Protocol of the Session on December 2, 2009

In der Summe sind wir nicht einmal mehr dort, wo wir 2005 mit den Zahlen waren. Herr Witzel, das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Noch schlimmer ist dabei die offensichtliche soziale Schieflage. Während 70 % der Abiturienten aus Akademikerfamilien bereits ein halbes Jahr vor der Reifeprüfung bei Umfragen nahezu selbstverständlich eine feste Studienabsicht bekunden, gilt dies nur für 55 % der Schülerinnen und Schüler aus Nichtakademikerfamilien. Das ist bildungspolitisch ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Übrigen ist es auch nicht innovativ, wenn die Universität Bonn, wie kürzlich geplant, die Renovierung der Toiletten aus Studiengebühren finanzieren will. Deshalb sagen wir: Wenn die Hochschulen nicht wissen, was sie mit dem Geld machen sollen, sollten sie es gefälligst an die Studierenden zurückgeben. Für uns steht jedenfalls fest: Diese unsozialen Studiengebühren müssen weg!

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Oh!)

Wir sind deshalb im Rahmen der Haushaltsberatungen für den Haushalt 2010 aktiv geworden und haben einen konkreten Gesetzentwurf für ein Studiengebührenabschaffungsgesetz auf den Tisch gelegt, das am Tag nach der Landtagswahl 2010 in Kraft treten soll.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Och!)

Gleichzeitig haben wir zum Ausgleich der dadurch entstehenden Mindereinnahmen der Hochschulen einen Antrag zur Errichtung eines Fonds zur Verbesserung der Lehre in entsprechender Höhe eingebracht. Für 2010 wollen wir diesen Fonds zunächst mit 100 Millionen € ausstatten, um die Mindereinnahmen ab dem Wintersemester 2010/2011 auszugleichen. Ab 2011 soll dieser Fonds mit mindestens 250 Millionen € pro Jahr ausgestattet werden.

Das heißt, wir haben vorgerechnet, wie es gehen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wie wir den Hochschulen die fehlenden Einnahmen aus den Studiengebühren zurückgeben.

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sie hatten dazu doch bis 2005 Zeit gehabt!)

Ich bin fest davon überzeugt: In dem anstehenden Landtagswahlkampf wird es auch um die Frage einer gerechten und nachhaltigen Bildungsfinanzierung gehen.

Hierfür legen wir Ihnen heute mit der Gegenfinanzierung der Studiengebühren einen entscheidenden Vorschlag zur Abstimmung vor. Jetzt haben Sie die Chance: Sie können noch zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Für die Landesregierung gebe ich Herrn Minister Dr. Pinkwart das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im kommenden Jahr werden wir engagiert weiter daran arbeiten, den Wissenschafts- und Forschungsstandort NordrheinWestfalen nachhaltig zu stärken.

Die Landesregierung steigert deshalb ihre Investitionen in Bildung und Forschung. Wir schaffen attraktive und konkurrenzfähige Studien- und Forschungsbedingungen. Wir bauen unsere Wettbewerbsposition im Bereich der neuen Technologien weiter aus. Wir legen mit der Aufstockung des Stipendiensystems die Basis für eine neue Anerkennungskultur und mehr soziale Mobilität in diesem Land.

Angesichts der schwierigen konjunkturellen Lage ist dies ein Kraftakt, aber zugleich ein dringend notwendiger Schritt auf dem Weg zum Innovationsland Nummer eins in Deutschland. Ein gutes Stück dieses Weges sind wir bereits gegangen.

Lassen Sie mich das kurz erläutern. Insgesamt sind die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung im Landeshaushalt seit 2005 um rund 713 Millionen € bzw. um rund 14 % gestiegen. Seit dem Regierungswechsel haben sich die Innovationsbedingungen in Nordrhein-Westfalen damit deutlich verbessert.

Wir konzentrieren uns etwa in der Forschungsförderung jetzt auf Disziplinen, die besonders zukunftsrelevant sind und in denen Nordrhein-Westfalen schon heute die Substanz dazu hat, auch international in der ersten Liga mitzuspielen,

(Manfred Kuhmichel [CDU]: Sehr gut!)

etwa auf den Gebieten der Biotechnologien, der Energie- und Umweltforschung, der Medizinforschung, der Medizintechnik, der Nano- und Mikrotechnologien und der innovativen Werkstoffe.

Die Gelder für diesen Bereich haben wir seit 2005 um 25 % erhöht. Dass diese Strategie richtig ist, zeigt die Tatsache, dass seit 2006 bereits 19 neue Einrichtungen der Spitzenforschung ihre Türen bei uns geöffnet haben.

Auch im Bereich Hochschulen hat sich unsere Strategie bewährt. Sie waren bei der Regierungs

übernahme chronisch unterfinanziert, wie die jüngste Anhörung im Wissenschaftsausschuss noch einmal deutlich gemacht hat. Nicht nur die Hochschulrektorenvertreter Freimuth und RennenAllhoff, sondern auch die Vertreter des AStA haben das noch einmal sehr nachdrücklich unterstrichen. Die Studiendauer war lang, die Erfolgsquote war gering. Der Anteil der jungen Menschen aus bildungsferneren Familien war bei Ihnen über Jahrzehnte hinweg viel zu gering. Inzwischen hat sich das geändert. Die Zeiten der Mangelbewirtschaftung sind Gott sei Dank vorbei.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD])

Wir haben das auch mit den jungen Menschen diskutiert, die das sehr gerne zur Kenntnis genommen haben. Im Übrigen haben der Rektor und der Prorektor vor 1.000 Studenten bestätigt, dass sich die Finanzlage verbessert hat.

(Beifall von FDP und CDU)

Das fand ich auch sehr fair. Warum soll man das, was sich geändert hat, nicht auch einmal benennen dürfen?

(Zuruf von der SPD)

Das heißt ja nicht, dass wir nicht noch besser werden wollen. Was sich positiv verändert hat, darf man aber auch nennen.

Allein im laufenden Jahr stehen den Hochschulen eine halbe Milliarde € mehr aus Landeszuschüssen und Studienbeiträgen zur Verfügung als noch im Jahre 2005. Im nächsten Jahr werden es über 600 Millionen € sein. Das sind 25 % mehr Mittel für die Hochschulen als im Jahr 2005.

Herr Minister, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Schultheis. Möchten Sie diese zulassen?

Aber gerne.

Bitte schön, Herr Schultheis.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, folgende Äußerung der Rektorin der Universität Münster, Frau Prof. Nelles? Sie sagt: Wir verwenden schon heute die Studienbeiträge vorwiegend für die Einstellung von zusätzlichem Lehrpersonal. Das können wir nicht beliebig ausweiten. Wir sind nach wie vor unterfinanziert, wenn es darum geht, die Betreuung der Studenten zu verbessern.

Das kann ich sehr gerne beantworten. Sie könnten die Frage auch an die Rektorin selbst richten. Die Rektorin hat mit ihrer Beratung und Unterschrift des Memorandums noch am selben Tage erklärt, dass sie sich hinreichend finanziert und auch Spielräume sähe, über zusätzliches Personal zur Verbesserung der Betreuungsrelation beizutragen.

Dass Sie darauf hinweist – das ist ihr gutes Recht –, dort vielleicht schon mehr als andere Hochschulen getan zu haben, kann uns ja nur freuen. Sie macht deutlich, dass die Mittel vorhanden sind und sie auch schon einiges unternommen hat, um die Betreuungsrelation zu verbessern. Genau das haben wir uns gewünscht, dass nämlich die Mittel genutzt werden, um die Qualität für die jungen Menschen zu verbessern: durch längere Öffnungszeiten der Bibliotheken, durch bessere Ausstattung, vor allen Dingen aber auch durch mehr Personal. Das sagt Frau Nelles auch in diesem Zitat. Insofern halte ich das, was sie dort erklärt und insbesondere mit dem Memorandum unterschrieben hat, vor dem Hintergrund meiner Ausführungen für eine vollumfänglich bestätigende Haltung.

Wie bereits von Frau Dreckmann angesprochen, hat die aktuelle Studie von Ernst & Young ebenfalls bestätigt, dass die finanzielle Lage der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen deutlich besser ist als in anderen Bundesländern. Es sind 281 Universitäten und Fachhochschulen untersucht worden. Die Hochschulleitungen haben geantwortet, nirgendwo sonst sei der Gestaltungsspielraum für die Hochschulen so groß wie in Nordrhein-Westfalen.

Lieber Herr Schultheis, Sie lachen. Das hat Ihnen aber doch auch Rektor Freimuth im Wissenschaftsausschuss gesagt. Gleiches gilt für Frau Seidl. Herr Freimuth hat gesagt: Hätten Sie die Bedingungen damals doch schon so verbessert, wie sie jetzt verbessert worden sind! – Das hat er Ihnen vorgehalten.

(Beifall von FDP und CDU)

Liebe Frau Seidl, ich komme gleich noch einmal dazu, aber mit Blick auf die Studienbeiträge muss ich darauf hinweisen, dass Herr Freimuth sagte: Lassen Sie uns doch diese Einnahmen, die wir im Interesse der Studierenden sinnvoll einsetzen können! – Übrigens hat sich der AStA-Vorsitzende von Bonn für Studienbeiträge ausgesprochen. – Herr Freimuth sagte weiter: Wenn Sie noch zusätzliches Geld im Haushalt mobilisieren können, geben Sie uns das zusätzlich, wenn Sie meinen, dass wir noch etwas gebrauchen können. – Ja bitte, dazu könnten Sie einmal Anträge vorlegen. Stattdessen legen Sie einen Gegenfinanzierungsantrag für die Streichung von Studienbeiträgen vor, Frau Seidl, gedeckt mit 100 Millionen €.

(Zuruf von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE])

Sie sagen, Sie wollen den Antrag auf Abschaffung in dieser Legislaturperiode zur Abstimmung stellen, er soll aber erst zum nächsten Wintersemester wirksam werden, damit Sie für das Jahr 2010 nur einen Deckungsvorschlag über 100 Millionen € benötigen. – Ja, Frau Seidl, wie ernst meinen Sie es eigentlich? Wenn die Studienbeiträge abgeschafft gehören, dann machen Sie es doch mit voller Wirkung zum nächsten Jahr und sorgen dann auch für einen soliden Deckungsvorschlag in Höhe von 250 Millionen €! Kommen Sie nicht mit dem Deckungsvorschlag, die Steuereinnahmen im Haushalt etwas höher anzusetzen, sondern sagen Sie, wo Sie neue Prioritäten im Landeshaushalt setzen wollen! Dann hätten Sie zumindest die argumentative Stärke, dass Sie für notwendige Planungssicherheit sorgen könnten. Die geben Sie aber keinem. Denn in der Vergangenheit – und daran messen die Hochschulen Sie heute noch – haben Sie als Erste Studiengebühren für Langzeitstudierende eingeführt. Sie haben das Geld aber nicht den Hochschulen gegeben, sondern es beim Finanzminister abgeliefert. Das hat keiner in diesem Land vergessen.

(Beifall von FDP und CDU)

Geld für Verbesserungen durch unsere Politik ist also da. Das gilt es auch in der aktuellen Diskussion um den Bologna-Prozess zu berücksichtigen. Die Landesrektorenkonferenz ist auch bereit, solche notwendigen Verbesserungen anzugehen. Das habe ich schon angesprochen. Deshalb hat sie sich in der vergangenen Woche in einem Memorandum verpflichtet, bis zum kommenden März konkret zu überprüfen, wo Korrekturen an der Studiengestaltung nötig sind. Wir werden das vonseiten der Landesregierung eng begleiten und uns die Bilanz im März genau ansehen.

Die Hochschulen müssen mit Korrekturen im Übrigen nicht bis zur nächsten Reakkreditierung ihrer Studiengänge warten. Wir haben ihnen eine Sondergenehmigung erteilt, damit sie jetzt schnell handeln können. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir bis zu dem Bologna-Gipfel von Bund und Ländern, den Frau Schavan für April des kommenden Jahres angekündigt hat, schon einen großen Schritt in Nordrhein-Westfalen weiter sind.

Unstrittig ist, dass die Hochschulen dringend in zusätzliches wissenschaftliches Personal investieren und damit die Betreuungsrelation weiter verbessern müssen, wie sie es in ihrem Memorandum angekündigt haben. Bislang sind sie hier noch zurückhaltend. Das zeigt, dass ihnen die Finanzpraxis der vergangenen Jahrzehnte noch deutlich im Gedächtnis geblieben ist und sie in Sorge sind, ob sie sich wirklich dauerhaft auf so gute Bedingungen einstellen können, wie diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen sie ihnen einräumen.

Für mich steht eines außer Frage: Wir haben für die nächste Runde der Exzellenzinitiative in der mittelfristigen Finanzplanung bereits die Voraussetzun

gen geschaffen und freuen uns darüber, dass die neue Bundesregierung jetzt ebenfalls die Voraussetzungen geschaffen hat, dass sie auch im Bundeshaushalt die notwendige finanzielle Absicherung erfährt. Aus unserer Sicht werden wir jedenfalls in der nächsten Runde der Exzellenzinitiative – das möchte ich mit besonderem Nachdruck hervorheben – nur diejenigen Hochschulen in NordrheinWestfalen unterstützen, die nachweisbare Fortschritte in Sachen gute Lehre erzielt haben und gleichzeitig ein klares Konzept dazu vorlegen, wie sie auch in Zukunft für mehr Exzellenz in der Lehre sorgen wollen. Jedenfalls ist für mich und die Landesregierung völlig klar: Exzellente Forschung und exzellente Lehre schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen einander.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen stellen wir diese hohe Anforderung gerade an unsere Exzellenzhochschulen.