Bis 2020 wollen wir mit dem „Biomasseaktionsplan NRW“ auch die Strom- und Wärmeproduktion aus Biomasse von knapp neun Milliarden auf fast 18 Milliarden Kilowattstunden verdoppeln.
Damit können 20 % des Strombedarfs und 10 % des Wärmebedarfs der Privathaushalte NordrheinWestfalens abgedeckt werden. Unser Ziel ist es, bis 2020 die CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen um 81 Millionen t zu reduzieren. Das sind rund 44 % des Einsparvolumens, das die Bundesregierung anstrebt. Das ist ehrgeizig, aber machbar, und es ist notwendig. Wir sind Energieland Nummer eins und wir wissen um unsere ökologische Verantwortung.
Eine Politik für eine ökologische Industrieregion ist eine Politik, die Industrie und Natur zu einem Raum mit neuer Lebensqualität verbindet. Der Umbau der Emscher ist hier vorbildlich. Es ist das größte wasserwirtschaftliche Projekt in Europa. Es ist ein Jahrhundertprojekt, das weit über die wasserwirtschaftlichen Aspekte hinausgeht. Es ist Teil einer Gesamtstrategie zur Renaturierung früherer Industrieanlagen in der Metropole Ruhr. Ich nenne nur Stadtentwicklungsprojekte wie PHOENIX in Dortmund oder Graf Bismarck in Gelsenkirchen. Wir folgen der Vision, dass nicht nur der Himmel über der Metropole Ruhr wieder blau ist, sondern auch, dass ihr Herz wieder grün wird.
Unsere Städte müssen mehr Lebensqualität bekommen. Eine Politik für eine ökologische Industrieregion heißt deshalb, auch Bedingungen dafür zu schaffen, dass Künstler und Kreative hier gerne leben und arbeiten. Schon heute arbeiten bei uns in Nordrhein-Westfalen etwa 160.000 Menschen in der Kreativwirtschaft. Das schafft nicht nur wirtschaftliches Wachstum. Kreative schaffen auch ganz neue Perspektiven für mehr Lebensqualität in der ganzen Region.
Ich will deshalb das Beispiel der Kreativquartiere, die jetzt im Rahmen der Kulturhauptstadt Essen entstehen, nennen. Sie sollen Künstlern und Kreativen aus ganz Europa einen bezahlbaren Wohn- und Wirkungsraum bieten. Durch ihre Arbeit werden sie diese Quartiere verändern. Es wird ein neues kreatives Milieu geschaffen. So entstehen lebendige Stadtviertel. Das ist nicht nur gut für die Künstler, das ist gut für alle Menschen, die hier leben.
Deshalb unterstützt Nordrhein-Westfalen die Kreativquartiere im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 mit großem Engagement. Das Land legt außerdem ein Förderprogramm für Kreativquartiere im Umfang von 15 Millionen € für die Metropole Ruhr auf. Ab 2011 sollen sie im ganzen Land entstehen.
Eine Politik für eine ökologische Industrieregion bedeutet, Mobilität und Klimaschutz nicht als Gegensatz zu verstehen, sondern beides zu verbinden, gleichermaßen als Antrieb für Innovationen und Wachstum. Deshalb setzen wir auch auf die Entwicklung des Elektroautos. Unser Ziel ist: Bis 2020 sollen 250.000 Elektrofahrzeuge auf unseren Straßen rollen. Wir wollen die erste großräumige Modellregion für Elektroautos in Europa werden. Meine Damen und Herren, mit diesem Projekt setzen wir ein Zeichen für unseren Anspruch, Nordrhein-Westfalen zu einem Modellland für nachhaltigen Klimaschutz und innovative Stadtentwicklung zu machen.
Mobilität und Klimaschutz zu verbinden heißt auch, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken. Auch das ist ein wichtiger Baustein für eine ökologische Industrieregion der Zukunft. Denn Erfolg braucht Vernetzung, insbesondere in unseren Ballungsgebieten. Das ist eine der zentralen Thesen der Zukunftskommission. Das gilt auch und vor allem für die Verkehrsinfrastruktur.
Meine Damen und Herren, das Kirchturmdenken muss der Vergangenheit angehören. Wir brauchen einen ÖPNV der passgenauen Verbindungen. Anschlüsse im Schienenverkehr und im Busverkehr müssen optimal aufeinander abgestimmt sein. Wartezeiten von mehr als zehn Minuten müssen der Vergangenheit angehören.
Das ÖPNV-Gesetz fordert und fördert die Kooperation unter den Aufgabenträgern. Die Menschen erwarten zu Recht, dass Kooperation täglich gelebt wird und sich positiv auf ihren Alltag auswirkt. Die Zusammenarbeit der Verantwortlichen in den Kommunen und Zweckverbänden muss besser werden.
Wir brauchen ein einheitliches Tarifsystem für das ganze Land. Ich erwarte in punkto Vernetzung von den Betroffenen mehr Engagement.
Aber ich sage auch: Die Landesregierung wird die Kommunen in allem unterstützen, was die Vernetzung der Infrastruktur voranbringt. Nicht nur für die Infrastruktur gilt in Zukunft: Die Städte in der Metropole Ruhr dürfen ihre Stärken nicht gegeneinander ausspielen, sondern sie müssen sie bündeln und ein gemeinsames Profil ihrer Stärken entwickeln.
Wir in Nordrhein-Westfalen, meine Damen und Herren, wissen: Unsere Infrastruktur ist das starke Pfund, das unser Land zum international so gefragten Standort macht. Immerhin haben sich seit Mai 2005 115 neue ausländische Unternehmen bei uns angesiedelt. Ich will, dass es noch mehr werden.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Verkehrsprognosen sagen uns bis 2025 für alle Verkehrswege einen drastischen Anstieg voraus: um knapp ein Fünftel beim Personenverkehr, um über zwei Drittel beim Güterverkehr. 2009 flossen deshalb 1,3 Milliarden € in die Sanierung von Autobahnen und Bundes- und Landstraßen. 300 Millionen € haben die Kommunen erhalten, um die Verkehrssituation in den Städten und Gemeinden zu verbessern. Wir haben die Zahl der Planfeststellungen deutlich erhöht.
2004 gab es nur einen einzigen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau einer Bundesfernstraße. Seit 2005 waren es im Schnitt zwölf Planfeststellungsbeschlüsse pro Jahr.
Wir stärken unsere Häfen. Der Duisburger Hafen ist schon heute der größte Binnenhafen der Welt. Für den Ausbau von logport II werden wir insgesamt 48,8 Millionen € zur Verfügung stellen.
Gemeinsam mit dem Bund und der Deutschen Bahn haben wir uns im Masterplan NordrheinWestfalen auf einen umfassenden Ausbau der Schieneninfrastruktur geeinigt. Für die Betuwelinie, die Nordrhein-Westfalen an den Seehafen Rotter
Eine Politik für eine ökologische Industrieregion heißt nicht einfach, Infrastrukturen zurückzubauen, sondern in neue, intelligente Infrastrukturen zu investieren. Das ist unser Ziel.
Seit 2006 haben wir zum Beispiel rund 60 dynamische Verkehrslenkungstafeln an wichtigen Autobahnkreuzen und rund 100 Zuflussregelungsanlagen eingerichtet.
Solche intelligenten Systeme werden wir weiter vorantreiben, auch durch eine einheitliche Verkehrszentrale, die alle Verkehrsinformationen bündeln soll. Die Zukunftskommission plädiert für einen umfassenden Infrastrukturplan mit klaren Prioritäten und Zielvorgaben in Zusammenarbeit mit den Kommunen und umfassend für Straße, Schiene, Luftverkehr und Häfen. Daran arbeiten wir.
Meine Damen und Herren, wir wollen Vorreiter für ein neues ökologisches Industriezeitalter sein, in dem Industrie und Ökologie eine Einheit bilden. Das kann nicht gleich die totale Ökostadt wie Masdar City sein, aber die Idee einer ökologischen Stadt ist richtig, einer Stadt, die Klimaschutz auf allen Ebenen praktiziert. Wir in Nordrhein-Westfalen haben dafür die besten Voraussetzungen, zum Beispiel mit dem zukunftsweisenden Projekt „50 Solarsiedlungen in NRW“,
das die Nutzung der Solartechnologie fördert. 29 Siedlungen sind schon im Bau. NordrheinWestfalen ist damit europaweit Spitzenreiter bei allen Solarsiedungen. Oder mit dem Projekt „100 Klimaschutzsiedlungen in Nordrhein-Westfalen“, mit dem CO2-Emissionen in Wohnsiedlugen konsequent reduziert werden.
Meine Damen und Herren! Wir werden zusammen mit den großen Unternehmen der Energiewirtschaft und mit führenden wissenschaftlichen Insti
tuten wie dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie an einem Konzept arbeiten, wie die Stadt der Zukunft in einer ökologischen Industrieregion aussehen kann. Wir werden die Kommunen gezielt darin unterstützen, diesem Ziel näher zu kommen.
So sehr es auf Wachstum, auf Bildung, auf Innovation ankommt – ohne die Einheit der Gesellschaft geht es nicht. Auch das ist eine Kernbotschaft der Zukunftskommission, und auch sie ist mir sehr wichtig. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Kluft in unserer Gesellschaft weiter auseinandergeht: zwischen Arm und Reich, zwischen Ausgebildeten und Nichtausgebildeten, zwischen denen, die Arbeit haben, und denen, die arbeitslos sind, zwischen Alten und Jungen, Einheimischen und Zugewanderten.
Lord Dahrendorf spricht davon, dass gerade heute nichts so wichtig ist wie die Stärkung des Gemeinwohls, die Stärkung von Chancen auf Teilhabe, die Stärkung der aktiven, der vitalen Bürgergesellschaft. Denn, ich zitiere: Ohne die Gesellschaft aktiver Bürger geht es nicht. – So sagt es Lord Dahrendorf, einfach und treffend. Der Staat kann sie nicht ersetzen und er soll sie auch nicht dominieren, aber er muss sie unterstützen. Dabei, dass wir mehr miteinander leben statt nebeneinander, dass wir gemeinsame Werte und Ziele haben. Es geht um mehr Lebensqualität in unserem Land.
Das heißt zum Beispiel mehr Lebensqualität für Ältere. Deshalb fördern wir zukünftig auch den Bau von Wohngenossenschaften und Wohnstiften anstelle traditioneller Altenheime. Dort soll jeder alte Mensch eine altengerechte Wohnung, aber auch Gemeinschaftsräume haben. Er entscheidet selbst, welche Hilfe er in Anspruch nimmt. Jeder verpflichtet sich, dem anderen dort zu helfen, wo er kann. Das hat Sinn für diejenigen, die Hilfe brauchen, und für diejenigen, die helfen.
Auch für Heime gilt: Das Heim soll nicht in erster Linie Krankenhaus, sondern Wohnung für alte Menschen sein. In diesem Sinne haben wir das Heimgesetz neu gestaltet: für mehr Selbstbestimmung, mehr Eigenverantwortung und weniger Bürokratie und Bevormundung.
Mehr Lebensqualität für Ältere heißt übrigens auch, dass man gegen Altersdiskriminierung vorgeht. Es kann nicht angehen, dass jemand keine Versicherung oder keinen Kredit für den Aufbau eines Unternehmens mehr bekommt, nur weil er älter ist. Auch das muss sich ändern, meine Damen und Herren.