Protocol of the Session on May 27, 2009

(Beifall von CDU und FDP)

Wir werden langfristig sicherlich über die Frage reden müssen, wie es denn in dem gesamten Programm weitergeht. Ich glaube, da hat der Minister ja auch Recht, wenn er sagt: Mittelfristig, langfristig muss man gucken, ob man nicht in die Qualifikation

von Erziehern weiter investieren kann und auch in das Entgelt, das sie erhalten.

Frau Asch, wir waren ja gemeinsam mit dem Ausschuss in Frankreich und haben uns dort die Situation angeguckt, was ich persönlich sehr interessant fand, denn dort gab es Kindertagesstätten zu sehen, die mit ihren Räumlichkeiten in Deutschland für helles Entsetzen gesorgt hätten. In Deutschland wäre gesagt worden: In solchen Umständen kann man doch keine kleinen Kinder unterbringen. Aber auf der anderen Seite gibt es die Anforderung an alle, die dort tätig sind, zumindest einen Fachhochschulabschluss zu erwerben, was dann zu einem deutlich höheren Entgelt führt. Darüber wird man in der Zukunft reden müssen.

Aber wir haben natürlich jetzt alle die Aufgaben aus dem KiBiz, die Sie über viele Jahre hinweg haben schleifen lassen, lösen müssen.

(Beifall von der CDU)

Insofern finde ich es absolut nachvollziehbar, wenn man sich auch Ziele für die Zukunft vornimmt. Heute sind wir hervorragend aufgestellt. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Danke schön, Herr Jarzombek. – Für die SPD spricht nun der Kollege Jörg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Jarzombek, für mich haben Sie zu diesem Thema stellenweise derart abgehoben vorgetragen, dass ich glaube, Sie haben den Blickkontakt zum Boden schon verloren. Ich empfehle Ihnen, einmal mit Ihrem Kollegen Bernhard Tenhumberg zu reden. Er hat ein Praktikum in einem Kindergarten gemacht und kam zu dem Schluss: Es fehlt an allen Ecken und Kanten, vor allem beim Personal. Reden Sie mit ihm, oder machen Sie selbst einmal ein Praktikum!

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Natürlich hat das etwas mit KiBiz zu tun, Herr Minister. Ich komme gleich noch darauf. – Ich habe in den letzten zwei Jahren unzählige Kitas im ganzen Land besucht. Sicherlich war von jedem Träger eine dabei. Ich kann Ihnen sagen, alle Kitas haben eines gemeinsam, und zwar das Engagement der Erzieherinnen und Erzieher. Dieses Engagement wird schlicht und einfach – das ist die Hauptmotivation – von der Liebe zu den Kindern getragen. Das ist in fast allen Einrichtungen immer wieder das Gleiche.

Diese Liebe zu den Kindern wird von dieser Landesregierung und durch das KiBiz ausgenutzt. Gäbe es die Erzieherinnen und Erzieher mit dieser Motivationslage nicht, wäre das System der Kinderbetreuung in Nordrhein-Westfalen schon zusam

mengebrochen; denn die Bedingungen haben sich unter dem KiBiz deutlich verschlechtert.

Ich erinnere: Früher gab es eine Gruppe mit 15 Kindern. Zwei Fachkräfte, eine Ergänzungskraft und eine Jahrespraktikantin waren mit dabei,

(Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter: Die habe ich nie gesehen!)

und natürlich gab es vernünftige Vertretungsregelungen. – Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, heute sind es 20 Kinder. Es gibt zwei Fachkräfte, 15 Fachstunden, und es ist noch nicht einmal eine Vertretung geregelt. Das ist die Situation. Allein von den Zahlen her ist das eine unendlich große Mehrbelastung, ganz unabhängig von den bürokratischen Aufwendungen, die hinzugekommen sind.

Sie haben es von der Kollegin Asch schon gehört: Die Erzieherinnen und Erzieher arbeiten unter einer extremen Belastung: der Geräuschpegel und die immer komplizierter werdenden Problemlagen in den Familien. Die Probleme werden zum Teil vor den Türen der Kitas, vor den Füßen der Erzieherinnen und Erzieher abgeladen. Deshalb kann man sagen …

(Zuruf von Minister Armin Laschet)

Herr Minister, ich widerspreche Ihnen nicht. Natürlich gibt es mehr Personal. Dem widerspricht kein Mensch. Leider haben sich die Belastungen derart erhöht und leider haben die Aufgaben derart zugenommen, dass sich das Mehr an Personal in keiner Weise in Form von Entlastungen auswirkt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausgerechnet in dieser Situation – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – fordert der Minister selbst mehr Lohn und Gehalt für Erzieherinnen und Erzieher. Herr Minister, ich kann nur mit Erich Kästner antworten: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – Dann machen Sie es!

(Beifall von der SPD)

Erhöhen Sie die Pauschalen, und geben Sie den Trägern die Möglichkeit, in den Verhandlungen mit den Tarifpartnern höhere Bedarfe zu decken. Aber nein, das tun Sie eben nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe das für meine Kommune ausrechnen lassen. Die Wahrheit über die Verteilung der Lasten im KiBiz sieht so aus: Die Kommunen zahlen zwei Drittel. Das ist die Zahl. Zwei Drittel zahlen die Kommunen, und ein Drittel gibt es vom Land beziehungsweise vom Bund.

(Zuruf von der CDU: Dazu sind Sie gesetzlich verpflichtet!)

Jede Steigerung bedeutet, es wird den Kommunen mehr Verantwortung zugemutet. Herr Minister, darum geht es Ihnen im Kern. Sie wollen Verantwortung abwälzen. Im GTK hat man sich noch dazu bekannt, dass das Land eine gehörige Verantwor

tung in der Erziehung der Kinder und der Ausstattung der Kitas hat. Das wälzen Sie ab. Sie kommunalisieren. Sie wollen diese Verantwortung nicht mehr haben.

Das führt zu Ungleichheit, und diese Ungleichheit, Herr Minister, ist systemimmanent. Diese Ungleichheit wollten Sie mit dem KiBiz erreichen, und die gibt es leider auch bei den Erzieherinnen und Erziehern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei wollen wir doch das Beste aus unseren Kindern herausholen. Wir wollen ihre Begabungen wecken. Wir wollen versuchen, ihre naturwissenschaftlichen Begabungen zu wecken. Wir wollen versuchen, Herr Minister, ihre sozialen und ihre sportlichen Begabungen zu wecken. Das geht nur mit einer optimalen Ausstattung. Aber es ist möglich.

In Anbetracht dieser Landesregierung beende ich meine Rede mit einem Zitat von Wolfgang Neuss. Wolfgang Neuss hat gesagt: „Stell’ Dir vor es geht und keiner kriegt’s hin“. – Ich glaube, das beschreibt die Situation dieser Landesregierung am besten. Stellen Sie sich vor, es geht – man könnte die Kinder bestens fördern –, aber von denen, die hier rechts und links sitzen, kriegt es keiner hin. Das ist die momentane Situation.

Unsere Solidarität gilt den Erzieherinnen und Erziehern. Von hier aus ein großes Dankeschön. Sie machen einen Superjob. Halten Sie etwas durch! Ich hoffe, 2010, wenn diese Regierung weg ist, werden sich die Rahmenbedingungen für Sie wieder deutlich verbessern.

(Lachen von der CDU)

Dazu stehen wir auf jeden Fall. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch albern! Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Danke schön, Herr Jörg. – Für die FDP spricht nun der Kollege Lindner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zuletzt vor einigen Jahren ein Praktikum in einer Kindertageseinrichtung absolviert, damals auf Vermittlung des auch hier bekannten Gerhard Stranz. Ich habe damals für mich mitgenommen, dass der Beruf der Erzieherin, des Erziehers ein echter Knochenjob ist, der angesichts der Bedeutung, die er hat, viel zu wenig gesellschaftliche Anerkennung für das ganz persönliche Engagement und für die damit verbundene Liebe zu den Kindern erfährt.

Deshalb begrüßen wir es und halten es auch für richtig, dass wir eine Diskussion über den Erzieher

beruf, über seinen gesellschaftlichen Stellenwert und über die Perspektiven einer Aufwertung führen. Dazu ist heute Gelegenheit. Aber ich bitte auch, genau in den Blick zu nehmen, wie sich das Berufsbild und die individuelle Lebenssituation der Erzieherinnen und Erzieher heute darstellen.

Lieber Wolfgang Jörg, wenn du hier Wolfgang Neuss zitierst und sagst, wir hätten die Situation nicht in der Weise zu verbessern vermocht, wie wir uns das alle wünschen, dann muss ich dich fragen: Wer hat eigentlich die Personalsituation in den Kindertageseinrichtungen in den Zustand gebracht, in der sie sich heute in Nordrhein-Westfalen befindet?

(Beifall von der FDP – Wolfgang Jörg [SPD]: KiBiz! – Zurufe von den GRÜNEN)

Das war nicht das KiBiz, lieber Wolfgang Jörg. Die größten Einschnitte in den Personalstandard der Kindertageseinrichtungen hat es 1998/99 gegeben.

(Beifall von FDP und CDU)

Da ist die zweite Kraft in den Gruppen von der Fachkraft zur Ergänzungskraft geworden. Rot-Grün hat es damals ermöglicht, dass in 50 % der Gruppen

(Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE])

hören Sie sich das an, Frau Asch! – die Ergänzungskraft durch Berufspraktikanten ersetzt werden konnte, übrigens auf Druck der katholischen Kirche. Das ist Ihr Vermächtnis!

(Beifall von der FDP – Zuruf von Andrea Asch [GRÜNE] – Wolfgang Jörg [SPD]: Heu- te gibt es keine Berufspraktikanten mehr!)

Das ist heute das wohlfeile Geschwätz der Opposition. Ihr habt aber, als ihr konkret in der Verantwortung wart, dafür gesorgt, dass es zu diesen Überlastungssituationen gekommen ist. Das ist die Realität; die kann man doch nicht leugnen.

(Beifall von der FDP)

Wohlfeiles Geschwätz ist das: Solidarität der Grünen!

(Andrea Asch [GRÜNE]: Sie haben mich doch gar nicht gehört, und jetzt regen Sie sich plötzlich künstlich auf!)

Ihre Verantwortung wäre es gewesen, so etwas zu verhindern. Sie haben aber 98/99 die Hand für diese Veränderungen gehoben.