Protocol of the Session on May 27, 2009

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Becker. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

(Christian Lindner [FDP]: Becker ist 2020 in Pension!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Zunächst muss man mal feststellen, dass der Finanzminister der SPD in Berlin auch der Finanzminister der CDU ist. Denn meines Wissens handelt es sich immer noch um eine Große Koalition. Von daher muss man konstatieren, diese Verschuldungspolitik wird im Konsens gemacht. Man kann sich nicht so leicht davon distanzieren, wie es gerade vom Kollegen Klein von der CDU versucht wurde.

Der nächste Punkt! Ich frage mich – ich hätte wohl auch besser Mittagessen gehen sollen wie viele andere Kolleginnen und Kollegen angesichts dieser absurden Debatte, die man gerade im Landtag erlebt –: Was soll eigentlich dieser Antrag? Wenn Sie Schulden bremsen wollen, dann machen Sie es doch! Ich weiß nicht, ob Sie es schon gemerkt haben: Sie sind in der Regierung. Sie haben die Möglichkeit, die Schulden tatsächlich zu bremsen, wenn Sie das wollen.

Fakt ist, Sie haben es nicht getan, sondern Sie haben die Schulden immer weiter erhöht. Man kann

lange darüber debattieren: Wie viel, wie wenig, wie auch immer? Aber Fakt ist, Sie haben es getan – und das, wie das schon öfter hier gesagt worden ist, bei Rekordeinnahmen, wie wir sie im Land Nordrhein-Westfalen noch nie hatten. Das ist die Realität.

Die Realität ist aber auch, dass Sie sich über die Wahl retten wollen, besonders in Berlin. Ich habe mal den „Focus“ von dieser Woche mitgebracht, in dem unter der Überschrift „Finanzkrise – Wer rettet die Steuerzahler?“ Folgendes steht:

Mit immer neuen Hilfsprogrammen stemmt sich die große Koalition gegen den Konjunkturabsturz. Bei den Bürgern schlägt die saftige Rechnung der hektischen Manöver erst nach der Bundestagswahl ein.

Diese Politik machen Sie im Moment. Das ist das System der Selbstrettung. Sie versuchen sich selbst über die Wahlen zu retten. Das ist Ihre Politik. Die FDP macht sogar noch Steuersenkungsversprechen.

(Christian Lindner [FDP]: Wie die SPÖ in Ös- terreich!)

Wie diese völlig missratenen Haushalte dann überhaupt konsolidiert werden sollen, ist noch eine ganz andere Frage.

Die Linke, für die ich hier spreche, hat sehr konkrete Vorschläge gemacht. Wir wollen den Spitzensteuersatz auf 53 % erhöhen. Wir wollen eine Millionärssteuer. Sie wird jetzt auch von 23 Millionären, wie ich vor ein paar Tagen in der Zeitung lesen konnte, unterstützt. 23 Millionäre haben eine Initiative gegründet und sagen: Jawohl, wir wollen diese Millionärssteuer. – Die wollen freiwillig bezahlen.

(Christian Lindner [FDP]: Die können spen- den!)

Hören Sie sich das an, Herr Lindner. Sie selber haben mit Ihrer Firma auch schon einen Konkurs hingelegt. Hören Sie sich das mal sehr genau an. Es gibt Millionäre, die gerne bezahlen wollen, weil sie meinen, etwas für diesen Staat tun zu müssen. Sie stellen nicht nur die Frage: „Was kann der Staat für mich tun?“, sondern sie wollen konkret etwas für den Staat tun.

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie an Regierungspolitik in Nordrhein-Westfalen machen. Ich kann nur feststellen: Sie haben in der Finanzpolitik völlig versagt. Das ist leider die Realität. Die Steuerzahler und vor allem diejenigen, die am unteren Niveau der Einkommen liegen, und diejenigen, die gar keine Steuern zahlen, weil sie gar nicht dazu in der Lage, die vor allem Hartz-IV-Empfänger sind, werden letztendlich diese Rechnung bezahlen müssen, und zwar durch Kürzungspakete, die es nach der Bundestagswahl geben wird, und über Steuererhöhungen.

Diejenigen, die es eigentlich angehen sollte, nämlich die Spitzenverdiener, werden geschont. Bei der Erbschaftsteuerreform haben Sie auch schon die Chance verpasst, den Millionären, die das Geld überhaupt nicht verdient haben, den reichen Kindern von reichen Erben, das Geld aus der Tasche zu ziehen. Auch das haben Sie nicht gemacht. Das ist Ihre Politik, und das ist genau das Gegenteil von sozialer Politik.

Von daher kann ich nur sagen: Das geht völlig in die falsche Richtung. Dieser Antrag ist absurd, aber ich habe trotzdem einen Entschließungsantrag dazu gestellt, der in eine völlig andere Richtung geht. Aber der von Ihnen gestellte Antrag ist derartig absurd, wie man es kaum ausdrücken kann.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ich kenne den An- trag gar nicht! – Horst Becker [GRÜNE]: Ich auch nicht!)

Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Dr. Linssen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor zwei Jahren hat es einen bemerkenswerten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegeben, Drucksache 14/4338 vom 15. Mai 2007.

Dort steht unter Ziffer 5 – ich darf mit Erlaubnis des Präsidenten zitieren –:

Die stete und steigende Nettoneuverschuldung der öffentlichen Hand muss beendet werden. Das grundlegende Ziel der Haushalts- und Finanzpolitik muss darin bestehen, über einen Konjunkturzyklus hinweg die Haushalte von Bund und Ländern ausgeglichen zu gestalten, also nachhaltige Haushaltspolitik zu betreiben.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Das sollten Sie mal machen, Herr Finanzminister!)

Dies bedeutet, dass im Konjunkturabschwung die Ausgaben höher sein dürfen als die Einnahmen, in Phasen konjunktureller Belebung aber Überschüsse erwirtschaftet werden müssen.

(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Der Bund und die Länder führen deshalb eine Schuldenbremse ein. Unterstützungs- und Sanktionsinstrumente bei der Verletzung der Verschuldungsregeln müssen entwickelt werden.

(Horst Becker [GRÜNE]: Richtig!)

Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft aus dem Jahr 1967 muss modernisiert werden.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Alles richtig, Herr Minister!)

Herr Groth, Herr Becker, genau das passiert zurzeit in Berlin.

(Gisela Walsken [SPD]: Nein! Ist doch nicht wahr! – Horst Becker [GRÜNE]: Sie leben in einer Parallelwelt! – Weitere Zurufe von SPD und GRÜNEN)

Wir führen eine Schuldenbremse ein; wir führen sie mit den Unterstützungs- und Sanktionsinstrumenten ein – alles, um eine nachhaltige Haushaltspolitik zu ermöglichen.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Ich wundere mich jetzt über den Zwischenruf von Frau Walsken. Denn es ist ja Ihre Partei, die am Freitag – wie ich mir sicher bin – der Schuldenbremse im Deutschen Bundestag zustimmen wird. Wir werden es im Bundesrat auch tun.

Ich wundere mich darüber, wie Sie offensichtlich – ich sage es ganz deutlich; das habe ich in den letzten Tagen aus vielen Gesprächen mit Mitgliedern Ihrer Fraktion erfahren können – auf den NahlesFlügel, das heißt auf den linken Flügel der SPD in Nordrhein-Westfalen und im Bund, abgedriftet sind.

(Beifall von der CDU)

Sie besetzen mittlerweile das linke Spektrum und haben Abschied genommen von Vorstellungen, die zum Beispiel Steinbrück in Berlin noch entwickelt.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Becker?

Ja.

Bitte schön, Herr Kollege Becker.

Herr Minister, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass unsere Fraktion – übrigens auch Herr Kuhn, den Sie vorhin wenigstens ansatzweise gelobt haben – immer gefordert hat – was ich vorhin auch vorgetragen habe –, erstens eine Regelung für die Kommunen, insbesondere für die strukturschwachen Kommunen, zu entwickeln, zweitens, dass die Einnahmeseite für die Länder geregelt werden muss? Drittens – so möchte ich selbst hinzufügen; das ist dann nicht Kuhn – hat man natürlich noch keinen Schuldenabbau dadurch betrieben, dass man beschließt, dass 2020 die Regel in Kraft treten soll. Ich gehe davon aus, dass auch Sie davon ausgehen, dass Sie dann nicht mehr Finanzminister sind.

Ich sehe in Ihrem Antrag von damals, den ich verlesen habe,

nicht, dass die Kommunen jetzt unbedingt in dieses System hineingenommen werden sollen. Das sei einfach so festgehalten.

Es gab sicherlich unterschiedliche Meinungen sogar bei den kommunalen Spitzenverbänden, ob sie mit hinein wollten oder nicht; das wissen Sie. Sie haben jetzt die Meinung vertreten, die müssen mit hinein. Natürlich haben wir die Probleme, die Sie geschildert haben. Das heißt, wir müssen auf die Kommunen acht geben, wir müssen auf Personalkosten acht geben, wir müssen unsere Pensionsverpflichtungen einbeziehen. Das alles können wir vielleicht auch in den Diskussionen vertiefen, die wir im Ausschuss hoffentlich haben werden.

Ich möchte Ihnen, Herr Sagel, nur so viel sagen. Sie haben erklärt: Bremsen Sie doch. – Ja, wir haben gebremst wie kein anderer.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Sie haben hier von 1995 bis 2000 trotz steigender Steuereinnahmen immer mehr Schulden gemacht, ich meine nicht Schulden insgesamt – das ist selbstverständlich –, sondern ständig steigende Nettoneuverschuldung. Schauen Sie sich die Nettoneuverschuldung von 2000 gegenüber 1995 und die Steuereinnahmen, das Mehr, das inzwischen stattgefunden hat, an.

Wir haben 92 % – damit es hier noch einmal gesagt wird – aller Steuermehreinnahmen, die dem Land zur Verfügung stehen, für die Senkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt. Das hat es noch nie gegeben; da können Sie in der ganzen Bundesrepublik nachsehen.

Natürlich ist der Gegenwartskonsum, Herr Becker, Herr Körfges und alle anderen, die dazu gesprochen haben, immer drängend. Aber Sie werden die nächste Generation von überbordenden Belastungen nur befreien können – wir haben ihr jetzt 1,6 Billionen € Schulden auf die Schultern geladen –, wenn Sie nicht jedem Gegenwartskonsum stattgeben.

Dann ist der Bildungsbereich im Konflikt mit anderen Bereichen. Sie müssen zum Beispiel sehen, dass diese Regierung dem Bildungsbereich, der Förderung der unter Dreijährigen und dem Kindergartenbereich unglaublich mehr Mittel zugeführt und dabei noch konsolidiert hat. Das ist eben möglich.