Wir müssen uns miteinander darüber unterhalten: Wie machen wir den Ball rund? Wie kriegen wir bestmögliche Bedingungen für gelingendes Lernen miteinander organisiert?
Wir wissen, viel „Glotze“ ist ein Feind des Lernens. Das muss man nicht behaupten, sondern das wissen wir aus soliden wissenschaftlichen Studien, die über Jahre und Jahrzehnte gelaufen sind und Fernsehkonsum in Verbindung mit dem Erreichen von Abschlüssen, mit einem glücklichen Leben, mit Karriere in Verbindung gebracht haben. Die Ergebnisse sind eindeutig: Je höher der Fernsehkonsum, umso geringer die Chance, Kinder und Jugendliche zu erreichen, einen Abschluss zu gewinnen, ein glückliches Leben zu führen, Karriere zu machen. Das ist Wissen; das ist nicht Vermutung.
Wenn es uns nicht gelingt – auf welchen Wegen auch immer –, mit Bündnissen eine vertretbare Nutzung von Fernsehen, von DVDs, von Computern zu erreichen, bleibt vieles, was wir – gut gemeint – wollen, in der Bildung unerreichbar, weil wir die Kinder, die Jugendlichen einfach nicht so erreichen, wie wir sie erreichen müssen. Sonst bleibt es so, wie es Ministerin Sommer und Minister Busemann aus Niedersachsen in 2008 sehr einprägsam, wie ich finde, formuliert haben: Sonst bleiben die PISAVerlierer Opfer ihres Medienkonsums.
Wir wissen, dass beispielsweise Musik und Sport nicht Rankwerk von Bildung sind, sondern dass Musik oder Sport Beschleuniger beim Lernen von Mathematik oder Geschichte sind. Ich bin absolut sicher, dass wir, wenn wir Kreativität erzeugen wollen, dies auf diesem Weg tun müssen. Ich bin absolut überzeugt, dass das Programm JeKi, „Jedem Kind ein Instrument“, nicht nur einen klasse Erfolg haben wird, dass dadurch viele Kinder Zugang zur Musik und zur Kultur erlangen, sondern dass sie auch besser – besser Mathe, besser Geschichte und besser Deutsch – lernen werden. Das ist etwas, was sich zeigen wird und was wir über das ganze Land erstrecken werden.
Wir wissen, dass Unterrichtseinteilung und Merkfähigkeit von Kindern und Jugendlichen besser aufeinander abgestimmt werden müssen, dass der Lernerfolg in hohem Maße davon abhängig ist. Das alles sind nur kleine Beispiele, ein Ausschnitt aus der Vielzahl neuer Erkenntnisse und Fragen, deren Vertiefung ich für zwingend ansehe, weil davon der Lernerfolg abhängt. Der Lernerfolg ist die entscheidende Kategorie für Bildung und Erziehung und nicht das Erreichen irgendeiner Schulform oder irgendeines Abschlusses. Der Lernerfolg ist das Wichtigste für das Kind und für den Jugendlichen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Gesamtschul- und/oder Einheitsschuldebatte, die Sie in diesem Wahlkampf betrei
ben wollen und werden, wie wir es auch gestern wieder haben erleben müssen, bezogen auf den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen schlicht für die Katz ist. Das können Sie streichen. Das hat mit dem Lernerfolg junger Leute überhaupt nichts zu tun.
Wenn Sie und wir gemeinsam etwas erreichen wollen, dann müssen wir beim Kind und seiner individuellen Förderung ansetzen, was wir bei der Unterrichtsgestaltung auch tun. Ich freue mich darüber, dass an den Schulen in NordrheinWestfalen viel experimentiert wird. Wir müssen die Lehrerausbildung in den Blick nehmen. Wir haben sie ja neu gestaltet. Ich persönlich bin der Auffassung, dass Frau Sommer und Herr Pinkwart gemeinsam mit den Fraktionen die weichenstellende Reform für bessere Bildung in NordrheinWestfalen auf den Weg gebracht haben. Das wird sich zeigen.
Hören wir auf, die Schulstrukturfrage als Standarte in Glaubensfehden vor uns her zu tragen. „Wissen“ wird mit „Meinung“ verwechselt. Wichtig ist und bleibt der Lernerfolg für unsere Kinder. Erst danach – in dieser Prioritätenfolge –, meine ich, ist es klug und richtig, darüber zu sprechen, wie wir unsere Bildungssysteme und unsere Schulen organisieren.
Bei der Vorbereitung auf diese Rede, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich einen trefflichen Satz gefunden, der Zukunft, wie ich meine, umfassend umschreibt. Das Zitat von Charles F. Kettering lautet:
Wir alle sollten uns um unsere Zukunft sorgen, denn wir werden den Rest unseres Lebens darin verbringen.
Frau Kollegin Kraft, wo es um die Zukunft unseres Landes ging, sind Sie weitgehend ins Allgemeine geflohen, haben Ihre Sphären in der Bundespolitik und wo auch immer gesucht und haben die Menschen dieses Landes wenig darüber informiert, wie Sie dieses Land gestalten und auf Zukunft ausrichten wollen. Das liegt auch nahe; denn Ihre Zukunft liegt in der Vergangenheit:
im subventionierten Steinkohlebergbau, in Einheitsschule und in einem bevormundenden dirigistischen Staat, in dem der Staat alles besser weiß, wie bei der Zukunftskommission 2004 von Ihnen praktiziert. Sie stehen für Mehltau der Zeit Ihrer
Regierungsverantwortung, wir stehen für Erneuerung, wir stehen für Zukunft, für eine Zukunft in Innovation und Solidarität. Dieser Ministerpräsident hat bewiesen, dass er führen kann. Er hat bewiesen, dass sein Horizont weit über diese und die nächste Legislaturperiode hinausreicht. Er hat sich den Menschen in diesem Land als ein verlässlicher erster Diener dieses Staates erwiesen, der Garant für Stabilität in Nordrhein-Westfalen ist.
Mit den Kolleginnen und Kollegen, mit der Landesregierung freuen wir uns auf das Morgen. Wir haben Lust an Gestaltung unseres Gemeinwesens.
Wir haben Mut, Entscheidungen zu treffen, zum Nutzen der Menschen in unserem Land. Das alles haben wir seit dem Jahr 2005 bewiesen, und wir werden es in der Zeit bis 2015 und darüber hinaus beweisen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, auch ich darf Ihnen zunächst im Namen meiner Fraktion sehr herzlich für diese Regierungserklärung danken, die nicht nur überzeugend bilanziert, mit welcher Leistungsbilanz wir in die Landtagswahl am 9. Mai gehen können, sondern die über die Landtagswahl hinaus auch den Weg weist, den wir gemeinsam für NordrheinWestfalen gehen wollen. Herzlichen Dank für diese Regierungserklärung!
Ich danke Ihnen auch für die Einsetzung der Kommission, deren Ergebnisse, die wir heute diskutieren wollen, wichtige Impulse für die Zukunftsdebatte in Nordrhein-Westfalen gegeben haben.
Natürlich schulden wir besonderen Dank – ich freue mich sehr, dass meine Vorredner das ausdrücklich betont haben – dem zu früh verstorbenen Vorsitzenden der Kommission. Lord Dahrendorf war einer der wichtigsten Vordenker der europäischen Nachkriegsgeschichte und eine Leitfigur für die Freien Demokraten, ein Denker aus unserer Mitte. Es steht außer Frage: Seine Beiträge für die Prinzipien einer freiheitlichen Gesellschaft werden über seinen Tod hinaus Bestand haben, meine Damen und Herren.
Die Impulse, die Lord Dahrendorf, aber auch die anderen Mitglieder der Kommission für die Zukunft Nordrhein-Westfalens gesetzt haben, dürfen nicht folgenlos bleiben. Eine der Stärken der Kommission war, meine Damen und Herren, dass sie sich nicht an Parteiprogrammen orientieren musste. Lord Dahrendorf hat ausdrücklich betont, dass sich die Kommission in völliger Unabhängigkeit bewegen konnte. Es habe zu keinem Zeitpunkt Versuche gegeben, die Arbeit der Kommission politisch zu beeinflussen oder gar zu instrumentalisieren. Auch deshalb sind ihre Denkanstöße umso wichtiger.
Die Kommission hat von Anfang an in diesem Sinne lösungsorientierte, pragmatische Diskussionen ohne ideologische Auseinandersetzungen geführt. Dies spiegelt sich auch im Abschlussbericht wider, der eine große Sachlichkeit im Umgang mit den großen Fragen der Zeit empfiehlt.
Frau Kollegin Kraft, auch ich hätte mir von Ihrem Redebeitrag etwas mehr von dieser Sachlichkeit erhofft, die die Arbeit der Kommission ausgezeichnet hat. Sie haben sehr moderat angefangen, aber dann leider weite Teile des SPD-Wahlprogramms vorgetragen. Dabei stehen Ihre Ausführungen wieder einmal in erkennbarem Widerspruch zur politischen Realität der Lage des Landes in Nordrhein-Westfalen, Frau Kollegin.
Ich muss das an einigen Punkten – nach Ihrem Beitrag ist das ein Gebot – noch deutlich machen, bevor ich dann meinerseits aus Sicht der FDP einige besonders aktuelle, bedeutende Anregungen der Zukunftskommission reflektieren werde:
Sie haben Ihren Redebeitrag, Frau Kollegin Kraft, allen Ernstes unter das Motto gestellt: Wir haben den Mut, Strukturen zu verändern. Wir bilanzieren jetzt auch fünf Jahre Arbeit des Parlaments in dieser Wahlperiode – nicht nur der Regierung, die sich natürlich mit ihrer Bilanz den Wählern stellen muss, sondern auch der Opposition. Wir haben fünf Jahre, Frau Kollegin Kraft, auf Modernisierungsvorschläge der Sozialdemokraten für Nordrhein-Westfalen gewartet. Bis zum heutigen Tage haben wir nicht einen einzigen solchen Modernisierungsvorschlag von Ihnen gehört.
Ich hätte mir zu Beginn der Wahlperiode nicht vorstellen können, dass die SPD nach der krachenden Wahlniederlage so sehr in ihren alten Positionen verhaftet bleiben würde, wie Sie es gemacht haben. Das schlimmste Beispiel dafür ist Ihre Haltung zum Sockelbergbau, Frau Kollegin Kraft. Spätestens seit der Bundestagswahl weiß nun wirklich jeder: Es wird keine Mehrheit für eine Revision des Ausstiegsbeschlusses geben. Der Subventions
bergbau wird auslaufen. Das wissen alle in diesem Land. Es gibt nur noch eine politische Kraft, die das Gegenteil behauptet, und das sind Sie, Frau Kollegin Kraft.
Sie werden noch öffentlich über den Sockelbergbau philosophieren, wenn die letzte Zeche in NordrheinWestfalen schon längst geschlossen worden ist.
Also nehmen Sie bitte nicht für sich in Anspruch, Sie hätten die Kraft, Strukturen zu verändern. Das ist erkennbar nicht der Fall. Ich könnte die ganze Themenpalette durchdeklinieren. Über fünf Jahre haben Sie sich jeder Reformmaßnahme, jeder Veränderung verweigert. Sie haben exakt auf den Positionen beharrt, für die Sie vor fünf Jahren abgewählt worden sind.
Es hat schon einiges, und zwar in doppelter Hinsicht, wenn Sie wieder einmal die Situation der Kommunen kritisch reflektieren und dann auch noch auf den Bertelsmann-Bericht, den wir dieser Tage bekommen haben, abstellen. Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kommunen in Nordrhein-Westfalen in der Verantwortung des Innenministers in den zurückliegenden Jahren die höchsten Zuweisungen des Landes erhalten haben, die es in über 60 Jahren Landesgeschichte gegeben hat. Das ist die Realität.
Ich zitiere gerne noch einmal – ich lasse Ihnen das, Frau Kollegin Kraft, und all den anderen, die gerade im Bereich Kommunalpolitik unterwegs sind, mal rahmen – die Bertelsmann-Studie, die Sie heute allen Ernstes der Regierung vorgehalten haben. Ich bringe nur den einen Kernsatz: Mit 63,2 % ist der Anteil der kommunalen Einnahmen am Gesamtbudget des Landes mit Abstand der höchste im ganzen Bundesgebiet (Länderdurchschnitt: 40,8 %).
Die Bertelsmann-Studie attestiert uns, dass die Kommunen in keinem anderen Bundesland ein solches Stück vom Kuchen der Landeseinnahmen bekommen wie in Nordrhein-Westfalen.