Protocol of the Session on June 26, 2009

Was bedeutet das? Das nordrhein-westfälische kommunale Finanzsystem droht zu kollabieren. Das ist die Tatsache, meine Damen und Herren. Die Kommunen werden von der Finanzkrise am härtesten getroffen. Sehenden Auges feiern Sie hier heute etwas ab, was selbstverständlich ist, was mit Bundesmitteln gezahlt wird. Statt abzufeiern, sollten Sie handeln, was Sie jedoch verweigern.

Hier wird von der Abschaffung der Gewerbesteuer gefaselt – 80 Milliarden € für die Kommunen –, ohne eine Gegenfinanzierung vorzuschlagen.

(Christian Weisbrich [CDU]: Wie viel?)

Wir haben dies getan. Wir haben den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ hier vorgelegt.

Herr Löttgen, ich habe in Ihrer Rede des Abfeierns einer Selbstverständlichkeit den Hinweis vermisst, dass Bundesgeld an die Kommunen durchgeleitet wird. Sie sind Einwohner der Stadt Nümbrecht. Sie haben da, glaube ich, auch eine gewisse kommunalpolitische Verantwortung. Nümbrecht ist die Stadt mit der vierthöchsten Pro-Kopf-Verschuldung in Nordrhein-Westfalen. Und Sie bezeichnen dieses Konjunkturpaket als Rettungsanker? Sie wissen selbst: Das stopft bei Ihnen vor Ort Löcher, die an anderer Stelle von dieser Landesregierung längst wieder aufgerissen worden sind,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

ohne dass ein Konzept existiert, aus dem hervorgeht, dass diese Landesregierung, diese regierungstragende Koalition auch nur ansatzweise erkennt, dass den Kommunen geholfen werden muss.

Meine Aufforderung ist: Reden Sie nicht über Mentalitätswandel, Herr Engel, Herr Wolf, reden Sie nicht über die Abschaffung der Gewerbesteuer, reden Sie nicht darüber, dass Sie Selbstverständlichkeiten geschafft haben! Reden Sie endlich darüber, wie wir eine Gemeindefinanzreform hinbekommen, die die Kommunen in Nordrhein-Westfalen davor schützt, endgültig zu kollabieren und diese Krise finanzpolitisch faktisch alleine tragen zu müssen! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Jäger. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Weisbrich.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ehe ich zur Sache etwas sage: Wir sind in einer Aktuellen Stunde. Ich wollte gerade eine Frage stellen an den Kollegen Jäger. Das konnte ich aber nicht, weil es eine Aktuelle Stunde ist.

(Ralf Jäger [SPD]: Ich hätte Ihnen trotzdem geantwortet!)

Kollege Jäger, ich habe Ihrem Vortrag entnommen: Wenn wir die SPD in der Berliner Koalition und zusätzlich den Löffel nicht hätten, dann müssten wir die Suppe mit den Fingern essen. – Das war die zentrale Aussage zu dem, was sich in Berlin abspielt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Da ist was dran!)

Was mich aber viel mehr irritiert hat, ist: Sie haben etwas zur Gewerbesteuer gesagt und dabei mit Zahlen um sich geworfen, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Das zeigt mir, dass Sie zu den ewig Gestrigen gehören. Sie verstehen die Dinge nicht. Sie haben hier wörtlich gesagt, wir wollten 80 Milliarden € Gewerbesteuer für die Kommunen abschaffen. Sie haben diese Zahl hier genannt. Tatsache ist: Die Kommunen haben niemals 80 Milliarden € Gewerbesteuer. Das geht allenfalls, wenn man das in D-Mark umrechnet. Der aktuelle Stand beträgt nämlich 40 Milliarden €.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Hundertprozentig! Das brauchen wir jetzt nicht zu diskutieren. Gehen Sie in sich! Ich wollte nur sagen, mit welchen Zahlen Sie hier operieren und welchen Unsinn Sie hier verzapfen.

Aber jetzt zu Ihrem Kollegen! – Kollege Körfges, ich bin eigentlich ein bisschen enttäuscht von dem, was

Sie hier vorgetragen haben. Ich hätte von Ihnen eine kürzere Rede erwartet. Es hätte eigentlich vollständig ausgereicht, wenn Sie gesagt hätten: Gratuliere, Glückwunsch, wunderbares Gesetz, habt ihr prima gemacht! – Dazu haben Sie sich nicht aufraffen können. Stattdessen haben Sie da etwas von Weihrauchkessel und Nebelwerfer und was weiß ich gefantert. Tatsache wäre gewesen: Glückwunsch, prima Gesetz!

Das haben die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, die ja harte Verhandlungspartner sind, in der Anhörung am 17. März uneingeschränkt gesagt. Der Städtetag war mit dem Gesetzentwurf mehr als zufrieden, der Städte- und Gemeindebund hat gesagt, das sei toll gelaufen, er könne nur herzlich Danke sagen, und der Landkreistag hat gesagt, er teile diese inhaltliche Einschätzung und sehe dieses Gesetz als ein Musterbeispiel für eine gelungene Kooperation zwischen Land und Kommunen an.

Liebe Leute, wenn die kommunalen Spitzenverbände, die nun wirklich keine Kinder von Traurigkeit sind, wenn es ums Geld geht, so reagieren, dann hätten Sie doch wirklich hier „Glückwunsch!“ sagen können, statt eine so lange Rede zu halten, die wieder ins Negative abgeglitten ist.

(Beifall von CDU und FDP)

Herr Körfges, ich bin ins Rheinland zugezogen; Sie sind, glaube ich, gebürtiger Rheinländer. Das Erste, was ich hier von den Rheinländern gelernt habe, war: Man muss auch gönnen können! – Gönnen Sie doch endlich einmal der Koalition etwas, wenn sie etwas prima gemacht hat, und nörgeln Sie nicht immer herum!

(Beifall von CDU und FDP)

Dann haben Sie noch etwas zu den Krankenhäusern gesagt: 170 Millionen € seien viel zu wenig, wir hätten da etwas gekürzt.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Nicht etwas! 330 Mil- lionen €!)

Kollege Körfges, wir haben die Einzelfallförderung auf eine verbindliche Pauschalförderung umgestellt, von der die Krankenhausträger sehr viel haben.

An eines darf ich in diesem Zusammenhang erinnern: Die schlechte Situation der Krankenhäuser rührt doch daher, dass in Ihrer glorreichen rotgrünen Amtszeit bis 2005, bis zum Regierungswechsel, ein Investitionsstau von 13 Milliarden € aufgebaut wurde. Dass wir das nicht an einem Tag abräumen können, ist doch selbstverständlich.

(Beifall von CDU und FDP)

Wenn Sie über Krankenhäuser reden, seien Sie also einmal ein bisschen vorsichtiger.

(Zuruf von der SPD: Sie lassen die Investitio- nen fast zur Hälfte von den Kommunen zah- len!)

Der Kollege Becker hat sich gefragt, was der Anlass der Aktuellen Stunde sei. Ich sage Ihnen, was der Anlass der Aktuellen Stunde ist: Wir haben hier gemeinsam viel erreicht. Wir sind das kommunalfreundlichste Land in der Republik. Wir möchten aber auch, dass die Voraussetzungen, die wir geschaffen haben, zügig genutzt werden und dass die Kommunen in Verantwortung für das Gemeinwohl noch engagierter herangehen, noch schneller Anträge stellen und noch schneller Projekte umsetzen, als es bisher der Fall war. Der Herr Ministerpräsident hat völlig richtig gesagt: Die Krise macht keine Sommerferien. – Wenn die Krise keine Sommerferien macht, dürfen wir das an dieser Stelle auch nicht machen. Wir müssen uns Mühe geben.

Ich sage ausdrücklich: In Nordrhein-Westfalen ist schon viel geschehen, ist sogar Vorbildliches geschehen. In der „Financial Times“ vom heutigen Tag heißt es: Steinbrück wird Gelder nicht los. – Na ja, bei seiner Einstellung ist das auch nicht verwunderlich. Aber dann steht dort:

Tatsächlich gibt es auch positive Beispiele: Länder wie Nordrhein-Westfalen, Hessen... gelten als Vorbild.

Also: Länder wie Nordrhein-Westfalen – dies an allererster Stelle – gelten als Vorbild.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Rheinland-Pfalz steht da auch!)

Ich stelle dar, wie weit wir mit der Umsetzung sind und welche Dynamik darin steckt, die wir aber noch weiter anfachen wollen. Das ist unser Appell in dieser Stunde auch an die Kommunen im Land. Mitte Juni hatten wir 1.200 Maßnahmen mit einem Volumen von 422 Millionen € in Nordrhein-Westfalen angemeldet. Am 23. Juni waren es schon sehr viel mehr, nämlich 1.376 Maßnahmen mit einem Volumen von 522 Millionen €. Am 25. Juni, also gestern, waren es dann 1.535 Maßnahmen mit einem Volumen von 666 Millionen €. Das war schon weit mehr als die Hälfte der Mittel, die in diesem Jahre vorgesehen sind. Da kann ich doch nur sagen: Liebe Leute, wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen engagiert weitermachen, wir müssen die Kommunen ermuntern, das umzusetzen.

In der Anhörung am 17. März hatte die kommunale Familie eine große Bitte: Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die engen Restriktionen, die der Bund gesetzt hat, abgebaut werden, und zu diesem Zweck eine Änderung des Art. 104b Grundgesetz herbeiführen. Das ist geschehen. Seit dem 12. Juni ist auch dieser Wunsch der kommunalen Familie erfüllt.

Das ist jetzt der zentrale Punkt, an dem wir sagen müssen: Wir als Regierungskoalition und als Landesregierung haben alle Voraussetzungen bis hin zur Möglichkeit von Kompensationsvereinbarungen zwischen den Kommunen geschaffen, dass diese Maßnahmen umgesetzt werden. Bildlich gesprochen: Wir

haben die Tränke in die Scheune gestellt – saufen müssen die Gäule jetzt aber selber. Dass die Gäule saufen, ist unser sehnlichster Wunsch. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten. Da sollten Sie nicht so kleinkariert und so mieselpriemig sein. Sie sollten einfach einmal sagen: Die Koalition und die Landesregierung haben das fantastisch gemacht. – Ich danke von dieser Stelle aus auch dem Innenminister, dem Finanzminister und dem Chef der Staatskanzlei, der auch manches dazu beigetragen hat, für die geleistete Arbeit. Seien wir optimistisch, ermuntern wir die Kommunen! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke, Herr Kollege Weisbrich. – Meine Damen und Herren, bevor wir in der Rednerliste fortfahren, gratuliere ich dem nun anwesenden Ministerpräsidenten zum Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Als nächster Redner hat nun Herr Rasche von der FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Quote für die Kommunen ist höher, als der Bund vorgegeben hat, und sogar weit höher, als die SPD es erwartet hat. Allein damit beweisen diese Regierung und diese Koalition ihre Kommunalfreundlichkeit. Wir haben eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung erreicht – Ratsbeschlüsse statt Nachtragshaushalte –, und das Vergaberecht vereinfacht; Datenbank und Hotline sind zwei Stichworte. Nordrhein-Westfalen hat das Konjunkturpaket II schnell, qualitativ hochwertig und kommunalfreundlich umgesetzt. Nordrhein-Westfalen liegt in diesem Bereich bundesweit ganz weit vorne.

Die Bauindustrie beklagt zu Recht, dass bei ihr noch nicht genügend an Aufträgen eingegangen ist. Das Verfahren ist halt nicht ganz einfach. Aber wir erwarten erhebliche Auftragseingänge im zweiten Halbjahr dieses Jahres.

Herr Becker hat für die Grünen in dieser Debatte einen kleinen Ausflug zur Bundespolitik gemacht. Es ging dann in Richtung FDP, der er bescheinigte, dass sie keine Ahnung von Finanz- und Wirtschaftspolitik hätte.

(Beifall von Frank Sichau [SPD])

Ich möchte in diesem Hause ganz deutlich bestätigen, dass es in der Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Tat erhebliche Unterschiede zwischen Grünen und FDP gibt. Die Grünen wollen die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes immer mehr belasten. Sie sehen gar keine Grenze der Belastbarkeit. Die FDP sieht das genau umgekehrt.

Ich habe schon gestern beim letzten Tagesordnungspunkt gesagt – so kann ich es heute beim ersten wiederholen –: Der Landesvorsitzende der Grünen, Arndt Klocke, hat öffentlich bekannt gemacht, dass den Grünen Die Linke näher steht als die FDP.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])