Protocol of the Session on November 4, 2009

Die Menschen in unserem Land wissen sehr genau, wer ihre Interessen glaubwürdig und seriös vertritt. Der Koalitionsvertrag ist ein Signal des Aufbruchs, ein Signal für mehr Wachstum und auch für mehr Sicherheit.

Ich sage ganz klar: Jetzt können wir endlich die Dinge umsetzen, die wir mit Ihnen, mit der SPD, nicht machen konnten. Jetzt können wir das Prinzip „Wahlfreiheit für Familien“ umsetzen. Mehr Freiheit und mehr Gerechtigkeit: Wir wollen eine echte Wahlfreiheit für Familien, und wir wollen niemandem vorschreiben, wie er zu leben hat.

(Zuruf von Gisela Walsken [SPD])

Wir wollen niemandem vorschreiben, dass er sein Kind in einen Hort schickt. Das sollen die jungen Familien selbst entscheiden, und deswegen ist das Betreuungsgeld richtig. Es schafft mehr Gerechtigkeit und mehr Entscheidungsfreiheit für junge Familien.

(Beifall von der CDU)

Über das, was Ihnen zu Familienpolitik einfällt, haben wir am Wochenende wieder gelesen. Unter einer Regierung von Schwarz-Gelb gäbe es weniger Kinder. Die Erde ist eine Scheibe und der Mond ist aus Käse: Das ist Ihre Realität, in der Sie sich offensichtlich sehr wohlfühlen.

(Beifall von der CDU – Gisela Walsken [SPD]: Herr Wüst, wenn Sie Ihre Rede fort- setzen, wird das die Wahrheit!)

Mit diesem Koalitionsvertrag gilt jetzt das Prinzip, dass sich Leistung wieder lohnen muss. Hiermit werden Arbeiter, Angestellte und der Mittelstand entlastet. Das sind genau diejenigen, die durch die Wirtschaftskrise in besonderer Weise belastet werden.

(Horst Becker [GRÜNE]: Sie meinen, Sie könnten sich alles leisten!)

Auch das, was bis heute kaum einer verstanden hat, wird möglich. Kaum einer hat verstanden, warum es gerade die SPD war, die beim Schonvermögen, bei der Verlängerung des Bezugs von Arbeitslosengeld I und bei den Zuverdienstmöglichkeiten auf der Bremse gestanden hat.

(Zuruf von der SPD)

Jürgen Rüttgers hat mit der CDU NordrheinWestfalen dafür gesorgt, dass das jetzt Realität wird. Dafür mussten die Sozialdemokraten erst aus der Bundesregierung herausgewählt werden. Eigentlich ist das nicht nachzuvollziehen.

Frau Kraft hat hier eben getönt, es sei doch alles möglich gewesen. Das mit dem Schonvermögen hätte man mit der SPD machen können. – Ich zitiere Frau Kraft aus der „WAZ“ vom 9. Mai 2009. Sie lehnt die Erhöhung des Schonvermögens mit den Worten ab:

Wir müssen jetzt erst einmal alle Anstrengungen darauf konzentrieren, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

Inmitten der größten Wirtschaftskrise, die Deutschland je gesehen hat, geht es gar nicht mehr zynischer!

Hat nicht bei Ihrem Zukunftskonvent am Wochenende ein Neumitglied der SPD aus Bergkamen gesagt, es müsse den Sozialdemokraten die Schamesröte ins Gesicht treiben, dass es die CDU war, die das Schonvermögen erhöht hat? – Ein kluger Mann! Der einzige Fehler scheint zu sein, dass er in die falsche Partei eingetreten ist. Aber recht hat er!

(Beifall von der CDU – Britta Altenkamp [SPD]: Das werden wir ihm ausrichten, Herr Wüst!)

Der politische Insolvenzverwalter von Frau Ypsilanti, Herr Schäfer-Gümbel, hat in der „Frankfurter Rundschau“ auf die Frage, was das Problem der SPD sei, einen richtigen Satz entgegnet. „Wir überzeugen nicht“, sagt er da für die Sozialdemokraten.

Genau das Gleiche gilt für die SPD in NordrheinWestfalen. Wer auf die entscheidende Glaubwürdigkeitsfrage der Sozialdemokratie – wie halten Sie es mit der Linkspartei? – keine Antwort gibt, sollte hier keine großen Töne spucken. Bisher sind Sie immer ausgewichen. Da gäbe es nichts, es seien keine Details bei Programm und Personen zu erkennen. Die Parteispitze der NRW-Linken hat einen Programmentwurf vorgelegt, der nicht auf dem Boden unseres Grundgesetzes fußt. Trotzdem schließt die Sozialdemokratie die Zusammenarbeit nicht aus.

Frau Kraft lobt sich heute in der „Neue Westfälische“ selbst, ihre Position zur Linken sei klar und gut. Dann schränkt sie ein, das sei der Stand von heute und heute suche man die Auseinandersetzung und nicht die Zusammenarbeit. – Das ist der

sozialdemokratische Versuch, sich selbst als roten Wackelpudding an die Wand zu nageln. Sie werden damit scheitern, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Sozialdemokratie!

(Beifall von CDU und FDP)

Sie kritikastern heute an dem Berliner Koalitionsvertrag herum. Wie sähe aber ein Koalitionsvertrag von SPD und Linkspartei aus? Die Linkspartei will Drogenkunde als Schulfach. Gäbe es mit der SPD dann vielleicht ein bisschen Drogenkunde oder eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft „Kiffen für Anfänger“? Sie wollen die Legalisierung und das Recht auf Rausch. Wäre ein Kompromiss von Linkspartei und SPD dann die Freigabe von Cannabis? Sie wollen den Religionsunterricht abschaffen. Was wäre da Ihr Koalitionskompromiss? Vergleichende Religionskunde oder ähnliche Kopfgeburten?

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Waren Sie ein- mal in Holland?)

Die Linkspartei will den Verfassungsschutz abschaffen. Was wäre dann Ihr gemeinsames Ergebnis? Verfassungsschutz light? Was ist Ihre Antwort auf die Verstaatlichung von Unternehmen?

(Britta Altenkamp [SPD]: Noch ein paar sol- cher Reden, und ich fordere auch ein Recht auf Rausch!)

Das sind die Fragen, um die Sie sich am heutigen Tag herumdrücken. Herr Steinbrück ist eben schon einmal zitiert worden. Er bringt es auch diesbezüglich auf den Punkt; ich zitiere Herrn Steinbrück aus dem „Spiegel“:

Und bei der Annährung an die Linkspartei ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern eher ein Verlust für die SPD wahrscheinlich, weil immer um einen Faktor höher Wählerinnen und Wähler in der Mitte zu den konservativbürgerlichen Parteien überlaufen.

Darin liegt der Grund für drei historische Wahlniederlagen der Sozialdemokratie in NordrheinWestfalen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es gibt keinen Grund, ein schwarz-gelbes Schreckgespenst an die Wand zu malen. Der Koalitionsvertrag bringt unser Land weiter, als es jede Regierung unter der Beteilung von Rot-Grün oder Rot-Rot bringen würde.

Unser Land braucht Wachstum und Sicherheit. Der Koalitionsvertrag enthält dafür eine Anzahl richtiger Maßnahmen; er schafft mehr Gerechtigkeit und mehr Freiheit.

Deshalb ist dieser Koalitionsvertrag gut für Nordrhein-Westfalen, und wir werden mit Jürgen Rüttgers dafür sorgen, dass auch in Berlin gilt: Wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Dr. Papke das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Papke.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich will angesichts der fortgeschrittenen Zeit – vieles ist schon ausgetauscht worden – nur noch einige wenige ergänzende Bemerkungen zu der heutigen Debatte machen.

Die Redner aller Fraktionen haben – wie auch der Ministerpräsident – Opel angesprochen. Es war erkennbar, dass wir uns fraktionsübergreifend in der Bewertung einig sind, dass das Verhalten von General Motors nicht akzeptabel ist, dass wir gemeinsam das Beste für die Opelaner erreichen wollen und dass wir darauf achten müssen, dass auch die Bundesregierung – die Kanzlerin persönlich hat sich in den zurückliegenden Monaten ja sehr exponiert – ihrer Verantwortung für eine wirtschaftlich vernünftige Lösung bei Opel gerecht wird.

Ich will allerdings noch auf einen Aspekt hinweisen, weil in der Debatte sehr pointiert vom hässlichen Gesicht des Turbokapitalismus die Rede war: General Motors ist ein veritables Staatsunternehmen.

(Beifall von der FDP)

Es ist ein Unternehmen, das seit Mitte dieses Jahres zu über 70 % im Eigentum der öffentlichen Hand steht. 60,8 % der Aktien sind im Eigentum des amerikanischen Staates, 11,7 % gehören dem kanadischen Staat, und – um das Bild abzurunden – 17,5 % der Aktien gehören seit Mitte des Jahres der Automobilarbeitergewerkschaft der Vereinigten Staaten; es gibt in der neuen Eigentümerstruktur von New GM also eine sehr starke Gewerkschaftskomponente.

Deshalb sollte man sich hüten, das Verhalten von General Motors, das wir alle gemeinsam zu Recht kritisieren, als Paradebeispiel kapitalistischen Wirtschaftens anzusehen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen feststellen, dass Staatsbetriebe sich ganz offensichtlich – das wird an diesem Beispiel einmal mehr deutlich – nicht sorgsamer und verantwortungsvoller um ihre Mitarbeiter kümmern.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Wir müssen festhalten, dass es der deutschen Bundesregierung trotz des prägenden Staatseinflusses auf General Motors in den zurückliegenden Monaten nicht gelungen ist, zu der Lösung zu kommen, die sie präferiert.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Es lag also nicht an widerspenstigen Aktionären, sondern die amerikanische Regierung, die treuhänderisch für den amerikanischen Staat Mehrheitseigentümerin ist, hat sich der Einflussnahme der Bun

deskanzlerin und des früheren Bundesaußenministers Steinmeier offenbar verweigert.

Ich darf zum Zweiten noch einmal auf Folgendes hinweisen, Frau Kollegin Löhrmann, was in Ihrem Debattenbeitrag völlig unter die Räder gekommen ist; ich hatte schon in meiner Zwischenfrage überrascht nachgefragt: Die wesentliche Botschaft des heutigen Tages mit Blick auf die Haushaltspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen ist die verbindliche Aussage des Finanzministers, dass die Steuermindereinnahmen, die aus der großen Steuerreform der neuen Bundesregierung resultieren, nicht zu einer erhöhten Nettokreditaufnahme im Jahr 2010 führen werden.

(Beifall von der FDP)

Deshalb können Sie Ihre Sprechzettel und die Presseerklärung jetzt wirklich schreddern lassen.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Der Finanzminister hat diese wichtige Botschaft heute für die Landesregierung verbindlich vorgetragen.

Stichwort „ausgeglichener Haushalt“: Es ist richtig, dass wir immer wieder beim strategischen Ziel eines ausgeglichenen Haushalts Tempo gemacht haben. Der Finanzminister hat das so offen und so gerne aufgenommen, dass es ihm schon im Jahr 2009 gelungen wäre, einen ausgeglichenen Landeshaushalt vorzulegen, wenn wir im letzten Herbst nicht in die schlimmste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gerutscht wären. Wir hätten schon im Jahr 2009 einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, wenn wir nicht gezwungen gewesen wären, zur Risikovorsorge für die WestLB und mit Blick auf die Auswirkungen der Finanzmarktkrise einige Hundert Millionen € zurückzulegen.

Ich möchte eine abschließende Bewertung der gesamten heutigen Stoßrichtung und Argumentationslinie der Oppositionsfraktionen vornehmen. – Wir haben einen Bundestagswahlkampf erlebt, in dem SPD und Grüne, stärker aber noch die SPD, fast vollständig darauf verzichtet haben, eigene Inhalte vorzutragen und für eigene Positionen zu werben. Wir haben einen reinen Antiwahlkampf gegen Schwarz-Gelb erlebt. Im Wesentlichen ist eine Angstkampagne gegen die FDP inszeniert worden. Dann würde – so wurde gesagt – der Eiseshauch des marktradikalen Neoliberalismus durch das Land wehen und alles Leben zum Erstarren bringen.