Ich finde allerdings auch – da möchte ich dem Kollegen Henke zustimmen –, dass das ein Thema ist, über das eben keine parteipolitische Auseinandersetzung geführt werden sollte. Vielmehr sollte man sich fragen: Welche Schritte und welche Maßnahmen sind in Nordrhein-Westfalen notwendig und sinnvoll, um die Situation für Menschen mit Behinderung in der medizinischen Versorgung zu verbessern?
Klar ist: Wir haben mit dieser UN-Konvention eine neue Grundlage und eine gesamtgesellschaftliche Bestätigung dafür, dass wir die Inklusion wollen, dass die Menschen mit Behinderung – egal, welcher Art – an allen gesellschaftlichen Belangen teilhaben sollen. Das heißt natürlich auch, dass ihre medizinische Versorgung möglichst im System stattfinden soll.
Der Deutsche Ärztetag hat mit der Entschließung und den Positionierungen auch klar Farbe bekannt. Wichtig ist jetzt, dass wir in Nordrhein-Westfalen fragen: Was haben die Ärzte beschlossen, wie ist der Stand in Nordrhein-Westfalen, und was sind die
Für mich gibt es drei Bereiche, die man da auseinanderhalten muss: Das eine ist der Abbau der Barrieren, die bei körperlichen Einschränkungen auftreten, das Zweite sind die Barrieren in der Kommunikationsfähigkeit und das Dritte sind die materiellen Barrieren.
Für den Abbau der materiellen Barrieren ist natürlich zu einem großen Teil der Bund verantwortlich. Dazu werden wir die Auseinandersetzung bei der Bundestagswahl haben. Da geht es um die Verordnungsfähigkeit von Medikamenten und Heil- und Hilfsmitteln, darum, ob diese überhaupt und, wenn ja, in welchem Umfang verordnet werden können. Man hört von den Betroffenen ja immer wieder, dass Ärzte gerade chronisch kranke und behinderte Menschen oft nicht als Patienten und Patientinnen annehmen, weil die Praxen Angst davor haben, dass sie hohe Kosten verursachen, dass sie dem Budget zur Last fallen.
Im Zuge der Reform gibt es jetzt zwar eine kleine Veränderung im Budget. Trotzdem ist es nach wie vor so, dass die Kosten für den zeitlichen Mehraufwand, den eine Praxis hat, wenn sie diese Menschen adäquat behandelt, nicht adäquat erstattet werden.
Auch das, was in der Vergangenheit mit den Reformen, gerade mit der 2%igen Zuzahlung bei chronisch Kranken, passiert ist, ist für diese Zielgruppe ein Schritt in die falsche Richtung.
Wo wir allerdings etwas machen können, das ist beim Abbau von Barrieren bei körperlichen Einschränkungen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass sich das Land nicht nur dem anschließt, was der Ärztetag freiwillig gesagt hat, sondern dass es hier sehr viel offensiver nach vorne geht.
Wenn man sich die Auswertungen von Untersuchungen ansieht, die in Bayern am Beispiel der Problematik von Frauen mit Behinderung, von Frauen, die im Rollstuhl sitzen, in gynäkologischen Praxen gemacht wurden, dann kann man sagen, dass ein Viertel dieser Frauen überhaupt keine Möglichkeit sehen, eine gynäkologische Praxis aufzusuchen, und dass die anderen drei Viertel der Frauen in Bayern auf Praxen treffen, die überhaupt keine diesbezügliche Erfahrung hat.
Eine Rollstuhlfahrerin, die vielleicht auch noch andere Einschränkungen hat, muss sich im Liegen ausziehen. Die meisten Praxen haben keine Liege, auf der man sich ausziehen kann. Sich auf einen gynäkologischen Stuhl zu setzen ist für die Frauen oft gar nicht möglich.
Und nicht nur die Frauen, die im Rollstuhl sitzen, haben da ein massives Problem, sondern auch die älteren Frauen mit Rollator und viele andere Frauen mit Einschränkungen.
Wir müssen die Ärzte offensiv auffordern und gemeinsam mit der Ärzteschaft sagen: Wir wollen Barrierefreiheit für alle Frauen in allen Bereichen, in den gynäkologischen wie auch in den anderen Praxen. Aber gerade in der Gynäkologie ist das Problem am deutlichsten und am krassesten.
Bei den Neurologen und Neurologinnen ist es genauso: Wie viele Parkinsonpatienten stehen vor der Tür, weil sie überhaupt nicht in den Aufzug und damit in die Etagen kommen, wo die Ärzte sind!
Also: Wir müssen Barrieren abbauen. Wir haben es 2003 zwar geschafft, dass bei neuen Praxen die räumliche Barrierefreiheit sichergestellt werden muss. Bei den alten Praxen haben wir die Barrierefreiheit aber immer noch nicht.
Außerdem haben wir die Kommunikationsbarrieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Da geht es um die gesamte Personengruppe der Menschen mit geistiger Behinderung, aber auch um diejenigen mit Einschränkungen. Es gibt auch ein Kommunikationsproblem bei Menschen mit Sehschädigungen, die bestimmte Dinge nicht wahrnehmen können. Und es gibt dieses Problem bei der gesamten Personengruppe der Hörgeschädigten und Gehörlosen; auch da ist die Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt.
Wir müssen diese Barrieren abbauen. Dazu gehört auch die Barriere, die es in der Kommunikation auf der anderen Seite gibt, nämlich aufseiten der Ärzteschaft, der das Wissen um den anderen Umgang mit Menschen mit Behinderung oft fehlt. Auch diese Kommunikationsbarriere müssen wir abbauen und den Ärzten mit bestimmten politischen Rahmenbedingungen, die wir schaffen müssen, helfen, dass sie dieses Wissen bekommen.
Wir haben uns bei den Contergan-Betroffenen gemeinsam auf den Weg gemacht. Ich habe das Gefühl, dass wir da zumindest einen Anpackpunkt haben. Wir versuchen, nach den Ferien einen Bericht darüber zu bekommen, wie weit wir an der Stelle sind. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber das ist nur eine Personengruppe, für die wir zudem noch eine Reihe anderer Dinge machen müssen. Für viele andere Betroffene sind die Barrieren nicht abgebaut. Ich glaube, da müssen wir anpacken.
Ich finde es aber auch wichtig, dass wir als Land an der Stelle an die Kommunen appellieren und auf die Kommunen zugehen. Denn wenn eine Kommune eine Übersicht für Menschen mit Behinderungen schafft, in der sie die barrierefreien Arztpraxen in
der jeweiligen Kommune aufzeigt, machen sich vielleicht auch andere Arztpraxen eher Gedanken darüber, ebenfalls Barrierefreiheit herzustellen. Also: Auch da müssen wir versuchen, vor Ort stärker an die Mitgestaltung der Kommunen zu appellieren.
Das wird eine spannende Debatte im Ausschuss. Ich hoffe, dass wir den Antrag im Laufe des Beratungsverfahrens noch ergänzen und um andere Punkte erweitern können. Ich denke, so machen wir uns auf einen guten Weg für die Betroffenen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Für die Landesregierung spricht der zuständige Minister, Herr Laumann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir uns heute auch Gedanken über die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung machen. Sie wissen, wie wichtig der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen, aber auch diesem Parlament, dieses Thema ist. Wir unternehmen viele Anstrengungen, um für diese Menschen mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erreichen.
Nachdem ich den SPD-Antrag gelesen habe, habe ich mich allerdings gefragt, Herr Killewald: Was soll das? Worüber wollen Sie denn allen Ernstes diskutieren?
Mit ihrem Antrag bewertet die SPD die medizinische Versorgung von Behinderten allzu pauschal als schlecht und fordert von der Landesregierung umfangreiche Aktivitäten. Die Ausführungen sind eine Rundreise durch alle Felder des Gesundheitswesens: von der Forschung über Strukturen und Qualität gesundheitlicher Versorgung vor Ort bis hin zum Leistungsrecht. Konkrete Beispiele und Vorschläge bleiben Sie uns aber schuldig.
In dieser Verallgemeinerung ist der Antrag aus meiner Sicht – und so habe ich ihn empfunden – fast eine Missachtung der guten Arbeit, die heute schon geleistet wird.
Wie mögen die Menschen, die sich täglich im Gesundheitswesen für behinderte Menschen engagieren, diese recht pauschale Kritik empfinden?
Der demografische Wandel hat natürlich auch Folgen für das Gesundheitswesen: Demenz wird zunehmen, Mehrfacherkrankungen zu gleicher Zeit werden häufiger, altersspezifische Erkrankungen werden an Bedeutung gewinnen, Akuterkrankungen werden wahrscheinlich im Verhältnis zu den altersbedingten Gebrechen zurückgehen.
Anders als der Antrag es glauben machen will: Damit beschäftigen wir uns schon länger und vor allen Dingen wesentlich konkreter.
Dieser Wandel ist unter dem Stichwort „Gesundheit im Alter“ bereits seit 2007 Gegenstand von Entschließungen der Landesgesundheitskonferenz und seit 2008 auch der Gesundheitsministerkonferenz der Bundesrepublik Deutschland.
Ich will Ihnen gerne die Haltung und das Handeln der Landesregierung zu den einzelnen Bereichen des Gesundheitswesens darlegen. Aus Zeitgründen möchte ich mich dabei auf drei der Themenblöcke des Antrages konzentrieren.
Einmal abgesehen davon, dass es in der Autonomie der Hochschulen liegt, zu entscheiden, welche Professuren es geben soll: Was macht Sie so sicher, dass spezielle Professuren mehr und besser ausbilden als die bewährte integrierte Lehre?
Es gibt nicht den Menschen mit Behinderung. Behinderte Menschen sind individuell so unterschiedlich wie alle Menschen untereinander. Da hätte ich schon gerne genauer von Ihnen gehört, was Sie sich vorstellen.
In der Versorgungsforschung hat dieses Land, hat diese Landesregierung erst die Grundlagen geschaffen, um neue Impulse geben zu können. Wir wollen mit der Versorgungsforschung bestehende Strukturen auf Effizienz, Effektivität und Nachhaltigkeit untersuchen lassen. Ziel ist, die Qualität in der medizinischen Versorgung zu verbessern und mehr Transparenz in der Orientierung an Ergebnissen zu erreichen. Das Instrument unserer Wahl ist das neue Strategiezentrum auf dem Gesundheitscampus Nordrhein-Westfalen.
Zunächst sind die Ärztekammern der richtige Ansprechpartner. Das Thema ist dort ganz oben auf der Tagesordnung. Der 112. Deutsche Ärztetag in Mainz hat sich gerade vor vier Wochen intensiv mit dem Thema „Medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderungen“ beschäftigt und hierzu verschiedene Entschließungen gefasst. Die Landesregierung wird diese Vorhaben positiv begleiten und unterstützen.
Mir ist zudem wichtig, die Probleme an den Schnittstellen zwischen gesundheitlicher und pflegerischer
Versorgung zu überwinden. Der Gesundheits- und Pflegebereich wird weiter wachsen. Voraussetzung für ein attraktives Berufsfeld sind eine gute Ausbildung und die Möglichkeit zur Weiterqualifizierung. Es ist meine feste Überzeugung: Eine generalistische Pflegeausbildung in Deutschland ist hier der richtige Weg. Die Einführung wird sicherlich noch viel Arbeit bedeuten. Die Landesregierung wird deshalb Impulse für eine integrierte Pflegeausbildung setzen, die durch die beschlossene Fachhochschule für Gesundheitsberufe gefördert werden soll. Der Lehrbetrieb soll schon im nächsten Jahr aufgenommen werden.
Die Forderung nach einer Sensibilisierung der Akteure im Gesundheitswesen hinsichtlich der Errichtung grundsätzlich barrierefreier Arztpraxen hat der Landtag mit einer entsprechenden Änderung des Heilberufegesetzes vom 20. Dezember 2007 bereits erfüllt. Was die Bauordnung dazu regeln konnte, hat der Landtag schon im Winter 2003 beschlossen. Das brauche ich hier wohl nicht im Einzelnen in Erinnerung zu rufen.