Protocol of the Session on May 27, 2009

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Becker. – Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Landesregierung in Vertretung von Herrn Minister Kraut

scheid nun Herr Minister Lienenkämper das Wort. Bitte schön, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Diskussion ist klar geworden, dass es sich hier um einen modifizierten Antrag der SPD-Fraktion handelt. Erstmals am 13. Juni 2007 hat das Hohe Haus den damaligen Antrag der SPD „Effiziente öffentliche Daseinsvorsorge der Menschen in NRW langfristig sichern“ besprochen.

Seinerzeit wollte die Fraktion der SPD eine Rahmenrichtlinie für die Daseinsvorsorge. Jetzt ist der Antrag überarbeitet, und es geht um einen Rechtsrahmen und sektorale Richtlinien. Aus unserer Sicht ist aber auch das ein Mehr an europäischer Regelung, das wir nicht wollen.

Im Kern soll mit dem vorliegende Antrag tatsächlich eine Debatte initiiert, die hier bereits vor zwei Jahren geführt worden ist. Seinerzeit fand im Hauptausschuss am 6. März 2008 eine Expertenanhörung statt. Die eingeladenen Experten lehnten zum ganz überwiegenden Teil eine solche Rahmenrichtlinie ab.

Die EU hat die großen netzgebundenen Bereiche der Daseinsvorsorge mit großen staatlichen Monopolen im Zuge der Errichtung des Binnenmarktes durch sektorale Gesetzgebung reguliert, liberalisiert bzw. teilliberalisiert, zum Beispiel Telekommunikation, Elektrizität usw. Das hat die Landesregierung begrüßt.

Die Rechtsprechung des EuGH und die EUKommission greifen aber darüber hinaus mit dem europäischen Querschnittsrecht, insbesondere dem Vergabe- und Beihilferecht, in hohem Maße in die kommunale Entscheidungsautonomie ein. Zum Beispiel ist die vergaberechtsfreie Beauftragung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens kaum mehr möglich. Insgesamt entstehen ein hoher bürokratischer Aufwand und Rechtsunsicherheit.

Herr Kollege Kuschke, insofern – das sage ich ausdrücklich – stellen Sie in Ihrem Antrag die Situation richtig dar.

Allerdings wird nicht hinreichend klar, was mit einem Rechtsrahmen gemeint sein soll. Ich verstehe unter einem Rechtsrahmen zumindest eine weitere europäische Regulierung und damit in jedem Fall mehr Regeln, sei es durch Sektorrichtlinien oder sonstige Regelungen. Aus unserer Sicht wäre das eine Überregulierung. Sowohl die Landesregierung als auch die kommunalen Spitzenverbände befürchten weitere Verkomplizierungen und Einengungen des Handlungsspielraums der Kommunen.

Wir teilen allerdings die im SPD-Antrag vertretene Auffassung, dass bei allem notwendigen und zunehmenden europäischen Wettbewerb, den wir

ausdrücklich wollen, die Spielräume der Regionen, der Kommunen, der kommunalen Unternehmen und der Wohlfahrtsverbände bei der Ausgestaltung, Finanzierung und Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge ausreichend groß bleiben müssen.

Herr Minister, der Abgeordnete Kuschke würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen?

Ich würde sie heute gerne ausnahmsweise nicht zulassen.

Anstatt einen Rechtsrahmen zu fordern, ist es aber vielversprechender, die Problempunkte im Diskurs mit der Europäischen Kommission anzugehen.

Derartige Verhandlungen haben übrigens schon zu ersten Erfolgen geführt. Insgesamt sehen wir, dass die Europäische Kommission der Landesregierung immer wieder offen und gesprächsbereit gegenübertritt. Sie hat ein Interesse daran, sich die Gegebenheiten in den Einzelfällen darlegen und erklären zu lassen, um ein Verständnis für die Probleme der jeweiligen Bereiche und Mitgliedstaaten zu entwickeln. Diese Gespräche führen oft zum Ziel; denn der Kommission geht es vor allem um die Rechtfertigungsgründe.

Daher sollten wir weiter diesen Weg verfolgen, gezielt in Einzelfällen an die Kommission heranzutreten, um gemeinsam pragmatische Lösungen zu finden.

In der Stellungnahme des Bundesrates vom 3. April 2009 zur jährlichen Strategieplanung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für 2010 ist dargelegt, was von der neuen Kommission darüber hinaus im Hinblick auf Daseinsvorsorge erwartet wird, nämlich mehr Klarheit bei den nicht wirtschaftlichen Dienstleistungen und den Dienstleistungen mit lokalem Bezug sowie eine Überarbeitung der Vergaberichtlinien mit einer Definition von InhouseGeschäften und einer Klarstellung, dass interkommunale Kooperation ein Organisationsakt ist und nicht dem Vergaberecht unterliegen sollte.

Das sind unsere zentralen Forderungen. Dafür bedarf es nach unserer Auffassung keines Rechtsrahmens und auch keiner sektoralen Richtlinien.

(Wolfram Kuschke [SPD]: Aber wir haben viel Übereinstimmung!)

Kollege Kuschke, deswegen sagte ich ja, einige Dinge sind im Antrag völlig richtig beschrieben. Wir glauben eben nur tatsächlich, dass das Mittel, das Sie vorschlagen, nicht das geeignete Mittel ist, sondern dass es richtig ist, in Einzelfällen weiterhin mit der Kommission zu sprechen, pragmatische Lösungen zu erzielen und dabei die Ziele, die ich genannt habe und in denen wir übereinstimmen, auch gemeinsam weiter zu verfolgen.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Jetzt steht hier noch einiges zur Publikation des Kollegen Krautscheid. Die haben Sie dankenswerterweise in diesem Hohen Hause schon erwähnt. Ich kann mich dem nur anschließen. Es handelt sich um eine kluge und gute Publikation des Kollegen Krautscheid.

Im Übrigen darf ich aus den dargelegten Gründen weiter gute Beratungen wünschen.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Lienenkämper. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass wir am Schluss der Beratung sind und zur Abstimmung kommen können.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/9200 an den Hauptausschuss – federführend – sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform und an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Darf ich die Zustimmung zu dieser Überweisungsempfehlung feststellen? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung mit Zustimmung aller Fraktionen angenommen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf:

10 Gesetz zur Änderung des Landesrichtergesetzes (Landesrichtergesetz – LRiG)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/8903

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses Drucksache 14/9276

zweite Lesung

Eine Debatte ist hierzu nicht vorgesehen, sodass wir direkt zur Abstimmung kommen können.

Der Rechtsausschuss empfiehlt in der Beschlussempfehlung Drucksache 14/9276, den Gesetzentwurf Drucksache 14/8903 unverändert anzunehmen. Wer dieser Beschlussempfehlung folgen möchte, den bitte ich, das durch Handzeichen zu bekunden. – Das sind die Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP. Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthalten sich. In Abwesenheit des fraktionslosen Abgeordneten Sagel ist die Be

schlussempfehlung damit angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet.

Ich rufe auf:

11 Zukunft des Wohnens in NRW

Große Anfrage 26 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/8095

Antwort der Landesregierung Drucksache 14/8725

Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Abgeordneten Becker das Wort. Bitte schön, Herr Becker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen-Landtagsfraktion hat das Thema „Zukunft des Wohnens in NRW“ mit einer Großen Anfrage aufgegriffen. Wir haben das auch deswegen gemacht, weil wir mit einer Reihe von Fragen die Folgen der Politik der Landesregierung für die Wohnungswirtschaft in NRW erfragen wollen.

Zunächst einmal ist festzustellen – das wird auch aus der Antwort der Landesregierung deutlich –, dass die Veränderungen an den Wohnungsmärkten deutlich und unaufhaltsam voranschreiten. Aus unserer Sicht – ich will das am Anfang deutlich sagen – sehen wir einer Wohnungsnot entgegen, und zwar für einen Teil der Gesellschaft, nämlich insbesondere für die Menschen, die nur geringe Haushaltseinkommen haben, in den Wachstumsregionen entlang der Rheinschiene, im Raum Münster und im Raum Aachen.

Auf der anderen Seite – auch das gehört zum Bild – driften immer mehr Stadtteile ab. Einer Konzentration von Armut in ganzen Stadtbezirken folgt dann oft auch der Rückzug von Investoren und Investitionen in die Instandhaltung der Wohnungen und das Wohnumfeld. Es entstehen, wie der Verband der Wohnungswirtschaft das genannt hat, „Schmuddelecken“.

Meine Damen und Herren, die Bilanz der schwarzgelben Koalition im Landtag, die Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung ist aus unserer Sicht vernichtend. Es ist eine Bilanz des wohnungspolitischen Versagens. Das muss nach der Art der Antworten eigentlich auch die Landesregierung selber konstatieren.

Meine Damen und Herren, die Mittel für die Wohnungsbauförderung sind auf einem historischen Tiefstand. Während vor zehn Jahren noch 1,4 Milliarden € in den Wohnungsbau investiert worden sind, sind es im Jahr 2008 unter der schwarz-gelben Landesregierung nahezu 600 Milli

onen € weniger, und das im Übrigen trotz eines deutlichen Anstiegs der Bundesförderung.

Meine Damen und Herren, nie zuvor hat es weniger Neubau von Mietwohnungen in Nordrhein-Westfalen gegeben. Vor zehn Jahren sind nahezu 10.000 Mietwohnungen pro Jahr gebaut worden. Im Jahr 2008 sind nur noch 4.300 Mietwohnungen im gesamten Land gebaut worden. Das sind über 50 % weniger.

Nie zuvor – auch das gehört zum Bild – hatten wir weniger Investitionen in die Modernisierung des Wohnungsbestands. Vor zehn Jahren wurden 17.000 Wohnungen jährlich modernisiert. Jetzt sind es 85 % weniger, nämlich nur noch knapp 3.000.

Meine Damen und Herren, wer sich die schwarzgelbe Landesregierung mit ihren eigenen Ankündigungen ansieht, der wird feststellen: Am Anfang hat Herr Wittke hier großspurig verkündet, die LidlVerkäuferin sei nun in das Blickfeld gerückt, man wolle ihr zu Eigentum verhelfen. Aber auch da ist die Bilanz in der Praxis vernichtend.

In den besten Zeiten gab es nahezu 11.000 Förderungen für selbstgenutztes Wohneigentum. Das waren die rot-grünen Zeiten. Unter der schwarzgelben Landesregierung – obwohl sie die erwähnte Priorität hatte – sind es nur noch rund 7.700. Insofern müssten Sie eigentlich Ihre Oppositionsanträge wieder herausholen und gegen sich selber Anträge stellen, weil Sie ja, wenn Sie konsistent wären, sagen müssten, dass Sie sich weit von Ihren eigenen Zielen – viel weiter als Rot-Grün das jemals getan hat – entfernt haben.

Meine Damen und Herren, 123.000 Haushalte in NRW suchen derzeit eine angemessene Wohnung. Gegenüber dem Jahr 2005 ist das ein Zuwachs von 40.000 Haushalten, die eine bezahlbare Wohnung suchen.

Ich will das einmal auf Städte herunterbrechen. 14.500 wohnungssuchende Haushalte gibt es in Köln. Die Neubauaktivität, die dem entgegensteht, liegt bei 971 Mietwohnungen. In Düsseldorf ist das Verhältnis 5.600 zu 1.071 – im gesamten Regierungsbezirk Düsseldorf, wohlgemerkt.