Protocol of the Session on February 3, 2010

Dann lasse ich über den Eilantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD Drucksache 14/10626 – Neudruck – direkt ab

stimmen. Wer dem Inhalt dieses Eilantrages zustimmen möchte, den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Das ist der Abgeordnete Sagel. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu:

6 Gesetz über die Durchführung von Modellversuchen zur Weiterentwicklung der Berufe in der Alten- und Krankenpflege, für Hebammen, Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten (Modellstudiengangsgesetz für die Gesundheitsfachberufe – MStG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/10209

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 14/10598

zweite Lesung

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der CDU dem Abgeordneten Burkert das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung vorliegt, zur Weiterentwicklung der Berufe in der Alten- und Krankenpflege, für Hebammen, Logopäden, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten, wertet diese Berufe auf. Mit der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung der Bevölkerung in unserem Lande wird demnächst eine neue Herausforderung auf uns zukommen. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass der demografische Wandel auch vor den medizinischen Berufen nicht haltmacht. Wir werden dieser Herausforderung mit diesem Gesetz Rechnung tragen.

Mit dem Modellversuch für die bereits genannten Studiengänge schafft das Land NordrheinWestfalen Rechtssicherheit in den Gesundheitsfachberufen. Im Vergleich mit anderen europäischen Nationen soll Deutschland das einzige Land sein, in dem Angehörige von Gesundheitsfachberufen noch nicht auf Hochschulniveau sind – so die Aussagen von Verbandsangehörigen in der Anhörung am 3. September 2009.

Ich glaube, dass die Akademisierung durch dieses Modellvorhaben erstens die Gesundheitsfachberufe stärkt und zweitens die Menschen zusätzlich motiviert, sich für diese Berufe zu entscheiden. Es ist wichtig, dass die Gesundheitsfachberufe in Deutschland endlich in der ersten Liga mitspielen.

In der Anhörung am 3. September 2009 haben alle Experten die Notwendigkeit der Akademisierung herausgestellt. Der Landespflegerat NRW unterstützt dieses Gesetz ohne Einschränkungen. Dieser Hinweis ist mir besonders wichtig, da der Landespflegerat die Interessen der Beschäftigten in den Gesundheitsfachberufen vertritt. In der Anhörung wurde von den Experten immer wieder darauf hingewiesen, dass die Studenten auch die praktische Ausbildung erhalten, die zur Ausübung der Berufe zwingend notwendig ist. Das würde ich mir auch für andere akademische Berufe wünschen.

Gleichzeitig wird an der Fachhochschule neben der Qualifizierung auch die Forschung vorangetrieben. Deutschland ist, wie eben schon erwähnt, Schlusslicht in der EU bei der Akademisierung. NordrheinWestfalen ist das erste Bundesland, das dieses Modellvorhaben, dem sich demnächst auch andere Hochschulen anschließen können, maßgeblich vorangetrieben hat. NRW ist damit – wie auch in vielen anderen Bereichen – Vorreiter und Motor innovativer Handlungen in der Bildungslandschaft Deutschlands. Nordrhein-Westfalen setzt auf kreative Köpfe. In Nordrhein-Westfalen haben die Menschen Zukunft. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Kollege Burkert. – Für die SPD spricht nun Frau Gebhard.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es gut, dass auf Bundesebene die Möglichkeit geschaffen worden ist, eine Modellklausel zu verankern, um eine Akademisierung in den Gesundheitsfachberufen auf den Weg bringen zu können. Es ist auch gut, dass diese Chance hier in NRW genutzt wird.

Kollege Burkert hat schon darauf hingewiesen, dass die Fachszene sich einig ist, dass eine Akademisierung notwendig ist, und zwar nicht nur deshalb, weil dies bei den Gesundheitsfachberufen in den europäischen Nachbarländern ein durchaus üblicher Ausbildungsweg ist, sondern auch deshalb, weil sich die Anforderungen an diese Berufe im Alltag sehr verändern.

Wir haben in NRW – und darauf können wir stolz sein – gute Voraussetzungen, um diesen Weg zu beschreiten. Zahlreiche Hochschulen haben in der Vergangenheit bereits im Gesundheitswesen angedockte Studiengänge etabliert, sodass wir nicht bei Null anfangen, sondern diese Expertise der Hochschulen nutzen können.

Der Gesetzentwurf gibt zusätzlich zu dem Errichtungsgesetz für die Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Bochum nunmehr allen Hochschulen die Möglichkeit – das ist in der Anhörung gefordert worden –, die Modellklausel zu nutzen; sie wird also

nicht nur der einzigartigen Fachhochschule in Bochum überlassen. Ich halte das für wichtig; wir würden uns ohne diese Ausweitung viele Chancen nehmen und Kompetenzen nicht nutzen. Es ist also gut und richtig, einen solchen Rechtsrahmen zu schaffen.

(Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther)

Aber weder der Gesetzentwurf noch die dazugehörige Rechtsverordnung beantworten alle Fragen, die in diesem Zusammenhang noch zu klären sind. Es ist nicht geklärt, wie die Zukunft der Fachschulen aussehen wird und welchen Anteil sie zukünftig an der Ausbildung haben werden. Uns allen ist aber klar – die Berufsordnungen schreiben das zwingend vor –, dass wir nicht auf die Praxisanteile in der Ausbildung verzichten können. Wir wollen auch nicht darauf verzichten. Deshalb ist zu fragen, wie die Fachschulen gleichberechtigte Partner der Hochschulen werden können. Denn es darf nicht so sein, dass nur die Fachhochschulen sich der Kompetenzen der Fachschulen bedienen, sondern es muss auch ein Nutzen für die Fachschulen selbst dabei herauskommen.

Wir müssen auch klären, welche Konsequenzen es im Berufsalltag haben wird, wenn wir ausgebildete Bachelorabsolventen neben Menschen mit einer klassischen Berufsqualifikation haben. Dazu gehören auch die Aufstiegschancen derjenigen, die bisher den klassischen Ausbildungsweg gegangen sind.

(Minister Karl-Josef Laumann: Genau so ist es!)

Das ist die spannende Frage. Wir in meiner Fraktion treten sehr dafür ein, für Durchlässigkeit zu sorgen, wenn wir diesen Weg gehen. Es kann nicht sein, dass wir zukünftig an Berufsfachschulen dreijährig ausgebildete Kräfte mit jahrelanger Berufserfahrung haben, die die Weiterbildungsordnung nutzen, aber anschließend jemanden vor die Nase gesetzt bekommen, der drei oder vier Jahre an der Hochschule ausgebildet wurde, aber nicht über die entsprechende Erfahrung verfügt. Ich bin sicher, dass die Praktiker denen manchmal etwas vormachen können. Darum bedaure ich es sehr, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen bei der Anpassung der Weiterbildungsverordnungen nicht die Chance genutzt haben, diese Durchlässigkeit herzustellen.

Wenn wir wirklich alle die Akademisierung wollen, hätten wir bereits bei den Weiterbildungsverordnungen den Europäischen Qualifikationsrahmen nutzen und bei den Modulen ein entsprechendes Level verankern müssen, das eine Anerkennung bei einem späteren Bachelorstudium nach sich zieht. Schade, dass das versäumt worden ist. Ich meine, da muss nachgebessert werden.

Ein weiteres Versäumnis gibt es bei der Pflege. Die Modelle sind längst abgeschlossen. Sie sind evaluiert, und wir wissen, dass wir weg von der getrenn

ten Kranken- und Altenpflege hin zu einer generalisierten oder gegebenenfalls integrierten Pflege kommen sollten. Aber wir haben keine entsprechende Grundsatzentscheidung getroffen. Es wäre sinnvoll gewesen, dieses vor der Einführung von Bachelorstudiengängen zu klären, damit wir gar nicht erst getrennte Studiengänge, einmal aufgesetzt auf die Altenpflege und einmal aufgesetzt auf die Krankenpflege, haben. Diese Chance wurde vertan.

Der Gesetzentwurf regelt all dies nicht, sondern lässt das offen. Daher tun wir uns nicht schwer, ihn passieren zu lassen. Denn er gibt uns Möglichkeiten der Gestaltung zusammen mit allen Beteiligten. Dafür sind wir ab dem 9. Mai bereit – sicherlich auch die Beteiligten; davon gehe ich aus. Dann werden wir schon noch etwas Gutes in diesem Bereich auf den Weg bringen können. – Danke schön.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Gebhard. – Herr Dr. Romberg von der FDPFraktion hat nun das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen! Über die Zweckmäßigkeit des Gesetzentwurfs, der in zweiter Lesung abschließend beraten wird, besteht weitestgehend Einigkeit. Das zeigt übrigens auch das einstimmige Abstimmungsverhalten im Ausschuss.

Wenn man der Vorrednerin, Frau Gebhard von der SPD-Fraktion, gefolgt ist, stellt man fest: Sie hat mehr Fragen als Sonstiges aufgeworfen. Mir bleibt letztlich die Frage, weshalb Sie dann doch zustimmen.

(Heike Gebhard [SPD]: Das habe ich doch gesagt! Wenn Sie mir doch zugehört hätten!)

Es ist ein neuer Weg – ja, Frau Gebhard. Immer wenn man neue Wege geht, steht nicht jedes Detail fest. Denn sonst bräuchte man keinen neuen Weg zu gehen. Wenn man ihn kennen würde, wäre es ein alter Weg.

(Beifall von der FDP)

In diesem Sinne, glaube ich, müssen Sie noch einiges dazulernen.

(Lachen von der SPD)

Die Gesundheitsbranche ist gerade für NRW von wachsender Bedeutung. Wir benötigen neben einer ausreichenden Zahl gut qualifizierter Ärzte in wachsendem Maße auch andere Gesundheitsberufe. Dabei ist die Akademisierung eine von den Berufsverbänden gewünschte Option, um den sich ändernden Anforderungen in der Praxis auf vielfältige Weise entsprechen zu können.

Ein weiterer Aspekt besteht darin, für diese Berufsgruppe attraktive Perspektiven der Weiterentwicklung zu ermöglichen. Seitens der Fachwelt – von der Krankenhausgesellschaft bis hin zum Pflegerat – gab es entsprechend große Zustimmung.

Das Gesetz dient der Umsetzung von bundesrechtlichen Modellklauseln in landesrechtliche Regelungen und enthält die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung, die den Rahmen der Modellvorhaben näher festlegt. Es geht primär um die Voraussetzungen, die von den Hochschulen erfüllt werden müssen. Hierbei werden nicht nur die Ausstattung und die Erfahrung entscheidend sein, sondern auch der Vernetzungsgrad mit Kooperationspartnern.

Die zentrale Bedingung für die Genehmigung besteht darin, dass eine Hochschule ganz oder teilweise an die Stelle der staatlich anerkannten Fachschule des Gesundheitswesens tritt und das Ausbildungsziel nicht gefährdet wird. Außerdem müssen neue Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe zu erwarten sein. Auf diesem Wege erhalten die Hochschulen, die entsprechend aktiv werden wollen, Rechtssicherheit.

Ich möchte betonen, dass dieser Gesetzentwurf gewissermaßen die Konsequenz einer Initiative dieser Landesregierung im Bundesrat ist. Hintergrund ist, dass entsprechende Modellklauseln zuvor nur in der Alten- und Krankenpflege existierten. Nordrhein-Westfalen hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, eine Weiterentwicklung der beruflichen und akademischen Ausbildung auch für Hebammen und Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten zu ermöglichen. Wie Herr Burkert schon richtigerweise sagte, ist NRW dabei Vorreiter.

Offenbar stößt dieses Angebot bei den Hochschulen auf großes Interesse. Dabei zeichnen sich unterschiedliche Wege ab. Neben den rein akademischen Lehrformen wie etwa an der neuen Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Bochum wird es auch Kooperationen zwischen Fachschulen und Hochschulen geben.

Ich möchte noch auf die Evaluierung hinweisen. Die Modellträger begleiten das Vorhaben entsprechend der Richtlinien, die das Bundesgesundheitsministerium veröffentlicht hat. Diese Berichte werden abschließend vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes wissenschaftlich ausgewertet und bewertet. Dabei werden die Verbände, aber auch die Gewerkschaften, die Ärzte sowie die Krankenkassen und die Krankenhausgesellschaft eingebunden. Ich finde, dies ist ein gutes Verfahren, um die unterschiedlichen Interessen und Erfahrungshintergründe zusammenzuführen und eine Entscheidung zu treffen, der man nicht den Vorwurf der Einseitigkeit machen kann, sondern die nach Möglichkeit von einem breiten Konsens der Akteure getragen wird.

Mit diesem Gesetzentwurf werden der Gesundheitscampus in Bochum endlich mit Leben erfüllt und das Gesundheitssystem in Nordrhein-Westfalen insgesamt fortschrittlich weiterentwickelt. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Danke schön, Herr Dr. Romberg. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Frau Kollegin Steffens.

Herzlichen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorredner und die Vorrednerin haben schon gesagt, dass es zu einem breiten Teil gerade in der Ausrichtung eine große Übereinstimmung gibt. Deswegen werde ich nicht alles in der Debatte wiederholen müssen.

Klar ist, dass es gerade unter den Berufe einen großen Wunsch hin zur Akademisierung gibt, auch wenn klar ist, dass wir nicht jeden Beruf und nicht jede Tätigkeit perspektivisch akademisieren können. Wir werden genauso die bisherigen bodenständigen Ausbildungen in den Bereichen beibehalten müssen. Trotzdem ist es wichtig, den Schritt in diese Richtung zu gehen.

Ich hoffe, dass es, wie mehrfach zugesagt, nicht bei einem bloßen Modellversuchsgesetz für den Campus bleibt, sondern dass es wirklich eine Wirkung auf viele andere Standorte in Nordrhein-Westfalen hat, damit man an verschiedenen Standorten den Vergleich miteinander machen kann und eine breite Ausbildungsmöglichkeit für Menschen in NordrheinWestfalen hat – hin zur Akademisierung und Professionalisierung.