Protocol of the Session on March 24, 2010

Ich gestehe freimütig, in unserer Fraktion gibt es viel Verständnis für die Ängste der Menschen vor der CO-Pipeline. Aus dem Bauch heraus gibt es auch viel Sympathie dafür, dieses umstrittene Projekt zu stoppen. Ich füge aber auch hinzu: Wir dürfen uns nicht vom Bauchgefühl leiten lassen.

In dieser Situation, Herr Kollege Remmel, kommt es deshalb umso mehr darauf an, offen und klar in der Sache zu bleiben. Wir tun das. Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt, der unsere Haltung noch einmal verdeutlicht und die Entwicklung seit der Verabschiedung des Enteignungsgesetzes durch diesen Landtag berücksichtigt.

Die SPD-Landtagsfraktion steht auch heute noch zu ihrer Position. Denn wir halten trotz des gewachsenen Widerstandes, trotz des Regierungsmurks und trotz der vielen Fehler von Bayer die

Argumente für den Bau einer CO-Pipeline immer noch für gültig.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Es gilt nach wie vor – auch das hat uns immer geleitet –, dass die Sicherheit der Menschen beim Bau und beim Betrieb für uns immer an erster Stelle steht.

(Holger Ellerbrock [FDP]: Logisch!)

Erst wenn alle sicherheitsrelevanten Zweifel ausgeräumt sind, erst wenn unabhängige Experten einen hohen Sicherheitsstandard garantiert haben – das ist bis heute nicht der Fall – und wenn es keine rechtlichen Bedenken mehr gibt, könnte eine Betriebsgenehmigung ausgesprochen werden. Denn auch für Großprojekte gilt – Herr Kollege Remmel, da haben Sie völlig Recht – Recht und Gesetz.

Deshalb in aller Klarheit: Die Bewertung der technischen Sicherheitsstandards und der einwandfreie Vollzug der Bauausführung liegen nicht in der Kompetenz und nicht in der Zuständigkeit dieses Landtags. Da dürfen wir auch keine Illusionen aufkommen lassen.

Aus all diesen Gründen, meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, werden einige Abgeordnete von uns für den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen stimmen. Die große Mehrheit der SPDLandtagsfraktion wird dem Antrag nicht folgen können. – Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Römer. – Für die FDP spricht jetzt der Kollege Ellerbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegen zwei Anträge vor, wobei jeder Antrag für sich, wenn man ihn genauer betrachtet, sehr aufschlussreich ist und zeigt, was dahinter steht.

Der Antrag der Grünen setzt auf Angstmache. Er betont tödliches Risiko, er spricht davon, dass sämtliche Zweifel ausgeräumt werden müssen. Sämtliche Zweifel wird man nie ausräumen können, genauso wie sämtliche rechtliche Bedenken. Wir müssen fragen: Ist es verantwortbar – ja oder nein? Und wir müssen die Anträge sehr deutlich lesen.

Herr Römer, der Antrag der Grünen setzt nicht auf Illusion, indem er vorspiegelt, die Politik könnte hier anstelle des Unternehmens tätig werden. Er zeigt die Vision der Grünen, nämlich Planwirtschaft. Sie schreiben ganz klar: Die Landesregierung soll das CO-Projekt beenden. Das ist nicht möglich. – Die Landesregierung soll die technischen Anlagen ertüchtigen. Wir sind nicht Bayer. – Die Landesregierung soll vor Ort Anlagen bauen, die jeweils vor Ort die CO-Produktion sicherstellen. Das ist die Vision

der Grünen, das ist keine Illusion, das ist deren Zielrichtung. Das muss man sich klarmachen.

Meine Damen und Herren, ich teile die Ansicht, dass auch für mich nicht nachvollziehbare Defizite und Nachlässigkeiten, Ungeschicklichkeiten seitens Bayer hier aufgetreten sind. Das fängt bei Geogrid an. Wie kann man 80 cm auf 60 cm verkürzen? Wie kann man ohne Diskussion die Wandstärke reduzieren? Wieso gibt es da diese räumlichen Abweichungen? Und so weiter. Insbesondere war auch die Kampfmittelräumung vor Baubeginn angeordnet, und man hat es erst hinterher gemacht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Wenn man aber dahinter schaut, sind diese ganzen Faktoren ingenieurtechnisch großteils zu erklären. Im Planfeststellungsbeschluss hatte man 80 cm Geogrid-Matte als Warnband für mehrere Leitungen festgelegt. Dann war es nur noch eine Leitung, und man hat gesagt: 60 cm reichen. Man kann es erklären.

Man kann genauso erklären, warum anderer Stahl genommen wurde. Er ist von höherer Güte, und deswegen erhält man den gleichen Sicherheitsbeiwert, wenn hier die Wandstärke verringert wird. Das kann man erklären. Nur man muss es auch erklären. Es geht bei einem Planfeststellungsbeschluss nicht darum, wie ich ihn inhaltlich interpretiere, sondern der Planfeststellungsbeschluss ist das, was für die katholische Kirche das Kreuz hinter dem Altar ist. Den packe ich nicht an, den lasse ich bestehen, und den erfülle ich.

Ich kann auch den Planfeststellungsbeschluss ändern. Das ist völlig üblich, völlig normal und völlig unproblematisch, wenn ich es begründe. Ich muss es nur vorher machen, ich muss es kommunizieren, ich muss mit den Bürgermeistern sprechen, vor allem muss ich mit der Planfeststellungsbehörde reden, und ich muss dann eine vernünftige Kommunikation aufbauen.

Der Begriff Kommunikation war für Bayer aus meiner Sicht in der Anfangszeit ein Begriff aus dem Sprachschatz des Kisuaheli. Man wusste gar nicht, was es war. Das ist inzwischen wesentlich besser geworden. Es besteht hier aber nach wie vor ein hohes Optimierungspotenzial, was man alles besser machen kann.

Meine Damen und Herren, die CO-Leitung ist aus meiner tiefen Überzeugung nach wie vor wichtig. Die Vernetzung der Industriestandorte ist wichtig. Wir müssen den Begriff Allgemeinwohl in Verbindung mit Arbeitsplatzsicherung, Forschung, Entwicklung usw. sehen. Das ist alles richtig, gut und wichtig.

Vergessen wir nicht: Nicht nur das Enteignungsgesetz hatte hier eine hohe Zustimmung gefunden, sondern sogar der Trassenverlauf hatte vor Ort Akzeptanz gefunden. Man hat gefragt: Gehe ich um den Baum herum oder gehe ich dahin? Erst als der

Bagger rollte, ist man aufmerksam geworden und hat gesagt: Darin ist CO enthalten. Früher war das ja alles bekannt. Da wurde nie nachgefragt. Deswegen: So überraschend kann das ja nicht sein.

Jetzt muss man auch den Antrag der SPD gründlich lesen. Dieser Antrag heißt: Wasch mich, aber mach mich nicht nass! Da werden so tolle Selbstverständlichkeiten gesagt wie, dass die Leitung erst in Betrieb gehen darf, wenn die Leitung sicher ist. Donnerwetter! Dann wird auch gesagt, dass die unabhängigen Experten einen hohen Sicherheitsstandard festlegen müssen. Donnerwetter, das ist alles ganz neu.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wollen Sie das nicht?)

Dann kommt wieder die Ausrede, indem hier steht: Es dürfen aber keine rechtlichen Bedenken mehr bestehen. – Ich garantiere Ihnen, ich werde in Deutschland für jedes industrielle Großprojekt mindestens einen Rechtsanwalt finden, der rechtliche Bedenken vorbringt. Das ist überhaupt kein Problem. Also kann man sagen: Ja, ja, wir wollen das ja, aber diese Bedenken müssen hundertprozentig ausgeräumt sein.

Meine Damen und Herren von der SPD es geht nicht um eine hundertprozentige Risikoausschlussmentalität.

(Britta Altenkamp [SPD]: Herr Ellerbrock, sol- len wir gehen?)

Es geht darum: Ist etwas verantwortbar nach internationalem Standard, ist es nach internationalem Standard als sicher anzusehen? Dann ist das in Ordnung.

(Beifall von der FDP)

Und es geht nicht um das, was Sie schreiben.

(Britta Altenkamp [SPD]: Möchten Sie, dass wir hier bleiben oder gehen?)

Ach, Frau Kollegin, ich wohne doch selbst an der Trasse. Halten Sie doch den Mund!

(Gisela Walsken [SPD]: Sie wohnen doch gar nicht an der Trasse!)

Es heißt, die Bezirks- und die Landesregierung hätten wesentlich mehr Öffentlichkeitsarbeit machen müssen. Ja, das stimmt. Man kann vieles besser machen. Die Landesregierung und die Bezirksregierung hätten die Podiumsdiskussionen, die Internauftritte und die Pressemitteilungen besser machen können. Aber ich höre es schon, dass in dem Augenblick, in dem hier eine größere Öffentlichkeitsarbeit gemacht worden wäre, rechtliche Bedenken vorgetragen worden wären: Die Bezirksregierung ist eine Planfeststellungsbehörde, hat nach Recht und Gesetz zu entscheiden und hat sich aus solchen Sachen herauszuhalten. Das ist eine heftige Gratwanderung.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich kann solch eine Leitung nur dann in Betrieb gehen, wenn die Leitung nachgewiesenermaßen internationalen Sicherheitsstandards entspricht und damit verantwortbar sicher ist. Das ist selbstverständlich.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Was heißt denn das, internationale Standards?)

Das kann man immer bezweifeln, wie man will.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Hören Sie doch auf! Das ist doch Laberei!)

Dafür hat das Gericht ja auch Gutachter eingesetzt.

Wie falsch der SPD-Antrag ist und welche Zielrichtung dahinter steht, zeigt diese Aussage auf Seite 2:

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Münster und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf haben Sicherheitsmängel deutlich gemacht.

(Gisela Walsken [SPD]: Ja!)

Nein, die haben keine Sicherheitsmängel deutlich gemacht. Sie haben Sicherheitsfragen gestellt, die jetzt gutachterlich beantwortet werden.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Sie sind doch ein Schönredner an der Stelle! Nehmen Sie doch die Ängste ernst!)

Sie haben Fragen gestellt. Man muss auf den Wortlaut achten, um festzustellen, was Sie meinen. Sie versuchen hier, populistisch Angst zu schüren, und versuchen, auf einer populistischen Welle mit der Angst der Menschen Politik zu machen. Das ist etwas, was ich zutiefst verachte und wogegen ich mich immer wenden werde.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, Industrie ist nicht alles. Ohne Industrie ist vieles nichts. Das ist das Motto dieser Landesregierung. Die Leitung muss nachgewiesenermaßen verantwortbar sicher sein. Dann müssen wir auch dazu stehen. An einem Industriestandort müssen wir sagen: Wenn die rechtlichen Hürden genommen sind, wenn die Sicherheitsaspekte bestätigt sind, dann ist die Leitung politisch von uns verantwortbar. Wir müssen dann auch dazu stehen. Wer das nicht tut,

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

muss sich fragen, welches politische Grundverständnis er hat. Der hat nichts mit Recht und Ordnung zu tun. Der hat nichts mit Verfahren zu tun. Der stellt sich außerhalb der Rechtsordnung. Dafür sind wir nicht zu haben. – Danke schön.