Protocol of the Session on September 10, 2009

Ich komme zur Stichwahl. Quoten von 93 % bei Bürgermeistern und Wahlergebnisse von über 40 % bei Landräten sind sehr aussagekräftig. Wir haben eine Stichwahl rechtlich nicht nötig. Sie ist auch politisch nicht notwendig. Es ist eine hinreichende Legitimation, wenn ein Kandidat in dem ersten und letzten Wahlgang, in dem es um alles geht, die meisten Stimmen hat. Das gleiche gilt, wenn Sie im Bundestag, im Landtag, im Kreistag oder im Stadtrat ein Mandat erwerben. Auch in diesen Fällen gibt es keine Stichwahl.

Lassen Sie mich als letzten Punkt zu den Sperrklauseln kommen. Es hat Sie natürlich aufgerührt, als ich sagte, dass es zumindest eine theoretische Lösung gibt, die man aber politisch wollen muss, nämlich die Frage der Sitzzahlen. Es gibt sicherlich keine Regelung im Grundgesetz, wonach eine entsprechende Vertretung wie in Köln 90 Sitze haben muss. Sie kann auch kleiner werden. Das kann man

gesetzlich beschließen. Man muss nur wissen, was man will. Man kann nicht auf der einen Seite klagen, die Hürden seien zu niedrig, wenn man auf der anderen Seite nichts dagegen tut. Wenn rechtlich keine Sperrklausel möglich ist, ist an dieser Stelle Ende im Gelände. Sie haben das dadurch bewiesen, dass Sie es selbst sechs Jahre lang nicht in Angriff genommen und auch keine Untersuchung dazu vorgelegt haben. Es gibt nämlich schon prima vista keinen Anhaltspunkt für Regierungs- und Funktionsunfähigkeit. Eine allgemeine Entrüstung reicht nicht, meine Damen und Herren.

Wenn man das noch einmal nachlesen möchte, kann man schauen, was die Verfassungsgerichte dazu schreiben. Allgemeine Beschwernisse bei der Beschlussfassung und der Sitzungsfolge reichen eben nicht aus. Mehr haben Sie hier nie vorgetragen. Deswegen habe ich Ihnen eben gesagt: Bringen Sie uns Beispiele dafür, dass bei nennenswerten Beschlüssen in Kommunen, die Gewicht haben, etwas nicht funktioniert! Haushalt, Planung: Es gibt nichts.

(Zurufe)

All diese Dinge werden nicht von Einzelmandatsträgern oder Kleinstgruppierungen verhindert. Es wäre vielleicht einen Gedanken wert und von Regierungsunfähigkeit zu reden, wenn es so viele Kleinstgruppen gäbe, dass die wichtigen Beschlüsse in einer Kommune nicht mehr zustande kommen. Dafür gibt es aber nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte. Deswegen ist der Antrag abzulehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Innenminister. Es tut mir leid, dass das Präsidium Ihre Wortmeldung nicht rechtzeitig gesehen hat. Aber nach § 28 unserer Geschäftsordnung ist ein Beitrag zur Geschäftsordnung außerhalb der Redefolge immer sofort anzunehmen. Insofern haben wir es also richtig gemacht.

Wir kommen zur Abstimmung. Es geht darum, die ersten beiden Punkte des SPD-Antrags zuerst abzustimmen und über die dritte Forderung des SPDAntrags getrennt zu entscheiden. Gibt es dazu irgendeine Gegenmeinung? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Wir stimmen zunächst ab über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/9810. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? – Grüne und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und FDP und der fraktionslose Kollege Sagel. Gibt es Enthaltungen? – Eine Enthaltung von Frau Düker. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Herrn Sagel abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9765. Wir stimmen erstens über die Forderungen ab, die sofortige

Wiedereinführung der Stichwahl sowie die gemeinsame Wahl von (Ober-)Bürgermeistern bzw. Landräten mit der Wahl der Räte bzw. Kreistage auch in Zukunft zu ermöglichen. Wer ist für diese beiden ersten Forderungen des SPD-Antrags? – SPD, Grüne und Herr Sagel. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Enthält sich jemand? – Damit sind die beiden ersten Punkte des SPD-Antrags mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die dritte Forderung im SPD-Antrag, eine moderate Sperrklausel von 2,5 % einzuführen. Wer ist für diesen Teil des SPD-Antrags? – Die SPD. Wer ist dagegen? – Grüne, CDU, FDP und der fraktionslose Kollege Sagel. Damit ist auch dieser Teil des Antrags abgelehnt.

Wir müssen nun zum Antrag der SPD Drucksache 14/9765 eine Gesamtabstimmung durchführen.

(Ralf Jäger [SPD]: Nein! Wir haben getrennt beschlossen! – Horst Becker [GRÜNE]: Nein! Das machen wir nicht immer!)

Wir haben hier den Eindruck, dass wir darüber noch insgesamt abstimmen müssen. Aber wir klären das.

Wir haben das gerade überprüft; vielen Dank dafür. Wir brauchen nicht noch einmal abzustimmen; eine Gesamtabstimmung ist entbehrlich. Der Antrag ist in seinen Differenzierungen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt, wie soeben beschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/9809. Wer stimmt diesem Antrag zu? – SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – CDU und FDP sowie der fraktionslose Kollege Sagel. Gibt es jemanden, der sich enthält? – Frau Düker enthält sich. Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Kollegen Sagel bei Enthaltung von Frau Düker abgelehnt.

Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungspunktes.

Wir kommen zu:

4 Finanzkrise: In der Not helfen, Vertrauen schaffen, Rechte stärken – Mehr Verbraucherschutz im Finanzmarkt!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7959

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/9384

In Verbindung mit:

Sicherheit in der Krise: Ausbau des Verbraucherschutzes im Finanzmarktsektor

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/9769

Ich weise darauf hin, dass der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/7959 bereits gemäß § 79 Abs. 2 Buchstabe b der Geschäftsordnung vom Plenum an den Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen wurde mit der Maßgabe, dass eine Beratung und Abstimmung im Plenum erst nach Vorlage einer Beschlussempfehlung folgt. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses liegen mit Drucksache 14/9384 vor.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Kollegen Remmel das Wort. – Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit bitten. An die Kollegen, die den Saal jetzt verlassen wollen: Sprechen Sie bitte draußen weiter. Herr Kollege Remmel hat das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Remmel.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der gestrigen Haushaltsdebatte, und da insbesondere bei der Rede des Ministerpräsidenten, gab es nicht sehr viel, was meine Zustimmung gefunden hätte. Aber es gab einen Satz, mit dem der Ministerpräsident darauf hingewiesen hat, und zwar mahnend, dass offensichtlich das Kasino wieder eröffnet ist, worin ich ihm ausdrücklich zustimme.

Die Frage ist nur: Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dieser Erkenntnis? Und ist diese Konsequenz auch schon in den zuständigen Ministerien angekommen, also da, wo wir selber etwas tun können? Was tut die Landesregierung, wenn sie der Auffassung ist, dass der Finanzmarkt noch nicht reguliert ist, dass sogar wieder Tendenzen der Restauration einsetzen?

Herr Ackermann hat im ersten Quartal – das war durchaus eine symbolische Setzung – stolz präsentiert, dass die Deutsche Bank wieder 25 % Rendite erzielt. Wie die zustande kommt, sei dahingestellt. Aber es war eine bewusste Setzung: 25 % sind möglich. Es ist wieder alles möglich.

Das, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eigentlich nicht das, was ich von der Regulierung des Finanzmarktes, von Beschränkung, von der Stärkung der Verbraucherrechte erwartet hatte, dass es nämlich quasi eine Rückkehr zu dem gibt, was wir vorher als Kasinokapitalismus gebrandmarkt hatten.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Für uns ist die entscheidende Frage also: Welche Konsequenzen ziehen wir?

Ich erlebe die aktuelle Diskussion ein wenig oberflächlich. Wir diskutieren heute ja auch noch über die Frage der Boni. Aber ist das das eigentliche Thema? Ist das nicht eher eine Ablenkungsdiskussion? Lenkt das nicht davon ab, über die Mechanismen zu diskutieren, wie in Banken Produkte vertrieben werden, wie Finanzmarkt heute funktioniert? Es ist wichtig, da eine Regelung zu finden, keine Frage. Aber wo können wir eingreifen, wo können wir sicherstellen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher auf gleicher Augenhöhe mit den Anbietern, mit den Banken agieren können? Das ist heute nämlich keinesfalls der Fall. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Verbraucherinnen und Verbraucher hier zu stärken.

Nun weiß jeder und jede, der bzw. die die letzten Jahre Revue passieren lässt, wie sich das schleichend entwickelt hat. Vor 15, 20 Jahren haben wir noch von dem Bankbeamten gesprochen. Ein Beamter strahlt Seriosität aus, dem kann man vertrauen, dem sollte man vertrauen können. Dann ist aus dem Bankbeamten ein Kundenberater geworden. Wenn man heute in eine Bank hineingeht, dann stellt man – jedenfalls in mancher Zweigstelle – fest, dass es dort gar keinen Schalter mehr gibt, dass es dort auch keine Kundenberater mehr gibt. Das sind alles Finanzdienstleister. Die rufen einen auch noch an und fragen, ob man nicht dieses oder jenes mit seinem Geld machen will. Vor allem ältere Leute werden angerufen.

Es hat also eine schleichende Entwicklung gegeben: weg von einer kundenorientierten Beratungspolitik hin zu einer produktorientierten Politik. Das heißt, es kommt der Bank, und zwar als System, darauf an, möglichst viele Produkte zu verkaufen, an den Mann und an die Frau zu bringen. Daran wird der Erfolg gemessen. Daran werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemessen. Und dieses System wird systematisch von oben nach unten durchgedrückt.

Bestimmte Verkaufsquoten sind zu erfüllen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich dann bestimmten Methoden beugen. Es ist schon erschreckend, wenn man mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den gewerkschaftlichen Vertretungen spricht. Nun sind Bankangestellte nicht die Speerspitze der gewerkschaftlichen Bewegung. Es ist aber schon bedrückend, welche Schilderungen man dort zu hören bekommt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Täglicher Rapport und Anrufe am Wochenende: Werden die Quoten eingehalten?

Meine Damen und Herren, mich persönlich erschüttert auch, dass es nach der Krise nicht besser geworden ist.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

In vielen Instituten sind die Quoten sogar erhöht worden. Man muss noch mehr bringen. Der Druck wird noch größer. – Die nächste Krise ist aus meiner Sicht absehbar.

Wenn wir an dem Finanzmarkt von NordrheinWestfalen aus und zumindest auf unserer Ebene nichts ändern können, müssen wir vor diesem Hintergrund doch die Instrumente der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken, also eine Verbrauchergegenmacht aufbauen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth)

Deshalb haben wir zu diesem Antrag auch eine breite Anhörung durchgeführt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, kaum eine andere Anhörung in dieser Legislaturperiode hat mich derart beeindruckt. Einigen anderen ging das genauso, glaube ich.

Nun nehme ich zur Kenntnis, dass CDU und FDP daraus auch einen gewissen Schluss gezogen und hier einen Antrag vorgelegt haben, den wir ja noch in den Ausschüssen beraten werden. Ich will jetzt keine Noten verteilen. Er ist aber einer der wenigen Anträge, wenn nicht sogar der einzige in dieser Legislaturperiode, bei dem Sie sich zumindest um ein wenig Substanz bemüht haben.

(Lachen von Dr. Jens Petersen [CDU])

Ich muss an dieser Stelle aber hinzufügen: Sie gehen die Fragen nicht konsequent an.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Obwohl Sie über die Erkenntnis verfügen, dass dort etwas schiefläuft, bleiben Sie in der Analyse dabei, von schwarzen Schafen zu sprechen. Hier gibt es aber in methodischer Form Räuberhöhlen, die geschlossen werden müssen.