Protocol of the Session on December 16, 2009

(Heike Gebhard [SPD]: Hat der Minister den Bund aufgefordert, mehr Geld zur Verfügung zu stellen?)

Wir sind für Bildung und Wissenschaft zuständig, und wir machen diese Dinge auch selbst. Wenn die Bundesministerin Annette Schavan diese Dinge dann auch noch unterstützt und fördert, ist das wunderbar. Wir nehmen diese Aufgaben aber als unsere Aufgaben wahr. Wir tun das selbst, und wir sorgen dafür, dass die kleinen Fächer in unserem großen Land an unseren guten Universitäten auch gefördert und gestützt werden.

Dass das so passiert, kann man übrigens auch nachweisen. Schließlich waren wir nicht untätig. Hier im Land hat es einen Evaluationsbericht gegeben, der schon jetzt zu Veränderungen an den Universitäten geführt hat. Als Münsteraner freue ich mich natürlich ganz besonders darüber, dass an meiner Heimatuniversität Münster bereits die Zielvereinbarung zugunsten der kleinen Fächer verändert worden ist.

Aber auch die KMK hat gearbeitet. Die KMK ist auf Bundesebene zuständig und hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die auch keine generelle Gefährdung der kleinen Fächer konstatieren kann. Das heißt, die ganze Sache zeigt Wirkung, sie wird angegangen.

Wir sind für die Stützung der kleinen Fächer. Es bedurfte Ihres Antrags eigentlich nicht; denn wir machen es selbst. Das heißt nach unserer Hochschulphilosophie und -politik: Wir setzen den Universitäten Anreize und schließen Zielvereinbarungen ab. Über das Wie entscheiden die Universitäten selbst – offensichtlich erfolgreich. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als Nächster hat für die FDP-Fraktion Herr Kollege Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte ist zu Recht auf wichtige Impulse der Hochschulrektorenkonferenz und ihrer Evaluation der vorliegenden Berichtstexte seit Frühjahr 2007 sowie auf die deshalb von allen politischen Kräften ernsthaft geführte Diskussion zum Komplex der Verbesserung und Stabilisierung des Wissenschaftsbeitrags der kleinen Fächer hingewiesen worden.

Kleine Fächer haben in der Regel gemeinsam, dass ihnen eine vergleichsweise geringe personelle Ausstattung zur Verfügung steht, mit der sie klarkommen müssen. Den meisten geisteswissenschaftlichen und mehreren naturwissenschaftlichen Fächern stehen darüber hinaus insgesamt auch wenig materielle Ressourcen zur Verfügung. Weil sie große Wissensgebiete erforschen und in der Regel auch übergreifend einen großen Beitrag für Forschung und Lehre leisten, schätzen wir sie und erkennen ausdrücklich den Wert der sogenannten kleinen Fächer – auch Orchideenfächer genannt – an. Wir wissen: Orchideen können wunderschöne Pflänzchen sein.

Ob Judaistik in Düsseldorf, Ostasienwissenschaften in Bochum oder Bibliothekswesen in Köln – alle kleineren Fächer bereichern das Studienangebot in Nordrhein-Westfalen und sorgen dafür, dass unser Hochschulstandort breiter aufgestellt ist. Der im Juli 2009 veröffentlichte Abschlussbericht des vom Ministerium angestoßenen Evaluationsverfahrens hat gezeigt, dass kleine Fächer gerade für unsere Traditionsuniversitäten zum Selbstverständnis gehören, ausgebaut werden und sicherlich niemand beabsichtigt, sich von Strukturen zu trennen.

Es hat sich im Übrigen auch gezeigt, dass es durch das Hochschulfreiheitsgesetz gerade keine Kürzungen oder Korrekturen – wie einige befürchtet haben – im Bereich der kleinen Fächer gibt. Ganz im Gegenteil: Die Gutachtergruppe hat unter anderem herausgefunden, dass es an verschiedenen Hochschulstandorten ausdrücklich eine Erweiterung im Spektrum der kleinen Fächer gegeben hat und positive Entwicklungen festzustellen sind. Gleichzeitig hat der Bericht Bereiche aufgezeigt, in denen es noch Optimierungspotenziale gibt, die wir in den nächsten Jahren nutzen wollen, beispielsweise im Bereich der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dazu gibt es Handlungsempfehlungen, die wir wohlwollend prüfen.

Die nordrhein-westfälischen Universitäten haben die Empfehlungen des Evaluationsberichts im Wesentlichen angenommen und sind in ihre eigenen Überlegungen zur Weiterentwicklung in den verschiedenen Fächern und Formen bezogen auf den eigenen Hochschulstandort eingestiegen. Als Bei

spiel darf ich, weil es dort sehr gut funktioniert hat, die Universität Münster nennen. Diese hat sich ergänzend zu den laufenden Ziel- und Leistungsvereinbarungen für die Jahre 2007 bis 2010 zu einer Weiterentwicklung der sogenannten kleinen religionswissenschaftlichen Fächer verpflichtet. Andere Hochschulen wie Köln, Düsseldorf oder Bochum haben entsprechende Absichten geäußert, auch Zusagen dieser Art zu machen.

Wir sollten deshalb den Hochschulen im Rahmen des Hochschulfreiheitsgesetzes den nötigen Raum und die nötige Zeit geben, die vernünftigen Empfehlungen sach- und interessengerecht mit den jeweiligen Akteuren vor Ort aufzugreifen und umzusetzen. Dementsprechend ist die Forderung nach einem Zwischenbericht, den der Antrag enthält, als verfrüht zurückzuweisen, da die Hochschulen noch über ihre Umsetzungs- und Implementationsstrategien diskutieren.

Generell gilt für die FDP-Landtagsfraktion: Die sogenannten kleinen Fächer müssen erhalten und sinnvoll gefördert werden. Es ist richtig, dass die Universitäten auf der Basis ihrer eigenen Profilbildung selbst entscheiden, welche der kleinen Fächer sie in ihrem Studienangebot vorhalten.

Über Jahre und Jahrzehnte hinweg können sich kleinere Fächer auch zu größeren Fächern entwickeln. Das sehen wir ganz praktisch. In vielen Bereichen wurde vor ein paar Jahren das sogenannte kleine Fach der Informatik neu aufgenommen, anfangs skeptisch bewertet und belächelt. Heute ist Informatik für viele Hochschulen mit Blick auf die zukünftige Berufsorientierung der Absolventen eine ganz tragende Säule. Ähnliche Prozesse eines starken Wachstums stellen wir auch in Fächern wie beispielsweise der Geologie fest.

All das zeigt, dass die sogenannten kleinen Fächer entweder als Teilfächer wichtig sind, auch interdisziplinärer Dienstleister für andere Bereiche der Hochschule sind oder eben eine spezielle Dynamik bei den sogenannten kleinen Fächern dafür sorgen kann, dass große daraus werden und sich vieles in der Hochschullandschaft in diesem Sinne bewegt.

Insofern ist die Antragsinitiative der SPD für uns überraschend gewesen. Sie haben bereits im Jahr 2008 eine ähnliche Initiative auf den Weg gebracht und diese dann zurückgezogen, weil wohl doch nicht genügend Handlungsbedarf oder fachliche Substanz Ihrerseits gesehen wurde.

(Karl Schultheis [SPD]: Wir dachten, wir können das gemeinsam machen!)

Ich möchte in diesem Zusammenhang abschließend darauf hinweisen, dass ich eines in Ihrem Forderungsteil ausdrücklich und mit aller Entschiedenheit zurückweise, nämlich die Feststellung, dass es Sparhaushalte zulasten der nordrhein-westfälischen Hochschulen gibt. Es gibt keinen schwarzgelben Sparzwang, sondern das genaue Gegenteil:

eine Strategie für Investitionen in Innovationen. Im Jahr 2010 werden die Hochschulen 25 % mehr Mittel haben als bei Ihrer Abwahl 2005. Diesen Weg wollen wir aus guten Gründen beherzt weitergehen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Witzel. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Dr. Seidl.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon enttäuschend, Herr Witzel, dass sich in der bisherigen Beratung alle Fraktionen dieses Hauses für die kleinen Fächer ausgesprochen und gesagt haben, wie wichtig sie sind, jetzt aber nicht einmal ein gemeinsamer Antrag zustande kommen konnte.

(Beifall von den GRÜNEN)

Dabei geht es hier erst einmal nicht um einen der großen hochschulpolitischen Streitpunkte wie Studiengebühren, die schlechten Studienbedingungen an unseren Hochschulen, die Bologna-Reform, fehlende Studienplätze oder den doppelten Abiturjahrgang. Aber auch bei den kleinen Fächern landet man in der Diskussion sehr schnell bei den Grundfragen der Hochschulpolitik oder besser gesagt dort, wo eben keine Hochschulpolitik mehr stattfindet. Das ist der Fall, seit Sie in diesem Land Wissenschaftsminister sind, Herr Pinkwart,

(Lachen von Ralf Witzel [FDP])

seitdem an den Hochschulen die Devisen „Privat vor Staat“ und „Der Staat wird es schon richten“ angesagt sind.

(Ralf Witzel [FDP]: Privat wird es richten, nicht der Staat!)

Seit dieser Zeit ist das auch ein Problem für die kleinen Fächer, die sogenannten Orchideenfächer an unseren Hochschulen. Wir Grüne sind nicht generell gegen den Wettbewerb – ganz im Gegenteil.

(Ralf Witzel [FDP]: Sie sind für Staatswirt- schaft!)

Aber Wettbewerb und Markt sind eben nur sinnvoll, wenn der Wettbewerb auch fair ist. Das muss er gerade in diesem Fall sein, wenn er ein Spiegel der tatsächlichen Bedarfe der Gesellschaft ist. Genau hier klafft eine Lücke, liebe Kolleginnen und Kollegen. Selbstverständlich braucht unsere Gesellschaft Orientalistinnen und Sinologen, sie braucht Archäologinnen, Religionswissenschaftler, Musikwissenschaftler und Indologen, um in einer globalisierten Welt die Umbrüche, die durch Migration, Integration und kulturelle Vielfalt entstanden sind, nicht nur zu verstehen, sondern auch zu nutzen. Sie braucht sie, damit dieses Land zukunftsfähig ist und bleibt.

Ich weiß, dass Sie es nicht gerne hören, Herr Pinkwart, aber trotzdem: Es gibt für diese Fächer an unseren Hochschulen eben keine Lobby. Auch die wirtschaftliche und in Zahlen messbare Nachfrage nach diesen Themen ist derzeit sicherlich gering. Immer dann, wenn es eine solche Lücke zwischen dem gesellschaftlichen Bedarf und der wirtschaftlichen Nachfrage gibt, muss eine Regierung aus unserer Sicht steuernd eingreifen. Dann reicht es eben nicht aus, wenn der Minister durchs Land reist und die kleinen Fächer an einigen Standorten besucht oder sich im Licht von neu eingeworbenen Sonderforschungsbereichen sonnt. Das reicht nicht aus, Herr Pinkwart.

Herr Professor Gehrke hat in seinem Bericht im Ausschuss sehr deutlich darauf hingewiesen, wie prekär die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses gerade in den kleinen Fächern ist. Er hat auch sehr konkrete Vorschläge gemacht, was zu tun ist. Ich nenne hier nur die Stichworte: Kooperation, Infrastrukturausbau, Juniorprofessur und Tenure Track. Das geht eben nicht von alleine, sondern nur, wenn sich die Landesregierung ihrer Verantwortung stellt, ganz konkrete Vereinbarungen mit den Hochschulen schließt

(Ralf Witzel [FDP]: Das geschieht doch!)

und sie auch finanziell bei der Umsetzung unterstützt. Dafür muss man etwas tun. Diese Prozesse muss man bündeln.

Aus aktuellem Anlass will ich aber noch ein weiteres Thema ansprechen, nämlich Bologna. Dass es hier Handlungsbedarf gibt, ist inzwischen sicherlich unbestritten – egal, ob man es nun Bologna-Check, Bologna-TÜV oder sonst wie nennt. Es reicht aber nicht, mit solchen Forderungen einfach nur den Schwarzen Peter an die Hochschulen weiterzureichen.

Denn wenn man die Situation an den Hochschulen kennt, weiß man doch auch, dass es einen großen Unterschied macht, ob eine solche Reform in einem großen Fachbereich mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgesetzt werden soll oder ob für den damit verbundenen Arbeitsaufwand, wie Herr Gehrke es in der Anhörung am 1. Oktober ausgeführt hat – Zitat –, „überhaupt kein Personal zur Verfügung steht“.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Ich erwarte daher von Ihnen, Herr Minister, dass Sie die Hochschulen nicht nur insgesamt bei der notwendigen Reform der Bachelor- und Masterstudiengänge stärker unterstützen. Ich erwarte vielmehr, dass Sie dies mit einem besonderen Augenmerk auf die sogenannten kleinen Fächer tun.

Der wissenschaftliche Nachwuchs sollte durch den Ausbau weniger Fächer gefördert werden, sagt Herr Gehrke. Es ist darüber hinaus wichtig, speziell für die kleinen Fächer hochschulübergreifende ange

messene und sinnvolle Leistungsparameter zu entwickeln und interdisziplinäre Kooperationen ohne Substanzverlust im einzelfachlichen Bereich anzuregen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Darüber hinaus muss die Vielfalt der Standorte garantiert bleiben, wenn wir in Nordrhein-Westfalen national und international wettbewerbsfähig bleiben wollen. Deshalb sagen wir: Springen Sie über Ihren Schatten, Herr Minister. Mischen Sie sich ein, damit die kleinen Fächer in Nordrhein-Westfalen nicht in einem unfairen Wettbewerb um Drittmittel und Profilbildung untergehen! – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten von Ihnen einleitend gehört, Frau Seidl, dass wir uns in einem inhaltlichen Punkt vertiefen wollten. Es ist bedauerlich, dass Sie das wieder zum Anlass genommen haben, um Ihre grundlegenden Probleme mit von uns eingeleiteten Reformen zu bewältigen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Wir reden über Sie und nicht über Frau Seidl!)

Ich halte das, was Sie dargestellt haben, wirklich für sachfremd. Denn wir sehen – zu diesem Ergebnis kommt auch das Gutachten –, dass die sogenannten kleinen Fächer gar nicht des besonderen politischen Schutzes bedürften, wie Sie meinen, weil die Universitäten gegen die kleinen Fächer zu Felde ziehen würden, wenn man sie nicht entsprechend kontrollierte. Das unterstellen Sie ja mit Ihrer These.

(Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Sie wissen doch auch, dass das so ist!)

Unterhalten Sie sich doch bitte mit den Hochschulen! Dann werden Sie feststellen, dass unsere Universitäten die kleinen Fächer im Gegenteil für ihre Profilbildung als außerordentlich wichtig erachten. Insofern haben die Hochschulen ein ganz eigenes Interesse daran, die kleinen Fächer so zu stellen, dass sie das Profil der Hochschule verstärken helfen können.