Protocol of the Session on January 21, 2010

Mehr Lebensqualität für Ältere heißt übrigens auch, dass man gegen Altersdiskriminierung vorgeht. Es kann nicht angehen, dass jemand keine Versicherung oder keinen Kredit für den Aufbau eines Unternehmens mehr bekommt, nur weil er älter ist. Auch das muss sich ändern, meine Damen und Herren.

(Beifall von CDU und FDP)

Mehr Lebensqualität heißt vor allem, Altersarmut zu verhindern. Wir setzen uns dafür ein, zum Beispiel mit der erfolgreichen Erhöhung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger oder mit dem

Kampf für eine bedarfsabhängige und steuerfinanzierte Mindestrente, die über dem Niveau von Hartz IV liegt. Denn es kann nicht sein, dass jemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, am Schluss weniger bekommt als jemand, der kaum gearbeitet hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Wichtig ist auch, dass die Älteren der Gesellschaft ihr Erfahrungswissen und ihr Engagement stärker als bisher zur Verfügung stellen können. In einem Generationenatlas werden wir alle zukunftsweisenden Projekte und Erfahrungen im Land bündeln, damit sie Vorbild werden können.

Der öffentliche Dienst wird ein Zeichen setzen mit der Entwicklung eines Mentorenprogramms von älteren Experten für junge Führungskräfte in der Verwaltung. Das Schulministerium wird den Vorschlag der Zukunftskommission aufgreifen und eine Akademie für Führungskräfte gründen, um das Wissen der Schulleiter und vieler anderer Experten für ein besseres Schulmanagement zu bündeln und effektiv zu vermitteln. Erste Gespräche mit Experten und der Stiftung Mercator zur Organisation als Studienkurs oder universitäres An-Institut haben schon begonnen.

In Kürze wird das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration eine Gesamtstrategie für die Gesellschaftspolitik im demografischen Wandel vorstellen: Nordrhein-Westfalen fit für 2025.

Diese Strategie wird viele Vorschläge der Zukunftskommission aufgreifen: für eine neue Solidarität zwischen den Generationen, für die Stärkung der Bürgergesellschaft, für die Stärkung des freiwilligen Engagements der Bürgerinnen und Bürger, für die Anpassung des Bildungssystems an eine alternde Gesellschaft mit mehr Angeboten des lebenslangen Lernens, für den Umbau und Neubau von Wohnungen und ganzen Stadtquartieren, um sie den Bedürfnissen einer Gesellschaft im demografischen Wandel anzupassen. Meine Damen und Herren, es geht darum, Wohlstand zu bewahren und gleichzeitig neue Sicherheit zu schaffen – für alle Menschen in unserem Land.

(Beifall von der CDU)

Natürlich ist eine Schlüsselfrage für die Einheit der Gesellschaft die Integration der Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte, insbesondere der jungen Zuwanderer. Auch daran hat die Zukunftskommission keinen Zweifel gelassen. Die meisten Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte haben sich gut in unsere Gesellschaft integriert. Bei uns leben Menschen aus 170 Nationen, und sie sind eine Bereicherung für unser Land.

(Beifall von CDU und FDP)

Aber noch zu viele, vor allem junge Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte sind in unserer

Gesellschaft leider noch nicht angekommen. Eine vor Kurzem veröffentlichte Studie hat mich alarmiert. Danach wollen nur 24 % der älteren, aber schon 42 % der jüngeren Menschen mit einer türkischen Zuwanderungsgeschichte, die teilweise schon lange bei uns leben, in die Türkei zurückkehren.

(Andrea Asch [GRÜNE]: Ja, so ist das!)

Der Hauptgrund dafür sei ein stark ansteigendes Gefühl der Ablehnung durch die deutsche Gesellschaft. Das wirft ein Schlaglicht darauf, dass wir noch viel tun müssen, um die Integration der Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte in unserem Land voranzubringen.

Es hat keinen Sinn, meine Damen und Herren, die Wirklichkeit zu tabuisieren oder schönzureden. Zu viele junge Menschen sprechen teilweise schlechter Deutsch als ihre Eltern. Zu viele verfügen immer noch über eine unzureichende Schul- und Berufsbildung. Zu viele finden immer noch keine dauerhafte Arbeit, und zu viele lehnen auch nach wie vor die deutsche Gesellschaft und ihre Grundwerte ab. Das muss sich dringend ändern.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir wollen keine Gesellschaft, in der die Menschen nebeneinander leben, sondern wir wollen, dass sie miteinander leben. Jeder soll seine Chance zur Integration bekommen. Er muss sie dann aber auch nutzen.

Integration heißt: Für jeden, der bei uns lebt, ist das Grundgesetz verbindlich.

(Beifall von der FDP)

Grundlage unseres Zusammenlebens ist für uns die europäische Leitkultur, wie sie im Grundgesetz und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt wird. Zwangsehen und sogenannte Ehrenmorde dürfen nicht als kulturelle Besonderheiten gelten.

(Beifall von CDU und FDP)

Nordrhein-Westfalen 2025 – das muss ein Land sein, in dem es für jeden, der hier lebt, ganz selbstverständlich ist, unsere Sprache zu beherrschen, sich zu unseren Werten zu bekennen und sich entsprechend zu verhalten.

Ich erwarte, dass auch die islamischen Verbände Straftatbestände wie Zwangsehen und sogenannte Ehrenmorde sowie antisemitische Äußerungen und Taten, wenn sie vorkommen, klar verurteilen und mit uns bekämpfen.

(Beifall von CDU und FDP)

Integration heißt aber nicht Assimilation. Auch das hat Lord Dahrendorf betont. Ich stimme ihm zu.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Nordrhein-Westfalen muss ein Land sein, in dem jeder Respekt erwarten kann, egal woher er kommt, welche Hautfarbe er hat und woran er glaubt. Es muss auch ein Land sein, in dem jeder, wenn es nötig ist, gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit vorgeht. An dieser Gesellschaft müssen wir gemeinsam arbeiten.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir in Nordrhein-Westfalen sind wie kein anderes Bundesland bei der Integration vorangegangen – mit einem eigenen Integrationsministerium, mit einem bundesweit vorbildlichen Aktionsplan für ein Land der neuen Integrationschancen, mit einem neuen Schulgesetz, in dem wir als erstes Bundesland die frühe Sprachförderung von Kindern verankert haben, und mit einem bundesweit einmaligen Schwerpunkt auf der Förderung von Kunst und Kultur im Dialog der Kulturen.

Wir wollen auch in Zukunft Vorreiter sein. Wir wollen einen bekenntnisorientierten Islamunterricht in den Schulen unter deutscher Schulaufsicht und mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern.

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von And- rea Asch [GRÜNE])

Deshalb haben wir den landesweiten Schulversuch „Islamkunde in deutscher Sprache“ begonnen.

Das Ganze kann erfolgreich sein, wenn die Verbände sich auf gemeinsame Ziele einigen.

Wir wollen mehr Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst, insbesondere bei der Polizei oder im Schuldienst.

Außerdem wollen wir einen stärkeren Dialog zwischen allen Partnern.

(Ralf Jäger [SPD]: Am besten eine Kommis- sion!)

Wir werden zu einer Islamkonferenz für NordrheinWestfalen einladen und Vertreter von Verbänden, Kulturvereinen und Moscheegemeinden bitten, dabei mitzumachen.

Gemeinsam sollten wir uns dazu verpflichten, noch mehr für eine gelingende Integration insbesondere der jüngeren Generation zu tun.

Als Ergebnis dieses Prozesses brauchen wir ein Integrationsgesetz. Die Förderung der Integration soll auf eine einheitliche gesetzliche Grundlage gestellt werden. Sie soll Fördern und Fordern gleichermaßen umfassen. Alle Menschen, die dauerhaft bei uns leben, müssen in diesem Land eine Heimat haben. Wir wollen, dass jeder von ihnen sagen kann: Nordrhein-Westfalen ist meine Heimat. Hier ist mein Zuhause.

(Beifall von CDU und FDP)

Werte Kolleginnen und Kollegen, der Schlusssatz des Berichts von Lord Dahrendorf lautet: „In der

Verbindung von Innovation und Solidarität liegt der Kern zukunftsträchtiger Entscheidungen.“ Das war und bleibt Kompass für unser Land. Beides zu verbinden, ist unter den Bedingungen der Globalisierung nicht leichter geworden, sondern schwieriger. Vor uns liegt auch ein hartes Stück Arbeit. Wir werden das aber schaffen, wenn wir gemeinsam handeln.

Wir in Nordrhein-Westfalen wollen ein Land, das niemanden zurücklässt. Wir wollen ein Land, in dem Leistung sich lohnt. Wir wollen ein Land, in dem Wohlstand für alle möglich ist. Wir wollen ein Land, in dem sich jeder auf die Solidarität der Gemeinschaft verlassen kann, wenn er sie braucht.

Wir haben allen Grund, optimistisch zu sein. Wir wissen: Es geht allemal mehr, als man denkt. Es geht auch mehr, wenn wir die Ärmel aufkrempeln und gemeinsam anpacken.

Wir sollten viel von uns verlangen. Dann gehen wir auch gestärkt aus der Weltwirtschaftskrise hervor. Dann schaffen wir neue Chancen. Dann bleibt niemand zurück. Dann wird die Einheit unserer Gesellschaft bewahrt.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Ich danke Herrn Ministerpräsidenten Dr. Rüttgers. – Meine Damen und Herren, Sie haben die Regierungserklärung zur Kenntnis genommen.

Wir kommen nunmehr zur Aussprache. Als Erste spricht die Fraktionsvorsitzende der SPD, Frau Kraft.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben in dieser Legislaturperiode erst drei Regierungserklärungen abgegeben. Im Grunde bin ich jetzt froh, dass das so war. Was wir heute gehört haben, war nämlich keine Vision, sondern die Bilanz eines Buchhalters, Herr Ministerpräsident.