Meine Damen und Herren, ja, wir als FDP stehen zur Kernkraft als Brückentechnologie. Eine Brücke muss aber auch so lang sein, dass sie die Schlucht überwinden kann. 15 % des Stroms werden heute von erneuerbaren Energien erbracht. Das heißt im Umkehrschluss, dass immer noch 85 % des deutschen Stromes aus konventionellen Energieträgern – Braunkohle, Steinkohle und Kernkraft – stammen. Niemand der eben hier aufgetretenen Weltverbesserer, die Kohlekraft- und Kernkraftwerke ablehnen, hat bislang erklären können, wie diese 85 % der Stromerzeugung ersetzt werden sollen.
Meine Damen und Herren, bis zum Jahr 2020 rechnen optimistische Schätzungen mit einer 30prozentigen Versorgung aus erneuerbaren Energien. Vielleicht ist es mehr – ich würde es mir wünschen –, aber auch dann bleiben 70 % übrig, die es zu decken gilt. Dazu kommt, dass der Bedarf mit der Umstellung auf Elektromobilität sogar noch steigen dürfte. Deshalb meinen wir, dass für eine verlässliche Energieversorgung die Kernkraft auch über das Jahr 2020 hinaus gebraucht wird.
Meine Damen und Herren, die Zukunftskommission der Landesregierung hat es in ihrem Abschlussbericht deutlich gemacht. Dort steht:
Unser Land braucht eine sichere, zuverlässige und die Umwelt schonende Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen. Ohne Kernenergie ist das derzeit nicht möglich.
Herr Kollege Priggen, in dieser Zukunftskommission hat auch Ihr Parteifreund Herr Asbeck, Inhaber von SolarWorld, mitgearbeitet und dies entsprechend mitgetragen.
Meine Damen und Herren, wir teilen diese Auffassung der Zukunftskommission. Eine sichere, saubere und preiswerte Energieversorgung ist die Voraussetzung für einen Industriestandort wie Nordrhein-Westfalen. Kernkraft ist deshalb ein wichtiger Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit, weil sie neben ihrer preiswerten Verfügbarkeit auch noch nahezu CO2-frei ist. Wer den Ausstoß von Treibhausgasen aktiv verringern will, der muss für die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken sein, da diese jährlich 150 Millionen t CO2 einsparen. Das ist so viel, wie der gesamte deutsche Straßenverkehr jährlich ausstößt.
Darüber hinaus erfüllen die deutschen Kernkraftwerke höchste Sicherheitsanforderungen. Es ist allein schon deshalb sinnlos, diese abzuschalten, wenn man anschließend die Versorgungslücke mit Kernenergie aus den Nachbarländern schließen will.
Sicherlich kann man über die energiepolitische Ausrichtung politisch unterschiedlicher Meinung sein. Das ist auch nicht das Problem, Herr Kollege Priggen. Wir werfen Ihnen aber vor, dass Sie fordern, die Sicherheitsforschung zu beenden. Es wäre unendlich fahrlässig, dies zu tun. Gerade der hohe deutsche Sicherheitsstandard wird weltweit anerkannt und gilt als Vorbild. Wenn Sie aus parteitaktischem Kalkül diese Forschung unterbinden wollen, wie es Ihr Parteifreund Trittin schon einmal versucht hat, dann wäre dies verantwortungslos und leichtsinnig.
Genau deshalb, meine Damen und Herren, haben wir bereits in dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass die deutsche Sicherheitskultur, die anerkanntermaßen eine der besten der Welt ist, erhalten bleibt. Wir haben die Kernsicherheits- und die Entsorgungsforschung in Nordrhein-Westfalen wiederbelebt und werden sie auf hohem Niveau halten. Wir sind in Deutschland nach wie vor führend in der Welt, was die Sicherheit von Kernkraftwerken angeht. Das wollen wir auch bleiben, weil wir mitreden wollen bei den weltweiten Standards, die es zu setzen gilt. Darum geht es uns vor allem. Ohne deutsche Forschung bei der Kernsicherheit wird die Welt unsicherer, und das riskiert die Opposition in diesem Land sehenden Auges.
Was Sie bei der Frage der Sicherheitsforschung und der Endlagerung betreiben, ist organisierte Verantwortungslosigkeit, meine Damen und Herren. Aus dieser Verantwortung kommen Sie aber nicht heraus – ob Sie aussteigen wollen oder nicht; denn die Endlagerfrage muss geklärt werden. Herr Priggen, es waren Ihr Parteikollege, Herr Trittin, und der Pop-Beauftragte der SPD, die zehn Jahre lang, dafür gesorgt haben, dass es eben nicht zu einer Lösung der Endlagerfrage in Deutschland gekommen ist.
Zehn verlorene Jahre bei der Frage, wie wir diese Problematik lösen können. Parallel streichen Sie den Universitäten die Forschungsmittel genau für diesen Bereich. Das ist die unglaubwürdigste Scheinheiligkeit, die man sich vorstellen kann.
Meine Damen und Herren, jetzt muss man sich fragen, warum die angeblich guten Menschen von den Grünen und der SPD so etwas tun wollen. Ich sage es ganz klar: weil sie ein Interesse daran haben, dass die Endlagerfrage nicht gelöst wird. Ihnen ginge nämlich sonst, Herr Kollege Priggen, Ihr Hauptargument gegen die Kernkraft verloren, wenn
Sie die Endlagerfrage gelöst sähen. Die Menschen stehen zur Kernkraft durchaus positiv, wenn die Endlagerfrage geklärt wäre. Deshalb war die heutige Opposition in ihren elf Jahren bei der Endlagerfrage aus parteipolitischem Kalkül absichtlich untätig. Das ist, ehrlich gesagt, ein Skandal.
Darüber hinaus wird die Bundesregierung in diesem Jahr noch ein energiepolitisches Gesamtkonzept vorlegen. Das ist richtig und wichtig. Darin werden auch die Laufzeiten unserer sicheren und sauberen Kernkraftwerke verlängert. Die zusätzlichen Gewinne der Energieversorger müssen aber neben einer Entlastung der Bürger auch in die Forschung und Entwicklung neuer umweltschonender Energieumwandlungsmethoden investiert werden. Dafür werden wir uns einsetzen.
Meine Damen und Herren, Ihren Antrag lehnen wir ab, weil er unehrlich, forschungsfeindlich und gefährlich ist. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächster Redner hat der Abgeordnete Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Sagel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie uns die Atomkraftbefürworter der CDU und FDP ihre „strahlende“ Zukunft beschreiben. Es ist sehr erstaunlich, dass Sie mittlerweile wieder im Vormarsch sind; denn wir haben vor Jahren einmal geglaubt, das Thema Atomkraft sei in Deutschland endgültig erledigt. Jetzt haben wir eine Debatte über die Verlängerung von Restlaufzeiten und über vieles andere, was mit dem Thema Atomkraft zusammenhängt.
Was ich heute überhaupt nicht gehört habe, ist, dass man sich einmal kritisch mit den Atomkraftbetreibern auseinandersetzt, die in Monopolstrukturen, die wir nach wie vor in der Energiewirtschaft haben, die ganze Strompreispolitik mit Strompreisdiktaten, die in dem Zusammenhang stehen, steuern. Das sind Themen, die in diese Debatte hineingehören; denn Atomkraft ist nach wie vor keine billige Technologie, sondern eine hochgefährliche und vor allem auch teure Technologie. Die langfristigen Auswirkungen und Folgekosten in Bezug auf die Atommülllagerung werden nach wie vor in keiner Weise beachtet und nicht tatsächlich einmal bis zum Jüngsten Tag ausgerechnet. Wir haben für Tausende von Jahren die strahlende Zukunft.
Wir haben von Ihnen auch nichts darüber gehört, wie ein anderes Energiekonzept aussehen könnte oder müsste. Wir haben von Ihnen, vor allen Dingen von der CDU, nur mit erschreckender Offenheit – das muss ich hier sehr deutlich machen – gehört, dass Sie eine Verlängerung der Laufzeiten
von Atomkraftwerken und neue Kohlekraftwerke wollen. Das ist Ihre Technologie für den Umweltschutz, Ihre Energiewirtschaft in NordrheinWestfalen.
Ich bin sehr gespannt darauf, was wir nach der Wahl am 9. Mai erleben werden, wie die Grünen dann, die sich jetzt der CDU als möglicher Koalitionspartner anbiedern, tatsächlich zu einer vernünftigen und zukunftsweisenden Energiepolitik kommen wollen. Herr Priggen, ich wünsche Ihnen viel Spaß bei den Koalitionsgesprächen. Das werde ich mir mit Vergnügen anschauen. Ich kann nur sagen: Wir erleben hier eine ganz klare und knallharte Renaissancepolitik.
Grüne und SPD haben in ihrem Antrag aber auch deutlich gemacht, dass sie nicht mehr ganz so viel Ahnung von Atomkraft haben, wenn es heißt: „Es bleibt dabei: Nordrhein-Westfalen bleibt atomkraftfrei!“ Fakt ist aber: Wir haben natürlich Atomanlagen in Nordrhein-Westfalen, nämlich die Urananreicherungsanlage in Gronau. Ich habe jahrelang mit Jürgen Trittin darüber gestritten, sie auch in den Atomausstiegsbeschluss aufzunehmen. Denn sie ist als Brennstofflieferant im Kreislauf für den Betrieb der Atomkraftwerke wichtig. Das haben Sie mit keinem Wort erwähnt, genauso wenig wie das Atommüllzwischenlager in Ahaus.
Der Atomausstieg hat nicht funktioniert. Das ist leider das Ergebnis. Die Grünen haben zwar mit der SPD zusammen etwas beschlossen, aber es ist kaum etwas passiert. Es sind auch weiterhin Atomanlagen in Nordrhein-Westfalen in Betrieb. Die Atomkraftwerke in Deutschland laufen weitestgehend noch, sodass die Debatte über längere Laufzeiten wieder eröffnet wird. Das ist die reale Situation. Vor allen Dingen gibt es nach wie vor noch die sehr gefährlichen Atommülltransporte durch Nordrhein-Westfalen. Auch das gehört zur Atomkraft dazu.
Gegen all das spricht sich die Linke aus. Wir sagen sehr deutlich: Wir müssen die Atomkraft jetzt schleunigst beenden. Wir brauchen ein neues Energiekonzept. Wir müssen schleunigst auf 100 % erneuerbare Energien umsteigen. Wir müssen vor allem massiv Energie einsparen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Das wird mit der Linken möglich sein. Dafür stehen wir. Wir wollen eine andere Energiepolitik. Wir wollen ein Ende dieser Monopolstrukturen. Wir wollen die Netze vergesellschaften, aber eine Dezentralisierung der Energieversorgung. Wir wollen eine Rekommunalisierung der Energiepolitik. Das heißt, wir wollen regenerativen Energien, der Energieeinsparung zum Durchbruch verhelfen und keine neu
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Sagel. – Als nächster Redner hat nun für die Landesregierung Herr Minister Dr. Linssen in Vertretung für Frau Ministerin Thoben das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Priggen, ich bin Ihnen eigentlich sehr dankbar dafür, dass Sie sehr deutlich Ihr parteipolitisches Kalkül offengelegt haben. Es ist natürlich für die Opposition schwer, bei den Leistungen der Regierung in den letzten fünf Jahren überhaupt ein Thema für diesen Wahlkampf zu finden.
Natürlich sind Sie händeringend daran interessiert, möglichst eine Atomdebatte nach NordrheinWestfalen zu holen. Aber diesen Gefallen werden wir Ihnen natürlich nicht tun.
Sie haben zunächst erwähnt: „Abweichen vom gesetzlich beschlossenen Atomausstieg würde NRW schwer schaden.“ Sie wissen ganz genau: In Nordrhein-Westfalen werden bereits seit Ende August 1994 keine Kernkraftwerke mehr betrieben. Ein Neubau von Kernkraftwerken steht im Land nicht zur Diskussion. Die Landesregierung tritt jedoch für eine Verlängerung der Laufzeiten vorhandener Kernkraftwerke ein, um die Zeit bis zur großmaßstäblichen Betriebsreife CO2-armer Kohlekraftwerke sowie der weiteren Erschließung verlässlicher regenerativer Energiequellen zu überbrücken. Von dieser Brückentechnologie hat auch Kollege Wittke gesprochen.
Dabei bleibt die Sicherheit nuklearer Stromerzeugung oberstes Gebot. Die Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene sieht dementsprechend vor, dass eine Verlängerung der Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke nur unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards in Betracht kommt. Das entspricht der Position der Landesregierung.
Auch die im Antrag der Oppositionsfraktionen angesprochene Zunahme der Zahl von Atomtransporten stellt angesichts der vorhandenen Lagerkapazitäten an Kernkraftwerksstandorten und der hohen sicherheitstechnischen Anforderungen an Nukleartransporte das Ziel größtmöglicher Sicherheit der Stromerzeugung aus Kernenergie nicht infrage.
Keine Standorte für neue Atomkraftwerke im neu aufzustellenden Landesentwicklungsplan für Nordrhein-Westfalen.
Sie wissen, dass der Entwurf eines neuen Energiekapitels für den Landesentwicklungsplan vorliegt; ich darf daraus zitieren. Sie hatten die erste Fassung. Die jetzt vorgelegte lautet: Kernkraftwerke für die Energieversorgung sind in Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen. – Das ist die klare Position im Land wie im Bund.
Der Entwurf stellt aber auch klar, dass die Nutzung der Kernenergie zu Forschungszwecken davon unberührt bleibt. Die Option für wissenschaftliche Forschung im Bereich der kerntechnischen Sicherheit bleibt also eröffnet. Darauf hatten Sie noch einmal gesondert hingewiesen.
Das dient der Absicherung des Forschungszentrums Jülich. Die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Forschungsreaktoren bleiben im Übrigen die Gleichen wie bei Rot-Grün. Darauf hat auch Kollege Wittke zu Recht aufmerksam gemacht. Aber es gilt auch: Für neue Forschungsreaktoren gibt es von dieser Landesregierung keine Planungen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der von der rot-grünen Koalition im Bund beschlossene Ausstiegsgesetzbeschluss aus dem Jahr 2002, glaube ich. Auch dort wird die Genehmigung neuer Kernkraftwerke ausgeschlossen. Das gilt aber im rot-grünen Ausstiegsbeschluss nur für Anlagen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität. Das wissen Sie auch. Forschungsreaktoren sind aber von der rot-grünen Koalition vom Atomausstieg ausgenommen worden – und das aus gutem Grund.
Der dritte Punkt im Beschlussteil Ihres gemeinsamen Antrags lautet: „Kein Steuergeld für Atomtechnologie“. Der in der Ausschreibungsphase befindliche Wettbewerb des Wirtschaftsministeriums unter dem Titel „EnergieForschung.NRW – Innovative Energie-Technologien für morgen“ hat entgegen der Behauptung des Antrags – Sie haben das noch einmal wiederholt – kein Fördervolumen von 100 Millionen €, sondern rund 15 Millionen € aus öffentlichen Mitteln.
Er beinhaltet unter anderem die Thematik der Nutzung von Hochtemperaturprozesswärme in Verbindung mit fossiler, nuklearer und solarer Kraftwerkstechnik. Inhalte der Kernenergieforschung sind die Themen Aufbereitung und Entsorgung der nuklearen Abfälle, Sicherheitsforschung zu bestehenden Reaktorlinien und Beteiligung an internationaler Forschung zu fortgeschrittenen Reaktorkonzepten mit dem Ziel inhärenter Sicherheit.
Die Förderung von Forschung und Lehre, meine Damen und Herren, zur Kernenergienutzung und insbesondere die Sicherheitsforschung sind für Deutschland aus mehreren Gründen unverzichtbar.
Es geht erstens um Erhalt und Ausbau von Forschungs- und Entwicklungskompetenzen bei der Reaktorsicherheits-, Abfall- und Endlagerforschung sowie beim Strahlenschutz auch im internationalen Umfeld.