Die Dauer des Vorbereitungsdienstes soll auf zwölf Monate verkürzt werden. Auch dies halten wir für falsch. Eine qualifizierte Ausbildung, während der auch noch bedarfsdeckender Unterricht erteilt wird, ist unserer Meinung nach in zwölf Monaten nicht möglich. Entsprechend plädieren wir für 18 Monate.
Wir befinden uns hier im Einvernehmen mit vielen Experten aus der Anhörung. Zitat von Professor Baumert: „Wenn sie schon im Gesetzentwurf steht, würde ich die Mindestdauer betonen.“
Der Gesetzentwurf ist an vielen Stellen nicht konkret. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Das Gesetz wird in der vorliegenden Form der anspruchsvollen Aufgabe überhaupt nicht gerecht. Es ist zu schnell und zu kurz gesprungen.
Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu! Wir können dem Gesetzentwurf dann die Zeit geben, die wir brauchen, um die Lehrerausbildung zukunftweisend zu reformieren. Alles andere wäre schlecht für Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Boos. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Pieper-von Heiden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich über die zweite Lesung des Gesetzentwurfs zur Reform der Lehrerausbildung gerade heute und danke allen Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen
sowie den beiden Ministern der Landesregierung ganz besonders herzlich für dieses perfekte Geburtstagsgeschenk. Vielen Dank!
Ein Unterricht ist immer nur so gut wie die Lehrer, die ihn gestalten. Daher ist das neue Lehrerausbildungsgesetz ein Meilenstein für Nordrhein-Westfalen und die Voraussetzung dafür, die Qualität des Unterrichts in den Mittelpunkt zu stellen. Wir schaffen eine moderne Lehrerausbildung, um die uns die anderen Bundesländer schon bald beneiden werden.
Ich möchte hier – mit Erlaubnis des Präsidenten – aus der Stellungnahme von Herrn Prof. Dr. Ralle von der Technischen Universität Dortmund zitieren, der gesagt hat:
Als Meilensteine für die weitere Entwicklung der Lehrerbildung in NRW und damit auch in Deutschland können aus meiner Sicht die folgenden Punkte gelten: gleiche Umfänge der Studiengänge in den verschiedenen Lehrämtern, kontinuierliche Praxisausbildung mit Einführung eines Praxissemesters, besondere curricurale Hinwendung zur Primarstufenausbildung, Einführung zweier zentraler Querschnittsqualifikationen für alle Lehrämter (Deutsch für Schülerin- nen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte; Diagnostik und Förderung).
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass vor allem die Gleichwertigkeit der Lehrämter ein wichtiger Schritt ist. Wir stärken massiv die Primarbildung. Gerade diese Stärkung ist ein wichtiger Baustein in der individuellen Förderung. Je früher wir die Kinder konsequent fördern, desto besser können wir frühzeitig milieuspezifischen sozialen Problemen entgegenwirken. So erhalten alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft eine faire Chance, ihr Potenzial zu entfalten und sich im Leben zu behaupten. Wir ergreifen mit der neuen Lehrerausbildung auch den entscheidenden Schlüssel zur besten Gestaltung der Sozialpolitik. Wir stärken den Unterricht und damit die Bildung. Wir erhöhen mit der Stärkung der Primarbildung auch die Attraktivität des Grundschullehramts, um die geschlechtsspezifische Ausgewogenheit in den Lehrerkollegien an den Grundschulen endlich zu verbessern. Es gehören mehr Männer in die Grundschulen.
Um all diesen Ansprüchen zu genügen, ist es wichtig, dass wir das jeweilige Kind und seine individuellen Talente in den Blick nehmen. Mit der Stärkung der diagnostischen Kompetenz und der Fachdidaktik sowie dem Ausbau der Bildungswissenschaften nehmen wir diese Individualität in den Blick, statt einer ideologischen Einheitslösung das Wort zu reden.
Hierzu möchte ich Prof. Baumert zitieren, der ausgeführt hat: „Vielmehr sollte stattdessen eine spezifische fachliche Ausbildung absolviert werden, die
Und wir reagieren auf die Veränderungen in der Gesellschaft. Viele Kinder in Nordrhein-Westfalen haben heute einen Migrationshintergrund. Das bedeutet vielfach, dass die Beherrschung der deutschen Sprache an Grenzen stößt. Was wir mit den Sprachstandsfeststellungen begonnen haben, führen wir mit der neuen Lehrerausbildung konsequent fort. Mit der Einführung der Qualifikation „Deutsch für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte“ stärken wir für diese wachsende Gruppe die Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit zur Entfaltung aller Talente, unabhängig von ihrer Herkunft.
Meine Damen und Herren, ein zentrales Element der neuen Lehrerausbildung bilden ohne Zweifel die Praxisphasen. Wir schärfen den angehenden Lehramtsstudenten durch das Eignungspraktikum frühzeitig den Blick für ihre zukünftigen Aufgaben. So können sie prüfen, ob sie für einen der verantwortungsvollsten Berufe, die es gibt, geeignet sind.
Dass die Koalitionsfraktionen mit den Änderungsanträgen eine weitere Stärkung der Praxiselemente vorgenommen haben, ist aus meiner Sicht ausdrücklich zu begrüßen.
Durch die Polyvalenz des Studiums stellen wir sicher, dass die Entscheidung eines Studenten gegen die Fortführung eines Lehramtsstudiums nicht eine Studienzeitvergeudung bedeuten muss. Wir eröffnen den Studenten, wenn sie sich für den Lehrberuf ungeeignet fühlen, eine andere Perspektive. Sie müssen nicht mehr aus organisatorischen Gründen das Studium beenden und an die Schulen gehen, auch wenn sie für den Beruf des Lehrers gar nicht „brennen“. Denn nur die Sache, für die man „brennt“, macht man auch gut. Ich finde, das ist eine richtige Konsequenz, die sicherlich dafür sorgen wird, dass wir künftig Lehrerinnen und Lehrer haben, die ihren Beruf lieben, die Kinder lieben und die ihre Sache richtig gut machen werden.
Abschließend möchte ich noch einmal Prof. Baumert zitieren, der gesagt hat: Diese Ausbildungsreform „gibt dem größten Bundesland NordrheinWestfalen die Chance, in der Lehrerbildung eine proaktive und möglicherweise führende Rolle einzunehmen.“ Unser Ehrgeiz ist es, nicht nur möglicherweise, sondern sicher mit diesem Gesetzentwurf die führende Rolle in der Lehrerbildung zu übernehmen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, hoffe und bin zuversichtlich, dass auch die anderen Bundesländer auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfes bald nachziehen werden.
Glückwunsch zum Geburtstag nachträglich! Ich habe gerade erst davon gehört, weil ich heute Morgen nicht im Raum war.
Es spricht als Nächste für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, schon am Pult stehend, Frau Kollegin Beer.
Danke schön, Herr Präsident. – Frau Kollegin Pieper-von Heiden, Glückwunsch, aber der Geburtstagsweihrauch ist verzogen. Jetzt müssen wir leider zu der fachlichen Diskussion zurückkommen.
Gute Lehrerinnen und Lehrer braucht das Land, gute Lehrer/-innen brauchen vor allen Dingen die Schülerinnen und Schüler. Oft genug ist es eine Schicksalsfrage, welche Schule ein Kind besuchen kann und auf welche Lehrpersonen es dabei trifft.
Ob bei dem Feldversuch „Reform des Lehrerausbildungsgesetzes“, den CDU und FDP mit Hochschulen, Seminaren und Schulen veranstalten wollen, am Schluss wirklich gute Lehrkräfte herauskommen, das muss allerdings mit vielen dicken Fragezeichen versehen werden. Eigentlich hatten Sie gut begonnen, indem Sie eine hochkarätige Expertenkommission einberufen haben. Allerdings würde die dann gleich mit einem Denkverbot bezüglich der zweiten Phase, bezüglich der Schulstrukturfragen versehen; es könnte ja etwas dabei herauskommen, was nicht in die schwarz-gelbe SchulformKäseglocke passt.
Nach dem Kommissionsbericht begann die Zeit des Wartens. Mehrfach wurden Pressekonferenzen abgesagt, weil sich Schul- und Wissenschaftsministerium nicht einigen konnten. Und daran krankt dieser Gesetzentwurf noch heute. Das Hochschulfreiheitsgesetz und die staatliche Verantwortung für die Lehrerausbildung sind nur schwerlich in dieser Form zusammenzubringen.
Die Expertinnenanhörung hat die Knackpunkte noch einmal sehr deutlich werden lassen. Eine Leitidee im Kommissionsbericht hieß „bessere Praxis“. Ein Sammelsurium unverbundener Praxiselemente ohne konsistente Beratung war damit sicherlich nicht gemeint. Schon gar nicht gemeint war damit, die zweite Phase auf zwölf Monate zu stutzen und zu meinen, das könne durch ein Praxissemester in der vorgelegten Form kompensiert werden, dessen Chaospotenzial für die Hochschulen, Seminare und Schulen noch einiges in petto hat.
Auch das hat die Expertinnenanhörung noch einmal unterstrichen: Handlungskompetenz zu vermitteln, dafür sind die Universitäten am schlechtesten ausgestattet. Also starten demnächst Absolventinnen dieses Reformversuches von null auf hundert in den bedarfsdeckenden Unterricht, geben Zensuren, entscheiden damit über Schullaufbahnen und Ab
schlüsse. Dass sie das dann alle wirklich verantwortlich können, das muss in der Tat bezweifelt werden.
CDU und FDP lassen es auf einen Feldversuch auf dem Rücken der Schülerinnen ankommen, bei denen sich die Konflikte dann abladen werden – natürlich auch auf dem Rücken der Schulen. Die angekündigte Evaluation ist ein Witz. Sie greift erst dann, wenn das Kind gegebenenfalls schon in den Brunnen gefallen ist.
Meine Damen und Herren, wer einmal genau in den Vortext des Gesetzes schaut, der wird sehen: Sie provozieren mit Ihrem Entwurf eine massive Unterrichtslücke bei der Phasenumstellung. So rechnen Sie selbst vor: Es wird ein Stellenäquivalent von 634 Stellen beim bedarfsdeckenden Unterricht zu ersetzen sein. Woher nehmen und nicht stehlen, wo wir jetzt schon einen eklatanten Fachlehrkräftemangel haben?
Werden die Erfahrungen aus den Seminaren ernst genommen, dass bis zu 40 % der Lehramtsanwärter/-innen gar nicht in den BdU starten, dann wird es die Schulen noch einmal eiskalt erwischen, wenn von heute auf morgen die geplante Unterrichtsversorgung platzt.
Die Mehrkosten, die Sie für die Reform aufbringen, sind in erster Linie die Kosten für die Verlängerung des Studiums, um alle Lehrämter auf gleiche Ausbildungslänge zu bringen. Das ist allerdings ein Reformbaustein, den wir ausdrücklich begrüßen. Nur: Wer A sagt, muss auch B sagen und sich jetzt schon festlegen, was das für Besoldungskonsequenzen hat. Darum drücken Sie sich jedoch. Oder wollen Sie etwa eine Angleichung nach unten? Das werden wir von Ihnen heute hoffentlich endlich einmal verbindlich hören, wohin es geht.
Wer Ihr Finanztableau im Gesetzentwurf genauer unter die Lupe nimmt, stellt darüber hinaus fest, dass es nicht mehr, sondern weniger Mittel, nämlich – roundabout – knapp 50 Millionen € für die Praxis gibt. Die Praxis finanzieren Sie hauptsächlich aus den eingesparten Bezügen von Lehramtsanwärter(inne)n der zweiten Phase. Das muss auch einmal ganz deutlich gesagt werden.
Ich bin Herrn Kaiser dankbar für den Begriff, den er gestern in den abschließenden Beratungen im Schulausschuss benutzt hat. Er sagte: Wir haben das Praktikum neu designed. – Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, „umdesignen“ hilft nicht.
Schöne Begriffe und Überschriften helfen nicht, wenn das Fundament nicht stimmt. Das Schulgesetz lässt grüßen. Ihr Designmodell der ständischen Gesellschaft taugt nicht für ein Schulsystem und schon gar nicht für eine zukunftsgerichtete Lehrerausbildung.
Mit dem anachronistischen Masterprofil Hauptschule und Realschule bewegen Sie sich am Rande der Lächerlichkeit. Herr Pinkwart, das müsste doch zumindest Ihnen in dieser Veranstaltung peinlich sein.
Zu dem Problempotenzial in Bezug auf die Hochschulen und die unterschiedlichen Vorstellungen zu Lehrerausbildungszentren und Kooperationen mit dem Zentrum für Lehrerausbildung spricht gleich meine Kollegin. Aber schon aufgrund der bis jetzt dargestellten Unzulänglichkeiten kann es keine Zustimmung der Grünen zu diesem Gesetzentwurf geben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit einem Bekenntnis, das die Bildungspolitik der Landesregierung nachhaltig prägt: Wir wollen, dass jedes Kind, dass jeder Jugendliche unabhängig von seiner Herkunft seine Chancen, seine Talente nutzen und entfalten kann!
Im Interesse dieses Zieles haben wir in den letzten vier Jahren große Vorhaben in der Bildungspolitik auf den Weg gebracht. Ich nenne das neue Schulgesetz, das Kinderbildungsgesetz und das Hochschulfreiheitsgesetz. Sie alle vereint die Absicht, die Lebenschancen unserer Kinder zu verbessern, indem wir Vierjährige bereits systematisch sprachlich fördern, indem individuelle Förderung zum Grundprinzip des Lernens gemacht wird – keiner, meine Damen und Herren, geht verloren –, indem Diagnosekompetenzen an Erzieher/-innen und Lehrkräfte vermittelt werden, indem Vielfalt als Chance und Herausforderung betrachtet wird, indem zuerst die Stärken des Einzelnen im Mittelpunkt stehen und nicht die Defizite.
Dies macht konsequenterweise eine Neugestaltung der Lehrerausbildung notwendig. Mir als Schulministerin geht es mit diesem Entwurf zur Reform der Lehrerausbildung darum, künftige Lehrkräfte noch besser auf ihre Anforderungen vorzubereiten. Dabei darf nicht übersehen werden: Unsere Lehrerinnen und Lehrer leisten schon jetzt ganz überwiegend hervorragende Arbeit, wofür ich ihnen an dieser Stelle ausdrücklich danke.