Protocol of the Session on December 16, 2009

Im Gegensatz dazu haben wir im Justizvollzug 500 Stellen neu geschaffen. Die JVA Aachen ist personell genauso gut ausgestattet wie Anstalten mit vergleichbarer Klientel. Ich nenne hier Bochum und Werl. Auch die Pforte in Werl ist nicht anders besetzt als in Aachen, liebe Kollegen. Aber das wissen Sie auch ganz genau.

Frau Düker, Sie haben gesagt: im Nachhinein betrachtet. – Es gehört ja auch zu einer redlichen Vorgehensweise, dass man natürlich anerkennt, dass man im Nachhinein bei dem einen oder anderen Punkt klüger sein kann. Aber in dem Moment, wo Sie Entscheidungen kritisieren, müssen Sie ex ante und nicht ex post beurteilen. Von daher ist der Ansatz von Ihnen schon falsch.

Ich will nur einen Fall aus Ihrer Regierungsverantwortungszeit kurz nennen: ein Fall aus 1999. Da hat sich der damalige Justizminister Dieckmann zu einem Ausbruch geäußert und hat laut Plenarprotokoll gesagt: Ein solches menschliches Fehlverhalten kann im Einzelfall nie ausgeschlossen werden.

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Das ist zehn Jahre her!) )

Dieckmann weiter: Die gewonnenen Erkenntnisse aus besonderen Vorkommnissen dieser Art haben in der Vergangenheit bereits fortwährend zu einer Weiterentwicklung der bestehenden Sicherheitskonzepte und zu ihrer Optimierung geführt.

Dann heißt es, und hören Sie bitte gut zu: Dennoch lassen sich einzelne Ausbrüche nie ganz verhindern, so bedauerlich dies ist. – So Ihr SPDJustizminister Dieckmann.

(Widerspruch von der SPD)

Er meinte einen Fall aus Düsseldorf, wo ein Beamter entgegen der Anweisung Gefangene nicht in einem besonders gesicherten Raum untergebracht hat.

Wir wissen auch, dass in der SPD Kritik laut wird über das Vorgehen in dieser Frage hier im Landtag. Da schreiben SPD-Mitglieder auch an die SPD-Verantwortlichen, was Sie denn da eigentlich

tun. Da werden Fragen gestellt: Wer hat die Lebensarbeitszeit der Justizvollzugsbeamten auf 62 Jahre angehoben? – Antwort: SPD. Wer hat das Urlaubsgeld der Justizbeamten ersatzlos gestrichen? – Antwort: SPD.

(Zurufe von der SPD)

Wer hat die Wochenarbeitszeit der Justizvollzugsbeamten angehoben? – Antwort: SPD!

(Prof. Dr. Gerd Bollermann [SPD]: Wer re- giert denn? – CDU!)

Wer hat massiv Personal abgebaut? – Antwort: SPD! Und wer hat den Strafvollzug kaputtgespart? – SPD!

(Weitere Zurufe von der SPD)

Ihr Gemaule zeigt ja, dass Ihnen das wehtut.

(Beifall von CDU und FDP)

Sie werden es nicht schaffen, ein Klima zu erzeugen, dass man Fakten nicht mehr zu Kenntnis nimmt. Und wer die Fakten zur Kenntnis nimmt, der wird das, was Sie hier als Forderung konstruiert haben, natürlich ablehnen müssen. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Giebels. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich im Wesentlichen dem anschließen, was der Kollege Giebels hier schon gesagt hat.

(Zurufe von der SPD – Prof. Dr. Gerd Boller- mann [SPD]: Auch nicht mehr zu bieten!)

Ich bin erschrocken darüber, mit welcher Selbstverleugnung die Opposition hier jedes Mal ans Werk geht. Wenn Sie sich die rot-grüne Bilanz vor 2005 anschauen und legen diese Bilanz neben unsere …

(Zuruf von Hannelore Kraft [SPD])

Vergleichen dürfen wir ja wohl noch, Frau Kraft – auch wenn es manchmal schwer fällt, weil Sie keine echte Vergleichsgruppe sind.

Wenn Sie das einmal nebeneinander legen, dann ist es nicht nur so, dass wir wesentlich mehr Ausbrüche hatten. Nein, wir hatten auch wesentlich mehr Selbstmorde im Strafvollzug, und wir hatten wesentlich mehr Entweichungen. Meine Damen und Herren, überlegen Sie, dass Sie in den Jahren 2000 bis 2005 zwischen 500 und 700 Entweichungen jährlich hatten. Wenn Sie sich die heutigen Zahlen ansehen, werden Sie feststellen, dass sie halbiert sind. Sie müssen doch auch einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von FDP und CDU)

Wenn Sie dann auch nachfragen, was mit den Leuten, die abgehauen sind, so alles passiert ist. Ich möchte aus der Drucksache 13/4290 aus der 13. Legislaturperiode zitieren. Das war eine Kleine Anfrage. Da ging es um die Ausbrüche der Jahre 2000 bis 2002: Büren: einer, wieder aufgegriffen. – Hamborn: sechs, alle aufgegriffen. – Fröndenberg: einer, aufgegriffen. – Heinsberg: einer, nie wiedergefunden worden. – Herford: drei Leute, sind gefunden worden. – Wieder Herford: Gefunden worden, aber erst zwei Jahre später. – Moers-Kapellen: ein Jahr später wiedergefunden worden. – Moers-Kapellen: einer, nie wiedergefunden. – Münster: einer weg, nie wiedergefunden. – Remscheid: einer weg, nie wiedergefunden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich solche Listen anschauen, dann, muss ich sagen, leben wir heute doch wesentlich sicherer als damals.

(Beifall von FDP und CDU)

Ich gebe Ihnen noch eine Zahl dazu: Von den über 500 Entweichungen des Jahres 2003 – das heißt, alle 18 Stunden ist Ihnen einer abhandengekommen – haben Sie 110 nie wiedergefunden.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Das ist jedenfalls eine offizielle Zahl, die das Ministerium mir seinerzeit gegeben hat. Ich muss sagen: Das sind erschreckende Zahlen. Da hätten Sie Sondersitzungen beantragen sollen, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Aber, was haben Sie gemacht? Weil es ja so viele Ausbrüche und Entweichungen waren, konnten Sie das gar nicht jedes Mal zum Thema einer Sondersitzung machen. Sie konnten es als Ministerium ja nicht einmal zum Tagesordnungspunkt erheben. Deswegen hat uns der Minister Gerhards seinerzeit unter anderem in einer Rechtsausschusssitzung unter dem Punkt „Verschiedenes“ erzählt, dass drei Leute weg sind, drei Vorfälle. Er hat sie relativ harmlos, bagatellisierend dargestellt. Das ist alles so en passant passiert. Das ist eigentlich der Skandal der vergangenen Jahre.

(Beifall von FDP und CDU)

Und was ist seinerzeit passiert? – Wir hatten in Düsseldorf eine Selbstmordserie. Wir haben vonseiten der Opposition gesagt: Da muss der Minister doch mal hin.

(Gerd Stüttgen [SPD]: Gehen Sie in das Jahr 1970 zurück!)

Da ist der Minister nicht hingefahren. Dann haben wir gesagt: Der Minister muss doch mal die Anstaltsleitung austauschen. Da hat der Minister die Anstaltsleitung nicht ausgetauscht, meine Damen und Herren.

Und wie ist die Situation heute?

(Zuruf von der SPD)

Frau Ministerin Müller-Piepenkötter hat bei drei Vorfällen in Anstalten die Anstaltsleiter ausgetauscht, um dafür Sorge zu tragen, dass ein Neuanfang möglich ist. Das ist konsequentes Handeln, und das haben Sie in der Vergangenheit eben nicht an den Tag gelegt.

(Beifall von FDP und CDU)

Bei der Gelegenheit darf ich einmal Revue passieren lassen, dass wir mehrere Hundert Verfahren wegen menschenunwürdiger Unterbringung laufen haben. Da klagen Gefangene gegen das Land Nordrhein-Westfalen, weil sie zu Zeiten von RotGrün in Haftzellen ohne Schamwand untergebracht waren, wo sie mit mehreren Gefangenen gleichzeitig in einem Raum waren und die Notdurft daneben verrichten mussten. Meine Damen und Herren, das sind doch Zustände, die zu Problemen im Vollzug führen, die einfach nicht zumutbar sind. Warum sind Sie das nicht angegangen? – Wir bauen heute die Schamwände ein, die Sie eingespart haben.

(Beifall von FDP und CDU)

Sie haben Bedienstete in den JVA abbauen wollen. Wir haben 500 neue Stellen geschaffen. Ja, meine Damen und Herren, wo waren eigentlich die Änderungsanträge vonseiten der Opposition in den letzten Jahren? Sie hätten auch 1.000 oder 2.000 beantragen können, aber nein, das haben Sie nicht. Nicht einen einzigen Haushaltsantrag in diese Richtung haben wir von Ihnen bekommen.

(Zuruf von Carina Gödecke [SPD])

Aber heute hier so zu reden, das ist einfach unredlich, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Dann möchte ich mit einer Mär aufräumen. Hier wird immer wieder behauptet, auch in Presseerklärungen, der Rechtsausschuss sei nicht informiert worden. Lieber Herr Jäger – da möchte ich Sie direkt ansprechen –, wie können Sie in einer Presseerklärung behaupten, der Rechtsausschuss sei nicht informiert worden, wenn wir in einer vertraulichen Sitzung über die Dinge, die wir hier heute öffentlich diskutieren, die durch irgendeine Indiskretion nach außen gedrungen sind, informiert wurden?

(Zuruf von Monika Ruff-Händelkes [SPD])