Protocol of the Session on March 23, 2010

Als dieser Antrag formuliert wurde, lag die EURahmenrichtlinie ebenfalls schon vor. Heute fordern nun die gleichen Unterzeichner mit ihrem Entschließungsantrag die Landesregierung auf, den nunmehr verabschiedeten Abfallwirtschaftsplan – die Forderung ist also erfüllt worden – auszusetzen.

Ich finde, das ist peinlich; das ist geradezu unglaublich. Wie immer bleiben Sie weit hinter den bereits laufenden abfallwirtschaftlichen Aktivitäten der Landesregierung und den hier inhaltlich gefassten Beschlüssen zurück. Ihre Anträge, lieber Stephan Gatter, enthalten Bausteine, die wir aus vielen recycelten Gatter-Anträgen kennen, aber trotz der damit einhergehenden einseitigen Zielrichtung natürlich auch Fakten, die wir bei der Fortschreibung des landesweiten Abfallwirtschaftsplans immer wieder diskutieren und aufrufen müssen, weil die Technik einfach fortschreitet.

Heute wissen wir, meine Damen und Herren, dass die Abfallwirtschaft einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Europa ist. Unsere NRWAbfallwirtschaft mit der fünfstufigen Zielhierarchie – genau das, was im Antrag gefordert wird, ist auch in unserem Abfallwirtschaftsplan enthalten: vermeiden, die drei Verwertungsstufen und dann vernichten bzw. beseitigen; man kann auch Wortklauberei betreiben, bei uns heißt es „vernichten“, die EU spricht von „beseitigen“ – entspricht exakt den Vorgaben der EU-Abfallrahmenrichtlinie und ist ein gutes Beispiel dafür, dass Umweltschutz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit kein Widerspruch sind.

Meine Damen und Herren, Kernziel der nordrheinwestfälischen Abfallpolitik ist vorrangig die Auf

rechterhaltung einer umweltverträglichen Entsorgungssicherheit. Bei einer breit gefächerten Infrastruktur verfügen wir in Nordrhein-Westfalen über hoch entwickelte Aufbereitungs- und Entsorgungsanlagen. Ich erinnere an die technische Optimierung der Durchsatzerhöhung bei den Müllverbrennungsanlagen und anderes mehr.

Im europäischen Vergleich haben wir in NordrheinWestfalen das fortschrittlichste Entsorgungskonzept, mit über 60 % auch die höchste Quote an stofflicher Verwertung. 1991 lagen wir noch bei 21 %. Das ist eine tolle Entwicklung. Diese Entwicklung, die Zunahme der Recyclingquote, die demografische Entwicklung – ich verweise auf die Prognos-Studie von 2009 zur Abfallstatistik – oder auch das Umdenken weg von der Wegwerfgesellschaft führen zu wesentlich kleineren Abfallmengen, als noch vor wenigen Jahren prognostiziert wurde. Es werden wesentlich weniger Dinge aus den Haushalten entsorgt, die ihren Zweck oder Nutzen verloren haben, und das ist auch gut so.

Diese erfreuliche Entwicklung führt in der Entsorgungswirtschaft kommunaler wie privater Entsorger – da kann man nicht differenzieren – zu intensiven Veränderungen in den Wertschöpfungsstufen, die einer angepassten Gesetzgebung zum Beispiel bei der Definition von Verwertung und Beseitigung bedürfen. Das gibt die EU auch vor. Das muss immer wieder aktualisiert werden. So wird wirtschaftliches und effizientes Recycling – das wissen wir alle – in Deutschland – in Nordrhein-Westfalen ganz besonders am Standort Lünen, dem größten europäischen Zentrum für industrielle Kreislaufwirtschaft – erforscht. Dies haben wir uns alle gemeinsam angesehen. Wir wissen, dass wir hier mehr als nur auf einem guten Weg sind. Das ist eine erfreuliche Entwicklung und ein Wandel, den wir alle begrüßen.

Künftig werden wir aber auch beachten müssen, dass ganze Müllfraktionen wegbrechen. Diese Entwicklung muss die Politik, müssen wir begleiten. Darum sind die Festlegungen in unserem neuen Abfallwirtschaftsplan absolut richtig, der natürlich entsprechend der Zeit aktualisiert werden muss.

Meine Damen und Herren, das von Minister Eckhard Uhlenberg formulierte Kernziel unserer nordrhein-westfälischen Abfallpolitik ist vorrangig die Aufrechterhaltung einer umweltgerechten Entsorgungssicherheit und stimmt vollinhaltlich mit den Vorgaben der EU-Abfallrahmenrichtlinie 2009 vom 19. November 2008 überein.

(Zuruf von Stephan Gatter [SPD])

So ist unser neuer landesweiter Abfallwirtschaftsplan ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge und auch eine gute Visitenkarte für unser Land. Es ist schade, dass die Oppositionsfraktionen an der Entwicklung dieses wichtigen Plans nicht konstruktiv

mitgewirkt, sondern die Ministerien mit nicht am Ziel orientierten Anträgen beschäftigt haben,

(Svenja Schulze [SPD]: Es wäre schön, wenn Sie den Entschließungsantrag mal gelesen hätten!)

so auch der heutige Antrag, den Sie möglichst schnell in die grüne Mülltonne legen sollten, damit zumindest das Papier recycelt werden kann.

(Beifall von der CDU)

Zu der Erwartungshaltung, die Stephan Gatter ausgedrückt hat: Natürlich werden wir dem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kress. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Ellerbrock das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Karl Kress hat es gesagt: Der Antrag der SPD ist in sich überholt. Er hatte drei Kernpunkte: Einmal hat er sich mit einem Mindestlohn beschäftigt. Dann wollte er auffordern, man müsse sich mehr dem europäischen Gedanken öffnen. Da bin ich sehr nah bei Ihnen, Kollege Gatter. Ich kann nicht verstehen, dass wir immer noch in autarkistischen Gedankenspielen sind. Für mich ist Reststoff kein diskriminierendes Gut, sondern ich verwende inzwischen den Begriff des Wertstoffs. In wenigen Jahren werden solche Grenzen nicht mehr vorhanden sein. Aber das geschieht Schritt für Schritt, das läuft.

Der Kern, um den es geht, ist die Frage der Aufstellung des Abfallwirtschaftsplans. Kollege Gatter, Sie haben recht: Wir sind zusammen mit dem Koalitionspartner der tiefen Überzeugung gewesen,

(Britta Altenkamp [SPD]: Gewesen, Herr El- lerbrock! Mit „gewesen“ wäre ich einverstan- den!)

dass es richtig war, den Antrag so zu formulieren, wie wir es gemacht haben, nämlich die Claims, die festgesetzten Einzugsgebiete, die aus uralter Zeit stammen und damals auch ihre Berechtigung hatten, aufzulösen.

Wir müssen uns doch vor Augen halten: Der Abfallwirtschaftsplan ist mit der Zielrichtung konzipiert worden, Entsorgungssicherheit zu gewährleisten. Das haben wir in den Jahren seit 1990 zum Glück geschafft. Es ist auch richtig, dass die Abfallwirtschaft in Nordrhein-Westfalen eine Erfolgsgeschichte ist. Wir haben heute deshalb wesentlich weniger Abfälle, weil wir Abfälle vermeiden, vermindern und verwerten. Das bedeutet, dass wir beim vierten V – der Verbrennung von Abfällen – weniger haben, als wir uns jemals vorgestellt hatten.

Es ist auch festzustellen, dass es in einigen Landesteilen, zum Beispiel Westfalen und Münster, noch nie Claims gab. Das hatte eine bestimmte Berechtigung.

Im Rheinland gab es Herrn Trienekens. Die Schattenseite von Herrn Trienekens war, dass er sich in Korruptionsdinge verstrickt hatte. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist kriminell und wird verhandelt. Andererseits muss man deutlich sagen: Herr Trienekens war derjenige, der Nordrhein-Westfalen vor dem Entsorgungskollaps gerettet hat. Den Entsorgungskollaps wollten die Grünen mit Frau Höhn und ihrer Truppe in Nordrhein-Westfalen herbeiführen, weil so die Möglichkeit bestand, eine völlig andere Industriepolitik, ein völlig anderes politisches System zu integrieren. Das ist die Wahrheit.

(Beifall von der FDP – Ralf Witzel [FDP]: Ge- nau, das war die Grünen-Strategie!)

Das war in der Tat die Verstopfungsstrategie der Grünen; das muss man ganz deutlich sagen. Herr Trienekens hat damals eine Leistung erbracht, die man nicht vergessen darf.

Meine Damen und Herren, jetzt kommt das Zeug des Teufels: der Begriff Wettbewerb. Mit Wettbewerb sollen jetzt Anlagen untereinander die Preise ehrlich kalkulieren. Verschiebungen, Subventionen, Quersubventionen sollen nach dem Motto vermindert werden: Klarheit ist Wahrheit. Sie sollen eine klare Kostenzurechnung machen, und das erfolgt jetzt.

Es muss doch selbst diejenigen, auch Sie Kollege Gatter, in Erstaunen versetzen, dass die allermeisten Kommunen froh sind, dass sie momentan mit Entsorgungsanlagen zum ersten Mal verhandeln können und dass sie eine Auswahl haben. Es müsste Sie doch in Erstaunen versetzen, dass die größte Anzahl der Anlagenbetreiber die Chancen erkennt und froh ist, jetzt an den Markt gehen zu können.

(Beifall von der FDP)

Es gibt wenige Anlagen, die das nicht können. Dann muss man fragen: warum nicht? Haben die ihre Kunden falsch behandelt? Sind die nicht auf dem Stand der Technik geblieben? Oder haben sie zu viele Quersubventionen vorgenommen, weil der Preis nicht stimmt? Da sage ich: Das sind diejenigen, die ehrliche Preise machen, die die Standards gewährleisten. Das ist in Ordnung.

Dann kommt die Mär davon, durch Wettbewerb würden Standards gesenkt. Meine Damen und Herren, Standards spielen sich in dem BundesImmissionsschutzgesetz und in den nachfolgenden Verordnungen ab.

Mir ist nicht bekannt, dass irgendeine Anlage in Nordrhein-Westfalen diesen Standards nicht entspricht. Richtig ist wohl, dass es keinen nordrheinwestfälischen Sonderweg mehr gibt nach dem

Motto: Wünsch dir was, koste es, was es wolle, die Bürger bezahlen es ja schon. Sie können ja nicht ausbüchsen, Sie müssen ja die Anlage nehmen. Jawohl, ich bin froh, dass das jetzt beendet wird. Dazu stehe ich, und ich hoffe, dass das klappt.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden am 9. Mai zu entscheiden haben: Will man hier mehr Planwirtschaft, dass wir alle möglichen Einzugsbereiche, am besten noch jede Tonne, festlegen? Man muss sich doch fragen, was der SPD-Antrag soll. Der zielt doch letztendlich darauf ab, diese Grünen hoffähig zu machen,

(Monika Düker [GRÜNE]: Sind wir schon längst!)

die zusammen mit den Linken vergessen haben, dass es eine SED-Planwirtschaft gab, die 1990 als Feldversuch Konkurs gegangen und beendet worden ist. Diese planwirtschaftlichen Gedanken sollen jetzt wieder fröhliche Urständ feiern. Darum geht es. Sie wollen mehr Planwirtschaft, wir wollen mehr soziale, ökologisch ausgerichtete Marktwirtschaft. Und das kann man auch so deutlich machen. Ich kann das auch noch an diesen letzten Legislaturtagen noch an manchen Positionen Punkt für Punkt belegen. – Schönen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat wird am 9. Mai eine Entscheidung darüber getroffen, wie zukünftig Strukturen auch gerade der kommunalen Daseinsvorsorge in NordrheinWestfalen aussehen werden. Wollen wir das, was Herr Ellerbrock gerade vorgestellt hat,

(Zuruf von der FDP: Ja!)

was letztlich dazu führt, dass wir den Straßenkampf haben werden, den Straßenkampf verschiedener mafiöser Einrichtungen um jede Mülltonne? Das ist das Konzept, das die FDP vorschlägt.

(Widerspruch von der FDP)

Da, wo die Abfallwirtschaft liberalisiert worden ist, haben wir genau diese Zustände, die ich gerade beschrieben habe. Das wollen wir nicht.

Herr Abgeordneter, …

Herr Ellerbrock wollte eine Frage stellen.

Bitte schön, Herr Kollege Ellerbrock, der Kollege Remmel gibt Ihnen das Wort für eine Zwischenfrage.

Nein, das macht die Präsidentin.

Ja, aber ohne Ihre Erlaubnis könnte ich das nicht tun, Herr Kollege Remmel.

Herr Kollege Remmel, könnten Sie vielleicht angesichts Ihrer eben getätigten Aussage über mafiöse Strukturen die Unternehmen benennen, die Ihrer Ansicht nach solche mafiösen Strukturen anwenden?