Vielen Dank, Herr Kollege. – Ja, wir sind so konstruktiv. Der Kollege Jostmeier hat dankenswerterweise auf das Datum 17. Dezember 2004 und unseren Beitrag hingewiesen.
Nun zu meiner konkreten Frage an Sie: Sie haben gerade wieder von dem Wettbewerbsföderalismus gesprochen. Ist Ihnen klar, dass der Ministerpräsident dieses Wort nicht benutzt, sondern von Gestaltung spricht, wie er das vorhin auch noch einmal getan hat? Haben Sie nicht das Gefühl, dass der Ministerpräsident das auch sehr bewusst so sorgfältig formuliert?
Ich habe in seiner Rede – ich werde darauf gleich noch zu sprechen kommen – einige äußerst klare Ansagen zu den Zielen gehört, die wir Freien Demokraten über das hinaus, was bisher an Ergebnissen vorliegt, selber einfordern. Zu diesen Zielen komme ich gleich noch. Dazu hat der Ministerpräsident einiges gesagt. Ich werde nicht versäumen, das aufzugreifen.
Die Föderalismusreform muss sowohl eine Neuordnung der Entscheidungsstrukturen zwischen Bund und Ländern beinhalten als auch – womit ich sofort zu dem Punkt komme, den Sie angesprochen haben, Herr Kollege Kuschke – eine Neuordnung der Finanzverfassung. Allein dadurch erhalten Bund und Länder die Möglichkeit, ihre Aufgaben eigenständig und der Intention des Grundgesetzes entsprechend zu erfüllen.
Ich will deshalb, wenn Sie gestatten, einige Punkte systematisch skizzieren, die wir als Messlatte an die umfassende Föderalismusreform anlegen und an denen wir uns auch bei der Frage orientieren werden, welche Vereinbarungen der großen Koalition wir unterstützen und welche nicht.
Frau Kollegin Löhrmann, im Gegensatz zu Ihnen, haben wir eben diese Mitgestaltungsmöglichkeit über den Bundesrat. Ohne die Freien Demokraten im Bundesrat wird es keine Föderalismusreform geben.
Deshalb werden wir unser politisches Gewicht, das wir von den Wählerinnen und Wählern erhalten haben, angemessen und verantwortungsbewusst einbringen.
Darin besteht ein struktureller Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie fragt keiner, Sie können dort nicht mitgestalten. Wir werden uns aber, orientiert an klaren Zielen, die ich Ihnen noch darlegen werde, unserer Verantwortung gemäß dazu einbringen.
Erstens die umfassende Entflechtung der Finanzbeziehungen mit einer Steuerautonomie für die Bundesländer. Das hat der Herr Ministerpräsident gerade ausdrücklich erwähnt, Herr Kollege Kuschke.
Das ist zwar noch nicht vereinbart, aber deshalb sage ich auch, dass wir daran arbeiten. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass der Ministerpräsident das hier von vornherein klar adressiert. Darum geht es. Das ist ein ganz zentraler Punkt, bei dem zwischen die FDP-Fraktion und die Landesregierung kein Blatt passt.
Den Ländern muss bei den Steuern – das hat der Ministerpräsident klar ausgeführt –, bei denen sie die Ertragshoheit haben, auch die Gesetzgebungskompetenz übertragen werden. Das ist eine zentrale Forderung für die weiteren Verhandlungen über die Föderalismusreform.
Zweitens – auch das hat der Ministerpräsident erwähnt –: Wir wollen eine Anpassung des Länderfinanzausgleichs. Natürlich muss auch über den Länderfinanzausgleich geredet werden. Es kann doch nicht richtig sein, dass ein Land wie Nordrhein-Westfalen finanziell am Rande des Abgrunds steht und dennoch jedes Jahr gigantische Summen in den Länderfinanzausgleich zahlen muss. Das muss auf die Agenda, das muss diskutiert werden. Ich würde sehr gern, Herr Kollege Kuschke, auch auf Ihre Unterstützung zählen, wenn es darum geht, das in andere Länder zu kommunizieren, die sozialdemokratisch regiert werden. Herr Ringstorff hat in diesen Tagen schon von vornherein gesagt, über so etwas wolle er gar nicht reden, das sei Teufelszeug. Insofern befinden Sie sich in der Tat mit in der Verantwortung, Ihren Genossinnen und Genossen in ande
ren Bundesländern ein Signal zu geben, wie wichtig es ist, das für eine umfassende Föderalismusreform aufzugreifen.
Drittens. Nötig ist eine spürbare Reduzierung der Zustimmungserfordernisse im Bundesrat durch eine Reform des Art. 48 GG. Da sind wir uns, glaube ich, einig. Die Länder müssen für ihren Verwaltungsvollzug die Organisationshoheit haben.
Viertens – auch das scheint mir weithin Konsens zu sein –: Wir brauchen substanzielle Änderungen bei der Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen nach der strikten Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips. Ein materielles Zugriffsrecht der Länder in die Gesetzgebung des Bundes als Ausfluss mangelnder Einigungsfähigkeit, wie wir das über viele Jahre erlebt haben, darf es nicht mehr geben.
An dieser Stelle wird auch deutlich, dass es uns eben nicht nur darum geht, die Länderkompetenzen um jeden Preis zu erweitern, sondern wir wollen dort, wo es sinnvoll ist, die Bundeskompetenzen zu stärken, das auch mit unterstützen. Es ist wichtig, dass wir zu einer organischen Lösung kommen, bei der es nicht nur darum geht, die Länderinteressen ohne Rücksicht auf die jeweilige Sinnhaftigkeit durchzuboxen.
Fünftens. Die Rahmensgesetzgebung muss wieder zu einer Grundsatzgesetzgebung gemacht werden. Auch an der Stelle sind wir mit Blick auf die erfolgten Verhandlungen schon sehr weit.
Sechstens. Es bedarf – da müssen Sie über das, was schon debattiert worden ist, hinausschauen – einer Veränderung des Verfahrens zur Neugliederung der Bundesländer. Wir halten die bestehenden Verfahrensregelungen zur Länderneugliederung für zu kompliziert. Diese Debatte wird auch in Deutschland in den nächsten Jahren kommen. Ob wir an der derzeitigen Struktur der Bundesländer mit Bundesländern wie Bremen oder dem Saarland festhalten können oder ob man die Hürden nicht absenken muss, damit es zu einer staatsrechtlichen Neuorganisation kommt, muss in die Verhandlungsrunde über die Föderalismusreform aufgenommen werden.
Siebtens. Die Gemeinschaftsaufgaben in der heutigen Form müssen im Rahmen der Artikel 91 a und 91 b vollständig abgeschafft werden.
Herr Kuschke, lassen Sie mich das noch kurz vortragen. Ich habe noch etwa fünf Minuten. Dann können wir auch noch weiter diskutieren.
Neuntens – ein wichtiger Punkt –: Die Länder müssen im Bereich ihres Beamtenrechts die Personalhoheit wiedererlangen, um angesichts des hohen Personalkostenanteils die notwendigen Gestaltungsmöglichkeiten zu gewinnen.
Zehntens. Wir müssen Stabilitätskriterien im Grundgesetz verankern. Nachdem sich die Haushaltslage in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat, müssen Bund, Länder und Gemeinden durch eine solche Maßnahme in gemeinsamer Verantwortung auf eine strenge Begrenzung ihrer Defizite und ihrer jeweiligen Verschuldung verpflichtet werden. Das ist eine Verantwortung, die wir alle gemeinsam gegenüber den künftigen Generationen haben. Deshalb muss auch das noch auf die Agenda.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, was die große Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung insgesamt vorgelegt hat, ist aus Sicht der Freien Demokraten, der FDP-Landtagsfraktion, keine Offenbarung. Daraus haben wir auch nie einen Hehl gemacht.
Die Vereinbarungen zur Föderalismusreform bieten dabei noch die mit Abstand besten Ansätze, mit denen man weiterarbeiten kann. Es ist bekannt, dass Ministerpräsident Rüttgers daran entscheidenden Anteil hat. Das gilt etwa für die Lösung im Bereich der Zustimmungspflicht bei kostenwirksamen Bundesgesetzen und bei der Kompetenz im Hochschulwesen und im Umweltrahmenrecht.
Wir werden in Zukunft dort abweichen können, wo wir als Land Nordrhein-Westfalen in der Diskussion mit anderen eigene Standards setzen und wo wir ein Stück mehr Freiheit ermöglichen wollen. Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das auch in anderen Politikbereichen möglich geworden wäre, aber vielleicht kann auch das noch in der nächsten Runde der Föderalismusreform debattiert werden.
Abweichungen im Bereich des Wirtschaftsrechts und der Arbeitsmarktpolitik – warum denn nicht? Ich würde mir sehr wünschen, dass es möglich wäre, Bündnisse für Arbeit, auf die wir uns hier in Nordrhein-Westfalen – glaube ich – verständigen könnten, auch abweichend von anderen Regelungen im Bund einmal auszuprobieren. Da brauchen wir noch mehr Mut. Aber wir sind sehr froh dar
über, dass es dem Ministerpräsidenten gelungen ist, wenigstens im Bereich des Umweltrahmenrechts solche Abweichungen zu ermöglichen.
Wir werden als Freie Demokraten diese positiven Ansätze der Föderalismusreform unterstützen. Wir werden im Bundesrat – ich habe es schon kurz angedeutet – unserer großen Verantwortung für das Projekt insgesamt gemäß keine Verweigerungshaltung einnehmen, sondern wir werden konstruktiv mitarbeiten.
Nur eines, meine Damen und Herren, muss auch klar sein: Wir wollen im Ergebnis eine echte Gesamtreform und kein Stückwerk für die Galerie. Deshalb ist unsere Zusage, die erste Reformrunde im Bereich der Föderalismusreform zu unterstützen, zwingend an den zweiten Schritt geknüpft, nämlich an die Länderfinanzreform und an die darüber hinausgehenden Fragen, die wir in der Debatte auch kurz angerissen haben.
Da können Sie noch gespannt sein, Frau Kollegin Löhrmann. Wir werden nicht akzeptieren, dass diese fundamentalen Fragen einfach ad acta gelegt werden. Die große Koalition hat uns diese Zusage gemacht, und wir werden darauf achten, dass sie eingehalten wird.
Der Ministerpräsident will das noch einmal klar machen und hat diese Akzente in seiner Rede ebenfalls gesetzt. Wir werden also mit dem ganzen Gewicht des Landes Nordrhein-Westfalen dort verhandeln können, um diese letztlich zentralen Themen auf den Weg zu bringen.
Die Gespräche müssen so früh wie möglich im nächsten Jahr beginnen – auch das ist klar –, damit das Ganze, denn die Gefahr bestünde, nicht ad calendas graecas verschoben werden kann.
Wir wollen eine grundlegende Reform der Beziehungen zwischen Bund und Ländern mit zentralem Blick auf die Reformen des Länderfinanzausgleichs und der Finanzverfassung insgesamt. Das heißt nicht, dass wir etwa die Solidarität mit den neuen Bundesländern aufgeben würden, aber auch für die Bundesländer, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt, was in vielerlei anderer Hinsicht auch für Wirtschaftsbeziehungen gilt: Wir Stärken nicht die Schwachen, wenn wir die Starken schwächen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Landesregierung der Ministerpräsident, Herr Dr. Rüttgers, das Wort.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um auf die ein oder andere Frage einzugehen. Wir haben diesen Tagesordnungspunkt Unterrichtung des Parlaments erbeten, um mit dem Landtag über die Themen zu diskutieren und nicht nur zu sagen, was ansteht.
Ich möchte mit dem Thema beginnen, das Sie, Herr Kollege Kuschke, unter Bezugnahme auf einen Artikel in einer großen deutschen überregionalen Zeitung angesprochen haben. Ihnen ist vielleicht bekannt, dass auf der letzten Ministerpräsidentenkonferenz, auf der Jahreskonferenz in Aachen, das Thema schon einmal behandelt worden ist. Wir haben damals vonseiten des Landes Nordrhein-Westfalen – konkret durch die Vorbereitung des Chefs der Staatskanzlei – dort einen Antrag vorgelegt, der die Idee einer zweiten Kommission, die sich mit dem Thema Finanzbeziehungen und anderes befasst, zum Inhalt hatte. Alle 16 Länder haben dem Antrag auf dieser Konferenz zugestimmt. Das ist also das Thema: zweite Stufe. Wie geht das?
Es gibt in diesem Artikel – mit mir hat niemand von den sich dort äußernden Personen vorher geredet – keine konkreten, neuen Äußerungen. Ich habe, was allerdings richtig wiedergegeben worden ist, in verschiedenen Äußerungen das Wort Bund-Länder-Kommission in den Mund genommen. Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal sagen, dass dahinter folgende einfache Überlegung steckt: Ich glaube nicht, dass es klug ist, die Föderalismuskommission, die bis Mai tätig war, einfach so wiederzubeleben.