Protocol of the Session on May 7, 2009

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir Sozialdemokraten haben ein anderes Kredo. Bei uns kommt der Mensch zuerst und nicht der Markt. Wir wollen, dass die Menschen in ihrem Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft und die Demo

kratie gestärkt werden. Sie hingegen lassen die Menschen mit ihren Sorgen alleine.

(Zuruf von Minister Dr. Helmut Linssen)

Blabla – da sind wir genau bei dem Punkt: Sonntags entdeckt der Ministerpräsident allzu gerne die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber von Montag bis Samstag bestimmt die FDP die Politik der Landesregierung.

(Beifall von Ralf Jäger [SPD])

Diese Politik ist kaltherzig und, wie sich jetzt zeigt, auch wirtschaftsfeindlich.

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Lachen und Zurufe von der FDP)

Wir Sozialdemokraten wollen die Instrumente nutzen, die eine antizyklische, wirtschaftsfreundliche Politik ermöglichen. Ich möchte drei Beispiele nennen, an denen deutlich wird, dass die Landesregierung wirtschaftspolitisch versagt.

Beispiel 1: Breitband für alle. Nicht erst seit dem Konjunkturpaket II werden die Bundeskanzlerin und der Bundeswirtschaftsminister nicht müde, Investitionen in Breitbanddatennetze als wichtige Infrastrukturinvestition zu lobpreisen. Recht haben sie – alle beide.

(Beifall von der SPD)

Auch in vielen ländlichen Regionen NordrheinWestfalens sind Unternehmen, aber auch Bürgerinnen und Bürger vom breitbandigen Internet abgekoppelt. Das hemmt wirtschaftliche Entwicklung ungemein. Bereits 2008 hat die Bundesregierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ dem Land NRW fast 1,1 Millionen € zweckgebunden für den Ausbau des breitbandigen Internets zur Verfügung gestellt.

(Zuruf von Ministerin Christa Thoben)

Im Jahre 2008 sind von diesen von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mitteln exakt null Euro – ich wiederhole: null Euro – von NordrheinWestfalen verausgabt worden. Schauen Sie sich die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage im Bundestag an! Istausgaben: null Euro von 1,1 Millionen €. Ob im Kreis Coesfeld, im Sauerland, am Niederrhein – Sie wissen das alles –: Diese Landesregierung versteckt sich hinter Worten, anstatt Taten sprechen zu lassen.

(Beifall von der SPD)

Beispiel 2: die Ziel-2-Förderung des Landes. „Privat vor Staat“, Wettbewerb vor Projektförderung – auch hier zeigt sich, dass die Landesregierung an den eigenen ordnungspolitischen Vorgaben klebt. Der Bewilligungsprozess für die Ziel-2-Projekte aus den von der Landesregierung ausgelobten Wettbewerben liegt weit unter Plan. Die eigenen Vorgaben werden um mehr als die Hälfte verfehlt.

Die Landesregierung sitzt auf dem Geld, das draußen dringend benötigt würde. Wir haben in diesem Jahr einen Wirtschaftseinbruch von 6 % zu erwarten und zu beklagen. Einen höheren Wert hat es noch nie gegeben. In dieser Situation ist diese Landesregierung nicht in der Lage, das von der EU zur Verfügung gestellte Geld in gute Projekte zu investieren. Das ist keine aktivierende Wirtschaftspolitik, Frau Thoben, das ist staatlich verordnete wirtschaftliche Depression, die Sie hier organisieren.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Beispiel 3: Die Krise ist längst in den Kommunen angekommen. Die Gewerbesteuereinnahmen gehen zurück. Ein stärkerer Einbruch wird folgen, das ist zu erwarten. Die Mittel, die den Kommunen aus den Konjunkturpaketen zur Verfügung gestellt worden sind, fließen derzeit jedoch nicht ab. Noch schlimmer: Gerade in strukturell besonders schwierigen Gebieten haben die Kommunen große Schwierigkeiten, ihre Haushalte genehmigt zu bekommen. Dort, wo investiert werden müsste, könnte und sollte, bei den Städten und Gemeinden, verhindert die restriktive Genehmigungspraxis des Landes, dass die Kommunen Schulen, Kindergärten und Sportplätze sanieren können. So geht das nicht.

Wir haben an anderer Stelle aufgezeigt, dass 2,4 Milliarden € an Landesmitteln zusätzlich in diese Investitionen fließen können. Doch zeigt sich: Die Schockstarre ist kein Phänomen von Frau Thoben allein, sondern ein Phänomen von Thoben, Wolf, Linssen und Rüttgers. Gemeinschaftlich verhindern sie, dass diese Investitionen getätigt werden können.

(Beifall von der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, diese Landesregierung hatte schon kein gutes Konzept für gute Zeiten. Sie hat aber gar kein Konzept für schlechte Zeiten. Es gibt kein Konzept für den Strukturwandel in den Bergbaurückzugsgebieten,

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

es gibt kein Konzept, mit dem auch private Investitionen, zum Beispiel bei der Gebäudesanierung, verstärkt ausgelöst würden,

(Ministerin Christa Thoben: Bitte?)

und selbst den Verwaltungsalltag bekommt sie nicht gestemmt. Die Bewilligungen stocken, die Landesregierung ist unfähig, die Strukturen der Wirklichkeit anzupassen.

Auch hier ein Beispiel: Zinsvergünstigte Kredite der NRW.BANK fließen nicht in gewünschtem Maße ab, weil insbesondere die privaten Hausbanken ihren Anteil nicht zu stemmen bereit sind. Es ist die Verantwortung dieser Landesregierung, diese Blockade zu lösen. In einer solchen Krisensituation muss die

NRW.BANK in dieser Frage handlungsfähiger gemacht werden.

(Beifall von der SPD)

Und, meine Damen und Herren, NRW wird durch die Krise härter getroffen als andere Regionen; das habe ich bereits zu Beginn gesagt. Deswegen muss hier in NRW auch härter gearbeitet werden als anderswo, um diese Auswüchse der Rezession abzumildern. Damit wir uns nicht missverstehen: Mit „härter arbeiten“ meine ich nicht, Sie sollen noch mehr reden – Sie müssen mehr handeln, Frau Thoben.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Von dieser Landesregierung gehen keine Impulse aus. „We love the new, but we forget to work” ist das Motto der wirtschaftspolitischen Realität dieser Landesregierung. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Eiskirch. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Post das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Eiskirch, das war ja „grandios“.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist genau dass, was ich meine: erst klatschen und dann hinhören.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie haben erst gesprochen, und dann haben wir geklatscht!)

Anders herum müssen Sie es tun.

(Zuruf von der SPD: Erst reden und dann nicht handeln!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben gefordert, hier Projekte vorzustellen. Das Konjunkturpaket funktioniert in diesem Land nur deshalb, weil diese Regierung in den letzten vier Jahren den Grundstein gelegt hat, dass wir überhaupt in der Lage sind, die Investitionen des Bundes mitzubezahlen.

(Zuruf von der SPD: Die Gemeinden hätten schon investieren können, wenn Sie den Geldhahn nicht zugedreht hätten, Herr Kolle- ge!)

Es sind immerhin 7 Milliarden aus diesem Land in diesen Topf geflossen.

(Beifall von CDU und FDP)

Ich werde das im Weiteren noch deutlich machen.

Diese Aktuelle Stunde sollte sicher dazu dienen, auch die Antragsteller auf den aktuellen Informati

onsstand zu bringen. Es ist nötig, meine Damen und Herren. Wir haben das an den beiden ersten Wortmeldungen gemerkt.

Sie fordern die Landesregierung auf, jetzt Vorschläge für ein Landeskonjunkturprogramm zu machen. Sie fordern Arbeitsmarktprogramme. Das war alles, was in Ihrem Antrag steht. Nein, Entschuldigung: Nicht einmal das steht in Ihren Anträgen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir haben doch gar keinen Antrag gestellt!)

Sie bestehen stattdessen aus Beschimpfungen und Behauptungen, dass nichts getan wird. Es ist die Pflicht einer Fraktion, die in Sorge um das Land ist – dieser Pflicht ist es nicht angemessen, sich so zu äußern –, sich mit den Inhalten zu beschäftigen und hier, wenn man etwas fordert, auch etwas vorzuschlagen, statt nur irgendwelche Vorhaltungen zu machen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Sie behaupten doch zu regieren! – Weitere Zurufe von der SPD)