann, werde ich nicht verstecken. Ich habe eine Grenze, die Sie akzeptieren müssen: Wenn ich total in die Geschäftsgeheim

nisse hineinkomme, deren Weitergabe den Wettbewerb verzerren könnte, habe ich Probleme. Das ist in einem oligopolistischen Markt noch ein bisschen komplizierter als in einem anderen. Aber ich werde Ihnen bei den Antworten weitest gehend entgegenkommen – mit dem, was ich weiß.

Es geht zum Beispiel um folgende Fragen: Waren die Masten in einem ordnungsgemäßen Zustand? Sind die vorgesehenen Instandhaltungsmaßnahmen hinreichend? Haben die optischen Korrosionsbefunde einen Einfluss auf die Festigkeit der Masten? Sind zukünftig andere Lastannahmen für die Auslegung von Hochspannungsmasten zu treffen? Wie ist der Einfluss des Thomasstahls auf die Festigkeit der Masten zu werten? Sind die Maßnahmen zur Erneuerung der aus Thomasstahl gefertigten Masten hinreichend, insbesondere hinsichtlich der Art und des Umfangs der festgelegten Maßnahmen sowie des Zeitplans, den man sich vorgenommen hat?

Ich bin für restlose Aufklärung. Nehmen Sie aber auch zur Kenntnis – deshalb habe ich das in die Wirtschaftsministerkonferenz eingebracht –, dass das auch eine bundesweite Frage ist! Gewöhnen Sie sich daran: Das, was Sie der „Berliner Zeitung“ mit großer Begeisterung entnommen haben - „1994 kleiner Prüfauftrag beim Materialprüfungsamt Nordrhein-Westfalen“ –, war ein Ereignis aus Bayern. Herr Priggen, es tut mir Leid, das haben Sie in Ihrem Entschließungsantrag – ich sage es freundlich – ein bisschen verkürzt dargestellt. Dort wurde nicht Thomasstahl geprüft, sondern es wurden Winkelprofile geprüft. Es ging nicht um das Thema Thomasstahl.

Trotzdem bleibt es dabei: Ich hätte mir gewünscht, dass die Landesregierung über solche Vorkommnisse und Beobachtungen jeweils zeitnah informiert würde. Ich werde in Zukunft nicht nur beim Materialprüfungsamt, sondern auch bei den Energieversorgungsunternehmen darauf drängen, dass das geschieht. Denn sonst wird es ein bisschen schwierig. Sie haben Recht, man rennt dann hinterher.

Meine Damen und Herren, die Bundesnetzagentur wird alle zwei Jahre ein unabhängiges Gutachten erstellen. Auch da bin ich eher bereit zu überlegen, ob das reicht. Sie wissen, dass die Agentur das Abwägen zwischen Netzentgelt und Sicherheit des Netzes unter Gesichtspunkten der Entgelte vornimmt. Ob das für die technische Beurteilung, wie sie hier als Problem auftaucht, reicht, möchte ich mit ein paar Fachleuten besprechen. Ich möchte mich hier nicht voreilig festlegen und sagen: Egal, ob ich als Energieministerin zustän

dig bin oder nicht, lasst die Bundesnetzagentur machen!

Letzte Anmerkung: Meine Damen und Herren, ich schimpfe auch gern, wenn mich jemand schlecht informiert. Ich habe mich auch über die eine oder andere, sagen wir einmal, sehr zögerliche Antwort der RWE mehr als geärgert. Wenn wir zusammen - alle zusammen, alle Fraktionen hier – wirklich den Vorrang der Sicherheit, der Umweltverträglichkeit und der Wirtschaftlichkeit in der Energieversorgung an die Spitze unserer Argumentation stellen, dann werden wir auch einen Weg finden. Nur, der ist ein bisschen komplizierter als die schnelle Schlagzeile. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sehr gut!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Als nächster Redner hat der Kollege Rudolph für die Fraktion der SPD das Wort.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch von meiner Seite aus einen Dank an die vielen Helferinnen und Helfer! Der Besuch des Ministerpräsidenten und des Innenministers im Münsterland haben ja auch nicht dazu geführt, dass die Rettungsarbeiten behindert wurden;

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

auch dafür sind wir dankbar. Das will ich ausdrücklich erwähnen.

(Unruhe von CDU und FDP)

Wir haben hier vor allen Dingen über die wirtschaftspolitischen Aspekte des sogenannten Schneechaos gesprochen. Mir liegt daran, dass wir auch noch über ein paar Aspekte der Notfallarchitektur reden. Deshalb war es ja auch unser Petitum, eine gemeinsame Sitzung von Innenausschuss und Wirtschaftsausschuss herbeizuführen, was dann aber nicht so richtig geklappt hat.

Ich möchte Ihnen sagen, nachdem wir den vorläufigen Bericht des Innenministers gelesen haben, dass wir sicherlich noch im Januar oder Februar den dann wahrscheinlich endgültigen Abschlussbericht des Ministeriums haben und diskutieren werden, wobei wir nach dem, was wir bisher wissen und auch lesen konnten, gerne bereit sind zu sagen, dass die Notfallarchitektur in unserem Land für solche Katastrophen stimmt, dass sie in sich stimmig ist.

Das gilt übrigens inklusive der Leitstellen bei den Regierungspräsidien – dies nur als zarten Hinweis auf die mögliche Abschaffung der Regierungspräsidien. Sie haben bei diesem Notfall gesehen: Regierungspräsidien mit ihren Leitstellen haben eine wichtige Aufgabe und können eine wichtige Funktion erfüllen, wenn es um solche Katastropheneinsätze geht.

(Heiterkeit von der FDP)

Da ist dann auch die richtige Ortsnähe vorhanden. Gerade wenn es um Menschenleben und um solche Katastrophen wie im Münsterland geht, zeigt sich, dass die Notfallarchitektur in diesem Punkte auch stimmt. Das sollten wir deshalb extra festhalten.

(Beifall von der SPD)

Aber über den Ablauf müssen wir an einigen Stellen wohl noch einmal kritisch sprechen, weil sich natürlich gezeigt hat, dass bei einem solchen großflächigen Stromausfall manches noch nicht so richtig geklappt hat und manches auch zu lange gedauert hat. Dass es zu lange gedauert hat, müssen wir alle zugeben. Ich meine damit die Tatsache, dass RWE 13 Stunden brauchte, um das Stromkabel über der Autobahn A 31 abzuschneiden, und dass wir Staus von 44 Stunden Dauer hatten.

Zu fragen ist auch, ob sich die jeweiligen Krisenstäbe wirklich sehr zügig aufgebaut haben und wie sie beispielsweise koordiniert wurden. Dass in einen solchen Krisenstab des Landes beispielsweise auch die Telekom hineingehört und nicht nur RWE, haben wir jetzt ebenfalls gelernt. Das heißt dann für zukünftige Zeiten, dass noch einmal zu überlegen ist, wie die Krisenstäbe in solchen Situationen – und Kommunikation ist ja in einer solchen Situation fast alles – besser funktionieren können.

Dass die Alarmierungspläne noch einmal überprüft werden müssen, ist, glaube ich, auch richtig. Auch die Alarmierungsstichworte werden wir uns noch einmal genau ansehen. Ob die Zusammenarbeit zwischen unseren nordrhein-westfälischen Kräften und dem THW in punkto Notstromgeneratoren wirklich einwandfrei war, ist ebenfalls noch zu klären. Ich glaube, da gibt es Bedarf für Überlegungen in der Richtung, diese Zusammenarbeit noch etwas besser zu gestalten.

Das heißt, aus innenpolitischer Sicht werden wir sicherlich Anfang des kommenden Jahres die ganze Angelegenheit noch einmal zu bewerten haben. Wir werden dann natürlich auch noch einmal unsere Forderung an das Innenministerium

richten, eine entsprechende Gefahrenanalyse zu erstellen und Gefährdungspotenziale abzuschätzen, wie wir es in diesem Landtag schon Anfang dieses Jahres beschlossen haben – eine Gefahrenanalyse, die eben auch den Katastrophenfall eines großflächigen Stromausfalls mit in Rechnung stellt.

Nun vielleicht noch ein letztes Wort an die Wirtschaftsministerin. Ich will hier klarstellen: Wir haben mit dem Stichwort „Strom-TÜV“ nicht gemeint, eine zusätzliche Bürokratie, eine zusätzliche Behörde, aufzubauen sondern ich empfand das eigentlich als einen hilfreichen Vorschlag, übrigens auch für Sie.

(Ministerin Christa Thoben: Vielen Dank!)

Der hat Ihnen den Rücken gestärkt. – Also, Frau Thoben, lassen Sie mich das einmal sagen: In dieser Debatte – auch um dieses Sitzungshickhack und wie Sie, aber auch der Innenminister, manchmal reagieren – kommt es mir so vor, als hätten wir das Phänomen der Thomasstahlmasten auch in der Landesregierung.