Protocol of the Session on January 20, 2010

Vor dem Hintergrund erstaunt dies natürlich: Francesco Forgione redet von 30 Restaurants in NRW, die als Netzwerk, als Standorte dienen. Das BKA – das wird in der Zeitung auch in etlichen Artikeln dokumentiert – weist auch auf diese 30 Restaurants in NRW hin und sagt, dass von 61 Restaurants in ganz Deutschland 30 Restaurants in NRW sind, hier also wirklich ein Schwerpunkt ist. In der Antwort auf Seite 9 liest man dann, dass es aus Sicht der Landesregierung überhaupt keinen Ermittlungsbedarf darüber gibt. Ich zitiere:

Die Landesregierung erhebt und führt im Übrigen keine statistischen Daten darüber, wie viele Gastronomiebetriebe von italienischen Staatsangehörigen betrieben werden, die den genannten oder anderen Familien angehören.

Es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Schittges. Möchten Sie die zulassen?

Ja, bitte.

Frau Kollegin Düker, kann es sein – ich sehe keinen Kollegen aus Ihrer Fraktion –, dass sich niemand aus Ihrer Fraktion für das von Ihnen dargestellte hoch brisante Sicherheitsthema interessiert?

Ich sehe, dass auch in den anderen Fraktionen die Ränge nicht unbedingt voll besetzt sind.

(Oliver Wittke [CDU]: Mehr als bei Ihnen!)

Sie sehen das richtig. Aber wenn Sie, Herr Schittges, sich das für Ihre Fraktion immer wieder ganz oben auf Ihre Fahnen schreiben, dann schauen Sie sich das mal an: Ich würde sagen, 10 % sind positiv geschätzt. Für die „Partei der inneren Sicherheit“ ist das von der Präsenz her auch ein bisschen erbärmlich.

(Beifall von der SPD)

Von daher auch hier: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen um sich werfen.

Die Antwort der Landesregierung kann nicht unbedingt überzeugen, wenn in dieser Debatte, was Restaurants, Pizzerias in Nordrhein-Westfalen für eine Rolle im Bereich dieser Netzwerkaktivitäten spielen, lapidar gesagt wird: Darum kümmern wir uns eigentlich gar nicht.

Die zweite Bemerkung aus der Antwort der Landesregierung, die ich auch recht kühn finde, erhärtet in der Tat diesen Vorwurf, dass hier etwas unter

schätzt wird, wenn man bei der Lagebewertung auf Seite 4 die kühne Behauptung liest:

Dem LKA NRW liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass Gruppierungen der italienischen OK in NRW ebenso tief in der Gesellschaft verwurzelt sind, wie dies von der Anti-Mafia-Kommission des italienischen Parlaments sowie den italienischen Sicherheitsbehörden für Italien dargestellt wird.

Herr Minister, ich frage mich, warum Sie diesen Widerspruch nicht auflösen. Der bleibt einfach so im Raum stehen. Wir sehen das völlig anders als die Italiener. Gleichzeitig beantworten Sie die Anfrage, wie sich die Zusammenarbeit gestaltet, aber so, dass es angeblich eine gute Zusammenarbeit gibt und man in einer Task-Force den Austausch von Erkenntnissen und Informationen pflegt. Aber wenn man da alles so toll austauscht und so toll zusammenarbeitet, wie kommt man dann zu zwei gegensätzlichen Einschätzungen? Herr Engel, bislang wurden nur Hellfeld-Informationen zitiert. Offenbar gibt es hier einen Widerspruch. Die Frage bleibt offen, der Widerspruch wird nicht aufgelöst.

Das sind zwei Beispiele, die einen, wie ich finde, dazu bringen können, zu fragen: Wird hier nicht wirklich etwas unterschätzt? Geht die Landesregierung nicht doch etwas lapidar mit all diesen Informationen um, die wir jeden Tag in der Zeitung lesen können oder die von Autoren über Bücher publiziert werden?

Jetzt zur Antwort der SPD. Herr Kollege Rudolph, Ihren Vorschlag, wie man die Mafia bekämpfen soll, finde ich sehr bemerkenswert. Zum einen fordern Sie die Wohnraumüberwachung für die Polizei. Aber das steht längst im Polizeigesetz. Vielleicht sollten Sie da mal nachschauen. So werden Sie in den Zeitungen zitiert. Außerdem fordern Sie, die Online-Durchsuchung ins Gesetz zu schreiben. Die soll es bringen. Dabei verweisen Sie auf Ihren eigenen Gesetzentwurf zum Polizeigesetz. Ich weiß nicht, ob Sie die Anhörung mitverfolgt haben: Ihr Gesetzentwurf zum Polizeigesetz wurde in der Anhörung in Bezug auf die präventive Telekommunikationsüberwachung, die OnlineDurchsuchung und den Kernbereichsschutz als absolut verfassungsbedenklich eingestuft. Es wurde massiv Kritik geübt. Von daher kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wie man diese Vorschläge, die nachweislich als verfassungsrechtlich bedenklich eingestuft wurden, mal eben in den Raum stellen und als Anheilmittel gegen die Mafia anführen kann.

Danach kommt nicht mehr allzu viel. Von daher müssen Sie sich leider den Vorwurf gefallen lassen, dass Sie zwar eine durchaus wichtig Phänomenbeschreibung in den Raum stellen, mit der man sich auch beschäftigen sollte, aber keine schlüssigen Antworten liefern.

(Beifall von den GRÜNEN)

Mir wäre an einer Debatte gelegen – das richte ich an alle hier im Raum –, bei der wir auf unsere Polizeistrukturen schauen. Sind die wirklich geeignet? Sind wir mit der Polizei effizient und gut aufgestellt, Herr Engel? Wenn Sie sagen, dass wir überall Menschen und Stellen haben, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, sollten wir vielleicht mal fragen, ob wir davon zu viele haben. 16 Kriminalhauptstellen haben eine OK-Zuständigkeit – plus Oberhausen plus LKA. In allen 47 Kreispolizeibehörden gibt es OK-Verbindungsbeamte. In sechs Kriminalhauptstellen gibt es noch für den Zeugenschutz Zuständige. Ich frage mich: Wie viele Personen beschäftigen sich hier eigentlich nur noch mit Vernetzung, und wie viele machen wirklich operative Arbeit und bekämpfen organisierte Kriminalität?

Meine Schlussfolgerung für diese Debatte ist: Schauen wir auf unsere Polizeistrukturen! Machen wir nicht viel Wind mit rechtsstaatlich äußerst fragwürdigen Instrumenten, die keiner braucht! Schauen wir vielmehr auf unsere Polizeistrukturen! Ich bin der festen Überzeugung: Die sind verbesserungswürdig. Wir haben zu viele Polizeibehörden. Hier arbeiten zu viele Menschen ineffizient. Synergieeffekte wären möglich, wenn wir weniger Polizeibehörden hätten und die Kompetenzen in weniger Einheiten bündeln würden, die sich dann spezialisiert mit diesen Phänomenen beschäftigen könnten. Mit einer solchen Debatte kämen wir, was die Polizei in NRW insgesamt angeht, weiter als mit dem, was die SPD hier vorgetragen hat. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Düker. – Für die Landesregierung spricht nun Herr Innenminister Dr. Wolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rudolph betätigt sich wieder einmal und bläst sich auf als Hüter der inneren Sicherheit, als oberster Mafia-Bekämpfer. Meine Damen und Herren, einerseits betreibt er eine unverantwortliche Panikmache beim Thema „Mafia“, anderseits betreibt er eine unverschämte Verharmlosung bei der Alltagskriminalität. O-Ton Rudolph: „Kleine Verbrechen“! Meine Damen und Herren, Verbrechen sind Straftaten, die mit Mindestfreiheitsstrafen von einem Jahr geahndet werden. Da fragt man sich schon: Was sind „kleine Verbrechen“? Offensichtlich braucht Herr Rudolph Nachhilfe in Sachen StGB, um den Unterschied zwischen Verbrechen und Vergehen zu verstehen. – Das aber nur am Rande, meine Damen und Herren.

In der Pressekonferenz hat Herr Rudolph Kleinkriminelle sozusagen als harmlos bezeichnet. Er meint sicher Räuber, Schläger und Einbrecher. Das sind nämlich diejenigen, die für die Sorgen und Nöte der Menschen stehen. Er aber tritt die Sorgen und Nöte der Menschen mit Füßen. Das ist eine ungeheure Verniedlichung der Alltagskriminalität, die die Menschen unmittelbar berührt. – Fakt ist: NordrheinWestfalen ist seit 2005 sicherer geworden.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Rudolph, Sie greifen die Polizisten in dreister Weise an. Diese leisten alle hervorragende Arbeit. Ihnen gebührt unser aller Dank und Anerkennung.

Wir haben natürlich Schwerpunktsetzungen. Verschiedene sind schon genannt worden. Natürlich gehört die Gewalt- und Eigentumskriminalität zu einem der Schwerpunkte. Das ist doch selbstverständlich. Ich habe noch gut die Debatten im Ohr, in denen Sie sich hier erregt und gesagt haben, wir müssten gegen Gewaltkriminalität vorgehen. Aber wenn wir das dann tun, ist das auch wieder falsch.

Meine Damen und Herren, seit 2005 verzeichnen wir trotz signifikant höherer Anzeigebereitschaft einen Rückgang der Zahl der Straftaten um 5 %. Die Aufklärungsquote wurde von ihrem Tiefststand mit 46,6 % im Jahr 2002 unter rot-grüner Regierung auf jetzt stabile fast 50 % gesteigert. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist um 21 % gesunken auf das niedrigste Niveau seit 25 Jahren. Offensichtlich ärgert Sie das. Sie möchten gerne schlechte Zahlen. Wir bieten Ihnen aber zu Ihrem Ärger diese guten Zahlen an.

Wir nehmen die organisierte Kriminalität sehr ernst; Herr Kruse hat das Problem hier dankenswerterweise objektiv aufgezeigt. Wir sind auf keinem Auge blind. Die OK wird in NordrheinWestfalen von 700 Experten bekämpft. Meine Damen und Herren, eines ist doch klar: Wenn wir alle an eine Stelle setzten, käme von Frau Düker der Vorwurf: Das ist nicht übers Land gezogen. Da gibt es keine Dezentralität. Die können das nicht wissen. – Wir leisten gute und vernetzte Arbeit.

Frau Düker, wenn Sie wieder einmal über die Polizeistrukturen räsonieren möchten: Wir haben sie von 50 auf 47 verringert. Sie haben in Ihren zehn Jahren Regierung nichts, aber auch gar nichts gemacht.

(Beifall von der CDU)

Wir haben darüber hinaus noch die Bezirksregierungen herausgenommen. Das sind alles Sachen, die Sie nie geschafft haben. Sie haben immer nur Maulheldentum betrieben. Deswegen sind solche Vorwürfe allesamt nur Luftnummern.

Zu der Frage der Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern. Meine Damen und Herren, wie kommt denn das BKA zu einem Lagebild OK? Doch nicht dadurch, dass ein Beamter dort sitzt

und sich etwas ausdenkt. Die Bilder aus den Ländern werden vielmehr zusammengefasst. Das heißt, wir haben selbstverständlich eine gemeinsame, faktenbasierte Darstellung.

Herr Rudolph, im Übrigen sind die Kriterien alle unverändert. Unter Ihrer Regierung waren es dieselben Kriterien. Ich hoffe, Sie wollen sie jetzt nicht nachträglich in Zweifel ziehen. Hier wird natürlich ganz einvernehmlich miteinander gearbeitet und auch ausgewertet.

Die Bewertung der SPD zur Bedrohung durch die Mafia ist schlichtweg eine unerträgliche Mischung aus Unterstellung und Spekulation. Damit lassen sich natürlich gut Schlagzeilen machen. Die Bewertung ist aber – Herr Engel hat darauf hingewiesen – ein Zerrbild unseres Gemeinwesens.

Herr Rudolph, bei Ihnen könnte man glauben, Sie wollten nachträglich in die Musikband Erste Allgemeine Verunsicherung eintreten: Das Böse ist immer und überall. – Natürlich gibt es Probleme; das leugnet doch niemand. Aber Sie versuchen an dieser Stelle, die Menschen in einer Weise zu verunsichern, wie es einfach nicht angängig ist.

Die voreilige, substanzlose Kritik und die Beschimpfung der Arbeit der Polizei gehören zu Ihrem Standardrepertoire. Kaum war das furchtbare Verbrechen in Duisburg geschehen, haben Sie, genau wie Ihr Kollege Jäger, den Polizisten die Kompetenz abgesprochen, den sechsfachen Mord aufzuklären. Ergebnis: Tat geklärt, Täter festgenommen.

Meine Damen und Herren, wir brauchen also keine Unwissenheits- und Falschheitserklärungen. Die sind bei Ihnen an der Tagesordnung. Frau Düker hat einen Punkt aufgelistet. Ich kann das nahtlos fortsetzen: Sie wussten nicht, dass es eine G-10Kommission gibt. Sie wussten nicht, wann das BKA zuständig ist – Stichwort: Sauerlandgruppe. Der Gipfel ist in der Tat, wenn Sie, wie jetzt, Gesetzesänderungen einfordern, die gar nicht notwendig sind, weil das Gesetz diese Punkte schon enthält.

Wenn Sie jetzt auch noch mit der OnlineDurchsuchung um die Ecke kommen – das ist Ihr Lieblingssteckenpferd –: Ursprünglich hat die SPD das als „staatlich organisierten Hausfriedensbruch“ bezeichnet; inzwischen ist das ein gängiges Mittel, und Sie wollen es überall haben. Einigen Sie sich einfach mal, ob Sie rechtsstaatlich einwandfrei arbeiten oder nur Schlagzeilen produzieren wollen.

Meine Damen und Herren, die Vorschläge der selbst ernannten Mafiaexperten laufen im Kern im Übrigen darauf hinaus, die Grundfesten unseres Rechtsstaates über Bord zu werfen. Wir haben die Unschuldsvermutung und nicht die Sippenhaft. Wie müssen sich unsere italienischen Mitbürger fühlen, wenn sie alle mit den Mafiosi in einen Topf geworfen werden? Oder wollen Sie, Herr Rudolph,

vorsichtshalber alle festnehmen lassen? Wir arbeiten faktengestützt. Wir sind selbstverständlich wachsam – das ist die nordrhein-westfälische Polizei immer –: gegenüber der OK insgesamt, insbesondere aber gegenüber der Mafia.

Und wir sind kooperativ – auch international. Natürlich werden Informationen ausgetauscht. Wenn allerdings ihre Kronzeugin, die italienische Abgeordnete, einräumen muss – Zitat –: „Von zwölf in Deutschland festgenommenen Mitgliedern des San-Luca-Clans sind allein sieben in NordrheinWestfalen festgesetzt worden“, dann empfinde ich das eher als Auszeichnung. Das heißt, hier wird etwas getan.

(Beifall von der FDP)

Hier passiert etwas. Hier wird gearbeitet. Hier wird nicht nur erzählt. Das heißt, Untätigkeit und Blauäugigkeit finden sich weiß Gott nicht auf unserer Seite. Im Gegenteil: Das ist anscheinend eher bei Ihnen der Fall.

Mein Fazit ist daher: Die nordrhein-westfälische Polizei arbeitet faktenorientiert, rechtsstaatlich, professionell und erfolgreich bei der Bekämpfung der OK und auch – und gerade – in der Alltagsarbeit, die der SPD offensichtlich keine Mühen wert ist. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Minister Wolf. – Für die SPD spricht nun der Kollege Kutschaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich gehofft, wir hätten in der Situationsbeschreibung, was die Bedrohung durch die Mafia hier anbelangt, mehr Gemeinsamkeiten in diesem Hause. Aber ganz offensichtlich ist das Problem der Mafiakriminalität noch immer nicht bei allen angekommen. Insbesondere an Ihnen, sehr geehrter Herr Kollege Engel – ich schätze Sie sonst sehr, was das anbelangt –, scheint das Problem vorbeigegangen zu sein. Selbst Herr Kruse ist an dem Punkt weiter als Sie.

Wir müssen es mit aller Deutlichkeit zurückweisen, dass man uns hier blanken Populismus vorwirft, wenn wir uns Sorgen um die Sicherheit in diesem Lande machen, nachdem in Duisburg sechs Menschen auf offener Straße erschossen wurden. Herr Engel, es ergibt für uns keinen Unterschied, ob es italienische Landsleute oder deutsche Staatsbürger sind, die davon betroffen sind. Das Problem ist mitten in unserer Gesellschaft angekommen.