Protocol of the Session on September 11, 2009

Es ist also genügend Potenzial da, das nun ausgeschöpft werden muss. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es genau richtig, dass wir die vorhandenen Schwachstellen beseitigen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Bisher haben wir zum Beispiel keine verbindliche, einheitliche Strategie im Land. Kundenakquise war in der Hauptsache Aufgabe der Regionen und wurde deshalb sehr kleinteilig betrieben. Wir haben keine touristischen Markenwerte, die national oder international ausstrahlen. Auch die Qualität der touristischen Angebote differiert doch sehr stark.

Deshalb, meine Damen und Herren, war es gut und richtig, dass der Tourismus NRW mit Unterstützung des Landes den Masterplan Tourismus NRW in Auftrag gegeben hat.

(Beifall von der FDP)

Hier gehen wir endlich so vor, dass wir uns an den Zielgruppen orientieren; denn es ist zwar schön und nett, was wir alles im Land zu bieten haben, aber der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Deshalb müssen wir unsere Tourismuskonzeption an den Zielgruppen, an den Reiseinteressierten ausrichten.

Wir konzentrieren uns deshalb auf sechs Zielgruppen, weil man nun einmal nicht alles anbieten kann. In der Vergangenheit hatte dieses Land über

25 Zielgruppen im Auge. Es ist klar, dass man dann nicht mehr wahrgenommen wird. Dann ist man beliebig, dann will man alles abdecken, und das bringt nichts. Diese sechs Zielgruppen sind: junge Singles und Paare, erwachsene Paare, Familien, aktive Best Ager und bodenständige Best Ager sowie die genannten Business-Gäste. In Anlehnung an diese Zielgruppen wurden in dem Masterplan Schwerpunktthemen identifiziert, mit denen wir die Leute ansprechen wollen: Aktive, Business, Gesundheit, Kultur sowie Stadt und Event. Ich glaube, wenn wir so vorgehen, können wir eine schlagkräftige Tourismusvermarktung in diesem Land schaffen.

Meine Damen und Herren, neben dieser inhaltlichen Neuausrichtung ist auch eine organisatorische Neuausrichtung absolut notwendig. Auch diese wollen wir angehen, um auf diese Weise alle mit ins Boot zu holen. Wir haben – ganz neu – thematische Kompetenznetzwerke organisiert, an denen alle interessierten Regionen in ihren jeweiligen Schwerpunktbereichen mitwirken können. Sie können mit dafür sorgen, dass wir imstande sind, in diesen Bereichen hohe Standards zu definieren, die sich an den entsprechenden Bedürfnissen und Werten der Zielgruppen orientieren.

Mit diesem Schritt sind wir in der Tourismusvermarktung Nordrhein-Westfalens einen Meilenstein vorangekommen. Lassen Sie uns heute nach Möglichkeit von allen Parteien – so, wie es die Regionen gemacht haben, die sich alle mit eingebracht und dies unterstützt haben – ein klares Signal setzen, das wir mit dieser neuen Strategie auf dem richtigen Weg sind. – Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der SPD die Frau Kollegin Gießelmann das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die SPD will die Standortchancen durch eine gezielte Tourismuspolitik effektiv nutzen.

(Beifall von der SPD)

Das hat sie auch während ihrer Regierungszeit getan, Herr Brockes. Das ist so, auch wenn Sie hier polemisieren und spalten wollen, anstatt den Bereich Tourismus gemeinsam nach vorne zu bringen.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Sie müssen einmal sagen, was vorher war!)

Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, es gibt im In- und im Ausland nach wie vor Menschen, die Nordrhein-Westfalen automatisch mit Kohle und Stahl verbinden und der festen Überzeugung sind, unser Land sei hauptsächlich ein Industriestandort. Dazu

sagen wir: Ja, wir sind stolz auf unsere industrielle Tradition und auf unsere hochmodernen Industrieunternehmen. Als starkes Industrieland ist NRW Ziel zahlreicher Geschäftsreisender aus dem In- und Ausland und von ca. 6 Millionen Messebesuchern.

Aber Nordrhein-Westfalen hat noch viel mehr zu bieten: eine abwechslungsreiche Landschaft, intakte Natur, pulsierende Städte, hochwertige Kulturangebote usw. Angesagt sind hier Städtetouren, Kultur, Industriekultur im Ruhrgebiet, Messen, Kongresse, Tagungen, Radfahren oder Wandern, Familienferien, Urlaub auf dem Land oder auf dem Bauernhof, internationale Großsportveranstaltungen, Wintersport, Reiten im Münsterland, Wellness- und Gesundheitsangebote in unseren 42 Heilbädern und Kurorten. Viele davon befinden sich zum Beispiel in meiner Heimat Ostwestfalen-Lippe, einer Gesundheitsregion, die von der Landesregierung nicht nur gut bedacht wird.

(Lachen von Ministerin Christa Thoben)

Nordrhein-Westfalen ist ein hochattraktiver Standort; es ist ein Tourismusstandort. Sie haben auf die Zahlen verwiesen. Dem kann ich mich nur anschließen. Mit 17,7 Millionen Gästeankünften steht NRW nach Bayern auf Platz 2 im Vergleich der Bundesländer und mit 41,5 Millionen Übernachtungen auf Platz 3. Auch das wissen viele nicht: Wir sind ein Tourismusland.

Die Tourismuswirtschaft ist ein wichtiger Dienstleistungsbereich, ein Zukunftsmarkt mit großen Entwicklungsmöglichkeiten, der für den Strukturwandel in NRW eine hohe Bedeutung hat. Dafür sprechen nicht nur die Umsätze und die hohen Beschäftigungszahlen.

Der Tourismus vermag noch mehr: Er bietet die einzigartige Gelegenheit, einem breiten Publikum den eigenen Standort zu präsentieren. So können auch tourismusferne Branchen von einem positiven Image als Ferienregion profitieren. Denn wer möchte seine neue Firma oder seine neue Filiale nicht in einer Gegend eröffnen, die sich rundum mit schönen Seiten präsentiert, und wer möchte dort nicht eine Arbeitsstelle annehmen? Wir alle wissen, dass diese so genannten weichen Standortfaktoren in einer globalisierten Welt schnell zu zentralen Entscheidungskriterien werden können. Das hat nicht erst diese Landesregierung entdeckt; darauf haben auch wir seit Jahren verwiesen.

(Beifall von der SPD)

Die positive Entwicklung des NRW-Tourismus gibt es seit Jahren, nicht erst seit Ihrer Regierungsübernahme.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Erst bei Ihnen wird die Welt zu einer Scheibe, Frau Thoben!)

Allerdings hat es in den Jahren 2001 bis 2003 einen leichten Rückgang aufgrund der konjunkturellen

Probleme gegeben. Sonst war aber eine kontinuierlich steigende Entwicklung zu verzeichnen.

Diese ist zum Teil durch den nachhaltigen Trend hin zum Urlaub in Deutschland, vor allem zum Kurzurlaub in Deutschland, zu erklären. Aber sie spiegelt auch die Anstrengungen der Regionen wider, die ihr touristisches Profil geschärft haben. Allerdings haben auch diese und die vorherige Landesregierung mit einer Vielzahl von Projekten dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad unserer Regionen zu steigern und das touristische Image zu verbessern.

(Dietmar Brockes [FDP]: Zu koordinieren!)

Dazu zählen beispielsweise die Hilfen für unsere Heil- und Kurbäder, der Skitourismus im Sauerland, verschiedene Wanderprojekte wie der Rothaarsteig, der Bootstourismus im Ruhrgebiet, Radtouren im Münsterland, die Weiterentwicklung der Route der Industriekultur oder NRW kulinarisch.

(Beifall von Marc Jan Eumann [SPD])

Ein wichtiger Schritt war auch die Errichtung des Nationalparks Eifel und die Förderung des Masterplans Nationalpark Eifel. Hier konnte die Zahl der Übernachtungen besonders gesteigert werden.

Auch Megaevents wie zum Beispiel die Fußballweltmeisterschaft haben zum nationalen und internationalen Bekanntheitsgrad des Austragungsortes und des Landes beigetragen. Großveranstaltungen wie zum Beispiel die Fußballweltmeisterschaft konnten zu einer veränderten Wahrnehmung von Nordrhein-Westfalen auch als attraktives Tourismusziel beitragen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Hieran muss sicher angeknüpft und weiter gearbeitet werden.

Auch die gute und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, die Sie ja auch in Ihrem Antrag nennen, wurde schon vor Ihrer Regierungszeit geschaffen.

(Beifall von der SPD – Dietmar Brockes [FDP]: Auch schon vor Ihrer!)

Na, wir sind schon ziemlich lange an der Regierung gewesen und kommen wieder.

Kolleginnen und Kollegen, die SPD-Fraktion unterstützt den Masterplan,

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

der von der Mitgliederversammlung des Tourismus Nordrhein-Westfalen e. V. einstimmig beschlossen wurde. Nach intensivem Dialog mit den touristischen Akteuren, den zwölf touristischen Regionen und der Politik wurde dieser von der Roland Berger GmbH erarbeitet und am 19. August auf einer Großveranstaltung, die Sie vorgestellt haben, öffentlich gemacht.

Als Herzstück dieses Masterplans sehe ich dabei die konsequente Orientierung an Zielgruppen – das

nannten Sie auch schon, Herr Brockes –, die damals in einem aufwendigen quantitativen und qualitativen Verfahren ermittelt wurden.

Die angestrebte überregionale Zusammenarbeit der touristischen Akteure in Nordrhein-Westfalen in thematischen Kompetenznetzwerken ist, glaube ich, ein wichtiger Weg zur weiteren Professionalisierung.

Die einheitliche Dachmarkenstrategie und Verzahnung mit der Standortkampagne des Landes wird nicht leicht sein. Hier habe ich eine gewisse Skepsis. Dazu sind unser Land und die Vielfalt unserer Regionen zu groß. Ich sage nicht, ich fahre zum Skifahren nach Nordrhein-Westfalen, sondern ins Sauerland. Ich fahre Fahrrad im Münsterland und wandere im Teutoburger Wald. Ein Japaner weiß, dass er den Kölner Dom und die Stadt Köln besuchen will, und er weiß wenig von NordrheinWestfalen. Aber lassen Sie uns daran arbeiten. Ich finde das nicht falsch, wenn wir darüber immer das Dach Nordrhein-Westfalen sichtbarer machen.

Tourismusförderung ist und war Mittelstandsförderung und muss noch stärker in den Fokus von Förderprogrammen kommen. Das wollen auch wir.

Aber mit Ihrer Wettbewerbskultur haben wir einige schlechte Erfahrungen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Fetischismus!)

Dies sehen wir nicht als das alleinige Allheilmittel an.

Jetzt geht es ja erst richtig los. Es soll schnell mit der Umsetzung der 17 Starterprojekte angefangen werden.