Protocol of the Session on September 11, 2009

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 131. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 25 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute ein Geburtstagkind. Geburtstag feiert unsere Kollegin Gabriele Kordowski. Wir gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Gabriele, wir wünschen dir alles Gute für dein neues Lebensjahr und vor allen Dingen, da du heute noch einen aufregenden Tag mit einer Aufstellungsversammlung am Abend hast, für den heutigen Tag.

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich auf eine Änderung der ausgedruckten Tagesordnung verständigt.

Die Tagesordnungspunkte 3 – Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/9767, Thema „Tourismuspolitik“ – und 5 – Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/9802, Thema „Faire Milchpreise“ – sollen nach dem Willen der Fraktionen in der Beratung getauscht werden.

Als neue Tagesordnungspunkte werden aufgenommen: TOP 8, Wahlvorschlag zur Benennung eines stellvertretenden Mitglieds für den Ausschuss der Regionen der Europäischen Union – Drucksache 14/9812 –, und TOP 9, Neuwahl eines ordentlichen und stellvertretenden Mitglieds der neunten Amtsperiode für den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas beim Europarat – Drucksache 14/9817. Beide Tagesordnungspunkte sollen ohne Beratung erledigt werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann werden wir entsprechend verfahren.

Wir treten nun in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Die Kommunalwahl 2009 in Dortmund und das plötzliche Loch von 230 Millionen €: Wahlbetrug ist kein Kavaliersdelikt!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/9801

Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP haben mit Schreiben vom 7. September 2009 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem genannten aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Wittke von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will mit einem Zitat beginnen: Nach wie vor ist anhand der Auswertungen zu den Gesamterträgen und Gesamtaufwendungen derzeit nicht erkennbar, dass die Stadt Dortmund mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht auskommen wird. Der Vorjahresvergleich lässt noch keine Auffälligkeiten erkennen. Leicht höheren Aufwendungen stehen auch höhere Erträge gegenüber. – So schreibt Oberbürgermeister Dr. Langemeyer an den Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Dortmund am 26. August dieses Jahres.

Genau fünf Tage später, wenige Stunden nach Schließen der Wahllokale, folgt der Offenbarungseid durch Oberbürgermeister und Stadtkämmerin. 100 Millionen € fehlen im laufenden Haushaltsjahr. 2010 werden es wohl 230 Millionen € sein. In der Folge wird eine Haushaltssperre verhängt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das kann keine Erkenntnis sein, die im Laufe der Wahlnacht entstanden ist. Das kann nicht eine plötzliche Heimsuchung gewesen sein, die binnen weniger Stunden über die Stadt Dortmund dahergekommen ist. Nein: Die Stadtspitze hat die Haushaltssperre intensiv vorbereitet. Sie hat Zahlen gesammelt. Sie hat eine genaue Analyse durchgeführt. Aber sie hat die Ergebnisse nicht nur zurückgehalten, sondern bewusst vor der Kommunalwahl die Unwahrheit gesagt und damit die Wählerinnen und Wähler betrogen.

(Beifall von CDU und FDP)

Das ist so ähnlich, als schaut morgens jemand aus dem Fenster, sieht einen neuentstandenen Stausee und sagt: Ups! Ich habe gar nicht mitbekommen, dass da in den vergangenen Monaten eine Staumauer errichtet worden ist.

(Zurufe von der SPD)

In der Tat fällt eine Haushaltssperre nicht vom Himmel. Dazu sind intensive Vorarbeiten notwendig, die im Übrigen auch nicht geheim gehalten werden können. Denn jeder Fachbereich – ich bin mir ganz sicher: auch das Dezernat 6 in der Stadtverwaltung Dortmund und damit das Dezernat von Herrn Stadtdirektor Sierau, dem zweiten Mann im Rathaus – muss beim Zusammentragen von Zahlen mit eingebunden werden, um eine Haushaltssperre rechtfertigen zu können. Darum ist es billig, unglaubwürdig, ja sogar gelogen, wenn gesagt wird,

der Stadtdirektor, der zweite Mann im Rathaus, habe von der Finanzsituation der Stadt Dortmund nichts gewusst.

Dass dem nicht so ist, kann man im Übrigen auch nachlesen, beispielsweise in einer Antwort auf eine Frage eines Herrn Manuel Bieh bei abgeordnetenwatch.de vom 17. August dieses Jahres. Da sagt der damalige Oberbürgermeisterkandidat und Stadtdirektor von Dortmund, Sierau:

Selbstverständlich bin ich über die Finanzsituation der Stadt Dortmund informiert.

Jawohl, er ist informiert, er war informiert, und er hat die Wählerinnen und Wähler betrogen.

(Beifall von CDU und FDP)

Heute wird in der „Westfälischen Rundschau“ darüber berichtet, dass bereits am 5. Juni eine Unterredung zwischen Oberbürgermeister Langemeyer, Kämmerin Uthemann und Stadtdirektor Sierau stattgefunden hat. Da fehlt mir die Vorstellungskraft zu glauben, dass sie sich über die Situation beim BVB unterhalten haben. Nein, es ging um die Finanzsituation in Dortmund, und schon damals hat die Kämmerin darauf hingewiesen, dass – so schreibt die „Westfälische Rundschau“ – offenbar eine Lücke von 160 Millionen € entstanden ist.

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der Regierungspräsident gestern im WDR mitgeteilt hat, dass Unterlagen vorliegen, mit denen nachgewiesen werden kann, dass die Stadtspitze zu einem sehr frühen Zeitpunkt, und zwar deutlich vor dem Kommunalwahltermin, darüber im Bilde war, wie es um die finanzielle Situation der Stadt Dortmund tatsächlich bestellt war. Ich will an dieser Stelle nicht Bert Brecht zitieren, der einmal gesagt hat:

Wer die Wahrheit nicht kennt, ist ein Dummkopf. Wer die Wahrheit aber kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Jetzt haben Sie ihn doch zitiert!)

Was ich an dieser Stelle aber schon sagen will, ist, dass wir es nicht durchgehen lassen, dass den Menschen vor einem Wahltermin bewusst die Unwahrheit gesagt worden ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Dabei geht es nicht um eine Kleinigkeit und nicht darum, dass die Wahrheit vielleicht etwas gedehnt oder anders gestaltet worden ist. Vielmehr geht es darum, dass tatsächlich und bewusst gelogen worden ist, dass die Unwahrheit gesagt worden ist, und damit ist der Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt ein Bärendienst erwiesen worden, und zwar nicht nur in Dortmund, sondern deutlich darüber hinaus. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust wird umso größer, wenn jetzt diesem Wahlbetrug keine Konsequenzen folgen. Denn die Empörung ist nicht nur in Dortmund zu Recht groß.

Eines will ich an dieser Stelle auch sagen, Herr Jäger oder wer auch immer von Ihnen gleich reden wird: Sie werden wahrscheinlich sagen: Es gibt auch andere Städte, bei denen die Finanzlage noch angespannter ist.

(Bodo Wißen [SPD]: Welche Oberbürger- meister meinen Sie denn?)

Es ist doch klar, dass in Zeiten der größten Wirtschafts- und Finanzkrise dieser Republik auch in anderen Städten und nicht nur im Landeshaushalt – das haben wir am Mittwoch hier debattiert –

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Eiern Sie jetzt schon, bevor wir überhaupt geredet haben?)

große Probleme auftauchen. Die Frage ist doch, wie und wie ehrlich man damit umgeht. Belügt man die Menschen, oder sagt man ihnen die Wahrheit über die Krise?

(Beifall von CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, bei derart eklatanten Lügen, Vertuschungen und Täuschungen, wie sie in Dortmund von der Stadtspitze vorgetragen worden sind, gibt es nur eine einzige logische Konsequenz, nämlich die Wiederholung der Oberbürgermeister- und der Kommunalwahl.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Herr Sierau nur noch einen Funken Anstand besitzt, begibt er sich nicht in ein Amt, das er unter Vortäuschung falscher Tatsachen erhalten hat.

(Beifall von CDU und FDP – Sören Link [SPD]: Da müssen Sie sich gerade melden bei dem Thema, Herr Wittke!)

Im Übrigen ist auch, Kollege Link, die SPDLandespartei gefordert. Frau Kraft, Sie dürfen es dieser SPD in Dortmund nicht durchgehen lassen, dass sie Wähler betrügt und dass danach ein Herr Prüsse, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Stadtrat von Dortmund, erklärt: Wir halten alles aus. Wir sind schmerzunempfindlich.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Damit meint er so provokante Reden wie Ihre!)

Das ist die alte Arroganz, die Sie um die Macht im Ruhrgebiet gebracht hat. Das ist die alte Arroganz, die Sie um die politische Verantwortung in Nordrhein-Westfalen gebracht hat.

(Beifall von CDU und FDP)

Und darum muss auch die SPD-Landespartei einschreiten. Das hat Frau Kraft nämlich schon einmal gemacht, als sie Herrn Langemeyer als Kandidaten aus dem Verkehr gezogen hat. Auch der Nachfolger ist keinen Deut besser. Deswegen ist Frau Kraft ein zweites Mal gefordert.

(Beifall von CDU und FDP)

Noch eine Bemerkung. Es ist schon interessant, mit anzuschauen, wie die Grünen unter den Bodenbelägen des Friedensplatzes in Dortmund hinwegkrauchen, um irgendwo ein Zipfelchen der Macht in Dortmund erhaschen zu können.

(Rüdiger Sagel [fraktionslos]: So ist es!)