Protocol of the Session on December 3, 2009

Zum Glück haben sich die Auszahlungspreise für Milch in den letzten Wochen etwas erholt.

Zum Schluss: Die Menschen geben zurzeit noch ein Zehntel ihres Einkommens für Lebensmittel aus.

Trotz dieser alarmierenden Zahlen kann, will und wird die Politik keine Preise bestimmen. Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, die die Situation der

Betriebe verbessern. Das tun wir in NordrheinWestfalen.

Ich will das an drei Beispielen darstellen:

Erstens. Das Agrarinvestitionsprogramm wird auch im Jahre 2010 weitergeführt. Mit einem Volumen von 18,5 Millionen € fließt einiges auf investitionswillige Betriebe zu. Denn eins ist sicher: Die Zukunftsfähigkeit der Höfe sichert nur, wer auch weiter investiert. Da unterscheidet sich die Landwirtschaft nicht von Industrie und Handel. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.

Zweitens. Bis 2013 werden zusätzlich 90 Millionen € nach dem Health Check der EU einschließlich der Kofinanzierung an die Betriebe unseres Landes ausgezahlt. Anders als früher schicken wir kein Geld zurück nach Brüssel, und es fließt vor allen Dingen in die Problembereiche Milch und Grünland.

Drittens. Wir führen die Liquiditätshilfen für die in Schwierigkeiten geratenen Höfe, sozusagen einen Rettungsschirm für Bauernhöfe, weiter. Seit Juli dieses Jahres erhielten 1.083 Betriebe in NordrheinWestfalen 55 Millionen € an verbilligten Darlehen, auch davon drei Viertel für Milchviehbetriebe.

Wir freuen uns in Nordrhein-Westfalen über die Maßnahmen der neuen schwarz-gelben Bundesregierung zur Unterstützung der Landwirtschaft auch auf Initiative unseres Ministers Eckhard Uhlenberg, der insgesamt mit dafür gesorgt hat, dass 750 Millionen € in dem Bereich in ganz Deutschland in die Höfe fließen. 500 Millionen € fließen in den Bereich Milch und Grünland, weitere 200 Millionen € in den Bereich zur Stützung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung.

Meine Damen und Herren, wir sollten bei der ganzen Debatte, wenn wir uns über diese hohen Summen unterhalten, auch berücksichtigen, dass wir nach wie vor keine gleichen Wettbewerbsbedingungen wie unsere direkten Konkurrenten beispielsweise in den Niederlanden oder in Frankreich haben. Der Diesel kostet in den Niederlanden und in Frankreich erheblich weniger Steuern als ein paar Kilometer entfernt auf der anderen Seite: in Frankreich 0,6 Cent, bei uns 25 Cent. Da ist schon etwas getan worden, allerdings noch nicht genug.

Zum Komplex Agrar-/Umweltmaßnahmen: Wir verfahren auch weiter nach dem bewährten Muster. Es ist seit 2005 Grundsatz: Vertragsnaturschutz geht vor Ordnungsrecht. Wir haben einige Projekte besser ausgestattet als vor einigen Jahren. Ich nenne die Blühstreifen an den Feldrändern, den gewässerschonenden Gemüseanbau oder die Attraktivierung des Zwischenfruchtanbaus. Auch hierfür stehen etliche Mittel zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, die Erzeugerpreise befinden sich zurzeit am Boden. Aber eine zunehmende Bevölkerung wie auch eine steigende Qualitätsnachfrage werden dafür sorgen, dass es wieder

aufwärtsgeht. Unsere Landwirtschaft hat Zukunft, gerade in unserem Bundesland. Wir haben hervorragend aufgestellte Betriebe, eine starke Ernährungswirtschaft und einen riesigen Verbrauchermarkt vor der Haustür. Diese NRW-spezifischen Vorteile müssen und werden wir nutzen. CDU und FDP helfen dabei: realistisches und effektives Handeln statt Wolkenkuckucksheime der Opposition. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ortgies. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Ellerbrock gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anknüpfend an das, was der Minister zur Bedeutung des Verbraucherschutzes gesagt hat, hatte ich schon auf die Kalkulationssicherheit und drei neue Stationen hingewiesen.

Kollege Remmel, anders als Sie sind wir nicht auf die Anzahl, sondern auf die Effizienz fixiert, zwar weniger Kontrollen, dafür aber risikobasiert und bei den Firmen, bei denen sich das Nachschauen lohnt, und nicht bei der Pommes-Frites-Bude, bei der es letztlich unerheblich ist. Nein, wir sprechen die Lebensmittelkontrolle völlig anders an.

(Zuruf von Frank Sichau [SPD])

Ein Kontrollassistent ist kein Lebensmittelkontrolleur, der Meister oder Techniker sein und zusätzlich noch eine Ausbildung haben muss. Aber auch das läuft. Ich meine, wir wären gut beraten, die Kommunen durch ein gemeinsames Votum aufzufordern, diese Menschen auch einzustellen, zumal sie in der ersten Zeit auch vom Land bezahlt werden. Das dürfen wir nicht vergessen.

Meine Damen und Herren, Landwirtschaft – der Minister hat es schon gesagt – ist heute etwas völlig anderes als früher. Heute fassen wir den ländlichen Raum als eigenständigen Lebens-, Entwicklungs- und Wirtschaftsraum und nicht als Restfläche für Deponien oder als ökologischen Ausgleichsraum auf. Mit dieser Disqualifizierung des ländlichen Raumes haben wir Schluss gemacht.

In den Beiträgen sowohl von Herrn Remmel als auch von der SPD-Fraktion kam heraus, dass eine industrialisierte Landwirtschaft ein Moloch und etwas ganz Schlimmes sein muss. 1900 wurden rund vier Personen von einem landwirtschaftlichen Betrieb ernährt. 1950 waren es zehn Personen. 2006 ernährte ein Landwirt mehr als 120 Personen. Wie wollen wir unsere Leute bei qualitativ hochwertigen Lebensmitteln satt bekommen, wenn wir uns hier mit einem romantisierenden Bild verweigern?

Die „WELT am SONNTAG“ ist nicht gerade eine Zeitung, die diesen Umweltminister in besonderem Maße lobt und heraushebt.

(Christof Rasche [FDP]: „Herausheben“ tut sie ihn schon!)

Am 18. November 2009 wird unter der Überschrift „Bauern, zeigt euch!“ ganz klar gesagt, wie es weitergeht und wo die Probleme liegen. Ich zitiere:

also die Verbraucher –

möchten hygienisch einwandfreie Produkte mit möglichst gleichbleibender Qualität und tragen dabei ein Trugbild ländlicher Idylle vor sich her. Landwirtschaft soll möglichst archaisch sein, ohne moderne Technik und industrielle Abläufe. Nur wenn die Archaik zu nahe kommt, wenn etwa im Urlaubsland ein Schaf am Straßenrand geschlachtet wird, dringen die Vorteile der Supermarktkultur ins Bewusstsein vor.

Alls dies ist durchaus verständlich. Wer in klimatisierten Büros

zum Beispiel hier im Landtag –

arbeitet, entwickelt Sehnsüchte nach romantischen Gegenwelten. …

500 Millionen EU-Bürger können nicht mit der Agrartechnik des 19. Jahrhunderts ernährt werden. Die Vorteile der modernen Landwirtschaft sind offensichtlich: Höhere Erträge, geringerer Flächenverbrauch, bessere Qualität, günstige Preise, mehr frische Ware, höchste Hygienestandards. Die Utopien der Großelterngeneration wurden verwirklicht. Unbestritten brachte dies einige hässliche Nebenwirkungen mit sich: eingesperrte Tiere, Missbrauch von Pestiziden,

Fungiziden und Herbiziden –

Überdüngung.

Wir sind dabei, diese Fehlentwicklungen zu beseitigen. Diese Landesregierung ist dabei meiner Meinung nach ausgesprochen erfolgreich. Weiter heißt es – Zitat –:

Dennoch ist es eine Illusion zu glauben, früher wäre alles besser gewesen. Ein Blick auf die alten Schweinekoben im Dorfmuseum zeigt, dass Opas Bauernhof kein Streichelzoo war.

Es ist absurd und ungerecht, die moderne Landwirtschaft auf ihre Fehlentwicklungen zu reduzieren. Jeder volle Kühlschrank, jeder gedeckte Küchentisch, jeder Supermarkt ist eine Leistungsschau des Fortschritts.

(Horst Becker [GRÜNE]: Was liest der da?)

Eines Fortschritts, den man nicht verstecken muss, sondern auf den man stolz sein kann ….

(Zuruf von Johannes Remmel [GRÜNE])

Dem ist wenig hinzuzufügen.

Ich möchte noch auf eine Bemerkung des Kollegen Remmel eingehen, die mich wirklich umtreibt. Kollege Remmel hat gesagt, wir hätten das Verständnis eines Ständestaates,

(Horst Becker [GRÜNE]: So seid ihr!)

weil wir als Regierung der Erneuerung

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der Ernüchte- rung!)

auch die Koalition mit der Wirtschaft suchen.

(Horst Becker [GRÜNE]: Die gibt euch vor, was ihr machen sollt! In der freien Wirtschaft wärt ihr längst insolvent!)

Ja natürlich. Wir suchen doch nicht nur eine Koalition mit der Wirtschaft, sondern genauso auch eine Koalition mit den Naturschutzverbänden, der Landwirtschaft und den Gewerkschaften. Es ist doch wohl ganz selbstverständlich, dass wir versuchen, gemeinsame Handlungsfelder zu definieren und umzusetzen. Das hat mit der diskriminierenden Aussage „Ständestaat“ überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, an einem Punkt muss ich allerdings deutlich differenzieren: Die Kollegen von den Grünen haben über 20 Anträge gestellt. Der eine Antragspart läuft nach dem Motto: Wünsch dir was, allerdings unter drei Schwerpunkten: Umweltwirtschaft, Naturerbe erhalten und Verbraucherschutz. Das ist klar gegliedert.

Dabei haben Sie eine Pseudogegenfinanzierung aufgebaut: Landesgartenschauen sollen nicht mehr finanziert werden, die Landschaftskammer soll mit 10 Millionen € weniger in den Ruin getrieben werden, und der sogenannte Kiespfennig soll erhoben werden, sodass für jede Tonne Kies 1 € Abgabe bezahlt werden muss, gleich 60 Millionen €.

Meine Damen und Herren, haben wir uns eigentlich überlegt, was so ein Unsinn soll? Wer ist denn der größte Abnehmer von Kies und Sand, von Baustoffen? Das ist die öffentliche Hand. Das bedeutet: linke Tasche, rechte Tasche. Nein, so kann das nicht sein!