Protocol of the Session on March 24, 2010

Es ist eindeutig: Krankenhäuser, Polizei und Feuerwehren sind nicht entsprechend gerüstet. Leib und Leben der Menschen können bei Unfällen nicht geschützt werden. Diese Risiken sind erkennbar nicht beherrschbar. Selbst ein kleines Loch bedeutet eben Lebensgefahr in großem Umkreis. Bis heute gibt es keinen abgestimmten Gefahren- und Abwehrplan. Auch ein Katastrophenschutzplan liegt nicht vor. Ich frage Sie, die das Projekt wollen: Was antworten Sie den Menschen, die danach seit über drei Jahren fragen?

Ich meine, es gibt Alternativen: dass – wie weltweit überhaupt – Gefahrstoffe dort produziert werden, wo sie auch verwendet werden. Wir wollen den Chemiestandort in Nordrhein-Westfalen und die Arbeitsplätze sichern und fordern deshalb eine dezentrale CO-Versorgungsstrategie. Ich frage Sie: Ist es denn nicht auch ökonomisch absolut sinnvoll, solche Alternativen zu verfolgen?

Zugegeben: Die Situation ist verfahren. Aber Sie können ein solches Projekt nicht gegen den Widerstand einer ganzen Region durchsetzen. Es gehört auch zur politischen Vernunft, einzusehen, dass die

Widerstände so groß sind, dass die Durchsetzung nicht sinnvoll ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Über 105.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Es wird absehbar einen jahrelangen gerichtlichen Streit geben. Auch deshalb ist es sinnvoll, über Alternativen am Standort zu reden, weil es sich auch ökonomisch rechnen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ziehen sie also heute eine Grenze. Vertreten Sie endlich Recht und Gesetz. Schützen Sie die Sicherheit der Menschen in der Region, oder zeigen Sie zumindest, auch wenn Sie das Projekt wollen, ökonomische und politische Vernunft. Heute haben Sie die Gelegenheit, unserem Antrag zuzustimmen und ein Stoppsignal zu setzen.

Im Übrigen ist der Antrag auf Basis von Briefen aus anderen Reihen, nämlich aus der CDU-Fraktion, geschrieben worden. Aber ich weiß, dass es auch bei der SPD kritische Stimmen gibt.

Die Menschen vor Ort wissen nach drei Jahren Kampf genau, wie es weitergehen wird: am 9. Mai eventuell mit ihrer Stimme gegen die Pipeline; aber auch danach wird der Kampf weitergehen.

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Also darum geht es!)

Das könnten wir heute abkürzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb stimmen Sie unserem Antrag auf der Basis rationaler Vernunft zu! Wir werden deshalb auch eine namentliche Abstimmung beantragen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Remmel. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Hubert Schulte das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Schulte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich auf den Inhalt des Antrags der Grünen eingehe, will ich eine grundsätzliche Anmerkung machen: Die Fraktion der Grünen hat einen Antrag mit der Überschrift „COPipeline-Projekt endlich beenden – Arbeitsplätze an den Standorten sichern“ gestellt. Ich will nicht belehren, aber ich hätte von den Grünen doch erwartet, dass sie zumindest einige wenige Kenntnisse der Verfahren und Abläufe in unserem Land haben.

Erstens. Die Landesregierung kann das Projekt nicht, wie Sie es in Ihrem Antrag suggerieren, beenden. Kollege Kuschke hat das im Umweltausschuss ebenfalls deutlich gemacht. Auch wir vertreten diese Auffassung.

Zweitens. Sie fordern das Unternehmen auf, die Arbeitsplätze an den Standorten zu sichern. Wir leben in einer sozialen Marktwirtschaft, in der die Politik keine Arbeitsplätze, sondern Rahmenbedingungen schafft. Wo und in welcher Form Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden, ist eine unternehmerische Entscheidung.

Meine Damen und Herren, Sie sehen schon an der Überschrift, welche Qualität dieser Antrag hat. Der Beitrag von Herrn Remmel hat das gerade erst richtig verdeutlicht. Es handelt sich um Wahlkampf auf dem Rücken der betroffenen Menschen und zulasten des Industriestandortes NordrheinWestfalen.

(Beifall von der CDU)

Denn Sie wollen bei den betroffenen Menschen vor Ort den Eindruck erwecken, dass Sie das Projekt stoppen könnten. Das ist falsch. Sie machen Wahlkampf – nicht mehr und nicht weniger.

Sie formulieren in Ihrem Antrag die Aufforderung an die Landesregierung, die Menschen in dieser Region ernst zu nehmen. Ich nehme für uns in Anspruch, dass wir die Menschen in dieser Region ernst nehmen. Ich bedanke mich an dieser Stelle insbesondere bei den betroffenen Kollegen vor Ort, dass sie sich so intensiv mit der Thematik befassen und die kritische Diskussion begleiten. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht immer einfach ist.

Die Firma Bayer und der Leitungsbauer WINGAS haben am 24. Februar 2010 im Umweltausschuss des Landtags Versäumnisse eingestanden. Ja, es gab Schlampereien beim Bau und bei der Informationspolitik. Das ist ärgerlich und kaum entschuldbar.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Diese Vorkommnisse haben die Menschen verunsichert und mit Blick auf die betroffenen Unternehmen zu einem Vertrauensverlust geführt. Aber es bleibt ebenso richtig, dass wir diese Vorkommnisse ausführlich diskutiert haben und dabei auch die Unternehmen entsprechend Stellung genommen haben. Ebenso hat die Landesregierung die notwendigen Aussagen getroffen.

Für die CDU-Fraktion steht fest, dass diese Pipeline nur in Betrieb gehen kann, wenn auch die letzten Zweifel im Hinblick auf die diskutierten Fragestellungen beseitigt sind.

(Beifall von der CDU)

Die offenen Fragen müssen jetzt vor Gericht im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Wir unterstützen die Landesregierung in der Auffassung, dass die gerichtliche Entscheidung zunächst abgewartet werden muss.

Ich stelle abschließend fest:

Erstens. Der Antrag der Grünen ist unbegründet.

Zweitens. Der Antrag der Grünen ist reiner Wahlkampf, der Versuch, auf Kosten der Bevölkerung Wahlkampf zu führen.

Drittens. Das laufende gerichtliche Verfahren warten wir ab.

Deshalb, meine Damen und Herren, stimmen wir Ihrem Antrag nicht zu.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Schulte. – Als nächster Redner hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Römer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Es gibt keinen Zweifel, die CO-Pipeline ist ein höchst umstrittenes Projekt. Besonders bei den Menschen, die an der Trasse wohnen, stößt diese Pipeline auf Ablehnung und Widerstand. Der Widerstand ist größer geworden. Dazu haben diese Landesregierung und der Projektträger Bayer erheblich beigetragen.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: So ist es!)

Diese Landesregierung – ich schaue mal Frau Ministerin Thoben an – hat bis heute keinen eigenen Beitrag dazu geleistet, um den berechtigten Sorgen und Ängsten der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu begegnen. Diese Landesregierung hat diese Sorgen und Ängste noch nicht einmal aufgenommen. Weder Ministerin Thoben noch Minister Uhlenberg – er ist nicht da – haben sich der Diskussion mit den Menschen vor Ort gestellt. Sie tauchen ab, wie anderswo auch, wenn es ernst wird.

Frau Thoben, heute Morgen haben Sie meiner Kollegin Wiegand, die Sie in ihren Wahlkreis auf den Marktplatz von Gronau eingeladen hat, um mit den besorgten Bürgerinnen und Bürgern zu sprechen, die wegen des schwerwiegenden Atomunfalls bei Urenco beunruhigt sind, ganz schnoddrig geantwortet:

(Gisela Walsken [SPD]: Tja!)

Wenn Sie die Bürger beruhigen wollen, geben Sie Ihnen meine Rede!

(Gisela Walsken [SPD]: Das ist diese Lan- desregierung, statt einmal dahinzukommen! Feige!)

Eine solche Haltung einer verantwortlichen Ministerin ist ignorant, arrogant und unverschämt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Die Rede entlarvt auch!)

So darf eine Landesregierung nicht mit den Menschen umgehen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Denn das ist ja die Arbeitsweise der Regierung Rüttgers: Wenn es hart wird, dann tauchen Sie ab, verstecken sich in der Furche, gehen den Menschen aus dem Weg und bürsten jede Kritik an Ihrem Vorgehen schnoddrig und arrogant ab. Ich bin fest davon überzeugt, Sie werden am 9. Mai die Quittung dafür bekommen.

Auch der Projektträger Bayer hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Bayer macht peinliche und schlimme Fehler bei der Planung und Ausführung und will anschließend die Welt nicht verstehen, wenn die betroffenen Menschen dagegen Sturm laufen. Wer aber wie Bayer denkt, mit einer schönen Homepage sei das Vertrauen der Leute zu gewinnen, hat Grundlegendes nicht verstanden.

(Beifall von der SPD)

Wer die Sorgen der Menschen ignoriert und seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch als Unternehmen nicht nachkommt, bekommt die Quittung. Das gilt auch für Weltkonzerne wie Bayer.

Wenn es um die Sicherheit von Menschen geht, braucht es ein Höchstmaß an Sensibilität und Transparenz im Umgang mit den Fragen, mit den Ängsten und mit der Kritik betroffener Bürgerinnen und Bürger. Das ist eine unverzichtbare Voraussetzung, um Akzeptanz für wichtige Industrieprojekte wie die CO-Pipeline überhaupt zu erlangen. Heute ist der Befund: Die Akzeptanz für die CO-Pipeline ist vor Ort total ruiniert.

Die SPD-Fraktion hat immer wieder über die COPipeline diskutiert. Wir haben das gründlich getan und uns die Sache nie leicht gemacht. Wir haben die Argumente der Bürgerinitiativen aufgenommen. Unsere Abgeordneten vor Ort haben diese Argumente aus erster Hand in die Fraktion gebracht; sie und wir stehen in ständigem Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Bürgerinitiativen.

Ich gestehe freimütig, in unserer Fraktion gibt es viel Verständnis für die Ängste der Menschen vor der CO-Pipeline. Aus dem Bauch heraus gibt es auch viel Sympathie dafür, dieses umstrittene Projekt zu stoppen. Ich füge aber auch hinzu: Wir dürfen uns nicht vom Bauchgefühl leiten lassen.