Protocol of the Session on March 11, 2010

(Beifall von den GRÜNEN)

die, wie vom Land immer wieder zu Recht gesagt wird, die ganze Zeit eine hoheitliche Aufgabe hatte, also auch zu diesem Zeitpunkt. Sie entfällt selbstverständlich nicht dadurch, dass man die Staatsanwaltschaft informiert und dann sagt: Weiteres tun wir nicht, weil es öffentlich werden könnte.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass im weiteren Verlauf der Debatte beim Auftauchen der gefälschten Vermessungsprotokolle und dem offensichtlichen Umstand, dass Schlitzwände eben nicht so gebaut worden sind, wie sie hätten gebaut werden müssen, darüber geredet worden ist, dass das Hochwasser bei einem Stand von 6,50 m im Grundwasser einen Druck erzeugen könne, was Unsicherheiten und Risiken zur Folge hätte. Man hatte vor, die Baustelle zu fluten, hat das aber kurzfristig doch gelassen. Man hat auf eine Decke

gesetzt, die man eingezogen hat, was auch gut gegangen ist.

Warum erzähle ich das? Ich erzähle das, weil am 27. Dezember der Hochwasserstand laut Hochwasserzentrale bei 6,48 m lag. Insofern bestand also eine ähnliche Situation wie diejenige, die man später als hoch riskant bezeichnet hat. Aber die technische Aufsicht Bau war darüber ausweislich der Unterlagen nicht informiert. Sie ist über das Problem mit den weiteren Schlitzwänden und den Vermessungsprotokollen ebenfalls ausweislich der Unterlagen erst am 29. Januar informiert worden.

All das bringt uns neben dem Umstand, erneut eine Bundesratsinitiative zu fordern, dazu, dass auch die technische Aufsicht Bau personell weit stärker ausgestattet werden muss, als das bislang als erste Konsequenz erfolgt ist – übrigens erst zum 1. Dezember bzw. eine zweite zusätzliche Personalstelle zum 1. Februar. Das ist nach einem Unglück im April letzten Jahres sehr spät.

Deswegen fordern wir in unserem aktuellen Antrag ganz deutlich, dass zum einen eine Bundesratsinitiative zur Änderung der BOStrab gestartet und zum anderen die technische Aufsicht Bau zusammen mit der Ingenieurkammer Bau reformiert werden soll und zu sehen, wie wir das neu organisieren können. Dabei steht weit mehr infrage als der Straßenbahnbau, nämlich auch Brücken und Straßen. Wie ich höre, sind dazu Untersuchungen angeordnet worden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung, die noch am 27. Februar in der Sendung „Westpol“ bestritten hat, dass es überhaupt einen Handlungsbedarf bei der BOStrab gäbe, und auch in der Vorlage im Ausschuss gesagt hat, dass sie es nicht so sähe, hat nunmehr am Dienstag einen Kabinettsbeschluss gefasst, dass sie eine solche Bundesratsinitiative will. Sie kommt damit unserer ersten Forderung nach. Wie ich schon sagte, hatten wir das schon vor einem Jahr gefordert.

Sie sollten aber nicht wieder ein Jahr warten, sondern heute auch unserer zweiten Forderung nachkommen. Dazu gehört eine weitere personelle Ausstattung der hoheitlichen Aufgabe der Aufsicht sowie eine Neuorganisation der TAB in Zusammenarbeit mit Externen wie der IngenieurkammerBau. Ich bitte Sie darum, nicht wieder ein Jahr zu warten. Stimmen Sie heute beiden Punkten zu. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Bernd Schulte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs verbunden mit dem Tod von zwei Menschen und der Vernichtung bzw. Beschädigung von Archivgut hat uns allen vor Augen geführt, welche Bedeutung der technischen Bauaufsicht in der Praxis zukommt.

Bislang gibt es noch keine Klarheit über die Einsturzursache. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen dauern an und werden sich sicherlich noch geraume Zeit hinziehen. Das Einsturzereignis am Kölner Waidmarkt ist zu komplex, um kurzfristig Ergebnisse erwarten zu können, die eindeutig belegen, welche Ursachen und Umstände für das Ereignis verantwortlich waren.

Es kristallisiert sich aber heraus, dass die grundlegenden Mechanismen der technischen Bauaufsicht offenbar nicht in vollem Umfang und in der notwendigen Weise gegriffen haben. Offensichtlich war es so, dass eine unzulängliche Kontrolle der Baustellen beim Kölner und, wie inzwischen feststeht, Düsseldorfer Stadtbahnbau zusätzlich kriminellen Handlungen und mangelhafter Bauausführung Spielraum gegeben hat.

Umso entscheidender ist es, dass die Landesregierung unverzüglich nach dem Einsturz alles unternommen hat, was zur weiteren Gefahrenabwehr an der Unglücksstelle selbst und darüber hinaus erforderlich war.

Klar ist – und da geht, Herr Kollege Becker, Ihr Antrag bereits im Aufschlag fehl –: Die Bauaufsicht war, ist und bleibt immer eine staatliche Aufgabe. Die Argumentation „Privat vor Staat“ ist in diesem Zusammenhang verfehlt und völlig absurd.

Sofort nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs wurde eine umfassende Überprüfung der Aufsicht über den Bau und Betrieb von Straßenbahnen vorgenommen. Konsequent wurde als Ergebnis dessen mit sofortiger Wirkung die nach der Betriebsordnung Straßenbahn erlaubte Übertragung der Bauaufsicht an die Kölner Verkehrsbetriebe KVB, die zugleich Bauherrin des Kölner Stadtbahnbaus ist, zurückgenommen und einem unabhängigen und renommierten Ingenieurbüro, der Spiekermann AG, übertragen.

Im Falle der Düsseldorfer Wehrhahnlinie wurde dafür Sorge getragen, dass eine strikte räumliche und personelle Trennung bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Bauherrenschaft und der Bauaufsicht unter dem Dach des Oberbürgermeisters erfolgte. Es erfolgte im Verlauf dieser organisatorischen Maßnahme noch die Einziehung einer weiteren Firewall zwischen diesen beiden Dienststellen innerhalb der Stadtverwaltung, um die Unabhängigkeit beider Bereiche zu sichern und zu gewährleisten.

Organisatorische Maßnahmen leitete die Landesregierung auch bei der technischen Aufsichtsbe

hörde ein, die bei der Düsseldorfer Bezirksregierung angesiedelt ist und die die Verantwortung für die Bauaufsicht bei allen Stadtbahn- und U-BahnBauprojekten in Nordrhein-Westfalen trägt.

Vorgenommen wurde eine Aufstockung des Personals, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist und sich auf die Neueinstellung von zusätzlichen Prüfingenieuren verschiedener Fachrichtungen bezieht. Zudem hat die Landesregierung angeordnet, ein Controlling- und Managementsystem einzuführen, das zukünftig die Bauaufsicht qualitativ verbessert und effizienter macht.

Als reine Vorsichtsmaßnahmen sind sowohl die technische Aufsichtsbehörde als auch der Landesbetrieb Straßenbau NRW angewiesen worden, alle Tunnel- und Brückenbauwerke jüngeren Datums auf ihre Standsicherheit hin zu untersuchen. Ich betone ausdrücklich, dass es sich hierbei um eine reine Vorsichtsmaßnahme handelt. Anhaltspunkte für Versäumnisse oder Gefährdungen in den betroffenen Bereichen liegen derzeit nicht vor.

Meine Damen und Herren, insgesamt gilt mein Dank an dieser Stelle der Landesregierung, die sich in jeglicher Hinsicht verantwortungsvoll und umsichtig verhalten hat,

(Beifall von der FDP)

wie die frühere Landesregierung es 1996 auch getan hat, als es um die Konsequenzen aus dieser furchtbaren Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen ging.

Der damalige Ministerpräsident hatte 1996 eine Expertenkommission eingerichtet, die einen Maßnahmenkatalog für die Verbesserung des vorbeugenden Brandschutzes erarbeitet hat. Dieser Katalog wurde dann ohne kontroverse Diskussionen konsensual in die Landesbauordnung übernommen, die im Juni 2000 durch den Landtag beschlossen wurde. Sie sehen auch hier, dass eine gründliche Aufarbeitung kein Schnellschuss sein muss, sondern dass auch hier der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gilt.

Mit dem heute von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Entschließungsantrag unterstützen wir ausdrücklich das bisherige Vorgehen der Landesregierung und begrüßen auch die von ihr beschlossene Bundesratsinitiative zur Änderung der Betriebsordnung Straßenbahn.

Ziel dieser Änderung ist es, die in NordrheinWestfalen gemachten Erfahrungen auch auf Bundesebene einzubringen und diese normativ zu machen. Das Bezeichnende am Kölner Unglück ist die Tatsache, dass § 5 Abs. 2 Satz 2 der Betriebsordnung Straßenbahn der technischen Aufsichtsbehörde ausdrücklich die Möglichkeit einräumt, die Bauaufsicht dem jeweiligen Bauherrn anzuvertrauen. Die hieraus möglicherweise entstehende Inte

ressenkollision, die am Kölner Stadtbahnbau ersichtlich wurde, soll künftig nicht mehr möglich sein.

Ich weise aber auch darauf hin, meine Damen und Herren, dass die Unterstützer dieses Antrages in Berlin nicht Schlange stehen werden. Wir werden Überzeugungsarbeit und viel mehr darüber hinaus leisten müssen, um auch anderen Bundesländern, die nicht von diesen Maßnahmen tangiert sind, deutlich zu machen, dass wir diese Änderungen brauchen. Wir haben bisher die Bayern an unserer Seite, aber es gilt auch der Appell an die Kollegen der Opposition, über ihre Verantwortung in den jeweiligen Landesregierungen darauf hinzuwirken, dass dieser Antrag in Berlin eine breite Unterstützung erhält.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Ich stelle abschließend fest, dass für NordrheinWestfalen selbst die Landesregierung alles Notwendige veranlasst hat, damit die künftige Bauausführung und Bauaufsicht wirkungsvoll voneinander getrennt sind.

Vergleichbare Ereignisse wie in Köln dürfen sich nach allgemein vorherrschender Auffassung nicht wiederholen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Schulte. – Für die SPD spricht nun der Kollege Börschel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es richtig, etwa ein Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs auch hier im Parlament in Düsseldorf eine Zwischenbilanz zu ziehen und zu überlegen, was seitdem geschehen ist, welche Konsequenzen gezogen, welche unterlassen wurden und welche Erkenntnisse mittlerweile eingetreten sind.

Da möchte ich mich zunächst – wie es auch der guten Ordnung halber richtig ist – dem GrünenAntrag zuwenden, dessen Schlussfolgerungen und Forderungen die SPD-Fraktion für richtig hält, weshalb wir dem Antrag zustimmen werden.

In der Analyse, die wir ja nicht mitbeschließen, blenden Sie allerdings einen Punkt aus. Da dieser Punkt noch nicht benannt wurde, möchte ich deswegen im ersten Teil darauf besonders Wert legen. Sie blenden ihn nämlich aus, wenn Sie beklagen, es sei in erster Linie ein vollständiges Versagen des Systems der Bauaufsicht offengelegt worden. Das ist nicht falsch, es ist nur unvollständig. Denn in erster Linie wurden bei dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs und den Dingen, die danach klar geworden sind, Mängel bei der Bauausführung of

fengelegt. Das ist ein kleiner, aber entscheidender Unterschied, den man zumindest hier auch einmal erwähnen sollte. Ganz offenkundig ist die Bauausführung bei der Kölner Nord-Süd-Bahn, aber auch beispielsweise bei der Düsseldorfer WehrhahnLinie nicht nach allen Regeln der Kunst erfolgt. Im Gegenteil: Nachdem die Stadt Köln, die Kölner Verkehrsbetriebe oder auch die Staatsanwaltschaft in Köln nach dem 3. März 2009 umfangreiche Prüfungen veranlasst haben, kamen erschreckende Erkenntnisse ans Tageslicht.

Ständig neue Nachrichten über Unregelmäßigkeiten und kriminelle Machenschaften bei den bereits vor fünf Jahren fertig gestellten Bauwerken machen die Menschen in Köln und auch überregional fassungslos.

Daher fragt auch der neue Kölner Oberbürgermeister, Jürgen Roters, völlig zu Recht: Wer von uns hätte sich vorstellen können, dass international handelnde Baufirmen in solch großem Umfang täuschen, manipulieren und betrügen – und dies bei Bauvorhaben, bei denen wir, wie beim Bau einer U-Bahn, höchste Sicherheitsstandards verlangen? Es ist daher in allererster Linie Aufgabe der beteiligten Baufirmen – so ist meine Schlussfolgerung –, aber auch der Bauindustrie insgesamt, hier schonungslos aufzuklären und diesen Pfusch für die Zukunft auszuschließen.

Wir werden jedenfalls – ich denke, das sollten wir gemeinsam tun – nicht zulassen, dass die schlimmen Vorkommnisse auf einzelne Bauarbeiter oder nachgeordnete Mitarbeiter abgeschoben werden. Denn Manipulation und Betrug haben ganz offenbar System, wie Ermittlungen an anderen Großbaustellen in Düsseldorf oder auch in Bayern zeigen. Deswegen ist es richtig und unsere gemeinsame Pflicht, hier zu sagen: Das auf Einzelne abzuschieben, ist unanständig. Das System des Pfuschs und der Mängel muss aufgeklärt werden. Und da sollten wir zusammenstehen.

Als Nächstes – da bin ich wieder ganz bei Ihnen, Herr Kollege Becker – bleibt selbstverständlich, vollkommen zu Recht die von Ihnen aufgeworfene Frage nach Bauüberwachung und -kontrolle. Ob die Bauüberwachung namentlich bei den Kölner Verkehrsbetrieben versagt hat, ist juristisch noch nicht abschließend geklärt und bewiesen. Aber es gibt mittlerweile gewichtige Indizien für Fehler auch hier. Einige davon haben Sie gerade angedeutet, andere werden noch zu besprechen sein. Unter anderem deswegen wäre es gut, wenn der zuständige Projektvorstand bei den Kölner Verkehrsbetrieben endlich auch die persönlichen Konsequenzen ziehen würde.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn die Übernahme persönlicher Verantwortung hat es bislang in Köln noch nicht gegeben, auch wenn andere jetzt versuchen, das zu verklären.

Schließlich – das bleibt der zweite Aspekt dieser zweiten Frage – ist natürlich auch die Struktur der Bauaufsicht kritisch zu hinterfragen. Bereits im Plenum am 2. April des Jahres 2009 – das ist eben angeklungen – hat es hier einen Antrag gegeben, dass die Landesregierung eine Bundesratsinitiative starten möge, Bauherreneigenschaft und Bauaufsicht strukturell zu trennen, dafür zu sorgen, dass so etwas überhaupt nicht mehr möglich sein kann, und zwar unabhängig vom Einzelfall, ganz grundsätzlich und aus Prinzip.

Diesem Antrag, dem damals nicht nur Grüne, sondern auch die SPD-Fraktion zugestimmt haben, ist leider die Mehrheit aus CDU und FDP mit Unterstützung der Landesregierung nicht gefolgt. Die Landesregierung hat ganz offenkundig seitdem zunächst einmal die Weiterentwicklung abgewartet und gezögert und sich jetzt erst, wiederum auf Druck neuer Erkenntnisse oder auch aufgrund der Ankündigung von parlamentarischen Initiativen, dazu entschlossen, zu handeln, und hat eine solche Bundesratsinitiative – wenn ich mich richtig erinnere – am 9. März im Kabinett beschlossen und öffentlich angekündigt.

Das ist, lieber Herr Minister Lienenkämper, spät, aber richtig. Und weil es richtig ist, unterstützen wir das auch und hoffen nur und fordern Sie damit gleichzeitig auf, jetzt wiederum nicht Monate oder Jahre ins Land gehen zu lassen, bis dieser Bundesratsinitiative auch tatsächlich Taten folgen, bis es sie gibt und sie dann hoffentlich in Recht und Gesetz gegossen wird.

In dem Zusammenhang – sie werden sicherlich gleich das Wort ergreifen – würde uns interessieren, ob es schon erste Signale entweder anderer Landesregierungen oder – noch relevanter – des zuständigen Bundesministeriums gibt, wie man sich denn dort zu einer solchen Rechtsänderung stellen möchte.

Erlauben Sie mir für die erste Runde noch einen abschließenden Hinweis auf den Entschließungsantrag der Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Forderungsgleich im Wesentlichen zu dem Antrag, den die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegt haben, kann Ihr Entschließungsantrag logischerweise nur ein Ziel haben, den in etwa gleichen Forderungen eine andere Legende voranzustellen. Mit der Legende, die Sie hier versuchen zu stricken, wollen Sie den Eindruck erwecken, als habe seit dem denkwürdigen 3. März des Jahres 2009 einzig und allein die Landesregierung gehandelt, angewiesen, Aktivitäten gezeigt, alle anderen hätten geschlafen, hätten nichts gemacht – sowohl die Bezirksregierung in Düsseldorf, die in Köln, die Stadt Köln, die Staatsanwaltschaft in Köln und andere mehr.