Protocol of the Session on November 4, 2009

Die Grünen und die SPD spekulieren über eine mögliche Steuerreform, deren Ob und Wie von Bedingungen abhängt, die wir heute noch nicht exakt kennen. Mich erstaunt heute am meisten der Auftritt von Frau Kraft. Nach dem Wahldebakel und noch mehr nach dem Führungsdebakel der SPDBundespartei gehört Frau Kraft nun zum letzten personellen Aufgebot in Berlin und lässt nichts unversucht, sich hier zu profilieren.

(Zurufe von der SPD)

Frau Kraft wirft Zahlen und Mutmaßungen in die politische Diskussion, die wohl nur durch das Befragen einer Kristallkugel oder durch Stochern im Nebel gewonnen werden können; die Zahlen entbehren jedenfalls jeglicher Seriosität.

Frau Kraft, Ihre Rede war einer der zweifelhaften und untauglichen Versuche, den fehlenden Bekanntheitsgrad aufzupolieren und im Hinblick auf die Landtagswahl Zweifel an der Landesregierung zu schüren. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was unter der früheren SPD-Landesregierung mit ihren Finanzjongleuren geschehen wäre, wenn eine Finanzkrise dieser Größenordnung hätte bewältigt werden müssen. Sie haben in Zeiten leisen Windes mehr Schulden gemacht als Finanzminister Helmut Linssen bei stärkstem Gegenwind, den wir im Moment leider verspüren.

Ich habe keine Zweifel: Helmut Linssen und die Landesregierung werden beweisen, dass sie in der größten Krise der Nachkriegszeit das Ruder fest in der Hand haben und dem finanzpolitischen Sturm trotzen. Auch bei einer Steuerreform im Bund wer

den sie den Einfluss NRWs geltend machen und die Interessen unseres Bundeslandes in bekannter Weise gut vertreten. Ich rufe die Grünen und die SPD auf, das Palavern nach der verlorenen Bundestagswahl einzustellen und zu dem zu kommen, wofür uns die Menschen in NRW gewählt haben, nämlich Politik für unser Land zu machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krückel. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf:

2 Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP: Neuanfang für Deutschland – Rückenwind für Nordrhein-Westfalen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/10014

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Stahl das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde, die soeben zu Ende ging, hat mir meine Freude nicht genommen. Im Gegenteil: Sie hat sie erhöht, denn sie hat offenbart, dass der Koalitionsvertrag in Berlin Deutschland und Nordrhein-Westfalen nutzt. Sie haben keine belastbaren Argumente dagegen gefunden, und das hat mich gefreut.

(Beifall von CDU und FDP)

Gefreut hat mich im Rückblick auf das Jahr 2009 außerdem, dass die Union, der ich, wie bekannt ist, gerne und lange angehöre, ihre Ziele erreicht hat. Das gilt im Hinblick auf alle Wahlen, zum Beispiel die Landtagswahl in Hessen, die Wahl des Bundespräsidenten und die Bundestagswahl, nach der es innerhalb kürzester Zeit gelungen ist, gemeinsam mit der FDP eine gute und belastbare Koalition zu bilden, einen Koalitionsvertrag abzuschließen, der ein gutes Fundament für die kommenden vier Jahre darstellt, die uns allen große Ernsthaftigkeit abverlangen werden.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Ich bin froh darüber und stolz darauf, dass dieser Regierung eine Kanzlerin vorsteht, die in den USA bei ihrem Vortrag vor beiden Kammern des Kongresses nicht nur einen guten Eindruck hinterließ, sondern tatsächlich für Begeisterung gesorgt und

damit gute Voraussetzungen für ein enges Zusammenspiel zwischen Europa und den USA in den kommenden Jahren geschaffen hat, ein Zusammenspiel, das sowohl wir Europäer als auch die Amerikaner selbst ganz dringend brauchen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben unseren Antrag vorgelegt, weil wir absehen konnten, dass Sie den Versuch unternehmen würden, die Berliner Koalitionsvereinbarung durch eine Fülle von Anträgen in ihrer Gesamtheit und Schönheit auseinanderzureißen und damit den Eindruck zu erwecken, als sei das alles nicht mehr zusammenzuführen. Wir wollen an dieser Stelle die Auseinandersetzung darüber kompakt und im Gesamtzusammenhang führen. Deshalb dieser Antrag.

Die Koalitionsvereinbarung gibt uns einen klaren Kompass. Ich bin froh darüber und stolz darauf, dass die soziale Marktwirtschaft, dieses erfolgreiche Modell, das uns in Deutschland Frieden, Freiheit und Wohlstand – nicht nur als ökonomische, sondern auch als gesellschaftliche Ordnung – beschert hat, ganz weit oben im Koalitionsvertrag verankert wurde. Das wäre uns mit der SPD mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gelungen. Ich habe im Augenblick den Eindruck, dass Sie dabei sind, sich wieder zurück in die Steinzeit zu begeben, in die Zeit vor Godesberg, wo sie versucht haben, die Mitte zu erschließen. Da warten schon die Blutsauger von der PDS auf Sie. Ich kann Sie nur vor diesem Weg warnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir einen starken Staat wollen, der sich um die Finanzaufsicht und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen kümmert und Sorge dafür trägt, dass auch Manager, die Fehler machen und leichtsinnig sind, für das haften, was sie in ihren Unternehmen und insbesondere in der Finanzindustrie weltweit anrichten.

Wir wollen einen starken Staat, der auch dafür sorgt, dass die soziale Ordnung trägt.

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Privat vor Staat!)

Wir wollen uns um die Pflegeversicherung kümmern, sie zukunftsfest machen und auf ein breites Fundament stellen. Wir wollen gemeinsam das Schonvermögen anheben, weil dies schlicht Ausdruck dessen ist, dass sich Leistung in dieser Gesellschaft lohnen muss.

(Ralf Jäger [SPD]: Das haben Sie zuletzt blo- ckiert!)

Wir sind gemeinsam gegen einen gesetzlich festgelegten, flächendeckenden Mindestlohn, weil er Treibsatz für Arbeitslosigkeit in dieser Krise wäre.

(Beifall von CDU und FDP)

Wir sind gemeinsam sehr engagiert der Auffassung, dass es der Stärkung der Tarifautonomie bedarf, dass wir starke Tarifpartner brauchen, die gegenwärtig vieles von der Last tragen, die die Krise ausgelöst hat.

Sie reden von sozialem Kahlschlag. Ich muss Ihnen entgegenhalten: Sie wissen nicht, wovon Sie reden. Die Argumente, die Sie in Ihren Anträgen vortragen, landen alle als Schuss im Ofen, sind realitätsfern und substanzlos.

Der Koalitionsvertrag setzt Impulse zur Überwindung der Krise. Er hilft den Unternehmen durch steuerliche Entlastungen, mit den Folgen der Krise klarzukommen. Er hält die Sozialversicherungsabgaben konstant, die Arbeitnehmer belasten und die Arbeitskosten für die Unternehmen zu erhöhen drohen. Und er hilft den Familien – darauf ist hingewiesen worden –, mit den Folgen der Krise fertig zu werden.

Ich frage mich manchmal, welche Sicht auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sie haben. Wenn Arbeitnehmer heute im Kurzarbeitergeld stecken und dadurch weniger netto in der Tasche haben, ist es doch vernünftig, sie auch steuerlich zu entlasten, ihnen zu helfen, an den Märkten Ihre Nachfrage auszuüben, um Sorge dafür zu tragen, dass die Binnennachfrage stabilisiert wird. Wir haben also das ökonomisch Vernünftige mit dem sozial Gerechten erneut in Übereinstimmung bringen können.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie darauf hinweisen, Frau Kraft, dass nur 50 % der Menschen Steuern zahlen und damit entlastet würden, kann ich Sie nur fragen: Um Himmels willen, haben Sie völlig die ledige Verkäuferin, die Krankenschwester und den Facharbeiter aus dem Blick verloren? Von denen haben Sie sich verabschiedet. Für die sind nun die Union und die Koalition in Berlin da. Wir kümmern uns um die Belange der Arbeitnehmer.

(Beifall von CDU und FDP)

Der Koalitionsvertrag setzt die richtigen Impulse in der Innovationspolitik. Er stärkt uns als Industrieland. Das ist für uns in Nordrhein-Westfalen bedeutsam und wichtig. Es werden die Bildungsausgaben um 12 Milliarden € bis zum Ende der Legislaturperiode erhöht. Wir schaffen ein Wissenschaftsfreiheitsgesetz. Wir setzen bei Stipendien das Modell bundesweit um, das Minister Pinkwart für Nordrhein-Westfalen bereits realisiert hat.

Diese Koalition in Berlin hat gemeinsam mit uns ein Herz für ländliche Räume, für die Bauern und Landwirte, die ebenfalls unter der Krise leiden und schauen müssen, wie sie mit den Schwierigkeiten klarkommen, in denen wir stecken.

(Beifall von der CDU)

Der Koalitionsvertrag ist ein Brückenschlag für die Kommunen.

(Lachen von der SPD – Ralf Jäger [SPD]: Ein Brückenschlag? Das ist aber eine morsche Brücke!)

Wir wissen um die Nöte der Kommunen. Wir bieten ausdrücklich an, Kollege Jäger – das hat es im Koalitionsvertrag mit Ihnen vor vier Jahren nicht gegeben –, mit den Kommunen darüber zu reden, wo Handlungsbedarf besteht

(Beifall von der CDU)

und wie wir gemeinsame Handlungsoptionen erarbeiten können, auch um zu erreichen, dass die Not der Kommunen aufgehoben wird, damit sie besser durch die Krise kommen. Das ist von unserem Ministerpräsidenten in diesem Koalitionsvertrag durchgekämpft worden. Statt herumzumeckern, sollten Sie würdigen, dass es uns im Gegensatz zu Ihnen gelungen ist, eine Plattform für eine Diskussion mit den Kommunen zu schaffen, und zwar auf Augenhöhe.

(Beifall von CDU und FDP)

Natürlich wird das alles nicht streitfrei abgehen. Wie sollte dies in einer komplexen Welt auch gehen? Es wird immer wieder Streit um die Umsetzung von Maßnahmen geben. Das ist natürlich. Aber die Richtung stimmt, der Kurs ist klar. Wir sind gemeinsam auf einen Kurs der sozialen Marktwirtschaft verpflichtet. Infolgedessen werden wir miteinander gute Kompromisse erzielen.

Wir haben im Gegensatz zu Ihnen einen Kompass. Sie haben ihn verloren. Wir werden und wollen keinen zurücklassen: weder in Deutschland noch in Nordrhein-Westfalen. Deshalb sage ich all denen ein ganz herzliches Dankeschön, die für die Qualität dieses Koalitionsvertrages gearbeitet haben. Ich danke ganz herzlich Jürgen Rüttgers, ich danke ganz herzlich Andreas Pinkwart, ich danke ganz herzlich Karl-Josef Laumann,

(Beifall von CDU und FDP)

ich danke allen, die geholfen haben, ein tolles Werk zustande zu bringen, das uns in NordrheinWestfalen für unsere Politik Rückenwind gibt und einen Charakter hat, wie wir ihn für NordrheinWestfalen kennen, wie wir ihn leben, nämlich ökonomische Vernunft und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verzahnen.

Ich erkenne an und bin dafür dankbar, dass Nordrhein-Westfalen ein guter Gastgeber für die Koalitionsverhandlungen war. Das war bestes Standortmarketing weltweit. Man konnte stets unsere Flagge sehen. Man sah zufriedene Gesichter. Auch das verdient Anerkennung.

(Beifall von der CDU)