Protocol of the Session on May 7, 2009

(Beifall von CDU und FDP)

Lehrerinnen und Lehrer stellen keine Güter her, deren Qualität oder Nichtqualität man vielleicht hinnehmen könnte, sondern sie unterrichten, sie erziehen und – das heißt für unsere Kinder – sie gestalten Zukunft. Damit werden in diesem Beruf beson

dere Anforderungen an die Eignung gestellt. Deshalb habe ich mich im Gesetzgebungsprozess von Anfang an dafür eingesetzt, dass die Eignung für den Lehrerberuf möglichst vor Beginn eines Lehrerstudiums geprüft werden soll.

Ich bin sehr einverstanden damit, dass die zuständigen Ausschüsse des Landtages dieses Ziel genauer gefasst haben. Wer Lehrerin, wer Lehrer werden will, soll frühzeitig wissen, auf welche beruflichen Anforderungen er bzw. sie sich einlässt. Dazu gehören sicherlich nicht nur fachliche Anforderungen. Deshalb werden wir die Praxisanteile vor, während und nach der universitären Phase besser aufeinander abstimmen und ihren Ertrag durch eine intensive Betreuung optimieren.

Der Lehrerberuf birgt hohe Verantwortung, gleich in welcher Schulform. Nach außen hin bringen wir dies durch eine gleich lange Studienzeit zum Ausdruck. Niemand im Lande soll mehr sagen: Ach, du bist ja nur Grundschullehrer, du machst ja nur Grundschule. – Ich danke ausdrücklich der Fraktion der Grünen, die dieses in ihrem Entschließungsantrag gewürdigt hat.

Meine Damen und Herren von der Opposition, an dieser Stelle kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen: Der von Ihnen bereits im LABG 2002 angelegte Schulformbezug – man höre: Schulformbezug – wird nun profiliert und geschärft.

(Beifall von CDU und FDP)

Auch gibt es kein Nebeneinander, kein Nacheinander oder gar ein Gegeneinander von Bildungsphasen zwischen Universität und schulpraktischer Ausbildung mehr. Wir wollen ein Miteinander, mit klaren Abgrenzungen und Verantwortlichkeiten, weil wir das gleiche Ziel haben. Ein Beispiel dafür ist das Praxissemester im Masterstudium. Ich sehe mit Freude, dass diese Perspektive mehr und mehr positiv gesehen wird.

Eine unserer wichtigen Aufgaben wird sein, die Fachdidaktik flächendeckend zu stärken. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung von Qualität in der Lehrerausbildung. Wobei wir bei aller Fachlichkeit, meine Damen und Herren, nicht vergessen dürfen: Es geht uns um den ganzen Menschen und die Herausbildung seiner Gesamtpersönlichkeit. Die beschränkt sich keineswegs nur auf Wissen.

Eine so große Aufgabe wie die jetzt anstehende Reform der Lehrerausbildung ist nicht an einem Tag oder in einem Jahr zu bewältigen. Zunächst erhalten die Hochschulen die notwendige Zeit zur Umstellung und – besonders wichtig – für die Akkreditierung der neuen Studiengänge. Der obligatorische Umstellungszeitpunkt 2011 gesteht sogar deutlich mehr Zeit zu als gefordert.

Wir werden die Entwicklung begleiten und unterstützen, auch – das sei deutlich unterstrichen – mit

ausreichenden Mitteln für Schulen und Hochschulen. Die Landesregierung hat hier Zusagen gemacht, und sie steht dazu. Erstmalig – das darf ich an dieser Stelle sagen – gibt es Mittel sogar für Praxisphasen. Das hat es bisher nie gegeben.

(Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wenn wir schon über Zeit sprechen: Ich erwarte von der Opposition natürlich keinen enthusiastischen Zuspruch zu dieser Reform. Aber vor dem Hintergrund, dass wir zwei Jahre an diesem Projekt gearbeitet, miteinander gesprochen, uns ausgetauscht, gegenseitig Neues und Bekanntes eingebracht haben, frage ich Sie: Warum haben Sie während dieser Zeit nicht einen eigenen Reformvorschlag gemacht? Warum ist Ihnen immer nur daran gelegen, an Klein-KleinKritik haften zu bleiben? An dieser Stelle hätte ich auch etwas von Ihrer Seite erwartet.

(Sigrid Beer [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Sehr geehrte Frau Beer, ich werde wie immer Ihre Frage nicht beantworten wollen.

(Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Vielleicht liegt es daran – das ist meine große Mutmaßung –, dass Sie selbst insgeheim wissen, was Prof. Baumert gesagt hat. Ich wiederhole es, Frau Pieper-von Heiden hat es eben angesprochen: Nordrhein-Westfalen kann mit dem neuen Lehrerausbildungsgesetz eine proaktive, sogar führende Rolle in Deutschland einnehmen. Dafür gibt es Anzeichen aus verschiedenen Bundesländern.

Meine Damen und Herren, arbeiten wir daran dass aus diesem „kann“ ein „wird“ wird. – Vielen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin Sommer. – Für die SDP-Fraktion spricht Herr Kollege Trampe-Brinkmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Sommer, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie dem Eindruck, den die Kollegen der Regierungskoalition hier hinterlassen haben, dass unsere Lehrer an den nordrhein-westfälischen Schulen keine gute Arbeit leisten würden, ein Stück weit widersprochen und sie für ihr bisheriges Tun ausdrücklich gelobt haben.

(Beifall von der SPD)

Auch wenn Herr Lindner gerade nicht zuhört:

(Christian Lindner [FDP]: Sehr aufmerksam!)

Man kann dieses Gebrabbel von der Einheitsschule langsam nicht mehr hören. Herr Lindner, wenn Sie ein Einheitstrauma haben, machen Sie mit dem Lehrerausbildungsgesetz in der Form weiter, bauen

Sie weiter Mauern auf, verhindern Sie Durchlässe und leben Sie weiter in Ihrer Dreigliedrigkeit, die nicht zeitgemäß und zukunftsweisend ist.

(Beifall von der SPD)

Ihren Gesetzentwurf muss man wohl eher mit einem Hausbau vergleichen. Er gleicht einem Rohbau, an dem uns auch aus Sicht der Opposition im Augenblick drei Geschichten gefallen: Erstens. Es gefällt uns, dass wir über alle Lehrämter eine gleich lange Ausbildungsdauer haben. Zweitens. Wir sind damit einverstanden, dass die Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten eingerichtet werden. Drittens. Wir haben wir uns auch nicht dagegen gesträubt, dass mit dem ersten Staatsexamen die Prüfungsbelastung für die Studenten deutlich reduziert wird.

Bleiben wir im Bild des Hausbaus, muss man sich aber auch fragen, wie ein solcher Hausbau eigentlich stattfindet. Es gilt die alte Handwerkerweisheit: Bau’ das erste Haus für denen Feind, bau’ das zweite Haus für deinen Freund, das dritte bau’ dann für dich selber.

Dafür muss man aber Voraussetzungen schaffen: Man braucht ein Grundstück, man braucht einen Architekten, man muss einen Generalunternehmer haben, und man muss die Finanzierung geklärt haben. Und letztlich muss man hoffen, dass man das Häuschen in eine nachbarschaftliche Umgebung setzt, in der man hinterher zufrieden wird.

Wenden wir uns diesen einzelnen Punkten zu. Was ist denn mit dem Grundstück? Wir haben es für Sie vorbereitet. Die Kritik am Lehrerausbildungsgesetz 2002 ist insofern nicht angebracht, weil wir uns 2002 schon auf den Weg gemacht haben, den Bologna-Prozess in Nordrhein-Westfalen umzusetzen. Wir haben mit unseren Modellversuchen an sechs Universitäten in Nordrhein-Westfalen das Grundstück vorbereitet, und Sie werfen alles um. Sie schmeißen das Fundament weg und versuchen, ein neues Projekt zu starten, obwohl Sie auf unsere Vorarbeiten zurückgreifen könnten.

Weil Sie in dieser Art und Weise abgeräumt haben und den Modellversuch 2006 einfach haben auslaufen lassen, ohne die wissenschaftliche Evaluation, die wir gefordert hatten und die 2009 kommen sollte, abzuwarten, können Sie doch heute nicht von uns erwarten, dass wir mit eigenen Gesetzentwürfen Ihre Arbeit erledigen.

(Beifall von der SPD)

Als Nächstes brauchen Sie einen Architekten. Frau Boos hat schon die richtigen Antworten gegeben: Natürlich ist die Einsetzung der Baumert-Kommission der richtige Schritt gewesen. Man muss dem Architekten aber auch mitteilen, was man haben will. Sie haben ihm mitgeteilt, er solle sich die erste, die universitäre Phase anschauen. Herr Baumert hat es in der Anhörung ja auch gesagt: Es war eben nicht sein Auftrag, über die zweite Phase der Leh

rerausbildung ein Votum abzugeben. – Wenn Sie dem Architekten also sagen: „Bau’ mir ein eingeschossiges Haus“, Sie aber schon im Kopf haben, dass das Haus zweigeschossig werden soll, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass die tragenden Elemente der zukünftigen Lehrerausbildungsstruktur das Gebäude nicht halten und stützen können.

(Beifall von der SPD)

Schauen Sie sich auch noch einmal die zweite Phase an. Ich will die Diskussion an der Stelle nicht wiederholen. Die Experten haben gesagt: Es ist nicht möglich, in einer verkürzten Phase von zwölf Monaten die Handlungskompetenzen zu erlangen, die Sie mit diesem Lehrerausbildungsgesetz eigentlich verorten wollen.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir zu den Generalunternehmern. Leider ist Herr Stahl heute nicht hier. Er geht schon eine Woche vor Erscheinen des Expertenberichts der Baumert-Kommission an die Öffentlichkeit und berichtet, dass er ganz bestimmte Vorstellungen hat.

(Marc Ratajczak [CDU]: Das war intuitiv!)

Intuitiv? Das heißt, dass das nicht wissenschaftlich basiert ist, sondern dass Sie eine politische Umsetzung wollen.

Bei der Anhebung der Lebensaltersgrenze für Lehrer in Berufskollegs haben wir das wieder erlebt: Herr Stahl posaunt: 45 Jahre! – Dann sagt sein Subunternehmer, Herr Klein, im Haushalts- und Finanzausschuss: Das gilt alles nicht, das machen wir erst in der nächsten Legislaturperiode. – Das ist insofern konsequent, als der Hauptaktionär des Unternehmens, Herr Rüttgers, immer links blinkt und dann doch rechts abbiegt.

(Beifall von der SPD)

Auch die Finanzierung müssen Sie sich anschauen, damit wir keine zusätzliche Surprime-Krise bekommen.

(Rudolf Henke [CDU]: Sie haben ein schlech- tes Gewissen!)

Ein schlechtes Gewissen haben wir nicht. Sie wissen, dass Sie im Haushalt nächstes Jahr 40 Millionen € weniger haben werden als bisher.

Wir haben schon etwas dazu gesagt, wie die einzelnen Ressourcen verteilt werden. Die eigentliche Fragestellung lautet doch: Wenn Sie eine gleich lange Lehrerausbildung über alle Lehrämter generieren, müssen Sie die Besoldungsfrage für die nächsten Jahrzehnte beantworten. Es geht nicht, dass Grundschullehrer/-innen mit A 11/A 12 besoldet werden und Gymnasiallehrer/-innen ein oder zwei Besoldungsstufen höher.

Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss. Danke schön.

Ich komme zum Ende. – Ich möchte nur noch etwas zur Nachbarschaft sagen. Man muss sich in der Nachbarschaft einer Koalition ja darauf verständigen, was man eigentlich bauen will: Der gelbe Teil der Regierungskoalition möchte ein Zweifamilienhaus bauen, die schwarze Koalitionsfraktion möchte ein Dreifamilienhaus haben. Werden Sie sich einig. Ich glaube, Sie benötigen einen zweiten Hausbauversuch für einen Freund. Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, lassen Sie uns das machen; wir haben im Bauen von Häusern Erfahrung genug.

(Lachen von der CDU)