Protocol of the Session on May 7, 2009

Ihre Anträge – so ist zumindest mein Eindruck – sind weiterhin im alten dirigistischen Denken verwurzelt: Die Hochschulen vor Ort wissen nicht, wie es geht. Wir müssen alles staatlich regeln. – Das ist Ihr Problem, aus dem Sie immer noch nicht herausgekommen sind.

(Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, diese Zeiten sind aber in Nordrhein-Westfalen zum Glück seit 2005 vorbei. Hochschulfreiheit und Hochschulverantwortung sind angesagt, auch wenn Sie das möglicherweise noch nicht mitbekommen haben.

Die aufgeführten Beispiele sind keine Kölner Besonderheiten. Vergleichbares findet sich im gesamten Land. Die Erfolge und Fortschritte der letzten Jahre haben bewiesen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Familie und Hochschule werden immer besser vereinbar, weil es pragmatische und intelligente Lösungen vor Ort gibt – vielleicht manchmal mehr, als es dem einen oder anderen lieb ist.

Das Land Nordrhein-Westfalen begleitet und unterstützt diese Prozesse gerne und erfolgreich. Aber wir lassen den Menschen ihre Freiheit.

Frau Dr. Seidl, natürlich schließt das nicht aus, dass man auch einmal über den Tellerrand hinausblickt in andere Bundesländer. Das tun wir selbstverständlich. Das gilt aber auch umgekehrt. Ich bin fest davon überzeugt: Ganz viele gucken auch neidisch auf die Hochschulpolitik in diesem Land. Denn auch von Nordrhein-Westfalen lässt sich eine ganze Menge lernen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hollstein. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Lindner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zwei Dinge sind klar, in zwei Punkten stimmen wir alle überein, nämlich darin, dass erstens die Familie niemals ein Hinderungsgrund für eine akademische Ausbildung sein darf und dass zweitens eine wissenschaftliche Karriere zu jedem Zeitpunkt mit dem Kinderwunsch vereinbar sein muss.

Vor diesem Hintergrund glaube ich aber sagen zu können, dass die Situation in Nordrhein-Westfalen – übrigens auch ausweislich der Antwort auf die Große Anfrage – durchaus gut ist und sich auch weiter verbessert. Die Hochschulen arbeiten daran, familienfreundlicher zu werden. Sie erhalten dabei Unterstützung und Anregungen seitens des Landes.

Ein Beispiel. Frau Dr. Seidl hatte eben dazu aufgefordert, dass sich die Landesregierung in anderen Bundesländern kundig machen möge, was dort alles schon passiert. Vielleicht, liebe Frau Dr. Seidl, könnten Sie selber noch stärker würdigen, dass das Innovationsministerium selbst für seine vorbildliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Jahre 2007 von der Initiative „berufundfamilie“ der HertieStiftung ausgezeichnet worden ist. Die Auszeichnung des Ministeriums durch diese Initiative soll Vorbildcharakter für die Hochschulen haben und zugleich den Stellenwert des Themas für die Landesregierung verdeutlichen.

Eine immer größere Anzahl von Hochschulen nimmt jetzt auch an diesem Auditierungsverfahren der Hertie-Stiftung teil. Es sind gegenwärtig bereits elf Hochschulen; vier weitere Hochschulen haben sich auf den Weg gemacht. Sie selbst fordern mit Ihrem Antrag eine solche Auditierung. Aber es gibt sie längst. Wir können vielleicht darauf setzen, dass noch mehr Hochschulen teilnehmen. Das ist aber natürlich eine Entscheidung der Hochschulen und ihrer Gremien. Die Möglichkeit dazu gibt es bereits, und die Möglichkeit wird genutzt.

Ich will einen zweiten Punkt ansprechen, nämlich den aus meiner Sicht zentralen Aspekt der Kinderbetreuungsangebote für Studierende und für andere Angehörige der Hochschulen. Auch hier stellen wir fest, dass insgesamt 29 der 35 Hochschulen entsprechende Angebote vorhalten. Das sind Angebote ganz unterschiedlicher Form: von der betrieblichen Kinderbetreuung in Form eines Betriebskindergartens über Tagespflegegruppen auch in Verantwortung des AStAs bis hin zu vielen weiteren, auch improvisierten Angeboten.

Das zeigt mir: Hier gibt es bereits einen Mentalitätswandel bei den Hochschulen. Das Thema ist

erkannt worden – im Übrigen auch im Wettbewerb der Hochschulen – als ein wichtiges Merkmal, ein wichtiger Faktor, für ausgezeichnete Talente attraktiv zu sein.

Wir alle wissen, dass heute gerade die jungen Frauen die besseren akademischen Leistungen erzielen. Deshalb ist es für eine Hochschule von so großer Bedeutung, für junge und hochqualifizierte Frauen in der Lehre und im akademisch forschenden Bereich attraktiv zu sein.

Mit dem Kinderbildungsgesetz sind die Möglichkeiten der Kinderbetreuung an den Hochschulen deutlich verbessert worden. Ich weise darauf hin, dass die Einrichtung von betrieblich unterstützten Kinderbetreuungsangeboten durch das Kinderbildungsgesetz in wesentlicher Form vereinfacht worden ist und auch stärker als in der Vergangenheit finanziell gefördert wird.

Was noch nottut, ist, dass diese gesetzlichen und finanziellen Möglichkeiten des Landes über den Hochschulbereich hinaus noch bekannter werden in der Wirtschaft und bei Behörden, auch bei kommunalen Behörden. Daran ist zu arbeiten.

Ich bin froh und dankbar, dass die Landesregierung die Broschüre „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“, die lange – ich will einräumen: viel zu lange – vergriffen war, endlich wieder auflegt. Ich bin sicher, dass davon ein Impuls für den öffentlichen Bereich, für die Hochschulen und für die Privaten ausgeht.

Alles in allem ist das ein wichtiges Thema, das hier angesprochen worden ist, ein Thema, das intensiv ausgeleuchtet worden ist durch die Antwort, die das Innovationsministerium auf die Große Anfrage erarbeitet hat. Wenn man die Antwort seriös auswertet, muss man feststellen: Es passiert in unserer Hochschullandschaft Gott sei Dank schon eine Menge. Das sollten wir würdigen und dort, wo es nottut, auch weiter unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vereinbarkeit von Studium und Familie ist genauso wie jene von Beruf und Familie ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen.

Natürlich sind hier auch die Hochschulen als Ausbildungsstätten und als Arbeitgeber in der Verantwortung. Wir brauchen – das ist ganz klar – eine Kultur der Vereinbarkeit. Sonst wird es uns zum Beispiel auch nicht gelingen, die Zahl der Professorinnen an unseren Hochschulen weiter zu erhöhen.

Fast die Hälfte der Wissenschaftlerinnen hat einer aktuellen Studie zufolge nach der Geburt des ersten Kindes berufliche Nachteile erlebt, indem sie zum Beispiel von ihren Vorgesetzten zurückhaltender gefördert wurden.

Immerhin besagt die gleiche Studie aber auch, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kindern seltener als ihre kinderlosen Kollegen an Nervosität und Bourn-out leiden.

Meine Damen und Herren, die Herausforderungen sind also bekannt. Mit der Antwort auf die Große Anfrage 23 der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen geht die Landesregierung ausführlich darauf ein, was sich in den letzten Jahren in puncto Vereinbarkeit an unseren Hochschulen verbessert hat. Denn es ist doch so: Die Parteien, die heute mehr Kitaplätze an Universitäten fordern, sind die gleichen, die bis zu ihrer Abwahl zur schlechtesten Leistungsbilanz in Bezug auf die Unter-DreijährigenBetreuung beigetragen haben.

(Beifall von der FDP – Frank Sichau [SPD]: Auch an Hochschulen?)

Ich war bei Amtsübernahme – das sage ich in aller Offenheit – völlig überrascht. Ich habe der Vorgängerregierung in vielen Fällen nicht nur Positives an Handlungen unterstellt. Aber ich hatte gedacht, bei so vermeintlich sozialer Tätigkeit der Vorgängerregierung hätte man zumindest hier wirklich Beispielgebendes geleistet.

Das Gegenteil war der Fall: Die Unter-DreijähigenBetreuung war mit 2,8 % so niedrig wie in keinem anderen Bundesland. Selbst Bayern und BadenWürttemberg waren damals schon um ein Vielfaches besser. Erst diese Landesregierung hat zu einer wesentlichen Veränderung beigetragen. Im Jahr 2005 hatte NRW noch 11.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige; heute haben wir fünfmal so viel, nämlich 55.000. Darin sehen Sie den Unterschied: Wir reden nicht nur davon, wir handeln auch. Das ist die Kernvoraussetzung, wenn wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wieder verbessern wollen.

(Beifall von CDU und FDP)

Werfen wir doch besser einen Blick auf die Fakten, anstatt über neue Direktiven zu debattieren! Das Hochschulfreiheitsgesetz hat den Hochschulen einen Rahmen eröffnet, innerhalb dessen sie sich unter anderem auch als familiengerechte Hochschulen profilieren können. Diese Chance – darauf hatte Herr Lindner bereits hingewiesen – nutzen sie.

Das belegt der steigende Anteil von Hochschulen, die sich einem Audit unterzogen haben. Bislang sind es – da haben wir nur eine kleine Abweichung – nach meiner Information bereits zwölf; vier weitere sind in Vorbereitung. Wir müssen die Universitäten und Fachhochschulen also nicht dazu überreden; sie machen das schon aus eigenem Antrieb.

Auch in die Ziel- und Leistungsvereinbarung hat das Thema längst Eingang gefunden. Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen ist ein Punkt, der regelmäßig berücksichtigt wird. Ich habe wiederholt darlegen können: Er war auch im Rahmen der Exzellenzinitiative ein zentraler Punkt, was ich als besonders positiv empfunden habe, weil uns die internationalen Gutachterkommissionen gesagt haben: Die Hochschulen, die in der Exzellenzinitiative überzeugen wollen, müssen gerade an diesem Punkt besser werden. – Das hat viele Hochschulen, die das vorher vielleicht noch nicht als ein so dringendes Problem für sich gesehen haben, ermutigt, auf diesem Gebiet besser zu werden.

Aktuell können sich die Hochschulen in meinem Haus um einen Preis für das beste gleichstellungspolitische Konzept bewerben. Das ist ein weiterer Anreiz dafür, nachhaltige Vereinbarkeitskonzepte zu entwickeln und im Sinne von best Practice auch anderen Hinweise darauf zu geben, wie man besser werden kann.

Man muss sich einmal vergegenwärtigen, meine Damen und Herren, von welchem Niveau wir gestartet sind. Es gibt eine Studie des Netzwerks Frauenforschung aus dem Jahr 2004. Das Ergebnis war damals ernüchternd. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:

In allen Kinderbetreuungseinrichtungen an nordrhein-westfälischen Hochschulen außerhalb der Unikliniken werden hochgerechnet 66 Kinder von wissenschaftlichen Mitarbeitern betreut.

Es gibt eine Unzahl von Beispielen, die zeigen, dass sich in der Zwischenzeit eine ganze Menge verbessert hat. In Kürze wird zum Beispiel die Universität zu Köln einen Betriebskindergarten eröffnen. Er allein bietet schon 80 Plätze für die Kinder von wissenschaftlichem und nichtwissenschaftlichem Personal der Hochschule. An der Universität Bielefeld sind für dieselbe Zielgruppe etwa 50 Plätze verfügbar. Sie sehen: Alleine diese beiden Hochschulen werden zusammen nahezu doppelt so viele Kindern betreuen können wie an allen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2004 zusammen.

Insgesamt 27 Hochschulen verfügen über Kinderbetreuungsangebote für Hochschulbeschäftigte, also für wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal. Auch für die Kinder von Studierenden existieren jetzt viel mehr Plätze als noch vor wenigen Jahren. Immerhin 29 Hochschulen bieten entsprechende Betreuungsplätze an. Die Kapazitäten entsprechen in etwa denen, die auch berufstätige Eltern von kleinen Kindern vorfinden. Die Lage ist also keineswegs rosig, aber schon wesentlich besser als unter der rot-grünen Vorgängerregierung.

Natürlich arbeitet die Landesregierung daran, die Betreuungsmöglichkeiten für unter Dreijährige weiter auszubauen – Stichwort: Kinderbildungsgesetz.

Im Jahr 2013 soll für ein Drittel der Kinder unter drei Jahren ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Alle Eltern, die das wollen, sollen möglichst schon im Laufe des Kindergartenjahres 2010/2011 Betreuungsplätze für ihre Zweijährigen bekommen. Mein Kollege Armin Laschet wird das sicher gerne noch einmal erläutern.

Die Kitaplätze sind aber nur ein Baustein, wenn auch sicher der wichtigste. Viele Hochschulen haben zum Beispiel auch Elternservicebüros für Beschäftigte und Studierende eingerichtet. Solche Büros und vergleichbare Einrichtungen gibt es an immerhin 25 Hochschulen.

Es gibt auch Hochschulen, die studierenden Eltern das Leben mit flexiblen Studien- und Prüfungsordnungen erleichtern oder die Teilzeitstudiengänge anbieten. An der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ist der Studiengang Computerscience etwa speziell für Studierende mit Kindern konzipiert worden. Es gibt virtuelle Lehrangebote wie an der Fernuniversität Hagen, die wir ganz gezielt als „Open University“ ausbauen wollen.

Studierende mit Kindern müssen drei Semester lang keine Studienbeiträge zahlen; das steht so im Gesetz.

Viele Hochschulen kommen studierenden Eltern noch weiter entgegen. An der Universität Köln beispielsweise gibt es eine Regelung, die alle Studierenden, die Kinder haben, für sechs Semester pro Kind von Studienbeiträgen befreit. Ähnliche Regelungen finden sich auch an anderen Hochschulen.

Es gibt hochschuleigene Programme, mit denen die Hochschulen Kontakt zu denjenigen halten, die Urlaubssemester der Familie wegen einlegen. Außerdem gibt es Mentoringprogramme für studierende Eltern, die sie durch das Studium begleiten sollen.

Wir wissen also ziemlich gut, wie die Situation studierender Eltern aussieht. Die Frage, wie man Wissenschaft und Familie am besten unter einen Hut bringt, ist noch etwas komplizierter. Zu dem Thema laufen gerade hier im Land, an der TU Dortmund, zwei interessante Forschungsprojekte. Eines beschäftigt sich mit der Mobilität, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Familie nicht so leicht sicherstellen können. Das andere geht der grundsätzlichen Frage nach, wie sich Kinder bzw. Kinderlosigkeit auf die Karriere von Frauen in der Wissenschaft auswirken. Beide Projekte leiten Professorinnen aus dem Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung Nordrhein-Westfalen.

Die Hochschulen tun also längst eine Menge dafür, familiengerechte Angebote zu schaffen. Das muss meinem Ministerium nicht erst von Ihnen vorgegeben werden, und das muss auch den Hochschulen nicht durch mein Haus verordnet werden. Dass dabei je nach Situation vor Ort unterschiedliche Lösungen herauskommen, halte ich im Übrigen für

zielführend, weil hoch innovativ. Anders als die Opposition meint, gibt es nämlich keine Patentlösung, die zu jedem Standort passen würde. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass der Wettbewerb der Hochschulen darum, wer besonders familienfreundlich ist, sehr fruchtbar sein kann.

Seit 2005 hat sich für Studenten und Wissenschaftler mit Kindern an unseren Hochschulen vieles verbessert. Diese Entwicklung wird nicht nur weitergehen, sondern sie muss auch weitergehen, weil unsere Gesellschaft zwingend darauf angewiesen ist, Frauen wie Männern bessere Chancen zu geben, ihren akademischen Lebensweg erfolgreich gestalten zu können. Wir sollten alles tun, um ein Land zu werden, in dem sich möglichst viele junge Menschen für Kinder entscheiden und das ihnen die Rahmenbedingungen gibt, die sie brauchen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)