Protocol of the Session on February 3, 2010

Somit vernachlässigte Schwarz-Gelb in fünf Jahren beides, die Sicherheit ebenso wie die Freiheit unserer Bürger.

Meine Damen und Herren, wir meinen, dass es jetzt an der Zeit ist, eine Renaissance nordrheinwestfälischer Innenpolitik einzuleiten, bei der die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes wieder zum Gewinner von mehr Sicherheit und mehr Freiheit werden.

Schon Karl Popper hat in seinem Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ festgestellt – ich zitiere –:

Die Behauptung, dass, wer Sicherheit wünscht, die Freiheit aufgeben muss, ist eine der Hauptstützen der Revolte gegen die Freiheit geworden. Aber diese Behauptung ist falsch.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, deswegen lautet das Credo unserer sozialdemokratischen Fraktion: Sicherheit und Freiheit – mehr Freiheit und mehr Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Rudolph. – Für die FDP spricht Herr Engel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere nicht einfache Aufgabe war es, im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen notwendige, hinreichend bestimmte und klare sowie rechtssichere gesetzliche Eingriffsbefugnisse zu schaffen und zugleich ein verfassungsrechtlich und verfassungsgerichtlich gefordertes hohes Niveau des Persönlichkeits- und Kernbereichsschutzes festzuschreiben.

Denn eine Eingriffsbefugnis der Polizei beinhaltet auf der anderen Seite immer, dass auf dieser Grundlage in die Rechte der Bürger eingegriffen werden kann. Datenerhebungen, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren können, sind von besonderer Eingriffsintensität. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu selbst zwingende Leitlinien zur Wahrung der Verfassung aufgestellt, die es umzusetzen galt. Dabei musste zudem die Praxistauglichkeit der Norm sichergestellt werden.

Wir haben ein Polizeigesetz vorgelegt, das mit der Zuständigkeit für die öffentliche Ordnung, dem finalen Rettungsschuss und dem DNA-Abgleich nicht nur neue sinnvolle Regelungen, sondern auch mehr Rechtssicherheit für die Polizei in NRW bietet.

Ich möchte noch einmal den finalen Rettungsschuss herausgreifen: Bislang fußt dieser auf Bestimmungen der Notwehr und Nothilfe, einem Recht, das für jedermann geschaffen wurde. Wenn man sich auf diese Bestimmung beruft, bleibt ein Quäntchen Rechtsunsicherheit für die Haftungsfrage. Polizei handelt aber nie wie jedermann, sondern immer als Amtswalter. Deshalb haben wir diese Ultima Ratio, den schlimmsten Eingriff, um zum Beispiel eine Geisel aus einer lebensbedrohlichen Situation zu befreien, in das Gesetz geschrieben. Damit ist auch das letzte Quäntchen Rechtsunsicherheit, nämlich die Haftungsfrage, beseitigt. Der Staat haftet.

Wir haben aber auch einen klaren und ausgewogenen Kernbereichsschutz für alle bereits bestehenden verdeckten polizeilichen Maßnahmen – bis hin zum Richterband bei der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung – eingebaut. Die Schaffung von irgendwie erdenklichen, in der Praxis bislang nicht erforderlichen Befugnissen auf Vorrat

hat der Gesetzgeber zu unterlassen. Dem sind wir konsequent gefolgt.

Wir Liberale haben es abgelehnt, uns einem Wettlauf der anderen Bundesländer nach immer mehr Technik und immer mehr Eingriffsbefugnissen anzuschließen. Bürger- und Grundrechte schränkt man nicht mal eben ein, weil andere das auch machen. NRW ist nicht nur das bevölkerungsreichste Bundesland, sondern hat auch eine maßgebliche Rolle bei der Schaffung des Grundgesetzes gespielt.

Datenschutz ist und war immer ein Schwerpunkt liberaler Politik in Nordrhein-Westfalen. Eine gesetzliche Regelung muss erforderlich, geeignet und angemessen sein. Das ist verantwortungsvolle Innen- und Rechtssetzungspolitik der FDP. Wir in Nordrhein-Westfalen setzen auf mehr Personal bei der Polizei, auch wenn viele andere Bundesländer es abbauen, was falsch ist – 10.000 Stellen weniger im letzten Jahr.

Auf eine gute Ausbildung und Sachausstattung sowie Besoldung unserer Polizeibeamtinnen und -beamten sei hingewiesen. Nirgendwo verdient ein Schutzmann so viel wie in NRW. Ich will es einmal beziffern: Das Regelnettogehalt bewegt sich zwischen 2.000 € – „ganz unten“ bei einem 26jährigen Polizeikommissar, ledig, Steuerklasse I – und gut 3.000 € – bei einem 41-jährigen Polizeihauptkommissar, verheiratet, zwei Kinder, Steuerklasse III. Das muss man hier auch einmal sagen. Die Larmoyanz draußen ist völlig unberechtigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Polizei steht gerade in diesem extrem langen Winter ihren Mann und ihre Frau. Ich möchte die Gelegenheit nutzen und ein Dankeschön für den harten Einsatz draußen sagen.

(Beifall von FDP und CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in einer umfangreichen Anhörung breiten Sachverstand aus polizeilicher Praxis und von Verfassungsrechtlern eingeholt. Nach gründlicher Auswertung sind daraufhin einige weitere Änderungen am Entwurf vorgenommen worden.

Die Grünen haben unser Gesetz ganz überwiegend gelobt – ich will das hier erwähnen, Frau Düker – und auch dem Änderungsantrag im Innenausschuss zugestimmt. Das ist bemerkenswert.

(Monika Düker [GRÜNE]: Kernbereich!)

Die SPD hat sich den Beratungen weitgehend verweigert. Änderungsanträge zu dem eigenen Entwurf, der in der Anhörung erhebliche Kritik bekommen hat – Herr Dr. Rudolph, das war so –, ließen lange auf sich warten, obwohl in der Anhörung zum SPD-Gegenentwurf wesentliche Regelungen sogar von eigens benannten Experten wörtlich – ich habe es schon in der Lesung davor gesagt – als nicht

haltbar, zu unbestimmt, sinnoffen, „Notwendigkeit nicht nachgewiesen“ bewertet wurden. Das war mit Sicherheit optimierungsbedürftig.

Wichtig ist mir noch eine Botschaft: Die Polizei muss bei allen Aufgaben und Herausforderungen der Gegenwart eine Einheit darstellen. Wo Polizei draufsteht, sollte auch Polizei drin sein. Schauen wir noch einmal nach Hessen, wo es mittlerweile eine Vierteilung der Polizei gibt: erstens den Crashkurs zum freiwilligen Polizeidienst mit Tränengas und besonderen Rechten wie der Ausweiskontrolle, zweitens den bewaffneten kommunalen Ordnungsdienst namens Stadtpolizei, drittens die beim Land angestellte bewaffnete Wachpolizei sowie viertens die normalen Landespolizeibeamten. Solch eine Vierteilung wollen wir nicht. Ich sage für NordrheinWestfalen noch einmal: Wo Polizei draufsteht, muss auch gut ausgebildete, gut ausgestattete, gut besoldete, mit allen notwendigen Kompetenzen versehene Polizei drinstecken.

(Zuruf von der SPD: Keine Hilfspolizei!)

Wir schicken unsere Beamten zu Recht auf die Fachhochschule und nicht im Kleinwagen auf Streife. Denn Polizei ist in Nordrhein-Westfalen ein Gütesiegel und genießt deshalb hohes Vertrauen. Es ist ein Irrglaube, dass es, wenn inflationär jeder diese Bezeichnung tragen kann, schon sicherer werden wird.

Ein Beispiel: Statische Lagen beim stationären Objektschutz können sich sehr schnell in eine bewegliche Lage entwickeln. Dann braucht der Beamte im Objektschutz seinen ganzen Instrumentenkasten, sein ganzes Wissen aus der umfangreichen Ausbildung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmen Sie dem Gesetz zu, denn es ist ein gutes Gesetz. Es ist ein guter Tag für Nordrhein-Westfalen und auch ein guter Tag für unsere Polizei. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Düker. Bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag Sie wundern, aber, Herr Engel: Ja es stimmt. Ich denke, dass mit Blick auf die Kernbereichsschutzregelungen der Gesetzentwurf der Landesregierung wesentlich besser gelungen ist, liebe Kollegen von der SPD, als Ihrer. Das muss man der Fairness halber auch sehr deutlich sagen.

(Beifall von der CDU)

Das haben auch ganz objektiv beide Anhörungen gezeigt. Auch die Änderungsanträge von Schwarz

Gelb im Ausschuss – auch das muss ich sagen – waren qualifizierend, haben den Gesetzentwurf verbessert. Wir haben dem Änderungsantrag betreffend den Kernbereichsschutz, den rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen zugestimmt, weil ich es richtig finde, das so zu formulieren. Leider ist der Gesetzentwurf der SPD trotz des Änderungsantrages von heute – na ja, es ist gut gemeint, es ist etwas verbessert worden – für uns nicht zustimmungsfähig.

Trotzdem, Herr Engel, bei allem Lob für die Formulierung mit Blick auf den Kernbereichsschutz: Es bleiben Kritikpunkte, die schwer wiegen.

Erstens macht sich die Kritik an dem fest, was Sie nicht geschafft haben vorzulegen – die Sachverständigen haben es gesagt –: Die Kernbereichsschutzregelungen gelten genauso für den Verfassungsschutz. Natürlich ist es klar: Wenn in meine Privatsphäre eingegriffen wird, will ich geschützt werden, egal, ob nun der Verfassungsschutz eingreift oder die Polizei. Das ist aus Bürgerrechtssicht egal. Es ist Ihnen nicht gelungen, diese Regelung auch für das Verfassungsschutzgesetz zu normieren – und das ein Jahr nach der Rechtsprechung von Karlsruhe, ein Jahr nach dem Online-Urteil.

Ich finde es blamabel, dass Sie das nicht geschafft haben. Sie haben sich offensichtlich im Konflikt mit dem Koalitionspartner nicht durchsetzen können. Das, finde ich, kann sich eine Regierung nach fünf Jahren Bilanz nicht leisten, einfach zu sagen, um das Verfassungsschutzgesetz kümmern wir uns nicht.

Also: Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass nur die Hälfte der Hausaufgaben von der Regierung erledigt worden ist.

Zweiter Kritikpunkt: Ordnungsbegriff ins Polizeigesetz. Ich zitiere aus diesem wunderbaren Papier der CDU „Sicher leben in NRW“. Herr Kruse, Sie begründen da so schön, warum unbedingt die Ordnung wieder ins Polizeigesetz muss, indem Sie sagen – ich zitiere aus Ihrem Papier –, Sie wollen wieder die Befugnis für die Polizei schaffen, Gefahren für die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln abzuwehren, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebietes angesehen wird. So weit das Bundesverfassungsgericht.

Jetzt kommt es: Hierzu zählen Sie dann insbesondere Verstöße gegen Anstand und Sitte, Moral oder religiöses Empfinden.

Ich habe ja die Sachverständigen in der Anhörung gefragt, ob es für sie irgendeine Situation gegeben hat – vielleicht erinnern Sie sich daran –, in der die Polizei bei Sitte, Anstand oder moralischen Verstößen nicht eingreifen konnte – wobei ich meine, dass das nicht unbedingt zu den Kernaufgaben der Polizei gehört.

Ich zitiere den Bund Deutscher Kriminalbeamter, die sagen, in ihrer langjährigen Berufspraxis gab es keine Fälle, in denen sie den Ordnungsbegriff brauchten und ansonsten nicht eingreifen konnten. Ich zitiere Herrn Wegermann vom Bund Deutscher Kriminalbeamter aus dem Anhörungsprotokoll: Ein solcher ordnungspolitischer Sachverhalt, dass die Polizei nicht einschreiten konnte, weil die erforderliche Gesetzesnorm nicht vorhanden gewesen wäre, ist mir aus der Praxis nicht bekannt. Kein einziger Sachverständiger hat ein Beispiel vortragen können.

Das ist Showpolitik, die Sie hier liefern, Symbolpolitik mit fatalen Folgen. Denn was gibt das denn für Signale an die Kommunen?

Das Signal an die Kommunen lautet doch: Unsere wunderbaren Ordnungspartnerschaften, bei denen wir eine klare Arbeitsteilung haben, nach der sich die Kommunen auch für die öffentliche Ordnung einsetzen, das heißt für die Erfüllung von Straßensatzungen, für das Verteilen von Knöllchen im ruhenden Verkehr etc., die brauchen wir nicht mehr zu machen, denn die Polizei gibt uns das Signal: Alles klar, wir machen das schon.

(Zuruf von Theo Kruse [CDU])

Ich glaube, dass das fatal ist. Es braucht es nicht, Herr Kruse, und es bringt eine fatale Botschaft in die Lande, die ich falsch finde. Deswegen kann ich dem auch nicht zustimmen. Nach langem Streit muss man sagen: Hier ist etwas rausgekommen, was wohl der kleinste gemeinsame Nenner in der Koalition ist.

Wenn man wissen will, wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergeht, wenn die CDU hier wieder mitregiert, dann sollte man sich das Positionspapier durchlesen. Da muss ich leider sagen: Es gruselt mich.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Es gruselt!)

Vor dem Hintergrund dieses Positionspapiers müssten Sie eigentlich dem SPD-Gesetzentwurf zustimmen. Denn die Kollegen haben das aufgegriffen, was Sie fordern, nämlich „Präventive Telekommunikationsüberwachung und Online-Befugnisse ins Polizeigesetz“. Die machen ihre Hausaufgaben. Von daher sehe ich hier eher eine Große Koalition, als dass ich mich als Grüne in einem der beiden Gesetzentwürfe wiederfinden würde. Von daher werden wir beide Gesetzentwürfe ablehnen. Vielleicht tun Sie sich da mal zusammen und gehen in sich! Der Gesetzentwurf der SPD ist für Sie, Herr Kruse, zustimmungsfähig, für mich nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Jetzt hat Innenminister Dr. Wolf das Wort.