Protocol of the Session on December 14, 2005

Ich will darauf hinweisen, dass die Bundesnetzagentur im nächsten Jahr mit dem beginnen kann, was wir Anreizregulierung nennen. Gerade die Sozialdemokraten haben in diesem Prozess der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes – im Übrigen waren die Grünen und vor allen Dingen die CDU-regierten Bundesländer im Bundesrat anderer Meinung – sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Bundesnetzagentur mit diesem Instrument bei der Steuerung von Investitionen eine Möglichkeit hat, besser auf Sicherheit hinzuwirken, als es allein unter den Gesichtspunkten von Kosteneffizienz und von Liberalisierung möglich ist.

Wir möchten gern den Vorschlag von RWE aufnehmen, der in der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses gemacht worden ist. Das Unternehmen will sich selbst mit unabhängigen Gutachtern einem Audit-Verfahren unterziehen. Wenn man das so nennen will, möchte es sich mit seinem Netz zertifizieren lassen. Diesen Vorschlag möchten wir gern aufnehmen und ausweiten, um die Bundesnetzagentur in die Lage zu versetzen, dann auch wirklich die Sicherheitsfragen zu dem wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit zu machen. Dann kann man am Ende – ich drücke das eingängig aus – einen TÜV-Stempel darauf machen.

(Beifall von der SPD)

Im Übrigen ist das auch im Interesse der Stromwirtschaft, insbesondere der Unternehmen, die

unter Verdacht stehen, weil sie sich selbst kontrollieren, nicht immer sorgsam gewesen zu sein,.

In diesem Zusammenhang will ich einen zweiten Punkt ansprechen. Frau Thoben, Sie haben in Ihrem Bericht darauf verzichtet, einen Vorschlag eines Kabinettskollegen aufzunehmen und zu bewerten, der schnell gemacht worden war, nachdem er versucht hatte, sich vor Ort kundig zu machen. Der Innenminister hat als Reaktion auf dieses Vorkommnis gesagt, es sollten demnächst alle Kabel in der Erde verbuddelt werden. Von diesem Vorschlag würde ich gern wissen, ob Sie und die Landesregierung ihn sich zu Eigen machen. Welche Begründung haben Sie dafür, wenn Sie das nicht tun? Vor allem: Welche Folgen für Wirtschaftlichkeit und Preise würde es haben, wenn man diesen Vorschlag aufgreifen würde?

(Marc Jan Eumann [SPD]: Wir sind ge- spannt!)

Frau Ministerin, ich möchte einen letzten Punkt betonen, weil ich glaube, dass das für unser gemeinsames Vorgehen wichtig werden wird bei der Frage, wie wir in Nordrhein-Westfalen dafür sorgen können, dass unsere hochmoderne Industriegesellschaft und unsere Wirtschaft jederzeit ausreichend mit Energie, vor allen Dingen mit Strom, versorgt werden. Diese Frage ist vor dem Hintergrund zu beurteilen, dass die Stromversorgung die Achillesferse jeder modernen Industriegesellschaft ist.

Ich würde gern wissen, ob Sie Ihren Koalitionspartner endlich davon überzeugen, seine Haltung aufzugeben, immer nur auf das Spiel der Marktkräfte und auf den freien Wettbewerb zu setzen – besonders in der Energiepolitik und in der Energiewirtschaft. Denn hierbei kommen wir ohne Regulierung – das haben Sie gerade gesagt – überhaupt nicht aus. Unser gemeinsames Vorgehen könnte zukünftig sein, die Frage der Sicherheit der Versorgung in der energiepolitischen Debatte nach vorne zu bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Abgeordnete Droste für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kurz zum Kollegen Römer: Herr Römer, ich hätte mir gewünscht, Sie hätten den Sachverhalt der Wahrheit getreu dargestellt. Sie haben ausgeführt, die regierungstragenden Koalitionsparteien hätten verhindert, eine sachgerechte Ausschusssitzung vor

zubereiten. Das Gegenteil ist der Fall: Die Durchführung einer gemeinsamen Sitzung beider Ausschüsse hätte den Rahmen völlig gesprengt.

(Lachen von Marc Jan Eumann [SPD])

Sie waren bei der Sitzung selbst dabei. Das hätte die Aufklärungsarbeit nur schwieriger gemacht. Den zu beratenden Punkten ist durch dieses Vorgehen Rechnung getragen worden. Ich danke ausdrücklich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Reck, der sich sehr nachhaltig darum bemüht hat, dass diese Sitzung so schnell einberufen wurde.

(Minister Karl-Josef Laumann: Ein sehr guter Mann!)

Bewahren Sie bitte den Realitätssinn. Eine solch wichtige Debatte, die uns alle beschäftigt, sollte nicht in parteipopulistische Aspekte entgleiten.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das war unsere Initiative!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Ereignisse im Münsterland haben uns vor Augen geführt, wie anfällig unser Versorgungssystem gegenüber extremen Wetterverhältnissen ist. Es hat uns gezeigt, wie diejenigen, die unmittelbar davon betroffen sind, und diejenigen, die möglicherweise dafür verantwortlich sind, darauf vorbereitet waren.

Wie uns vom deutschen Wetterdienst bestätigt wurde, handelt es sich um eine Ausnahmesituation, die es in den letzten hundert Jahren in diesem Ausmaß nicht gegeben hat. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass aufgrund langfristiger Veränderungen des Klimas auch in Mitteleuropa in Zukunft solche Ereignisse häufig auftreten können. Ein solcher Klimawandel wirft die Frage auf, ob man über eine veränderte Auslegung solcher Versorgungsanlagen nachdenken muss.

Nach derzeitiger Rechtslage – Herr Römer, Sie haben es angesprochen – bauen die Energiekonzerne ihre Strommasten selbst auf und stellen sich danach selbst das TÜV-Siegel aus. Der mit jeglicher Art von Netzen verbundene MonopolCharakter stellt in der Tat die Frage, ob und inwieweit in Zukunft eine externe technische Überwachung dieser Anlagen erforderlich ist.

Hier mahne ich an: Es gilt, Augenmaß zu bewahren und Aufwand und Notwendigkeit sorgsam gegenüberzustellen und nicht mit Schnellschüssen aufzuwarten.

Gleichermaßen gilt es, über eine Veränderung der Haftungsseite verstärkt nachzudenken. In anderen Ländern sind Energiekonzerne schon bei

kleinsten Stromausfällen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Ohne Frage würde eine derartige Haftungsregelung zu einem besseren Krisenmanagement und möglicherweise auch zu einer schnelleren Instandsetzung führen.

Die CDU-Fraktion besteht darauf, dass es im konkreten Fall – wie in der Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses bereits angekündigt – zu einer restlosen Aufklärung der Ursachen für diese Störung und aller damit verbundenen Schäden kommt. Gleichfalls erwarten wir von dem Unternehmen RWE, das im Bereich der Energieversorgung eine Stellung mit Monopolcharakter hat, einen besonders kulanten Umgang mit seinen Kunden, wenn es um die Regulierung auch des individuell erlittenen Schadens geht.

(Beifall von der CDU)

Von einem Unternehmen, das aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung einen derartigen Handlungsspielraum hat, darf erwartet werden, dass es sich in einer solchen Situation nicht auf das gängige Schadensersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zurückzieht, sondern dass es unter Beweis stellt, wie wertvoll ihm die Treue und nicht zuletzt auch die Geduld seiner Kunden ist.

(Beifall von der CDU)

Dies ist vor allem vor dem Hintergrund sozialer Härten dringend geboten.

Im Weiteren wird zu untersuchen sein, wie das Material Thomasstahl und die damit verbundene Versprödung einzuordnen ist. Allein unabhängige Gutachten könnten hier Klarheit bringen und die Angaben von RWE überprüfbar machen.

Der im Ausschuss von RWE angekündigte Austausch mit anderen Energieversorgern zu dieser Fragestellung wird zeigen, wie der Zustand der anderen Netze aussieht. Es wird interessant sein, zu verfolgen, ob die Sanierung der versprödeten Masten bei anderen Anbietern schon weiter fortgeschritten ist. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, kann abschließend geklärt werden, ob es vonseiten der RWE Wartungsmängel gibt und ob etwa die maßgeblichen rechtlichen und technischen Vorschriften nicht beachtet wurden. Bis diese gesicherten Erkenntnisse vorliegen, macht es jedoch wenig Sinn, sich in Spekulationen zu ergehen und in technischer wie in gesetzlicher Hinsicht vorschnell Maßnahmen einzufordern.

Auch wenn es sich bei den Ereignissen im Münsterland um eine extreme Wettersituation gehandelt hat, müssen wir sicherstellen, dass es auch bei geringeren Schneefällen nicht zu ähnlichen Vorfällen kommen kann. Es wäre nicht hinnehm

bar, wenn sich nach den aktuellen Ereignissen solche Vorfälle in Zukunft wiederholen. Hier muss der Zustand des Materials überprüft werden. Und es muss auch geklärt werden, ob der von RWE beschriebene Planungshorizont zur Sanierung bis 2010 wirklich ausreicht. Eine schnellere Sanierung wäre meines Erachtens zu begrüßen.

Außerdem ist es nicht vermittelbar, wenn die Energiepreise immer weiter ansteigen und die Konzerne Milliardengewinne einstreichen, während die Versorgungsanlagen aufgrund zu langer Wartungs- und Instandsetzungszeiten einen derart maroden Zustand aufweisen. Nach den Geschehnissen muss auch überprüft werden, ob es Versäumnisse bei RWE oder bei anderen Energiekonzernen gegeben hat oder gibt. Wir werden vonseiten der CDU-Fraktion die Überprüfung dieser Sachverhalte weiter vorantreiben und auf einer lückenlosen Aufklärung bestehen.

(Beifall von der CDU)

Schließen möchte ich im Namen meiner Fraktion mit dem herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben, das besondere Ausmaß dieser Katastrophe zu lindern, an alle hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helfer des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr, der ärztlichen Versorgungsverbände, der Leitungen und dem Personal der Kommunen, aber auch den vielen Menschen, die in wohl verstandener Nachbarschaftshilfe für den anderen in seiner Not da waren. Schon diesen Menschen sind wir es schuldig, alles, was in unseren Kräften steht, zu unternehmen, dass sich ein solches Ereignis mit diesem Ausmaß nicht wiederholt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank. - Als nächster Redner hat der Abgeordnete Priggen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Einige kurze Vorbemerkungen: Wir haben einen Entschließungsantrag formuliert, der eben verteilt worden ist. Er ist relativ kurzfristig entstanden, nachdem es gestern und heute Morgen wieder aktuelle Berichterstattungen gab. Wir würden über diesen Antrag nicht direkt abstimmen lassen, sondern ihn überweisen wollen. Nach der Geschäftsordnung ist das aber nicht möglich. Sie lässt bei einer Unterrichtung durch die Landesregierung nur direkte Abstimmung zu.

Ich möchte erläuternd sagen. Wir wären damit einverstanden, weil es darum geht, Sachverhalte noch weiter aufzuklären. Da ich in realistischer Einschätzung erwarte, dass einige von Ihnen unserem Antrag nicht zustimmen werden, sage ich vorsorglich: Wir werden sicherlich einen Antrag mit ähnlichem Inhalt und ähnlichem Duktus in den Wirtschaftsausschuss einbringen, weil das in der Sache notwendig ist. Das Thema wird uns da noch länger beschäftigen.

Das als Vorbemerkung! Das ist keine böse Absicht. Die Geschäftsordnung ist da aus meiner Sicht leider etwas unglücklich.

Zu den Vorfällen und zu dem, was uns beschäftigt: Frau Ministerin hat gesagt: 25. November, Schneefall und Eisregen. – Ich unterstreiche zunächst das Positive. Positiv war, dass es eine große Solidarität in der Bevölkerung gegeben hat, die sich in wirklich unermüdlichem Einsatz vieler ehrenamtlich tätigen Leute ausgedrückt hat. Wer da war und gesehen und davon gehört hat, dass auch Landwirte nachts geholfen haben, Straßen frei zu machen, dass sie sich nicht erst um ihre Probleme gekümmert haben, sondern darum, dass andere in Bewegung kamen, wie viele Feuerwehrleute, wie viele THW-Helfer auch aus Süddeutschland da waren, der kann nur sagen: Was das Engagement und die gegenseitigen Hilfe angeht, haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Weil es gleich noch Kritik an RWE gibt, will ich auch eindeutig sagen: Ich habe RWE-Monteure beobachtet, ich habe Fremdfirmenvertreter gesehen – der Dank gilt auch den Leuten, die für RWE und für die Fremdfirmen die Leitungen repariert haben und dafür gesorgt haben, dass die Stromversorgung wieder in Gang kam. Sie haben über ihre Kräfte gearbeitet. Es ist nicht ganz einfach, bei diesen Schnee- und Eislasten zu arbeiten. Zum Glück ist dabei niemand verletzt worden. Der Dank gilt ausdrücklich auch denen. Niemand soll sagen können, man stelle sich, wenn man das Unternehmen, die Unternehmensspitze kritisiert, gegen die Zigtausende von Leuten, die für dieses Unternehmen arbeiten. Das ist ausdrücklich nicht gemeint.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Es gibt zwei Ebenen, über die wir reden müssen. Die eine Ebene ist: Hat der Katastrophenschutz funktioniert? Dazu sagt Frau Kollegin Düker gleich noch etwas. Wir haben Glück gehabt. Der Bereich war nicht so groß. Aus den Erfahrungen müssen Konsequenzen gezogen werden; das muss aus

gewertet werden. Es ist ein sachlicher Prozess. Dies wird gleich noch einmal angesprochen, das war auch schon im Innenausschuss Gegenstand der Beratung.

Der zweite Punkt, der uns noch länger beschäftigen wird, ist die Frage: Was ist für diese Stromausfälle ursächlich gewesen: War es nur die Wetterlage, die natürlich erheblichen Einfluss hatte, oder gab es auch noch andere Ursachen, die weitreichenden Konsequenzen haben?

Wir erleben eine Berichterstattung in den Medien, die uns Parlamentarier ein Stück weit hilflos macht. Nach eigener Aussage können wir vom Ministerium derzeit keine Details erfahren, weil das Ministerium nach jeder Pressemitteilung – sei es durch den „Spiegel“, die „Berliner Zeitung“ oder durch andere – beim Unternehmen nachfragen muss, was nun stimmt.

Das geht uns nicht anders. Am Donnerstag habe ich an einer Sitzung des Innenausschusses sowie am Freitag an einer Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses teilgenommen. In beiden Sitzungen hat das Unternehmen umfangreiche Power-Point-Vorträge gehalten. Wir haben dabei auch etwas gelernt. Aber das Unternehmen hat mit keinem Wort gesagt hat, dass es über die bekannten Vorgänge aus den Jahren 2000 und 2003 hinaus schon seit 1994 belegbare Erkenntnisse hatte, dass mit seinen Strommasten etwas nicht in Ordnung sind. Das haben wir erst gestern Morgen durch die Berichterstattung in der „Berliner Zeitung“ erfahren. Das kann nicht sein.

Unsere Diskussionen mit dem Unternehmen waren sachlich pointiert, vernünftig und auf keinen Fall unfair – jedenfalls nicht von der parlamentarischen Seite aus. Dann kann es auch nicht sein, dass einem jemand gegenübersitzt, der sagt: „Die Erkenntnisse aus den Jahren 2000 und 2003 stehen im „Spiegel“, der auf verifizierbare Quellen zurückgreift; das können wir nicht bestreiten“, aber von 1994 fällt kein Wort.