Protocol of the Session on March 25, 2010

(Zuruf von der SPD: Und das ist ein Beleg wofür? Was belegt das?)

Bitte? Das belegt, dass Sie Kraftwerke brauchen – und zwar große.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das be- streitet ja keiner, Frau Ministerin! Das steht außer Frage!)

Dann hat es hat also nichts mit der Ökostadt zu tun, was Sie hier vortragen.

Wir haben bereits mehrfach ausführlich auf das Thema der Laufzeitverlängerung geantwortet. Wir treten für die Verlängerung der Laufzeiten ein, da nur so die Zeit bis zur großmaßstäblichen Betriebsreife CO2-armer Kraftwerke mit Abscheidung und der weiteren Erschließung erneuerbarer Energien überbrückt wird.

Bereits im Antwortschreiben der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage 350 des Abgeordneten Priggen wurde ausgeführt, dass gemäß Koalitionsvereinbarung eine Vereinbarung mit den Betreibern abgeschlossen werden solle, in der nähere Regelungen zu Betriebszeiten, Sicherheitsniveau, Höhe, Zeitpunkt und Mittelverwendung des Vorteilsausgleichs, sprich: der Abschöpfung, getroffen werden.

Zum derzeitigen Stand der Vorbereitungen einer solchen Vereinbarung auf Bundesebene liegen der Landesregierung keine Informationen vor. Deshalb ist uns momentan auch nicht bekannt, ob diese Vereinbarung eine für alle betroffenen kerntechnischen Anlagen in Deutschland einheitliche Laufzeitverlängerung oder – womit eher zu rechnen ist – eine anlagespezifische Verlängerung auf Basis differenzierter, sicherheitstechnischer Bewertungen enthalten wird.

Diese skizzierten offenen Fragen machen auch eine kalkulatorische Berücksichtigung des Umfangs etwaiger mit der Laufzeitverlängerung verbundener Nachrüstungsmaßnahmen derzeit noch nicht möglich. Eine verlässliche Ermittlung möglicher Zusatzeinnahmen aus Laufzeitverlängerung für die Betreiber ist aus Sicht der Landesregierung daher zurzeit nicht möglich. Insofern sind die in Ihrem Antrag genannten Zahlen mit hohen Unsicherheitsfaktoren belastet.

Ihr Antrag basiert auf der unzutreffenden Annahme, dass die zu erwartenden Mehrerträge aus weitge

hend abgeschriebenen Kernkraftwerken bei verlängerter Nutzung zur Stromerzeugung zu Wettbewerbsverzerrungen am Strommarkt führen können. Als Begründung wird angeführt, dass die Erzeugung aus dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bzw. Anlagen auf Basis erneuerbarer Energien unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unattraktiv seien und somit verdrängt werden.

Dagegen spricht, dass es einen gesetzlich fixierten Vorrang der erneuerbaren Energien und der KraftWärme-Kopplung bei der Einspeisung in das Stromnetz gibt. Das heißt: Regenerativ oder in KWK erzeugter Strom wird bevorzugt ins Netz aufgenommen und transportiert. Das wird auch so bleiben, sollte die Laufzeit von Kernkraftwerken verlängert werden.

Die Befürchtung, dass eine Verlängerung der Restlaufzeiten die Wirtschaftlichkeit bestehender dezentraler Erzeugungsanlagen gefährden könnte, ist vor diesem Hintergrund nicht plausibel.

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Was die am Markt verfügbaren Strommengen angeht, würde sich durch die Verlängerung der Restlaufzeiten am Status quo nichts ändern. Vielmehr könnte die zu schließende Vereinbarung über die Ausgestaltung der Laufzeitverlängerung zur Stilllegung einzelner alter Anlagen führen. Auch die Erzeugungskosten in Kernkraftwerken dürften sich durch die Verlängerung der Restlaufzeiten nicht verändern. Damit bleiben die Wettbewerbsbedingungen für die anderen Erzeuger unverändert.

Die Deutsche Energieagentur geht bekanntlich davon aus, dass auch bei Erreichen der klimapolitischen Zielgrößen für den Anteil erneuerbarer Energien und Kraft-Wärme-Kopplung und gleichzeitiger Verlängerung der Restlaufzeiten mittelfristig noch mit einer Erzeugungslücke zu rechnen ist. Dies unterstellt, würden sich die Strompreise mittelfristig als Grenzkostenpreise auf dem Niveau der teuersten Erzeuger bilden. Damit wären negative Perspektiven für Neubauprojekte sowohl im Bereich dezentraler, konventioneller Erzeugung als auch im Bereich erneuerbarer Energien und KraftWärme-Kopplung ausgeschlossen.

Zusätzlich haben die staatlichen Fördersysteme die Marktposition der dezentralen Erzeugung bisher verlässlich gesichert. Wettbewerbsverzerrungen am Strommarkt durch Verdrängungseffekte mit Blick auf dezentrale Erzeugungsstrukturen infolge von Laufzeitverlängerungen kerntechnischer Anlagen in Deutschland sind aus den genannten Gründen nicht zu besorgen.

Wir haben heute, glaube ich, den letzten Tagesordnungspunkt, von dem ich betroffen bin, bei dem noch ein paar Abgeordnete da sind. Hinterher gibt es keine Beschlüsse mehr, Herr Priggen. Da werden wir ziemlich alleine sein, um uns über die Braunkohle zu unterhalten. Deshalb danke ich an

dieser Stelle trotz aller Streitigkeiten für die gute Zusammenarbeit.

(Beifall von CDU, FDP und Wolfgang Röken [SPD])

Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Jetzt bittet noch einmal Herr Priggen um das Wort.

Herr Präsident! Frau Thoben, in aller Kürze. Kollege Weisbrich, Sie haben vorhin gesagt, den Stadtwerken geht es schnöde um die Steigerung ihrer Erzeugungskapazitäten. Ich glaube ganz ehrlich, bei Ihnen gibt es einen abgrundtiefen alten Hass gegen die Stadtwerke.

(Helmut Stahl [CDU]: Bei Ihnen?)

Bei Ihnen, eindeutig. – Immer wieder diese Melodie. Was heißt denn „schnöde um die Steigerung ihrer Erzeugerkapazitäten“? 80 % der Stromerzeugung liegen bei den Großen, 10 % bei den Stadtwerken und ein bisschen noch bei anderen. Dass die ihre Erzeugungskapazitäten erhöhen wollen, wollen wir doch eigentlich alle, weil wir mehr Marktteilnehmer haben wollen. Sie sagen auch selber: Wir müssen die Oligopole ein Stück weit zurückdrängen. Das passt nicht zueinander.

Sie haben eben meine Zahlen angezweifelt. Ich gebe Ihnen die Quelle: „Handelsblatt“, 7. Juli 2009. Das ist kein grünes Zentralorgan.

(Christian Weisbrich [CDU]: Wer ist der Au- tor?)

„Handelsblatt“, ddp-Meldung; ich gebe Ihnen das gleich gerne. – Eine Studie der Landesbank BadenWürttemberg: E.ON, RWE und EnBW haben Zusatzerlöse von über 200 Milliarden €, falls die Kraftwerke 25 Jahre länger laufen dürfen. – Sie haben das angezweifelt und gesagt, ich soll eine Zehnerpotenz abstreichen. Also: „Handelsblatt“, Landesbank Baden-Württemberg: mehr als 200 Milliarden € Zusatzerlöse. Dann geht es nicht, das um eine Zehnerpotenz kleiner zu machen und, wie Herr Brockes sagt, einen Teil davon abzuschöpfen. Sie müssen doch selber zugeben, Ihre Strategie der Laufzeitverlängerung führt dazu, dass Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplung und anderes von den Stadtwerken zurückgestellt werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist genau das, was wir nicht brauchen. Das heißt, Nordrhein-Westfalen hat von der Laufzeitverlängerung überhaupt nichts, gar nichts. Aber unsere Stadtwerke werden nicht bauen können. An der Stelle stimmt auch die Behauptung von Frau Thoben nicht, dass sich am Markt nichts an den Stromerzeugungskapazitäten ändert. Die Kollegen werden nicht investieren. Dann ändert sich natürlich etwas. Die Anlagen werden nicht gebaut; es wird

nicht investiert, und in Nordrhein-Westfalen werden wir bestimmte neue Anlagen nicht bekommen. Das ist der Effekt.

Noch einmal: Die Laufzeitverlängerung dient nur den großen vieren. Warum Sie das gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens unbedingt verfolgen, hat sich mir auch nach fünf Jahren streitiger Debatte nicht erschlossen.

Frau Thoben, schönen Dank auch zurück. Wenn wir nachher ganz alleine sind, macht das bei der Braunkohle nichts. Es waren schöne kontroverse Jahre. – Danke.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Herr Priggen. – Herr Weisbrich, Sie möchten noch einmal reden? – Bitte schön.

Herr Präsident, schönen Dank. Eine knappe Minute habe ich noch. – Lieber Reiner Priggen, ich habe überhaupt nichts gegen Stadtwerke. Ich war selbst mal Geschäftsführer eines solchen Unternehmens. Ich habe also überhaupt keinen Hass. Mir wäre es aber nie in den Sinn gekommen, eine Wettbewerbsbeschränkung für Konkurrenten zu meinem wirtschaftlichen Vorteil zu fordern. Das wäre mir nie in den Sinn gekommen, und darum geht es hier. Es geht um eine Käseglocke, die darüber gestülpt werden soll, damit Stadtwerke größere Marktanteile haben können.

Das ist ordnungspolitisch nicht in Ordnung. Die sollen investieren – das haben sie bis jetzt auch getan – oder sollen es lassen. Das ist deren unternehmerische Entscheidung. Aber sie können nicht erwarten, dass wir ihnen den Wettbewerb vom Hals halten. Das wäre genauso, als wenn wir durch Landtagsbeschluss die Konkurrenz zwischen Aldi und anderen Einzelhandelsbetrieben unterbinden würden. Das kann man nicht machen, und das ist da ganz entscheidend.

Im Übrigen – Frau Thoben hat es dargestellt – ändert sich die Gesamtmenge an Strom nicht. Wenn die Stadtwerke erneuerbare Energien machen wollten, können sie sie über das Erneuerbare-EnergienGesetz auf jeden Fall in die Netze reindrücken. Aber sie wollen das nicht tun; sie wollen Kohlekraftwerke bauen. Damit verschlechtern sie die Umweltbilanz ganz entscheidend. Dadurch ersetzen sie CO2freien Strom durch CO2-belasteten Strom. Das ist eine schlechte Politik.

Das hätte ich, ehrlich gesagt, von der grünen Fraktion nie erwartet, dass sie zusätzliche CO2Emissionen fordert, wenn wir CO2-freie Kraftwerke haben. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen mehr. Ich schließe die Beratung.

Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen also über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/10840 ab. Wer ist dafür? – Die Fraktionen der Grünen und der SPD. Wer ist dagegen? – CDU- und FDP-Fraktion. Will sich jemand enthalten? – Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich noch einmal auf einen Zwischenruf eingehen, der hier gestern während der Beratung zum Tagesordnungspunkt 12, bei dem es um den Finanzstandort Nordrhein-Westfalen ging, geleistet worden ist. Frau Kollegin Gisela Walsken von der SPD-Fraktion hat da einen unparlamentarischen Zwischenruf gemacht, den ich nicht wiederhole. Für diesen Zwischenruf muss ich sie leider rügen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Wir werden das der Kollegin Walsken ausrichten!)

Vielleicht ist sie die Letzte, die in dieser Wahlperiode gerügt worden ist. Das ist vielleicht statistisch interessant.

(Zurufe von der CDU)

Herr Kollege, Sie können gleich dran sein, wenn Sie das wünschen. Ich glaube, Sie haben auch das Potenzial dazu.

(Heiterkeit)

Machen wir weiter! – Ich rufe auf:

9 Verfall von Wohnraum wirksam begegnen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10844

Ich eröffne die Beratung. – Für die antragstellende SPD-Fraktion hat Herr Kollege Röken, der heute auch seine letzte Rede hält, das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! NordrheinWestfalen ist seit mehr als vier Jahrzehnten das Wohnungsbauland Nummer eins. Ging es zunächst darum, breite Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen, so steht seit einigen Jahren, was die öffentliche Förderung anbelangt, die Versorgung derjenigen im Mittelpunkt, die aus eigenen Kräften nicht in der Lage sind, eine angemessene Wohnung zu bekommen. Hinzu kommt eine verstärkte Eigentumsförderung.