Protocol of the Session on May 27, 2009

(Zurufe von der FDP)

Ich glaube, da wird es sehr deutlich.

(Beifall von der SPD – Weitere Zurufe von der FDP)

Nein, Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren ist für uns der Grundsatz und bleibt unser Grundsatz. Und das gilt auch für den Einzelhandel. Hertie haben wir verloren, Woolworth haben wir verloren. Wenn Karstadt jetzt auch noch in die Insolvenz geht, dann bedroht das auch unsere Innenstädte. Die wichtige Funktion von Kaufhäusern für unsere Innenstädte müssen wir in den Blick nehmen. Dafür wird die SPD kämpfen, hier und auch in Berlin, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Und eins sage ich ganz klar: Politik muss sich in der Krise bewähren. Das ist jetzt nicht die Zeit, lieber Kollege Lindner, lieber Kollege Papke, dass wir da irgendwelche Lehrbücher aus dem Regal ziehen und versuchen, Seite 280 aufzuschlagen, um nachzuschauen. Nein, darum geht es nicht.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Es geht darum, jetzt in der Krise die Arbeitsplätze zu sichern. Jetzt in der Krise muss Politik sich bewähren. Da wäre es gut, wenn wir ein gemeinsames Signal aussenden könnten, denn wir werden am Ende daran gemessen, was wir gemeinsam für den Standort Nordrhein-Westfalen erreicht haben. Bei Ihren Debatten wird mir angst und bange, was aus diesem Standort Nordrhein-Westfalen werden wird, meine Damen und Herren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kraft. – Für die FDP spricht nun Herr Dr. Papke.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Da bin ich ge- spannt!)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kraft, dass Sie in einer derart ernsthaften und wichtigen Debatte mit einem solchen Milchmädchenplädoyer für unbegrenzte Staatswirtschaft hier aufwarten,

(Beifall von der FDP)

hätte ich Ihnen wirklich nicht zugetraut.

(Minister Dr. Helmut Linssen: Ja, absolut rich- tig!)

Ich will das gleich noch vertiefen. Aber es ist der Situation in keinster Weise angemessen und kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein, Frau Kollegin Kraft, dass Sie das als einzige Botschaft hier vortragen. Darauf werde ich noch zurückkommen.

Der Ministerpräsident wird heute bei den anstehenden Gesprächen über die Zukunft von Opel im Kanzleramt die Interessen Nordrhein-Westfalens vertreten. Er wird selbstverständlich diese Gespräche führen mit voller Rückendeckung der Koalition, und er wird die Interessen Nordrhein-Westfalens wirkungsvoll vertreten, genauso wie ihm das bisher immer gelungen ist.

Wir setzen darauf, dass es ihm auch gelingt, die Bedingungen für einen Opel-Rettungsplan zu verankern, die meine Fraktion gestern noch einmal ausdrücklich formuliert hat und für die wir – das ist gerade auch bei den Ausführungen von Herrn Kollegen Wittke deutlich geworden –erfreulicherweise die volle Unterstützung unseres Koalitionspartners erfahren.

Aber ich verhehle nicht, dass die FDP den Prozess über die mögliche Rettung von Opel, der seit Monaten in Berlin abläuft oder auch nicht abläuft, mit großer Skepsis betrachtet. Das will ich ebenso klar sagen. Man muss seit Wochen den Eindruck gewinnen, dass es weniger darum geht, in der Sache weiterzukommen, in einer Konstellation, die wir ja nicht erst seit gestern kennen, sondern dass es eher darum geht, sich innerhalb des permanenten Wahlkampfs der Großen Koalition medial möglichst günstig zu positionieren. Das ist der Sache unangemessen und gefährlich.

Frau Kollegin Kraft, seit Monaten ist doch bekannt, in welch prekärer Lage sich Opel befindet. Seit Monaten steuert der Mutterkonzern General Motors auf eine Insolvenz zu. Und wenige Stunden vor dieser möglichen Insolvenz liegen Konzepte von potenziellen Investoren vor, die der zuständige Bundeswirtschaftsminister noch vor wenigen Tagen in aller Öffentlichkeit als völlig unzureichend bezeichnet hat. Das ist doch die Situation.

Seine Staatssekretärin hat gestern Abend noch vor laufenden Fernsehkameras erklärt, sie wolle gar nicht von Investoren sprechen; das seien allenfalls Interessenten, so dünn seien die Konzepte. Deshalb stellen wir die Frage – und wir sind sehr gespannt, wie das heute Abend ausgehen wird –, auf welcher Basis eigentlich Milliarden teure Subventions- und Bürgschaftszusagen gemacht werden sollen, meine Damen und Herren, wenn die Spitze des zuständigen Ressorts der Bundesregierung in aller Öffentlichkeit die Belastbarkeit der bisher vorliegenden Konzepte infrage stellt.

(Beifall von der FDP)

Was, Frau Kollegin Kraft, soll denn dort überhaupt verabredet werden? Auf welcher Grundlage soll der Steuerzahler in die Pflicht genommen werden?

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Das müssen Sie den Ministerpräsidenten fragen!)

Auch die FDP will Opel helfen. – Nein, ich will mich anders ausdrücken: Die FDP will den Mitarbeitern

von Opel und ihren Familien helfen und ihnen eine sichere Zukunftsperspektive eröffnen.

(Beifall von der FDP)

Das ist ein großer Unterschied, meine Damen und Herren.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Uns geht es um die Zukunftsperspektiven für Menschen und nicht um den Erhalt von Strukturen. Das ist eine stringente Linie unserer Wirtschaftspolitik bei der Erneuerung Nordrhein-Westfalens.

Wer den Opelanern wirklich helfen will, der darf ihnen eben nicht das Blaue vom Himmel versprechen, so wie Sie das hier, Frau Kollegin Kraft, gerade wieder einmal in unverantwortlicher Art und Weise getan haben!

(Beifall von der FDP – Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist unfair! – Zurufe von den GRÜNEN)

Es ist doch an Absurdität nicht zu überbieten, dass Sie die Frechheit haben, diese Ewigkeitsgarantien, mit der Sie seit Monaten im Subventionsbergbau unterwegs sind, jetzt eben noch auf Opel Bochum auszuweiten.

(Beifall von der FDP)

Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir versprechen Ihnen alles!

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Totaler Quatsch!)

Jeder Arbeitsplatz bleibt erhalten, was es auch immer kosten mag; wir versprechen euch alles. – Ist das seriöse Politik, Frau Kollegin Kraft? Doch wohl nicht.

Ich sage Ihnen, auch wenn Sie Milliarde nach Milliarde in Opel hineinpumpen: Wenn es nicht gelingt, dieses Unternehmen wieder wettbewerbsfähig zu machen, wenn es nicht gelingt, dass Opel Fahrzeuge verkauft, dass Opel sich am Markt behauptet, dass Opel Gewinne erwirtschaftet, dann wird es keine Zukunft für dieses Unternehmen geben, auch wenn Sie noch so viele Steuermilliarden ohne irgendeinen Vorbehalt dort versenken wollen, Frau Kollegin Kraft!

Damit wir hier Klarheit bekommen, über welche Dimensionen wir reden: General Motors hat im Bilanzjahr 2007 38,7 Milliarden $ Verlust gemacht. Zu der Zeit war von der Finanzmarktkrise noch nicht die Rede. In 2008 lag der Verlust von General Motors bei 30,9 Milliarden $.

(Johannes Remmel [GRÜNE]: Haben Sie das schon einmal dem Ministerpräsidenten vorgetragen?)

Heute Morgen berichtet die „New York Times“, dass nach den bisherigen Subventionen des amerikanischen Staates für General Motors in Höhe von 20 Milliarden $ die amerikanische Regierung jetzt

bereit sei, weitere 50 Milliarden $ an Subventionen bereitzustellen. Wollen Sie so etwas in Deutschland haben? – Wir sagen: Nein!

(Beifall von der FDP)

Wir wollen diese Mittel in die Zukunft unseres Landes investieren – wenn es sein muss, in neue Arbeitsplätze für Opel-Mitarbeiter in Bochum und an anderen Standorten. Wir sind nicht bereit, die Steuerzahler auf ein solches Himmelfahrtskommando zu schicken. Dazu sind Sie offenbar bereit, und das ist eine zutiefst verantwortungslose Haltung, die Sie in dieser wichtigen Debatte eingenommen haben, Frau Kollegin Kraft.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen ein solches Fass ohne Boden nicht; wir werden es nicht akzeptieren. Wir sind in großer Sorge, dass der Politik in Deutschland momentan jedes Schamgefühl abhanden kommt, wie man mit dem Vermögen unseres Volkes verantwortungsvoll umzugehen hat.

(Beifall von der FDP)

Das ist die große Gefahr, die wir in dieser Situation sehen. Heute Morgen hat Herr Steinbrück vor laufenden Kameras schon die nächste Blankozusage für Arcandor gegeben.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ja!)

Porsche, Schaeffler – die Dame mit den Pelzen –, die stehen doch alle schon Schlange und werden, wenn der Dammbruch bei Opel erfolgt, die nächsten Milliarden abgreifen.

(Zurufe von der SPD)