Meine Damen und Herren, das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt vor: Mit Ja stimmten 65 Abgeordnete, mit Nein 92. Enthalten hat sich niemand. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 14/10371 – Neudruck – abgelehnt.
Meine Damen und Herren, vor Aufruf des nächsten Tagesordnungspunktes mache ich darauf aufmerksam, dass wir etwa zwei Stunden hinter der Zeit sind. Ein Tagesordnungspunkt – das ist der mit der Nummer 16 – wird ohne Debatte sein. Das verkürzt das Ganze um 25 Minuten. Also ist frühestens um 21:30 Uhr Schluss.
10 Unentgeltliche Beförderung für Menschen mit Behinderung im öffentlichen Personennahverkehr sicherstellen
Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion dem Abgeordneten Killewald das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Antrag „Unentgeltliche Beförderung für Menschen mit Behinderung im öffentlichen Personennahverkehr sicherstellen“ möchten wir auf einen Missstand hinweisen und ihn verhindern. Gegenstand ist – ganz einfach gesagt – der öffentliche Personennahverkehr und der Landeszuschuss im Land BadenWürttemberg für die kostenfreie Beförderung für Menschen mit Behinderung.
Das übergeordnete Ziel dieser Förderung ist, dass Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben teilhaben und Erleichterungen erfahren sollen. Dieses übergeordnete Ziel ist im SGB IX verankert.
Im Lande Baden-Württemberg hat die Kommission „Haushaltsstruktur“ vor wenigen Wochen den Landestopf, den Zuschuss des Landes an die Verkehrsbetriebe für die Beförderung behinderter Menschen in Höhe von 30 Millionen € als Sparpotenzial für den Landeshaushalt in Baden-Württemberg entdeckt und die Ministerin für Soziales aufgefordert, mit einer Bundesratsinitiative tätig zu werden, um in Zukunft zu verhindern, dass an der Stelle für das Land Baden-Württemberg Kosten entstehen.
Es folgte kein Widerruf von der Ministerin, keine Widerwehr von der Landesregierung oder den Fraktionen, die diese Landesregierung tragen.
Anders ist das in anderen Ländern. Zum Beispiel in Niedersachsen hat die CDU-Kollegin von Minister Laumann gesagt: Das wird es in Niedersachsen nicht geben. – Leider ist es bis heute so, dass Herr Laumann – der auch noch durch Abwesenheit glänzt; ich kann ihn zumindest nicht sehen – dies nicht getan hat.
Werte Kolleginnen und Kollegen, auch in NRW gibt es Widerwehr. Die LAG Selbsthilfe, der Hiller Kreis, die Vertreter der Behindertenverbände schreien auf „So nicht!“ und fordern ein Signal von der Landesregierung.
Werte Kollegen, Sie werden gleich versuchen, hier darzustellen, in Baden-Württemberg werde das nicht so ernst gemeint. Wie anders ist aber ein Schreiben des Staatssekretärs aus dem Sozialmi
nisterium vom 2. Dezember 2009 zu verstehen, in dem es heißt: Die Haushaltsstrukturkommission hat dem Ministerium für Arbeit und Soziales den Auftrag erteilt, die derzeitige einkommensunabhängige Förderung der Mobilität von Menschen mit Behinderung im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs zu überprüfen. – Der Staatssekretär hat zudem deutlich gemacht: Insbesondere in Zeiten schwieriger Finanzsituation ist es geboten, alle Möglichkeiten zu überprüfen.
Hierzu sagen wir Sozialdemokraten – und das muss genauso wie die niedersächsische Sozialministerin und andere auch das Land Nordrhein-Westfalen sagen –: Nein! Mit uns nicht!
Herr Laumann, wir fordern die Landesregierung im Sinne unseres Antrags auf, „eine mögliche Bundesratsinitiative des Landes Baden-Württemberg zur Abschaffung der unentgeltlichen Beförderung von Menschen mit Behinderung im öffentlichen Personennahverkehr abzulehnen und jeden Vorstoß in diese Richtung politisch ablehnend zu begleiten.“
Herr Laumann, Sie haben einmal die Behindertenpolitik als Königin der Sozialpolitik betitelt. Es ist an der Zeit, dass Sie endlich hier vor diesem Haus entweder nachher mit Ihrer Stimme für diesen Antrag oder aber vorher durch entsprechende Worte Farbe bekennen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Killewald. Vielen Dank für die knappe und präzise Rede. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion Frau Monheim das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Im Sozialgesetzbuch IX ist in den §§ 145 bis 154 die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personenverkehr geregelt. Diese bundesgesetzliche Regelung ist ein Nachteilsausgleich für vielfache Mobilitätseinschränkungen, mit denen viele Menschen mit Behinderungen zu kämpfen haben. Diese Regelung ist gut, richtig, notwendig. Denn Mobilität – da sind wir uns alle einig – ist eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe an den unterschiedlichen Bereichen unseres Lebens.
Der Antrag, der heute vorliegt und zur Diskussion steht, erweckt nun den Eindruck, dass die unentgeltliche Beförderung infrage gestellt wird bzw. werden könnte. Auch uns, der CDU, liegt das Schreiben der LAG Selbsthilfe vor. Es ist ja diese Resolution der Mitgliederversammlung vom 14. November, die das Thema hier auf die Tagesordnung gebracht hat.
Herr Killewald, ich vermute, Sie haben genauso recherchiert wie wir und wissen, dass dies nicht, wie
es in Ihrem Antrag steht, schon eine beschlossene Sache ist, sondern dass es ein Prüfauftrag einer Strukturkommission ist, der dieses als eine Möglichkeit sieht, ohne dass es seitens des Sozialministeriums in Baden-Württemberg und der Ministerin Stolz zu einer entsprechenden Initiative gekommen ist.
Insofern halte ich es für ziemlich verantwortungslos, in einem solchen Moment einen solchen Antrag zu stellen, der bei den behinderten Menschen den Eindruck erwecken muss, als wäre diese Freifahrtenregelung infrage gestellt. Das ist sie nicht.
Ich erinnere daran, dass im Sozialausschuss am 25. November die Kollegin Frau Steffens den Staatssekretär danach gefragt hat und der Staatssekretär für Nordrhein-Westfalen ganz klar geantwortet hat: Wir bleiben bei der bestehenden Regelung und werden auch entsprechend aktiv werden.
Frau Kollegin, herzlichen Dank. Ist Ihnen das Schreiben des Staatssekretärs, Herr Dieter Hillebrand, vom 2. Dezember, also von vor wenigen Tagen, bekannt, in dem er das, was ich vorhin zitiert habe, nicht widerrufen hat und den Eindruck, den die Ministerin erweckt hat, dass sie dieses Vorhaben nicht widerruft, sogar in dem Schreiben noch verstärkt?
Es ist nicht so, dass das Ministerium inzwischen aktiv geworden ist, um hier etwas anderes zu machen als zu prüfen, inwieweit diese Freifahrtenregelung passgenauer auf die jeweils individuelle Situation umgestellt werden kann. Das steht hinter diesem Prüfauftrag und nicht die Abschaffung. Es ist im SGB IX verbindlich festgelegt und wird noch durch die UN-Konvention bestärkt. Das ist völlig richtig. Insofern kann ich diesem Antrag, den Sie stellen, nicht folgen.
Sie wissen, dass ich immer sehr empfindlich reagiere, wenn Themen, die unsicher sind, in einer Weise in die Öffentlichkeit gebracht werden, dass Menschen mit Behinderung, die unter diesen Mobilitätseinschränkungen leiden, den Eindruck bekommen, ihnen wird hier etwas vorenthalten, worauf sie dringend angewiesen sind. Insofern kann ich diesem Antrag nicht folgen.
Für mich ist klar: Wir in Nordrhein-Westfalen werden an dieser Freifahrtenregelung festhalten. Das haben wir im Ausschuss so gehört. Insofern kann ich diesen Antrag nur ablehnen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Monheim hat schon ganz wichtige Aspekte gesagt. Wir sind hier nicht der Landtag von Baden-Württemberg, der über so einen Prüfauftrag, wenn eine Kommission zur Haushaltsstruktur so etwas anstößt, natürlich debattieren sollte.
Wir sind hier der Landtag von Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es keine Debatte über irgendwelche Änderungen im öffentlichen Personennahverkehr hinsichtlich der unentgeltlichen Beförderung für Menschen mit Behinderung. Deshalb halte ich diese Debatte, die Sie hier führen, für nicht zielführend, sondern sie sorgt für Verunsicherung. Dass Behindertenverbände empfindsamer auf Dinge reagieren, die aus Nachbarbundesländern medial zu uns kommen, kann ich nachvollziehen. Aber mit so einer Debatte wollen Sie meines Erachtens Verunsicherung eher verstärken.
Wir stehen zu dem, was im Sozialgesetzbuch IX gut und verbindlich geregelt ist, zu Teilhabe für Menschen mit Behinderung, zu uneingeschränkter Mobilität im öffentlichen Personennahverkehr, natürlich auch zur Einhaltung der UN-Konvention. Und deshalb halten wir diesen Antrag für nicht zielführend und lehnen ihn heute ab. – Danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe sowohl Frau Monheim wie auch Herrn Romberg so verstanden, dass sie auch der Meinung sind, dass, wenn es zu einer Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg kommen würde, man diese ablehnen müsste, weil man in Nordrhein-Westfalen an dem bisherigen System festhalten will. Dann, so finde ich, kann man dem Antrag auch so zustimmen und das noch einmal bekräftigen, auch wenn das der Staatssekretär im Ausschuss schon einmal gesagt hat.
Ich bin mir nicht sicher, auch wenn alle sagen, Baden-Württemberg sei weit weg und betreffe uns nicht, welche Auswirkungen Baden-Württemberg auf Nordrhein-Westfalen haben könnte. BadenWürttemberg hat in einer Haushaltsstrukturkommission vorgeschlagen, das zu überprüfen. Das hatten wir in Nordrhein-Westfalen auch schon seinerzeit. Es ist also nichts Neues, dass Haushaltskonsolidierungskommissionen solche Vorschläge machen. In
NRW ist es durchgerechnet worden. Eine Pauschalierung ist teurer, das Zahlen einer Pauschale ist teurer, das Herstellen einer Einkommensabhängigkeit ist teurer. Und die Betroffenen haben einen Lebensqualitätsverlust.
Wenn man einen Strich darunter zieht, kann man sagen: Wir sind in NRW dazu gekommen, dass es so nicht geht. Die Baden-Württemberger scheinen aber schon einen Schritt weiter zu sein, weil sie nicht nur diese Haushaltsstrukturkommission, sondern auch eine Minderausgabe von 31 Millionen € im Haushalt veranschlagt haben. Das heißt, die Baden-Württemberger machen damit eine Minderausgabe. Wenn Sie die Minderausgabe machen wollen, geht das nicht darüber, dass Sie nur eine Pauschale zahlen, und es geht nicht darüber, dass Sie es einkommensabhängig machen, weil das mit dem Bürokratieaufwand, den man bei der Einkommensprüfung hat, teurer werden würde. Das heißt, die Baden-Württemberger werden sich noch etwas ganz anderes überlegt haben. Das bedeutet, die Bundesratsinitiative ist meines Erachtens an der Stelle nicht vom Tisch.
Auch wenn die Auskünfte des Staatssekretärs und des einen oder anderen Redners heute deutlich waren, dass man einer solchen Bundesratsinitiative nicht zustimmen würde, halte ich es trotzdem für wichtig und sinnvoll, weil man angesichts der zahlreichen Verhandlungen im Bund, in denen es um viel Geld geht, nie weiß, was wo über den Tisch gereicht wird, dass man in NordrheinWestfalen noch einmal fraktionsübergreifend bekräftigt, dass man einer Bundesratsinitiative unter keinen Umständen zustimmen würde. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang 2000 hat es unter der rot-grünen Landesregierung eine Haushaltsstrukturkommission gegeben. Man hat sie damals Krickenbeck-Kommission genannt. Meine Mitarbeiter haben mir aufgeschrieben, dass diese Kommission den gleichen Prüfauftrag an das damalige MAGS erteilt hat, wie es BadenWürttembergs Haushaltskonsolidierungskommission jetzt gemacht hat.