Protocol of the Session on March 24, 2010

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Kommen wir zum Schluss: Es geht auch um die Frage, wie das Parlament informiert worden ist. Ich muss gerade mal in meinen Unterlagen suchen.

In der Sitzung am 14. Januar 2009 hat die Justizministerin nicht erwähnt, dass neben der Einstellung nahezu aller der im Haftbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 8. Mai 2008 aufgeführten Vorwürfe, Dr. Friedrich habe aus der Abwasserabgabe finanzierte Projekte beauftragt, die die Zweckbindung der Abwasserabgabe nicht erfüllten, und dem weiteren Vorwurf, Dr. Friedrich habe für die pflichtwidrige Auftragsvergabe von einem Beschuldigten einen Laptop angefordert und enthalten, auch die Ermittlungskomplexe „Ferienaufenthalt in Frankreich“, „unentgeltliche Zurverfügungstellung eines PKW Smart“ und „Erstellung eines Fachvortrags durch einen Auftragnehmer“ mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt werden sollten.

Ebenfalls nicht erwähnt hat die Justizministerin die beabsichtigte Verfahrenseinstellung in Bezug auf den Tatvorwurf eines Diebstahls/einer Unterschlagung einer im Eigentum des MUNLV stehenden Festplatte. Hierüber war das Justizministerium vom Generalstaatsanwalt zwar informiert, aber es wurde nicht angesprochen.

Im Ausschuss hat jemand gesagt, na gut, man hätte ja nachfragen können. – Ich denke, in der Situation, als das öffentlich so diskutiert worden ist, hätte die Justizministerin durch diese Aussagen viel Dampf aus dem Kessel nehmen können. Aber vielleicht war das gar nicht gewollt.

(Beifall von der SPD)

Eines ist dabei deutlich geworden: Der Minister und der Staatssekretär können sich nicht aus der Verantwortung freizeichnen, aus der Verantwortung für das Personal, aus der Verantwortung für die Mitarbeiter im MUNLV, aus der Verantwortung dafür, wie sie gehandelt haben.

Ich habe auf der Liste gesehen, die Landesregierung könnte reden. Ich weiß nicht, ob sie noch reden wird. Ich möchte Sie eigentlich dazu auffordern, und zwar aus zwei Gründen:

Ich würde von einem Minister, der nebenbei noch der stellvertretende Vorsitzende einer großen christlichen Partei in Nordrhein-Westfalen ist, wenigstens erwarten, dass er gegenüber den Beschuldigten aus Aachen, die da mit hineingeraten sind, sein Bedauern ausdrückt, dass sie in dieses Verfahren geraten sind.

(Beifall von der SPD)

Ich denke auch, dass eine Entschuldigung gegenüber Dr. Friedrich für die Art und Weise, wie das Ministerium Maßnahmen gesammelt hat

(Lothar Hegemann [CDU]: Das hätten Sie wohl gerne!)

Sie können gleich dazu etwas sagen – richtig wäre. Er könnte mal sagen: Hallo, das war alles nicht in Ordnung. Da ist jemand befeuert worden; da ist jemand von der Kette gelassen worden. Das haben wir falsch eingeschätzt; das ist nicht in Ordnung gewesen.

Trotzdem sage ich, gegen Sie persönlich erhebe ich keinen Vorwurf, dass Sie irgendetwas versucht haben. Aber Sie haben die politische Verantwortung dafür. Deswegen sind Sie Minister. Wenn Sie ein guter Minister wären, würden Sie jetzt sagen: Okay, da ist etwas schiefgelaufen, das gebe ich gerne zu, und das werden wir in Zukunft anders machen. – Die restlichen Minuten hebe ich mir für den Kollegen Hegemann auf.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gatter. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Dr. Orth das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich sind Untersuchungsausschüsse das Mittel des Parlaments, Dinge aufzuklären, Regierungshandeln zu kontrollieren. Ich hatte jedenfalls in dieser Legislaturperiode das Vergnügen, zwei Untersuchungsausschüssen anzugehören. Für den ersten kann ich diese These auch unterstützen. Bei dem zweiten fällt es mir, ehrlich gesagt, sehr schwer. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass hier ein persönlicher Rachefeldzug eines grünen Abgeordneten zur Ehrenrettung eines grünen Parteifreundes geführt wird

(Beifall von Lothar Hegemann [CDU])

und es eigentlich nicht um die Sache und die Fragestellung als solches ging, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Bezeichnend ist auch, dass bei der Bewertung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses die Fraktion der Grünen durch Herrn Remmel nicht einen einzigen Änderungsantrag zum Abschlussbericht gestellt hat. Die Grünen haben gar nicht versucht, eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln. Nein, sie haben einfach bei allen Änderungsanträgen, die gemeinsam mit der SPD beschlossen wurden, zwar mit abgestimmt, haben dann aber keine 24 Stunden später ein fast 70-seitiges eigenes Werk präsentiert.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das über Nacht entwickelt wurde. Hier wurde schlicht und ergreifend nach der Maxime gehandelt: Wir machen da nicht mit, wir kochen unsere eigene Suppe. Meine

Damen und Herren von den Grünen, dann dürfen Sie sich aber auch nicht wundern, wenn Sie jetzt hier sehr isoliert dastehen.

Wenn man sich anschaut, welche Thesen Sie am Ende Ihres Sondervotums vertreten, dann kann ich nur sagen: Oh Gott, oh Gott.

Sie führen aus, hier sei unter Außerachtlassung von dienstlichen Zuständigkeiten gehandelt worden; es seien Verfehlungen gesammelt worden. – Ja, meine Damen und Herren, wenn es doch Anhaltspunkte dafür gab, dass Herr Friedrich nicht immer alles richtig gemacht hat, ist es dann nicht ureigene Aufgabe der Ministerialen, dann auch einmal nachzusehen, ob insgesamt alles gut gelaufen ist? Was wäre denn, wenn er kein Grüner gewesen wäre? Was wäre denn, wenn er ein Schwarzer gewesen wäre? Hätten Sie dann auch gesagt: „Es ist nicht richtig, dass hier nach Verfehlungen geschaut wird“? Meine Damen und Herren, das glauben Sie doch sicherlich selber nicht.

Im zweiten Punkt Ihrer Zusammenfassung lese ich, die hohen ökologischen Standards hätten zur Kritik an Herrn Friedrich geführt. – Ich kann mich nicht erinnern, dass wir im PUA festgestellt haben, dass Herr Friedrich nach hohen ökologischen Standards gearbeitet oder gelebt hätte. Ich möchte schlichtweg sagen: Diese These ist einfach in den Raum gestellt; ich möchte ihr auch widersprechen.

Dann ist davon gesprochen worden, dass nach möglicher strafrechtlicher Relevanz im MUNLV geschaut worden sei. – Ja, soll man denn, wenn man einen Verdacht hat, wegschauen, meine Damen und Herren? Wollen Sie das allen Ernstes? Das kann doch nicht wirklich richtig sein.

Dann heißt es auch, das MUNLV habe die Ermittlungen beim Landeskriminalamt in eine bestimmte Richtung gelenkt. – In welche Richtung denn bitte? Das ist doch ausdrücklich vom PUA eben nicht bestätigt worden. Da bitte ich Sie doch, hier Fakten zu bringen, Herr Kollege Remmel. Sie stellen Thesen in den Raum, wie Sie es im ganzen PUA gemacht haben, ohne dies mit entsprechenden Fakten zu belegen. Das Gegenteil ist der Fall: Die Kriminalbeamten haben das von sich gewiesen. Sie haben ganz klar gesagt, dass sie auf eigenen Antrieb und nach eigenem Gutdenken gehandelt haben.

Dann sagen Sie auch, bei der Staatsanwaltschaft sei nicht alles richtig ermittelt worden, man habe Entlastendes nicht genügend bewertet. – Meine Damen und Herren, ich bin Jurist, Sie nicht, Herr Remmel. Für mich ist jedenfalls eines klar: Ich erlaube mir nicht, bei Richtern oder Staatsanwälten deren unabhängigen Entscheidungen zu bewerten und zu benoten. Ich gehe davon aus: Wenn Entscheidungen der Staatsanwaltschaft dem Gericht vorgelegt wurden und das Gericht entschieden hat, dann muss ich das als Demokrat akzep

tieren. Das würde ich mir auch von Ihnen wünschen; denn sonst frage ich mich, was Sie eigentlich für ein Demokratieverständnis haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Im Übrigen hat der Generalstaatsanwalt – das ist eben schon gesagt worden – sehr entrüstet auf meine Frage, ob es denn eine politische Einflussnahme gegeben habe, reagiert. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie diese Entrüstung in Ihrem Sondervotum auch berücksichtigt hätten. Das hat aber nicht in Ihre Zielrichtung hineingepasst.

Ich bin der Ansicht, dass uns dieser PUA einfach aus eigenem Antrieb von Herrn Remmel heraus über Monate mit Themen beschäftigt hat. Es ist schon schlimm, wenn man hergeht und lauter Halbwahrheiten verbreitet.

Ich sehe nicht, dass es eine Intrige gegen Herrn Friedrich gegeben hat, wie das Herr Remmel veröffentlicht hat. Ich kann auch nicht die Ansicht von Herrn Remmel teilen, dass der Staatsanwalt ausgetauscht werden müsse. Meine Damen und Herren, welche Staatsanwälte ermitteln, entscheiden nicht wir Parlamentarier, sondern entscheidet die Zuständigkeit im Behördenaufbau. Da mische ich mich nicht ein.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie wollen politisch motivierte Justiz, wir jedenfalls nicht.

Wenn ich mir dann zum Abschluss noch erlauben darf, etwas über das Verständnis von Herrn Remmel zu Recht und Gesetz zu sagen: Ich bin, ehrlich gesagt, erschrocken. Ich habe, wie gesagt, zwei Parlamentarische Untersuchungsausschüsse mitgemacht und habe auch mit dem einen oder anderen Kollegen von der SPD hier und da hart gerungen; ich will jetzt keine Namen nennen. Aber wenn von Ihnen, Herr Remmel, bewusst immer wieder Suggestivfragen gestellt werden, wenn Sie die Zeugen nach Wertungen fragen, obwohl Zeugen Tatsachen bekunden müssen, wenn man es Ihnen drei- und viermal sagt, dass es unzulässig ist, nach Wertungen zu fragen und Sie es bewusst trotzdem machen, dann kann ich nur sagen: Sie sind ein bewusster Rechtsbrecher. Und das ist für mich das Ergebnis des PUA. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU – Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist eine Unverschämtheit! Das muss doch gerügt werden: „Sie sind ein be- wusster Rechtsbrecher“! Was macht da das Präsidium? – Zuruf von Dr. Robert Orth [FDP] – Zurufe von den GRÜNEN – Gegen- rufe von der FDP – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das kann doch nicht wahr sein! Ausgerech- net diese Truppe beschwert sich! – Unruhe)

Das war der Abgeordnete Dr. Orth. – Als nächster Redner hat für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Remmel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Herrn Schmitz ausgesprochen dankbar dafür, dass er zumindest heute hier im Parlament die Maske hat fallen lassen, die er die ganze Zeit im Ausschuss offensichtlich aufgehabt hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Er hat dargestellt und für das Haus deutlich gemacht, was der eigentliche politische Background ist. Diesen Mut haben Sie offensichtlich im Ausschuss nicht gehabt. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Sie den Ausschuss getäuscht haben,

(Lebhafter Widerspruch von CDU und FDP)

weil Sie das, was Sie heute hier vorgetragen haben, in der Abschlussbesprechung des Ausschussberichtes, auch des Berichtes des Vorsitzenden, den Kolleginnen und Kollegen jedenfalls verschwiegen haben und es gar keine Möglichkeit gab, zu erwidern.

Sie stellen sich mit Ihrem heutigen Beitrag leider auch in die Tradition der Anmerkungen, die Herr Ellerbrock mit seinem Brief nach der Entlassung von Herrn Dr. Friedrich dem Minister hat zukommen lassen, sowie dessen, was Herr Kemper im Ausschuss formuliert hat, dass Herr Dr. Friedrich nämlich eine Person sei, die man eliminieren müsse. In diese Tradition, Herr Schmitz, stellen Sie sich, und Sie zeigen, worum es Ihnen geht, nämlich darum, weiter mit Schmutz zu werfen und politisch Einfluss zu nehmen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist ein Spannungsbogen, der von 2005 bis zum heutigen Tag hier im Parlament reicht.

Weshalb gab es einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Amtsmissbrauch“?

(Lothar Hegemann [CDU]: Weil Sie ihn bean- tragt haben!)

Kurzer Rückblick: Am 29. Mai 2008 hat die Verhaftung eines fachlich hoch anerkannten Abteilungsleiters im MUNLV stattgefunden, eine Großrazzia mit 275 Einsatzkräften, bundesweiten Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen in 45 Objekten. 2.500 Telefonate wurden abgehört, 230 E-Mails abgefangen. In das Netz der Fahndung gerieten Anwälte, Journalisten, Abgeordnete und Mitarbeiterinnen des MUNLV. Es gab Peilsender an Autos, und Konten von Firmen wurden gesperrt. Mit etwas Abstand könnte man sagen: großes Kino.