Protocol of the Session on May 7, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es steht außer Frage, dass wir alles unternehmen müssen, um die harte und einschneidende Krise aufgrund des internationalen Finanztsunamis abzumildern. Das ist eine Herkulesaufgabe, und zwar für alle öffentlichen Ebenen. Es ist außerdem eine Gratwanderung, einerseits konjunkturstimulierende Ausgaben zu tätigen und andererseits weiter für eine nachhaltige und generationsgerechte Finanzpolitik zu sorgen. Die Ausgaben von heute dürfen eben nicht zu einem Raubzug durch die Handlungsspielräume von morgen führen.

Bisher hat sich Deutschland bzw. NRW noch nie in einem solchen wirtschaftlichen Abschwung befunden, und es gibt keinerlei Erfahrungen. Herr Becker, der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen müsste deshalb eigentlich die Überschrift bekommen: Wahlkampf.

Wir haben versucht, zu verstehen, was der Antrag zum Ausdruck bringen will. Er versucht zu begründen, dass die 427 Städte, Gemeinden und Kreise sowie die beiden Landschaftsverbände neben dem Konjunkturpaket II einen erneuten Finanzsegen des Landes verdient hätten oder erhalten sollten. Das ist der Kern Ihres Antrags.

Sie verkennen aber komplett die Fakten. Da liegen wir auseinander. Für Sie, Herr Körfges, gilt das Gleiche.

Es ist richtig: Eine starke Einnahmequelle der Kommunen ist die Gewerbesteuer. Sie ist aber auch gleichzeitig ihre Achillesverse – das wissen Sie –,

(Ralf Jäger [SPD]: Deshalb schaffen Sie sie am besten ab!)

da sie am konjunkturanfälligsten ist. Immer wieder stelle ich bei den Sozialdemokraten fest: Wenn es an der Stelle kneift, kommen Sie mit solchen Vorschlägen oder unterstützen solche Vorschläge von den Grünen, statt sich einmal zu einer Gemeindefinanzpolitik durchzuringen, die nachhaltig wirkt. Sie hatten ja in der Föderalismuskommission die Chance dazu.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb handelt es sich nicht um ein neues, sondern vielmehr um ein seit Jahren bekanntes Phänomen, dass in wirtschaftlich schwachen Zeiten die Kommunen unter dem Einbruch der Gewerbesteuer besonders leiden.

Ein zusätzlicher Rettungsschirm hilft vielleicht, Herr Becker, kurzfristig den Einnahmeausfall zu über

winden. Aber die durch Schuldenstapelei in die Enge geführten Kommunalhaushalte

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Insbesondere auch durch die Eingriffe des Landes!)

mit zum Teil sehr, sehr hohen Kassenkrediten – das ist ja richtig vorgetragen worden – können nicht durch einen einmaligen Rettungsschirm saniert werden. Um die angespannte Haushaltslage in den Griff zu bekommen, bedarf es vielmehr eines Mentalitätswechsels –

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Spare in der Not, dann hast du Zeit dazu!)

das wiederhole ich hier, solange ich zu diesen Themen spreche –: Weg von einer Verschuldenspolitik hin zu einem ausgeglichenen Haushalt, hin zu einer schwarzen Null!

Das richtige Instrument dafür ist der Masterplan. Schauen Sie nach Langenfeld! Der dortige Bürgermeister hat darüber ein Buch geschrieben. 18 Jahre hat es gedauert, aber sie sind schuldenfrei. Schauen Sie nach Hagen! Die Hagener machen sich jetzt endlich auf, sich aus der Verschuldensfalle herauszubewegen. Das muss man aber mit den Bürgerinnen und Bürgern in einem öffentlichen Diskurs verabreden, damit das auch funktioniert.

Der Antrag der Grünen lässt an keiner Stelle erkennen, Herr Becker, dass der von mir eben skizzierte eventuell auch Ihr Weg sein könnte.

(Beifall von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an der Stelle muss ich noch einmal daran erinnern, dass die verteilbaren Verbundmittel nach unserem Gemeindefinanzierungsgesetz unter schwarz-gelber Regierungsverantwortung von 6,6 auf fast 8 Milliarden €, also um über 1,4 Milliarden €, angewachsen sind. Mit 8 Milliarden € verteilbaren Verbundmitteln stehen insgesamt fast 1 Milliarde € mehr Finanzmittel zur Verfügung als in dem guten Jahr 2000, in dem die Einnahmen auch höher waren als die Ausgaben vor Ort.

Erstmals seit 2007 haben die Einnahmen die Ausgaben in den Kommunen wieder übertroffen. Dabei betrug die verteilbare Verbundmasse 6,7 Milliarden €.

Die Wirtschaftskrise trifft die Kommunen also vor einem Hintergrund einer verbesserten Finanzausstattung. Es droht auch bei einem Gewerbesteuerrückgang von 20 % – das wurde hier gesagt – gemäß der Prognose des Städtetages kein flächendeckender Zusammenbruch der kommunalen Handlungsfähigkeit. Ein Rettungsschirm ist entbehrlich.

Eine echte Gemeindefinanzreform nach liberalem Modell mit einer dem Wettbewerb ausgesetzten kommunaleigenen Steuer auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie einem Anteil an der Umsatzsteuer von 12 % würde den Kommunen nach

haltig helfen. Ich bedaure deshalb erneut, dass es im Rahmen der derzeitigen Föderalismusdiskussionen – ich sagte es schon – nicht zu einer Neuordnung der Finanzen zwischen den Ebenen Bund, Ländern und Kommunen sowie zu einer Gemeindefinanzreform gekommen ist.

Im Grünen-Antrag – damit komme ich zum Schluss – werden zudem die zu erwartenden steigenden Sozialkosten für Unterkunft und Heizung sowie für die Grundsicherung beklagt und als eine der Ursachen für die angespannte Finanzsituation der Kommunen genannt. Ich möchte daran erinnern, Herr Becker, dass gerade unter rot-grüner Verantwortung im Bund die Aufgaben der Grundsicherung

(Widerspruch von Horst Becker [GRÜNE])

ohne Beachtung des Konnexitätsprinzips – wer bestellt, der bezahlt – auf die Kommunen übertragen worden sind.

Heute werden diese Auswirkungen sichtbar. Insofern ist es geradezu pharisäerhaft, dass Sie so tun, als wenn Sie damit nichts zu tun hätten. Fassen Sie sich lieber an die rote und grüne Nase. Wir stimmen der Überweisung zu. – Vielen Dank.

(Beifall von FDP und CDU – Ralf Jäger [SPD]: Schön vorgelesen! – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Danke schön, Herr Engel. – Für die Landesregierung spricht jetzt der Innenminister Dr. Wolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt einen einzigen Punkt, in dem alle Redner übereingestimmt haben. Den möchte ich gerne ergänzen: Wir befinden uns in der tiefsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Insofern führt der Rückgang der wirtschaftlichen Leistungen ebenso zu Steuermindereinnahmen wie die Auswirkungen des großen Konjunkturpaktes. Das ist denknotwendig. Parallel dazu – das ist auch erwähnt worden – ziehen Steuersenkungen ebenso Steuermindereinnahmen nach sich. Am Ende ist weniger im Topf. Das gilt für alle Ebenen: den Bund, die Länder und die Kommunen. Das ist ein eingefahrenes System. Es ist eine Illusion zu glauben, dass eine Ebene davon verschont werden könnte.

Nun liegt uns wieder der allmonatliche Plenarantrag der Grünen vor nach dem Motto: Gut, dass wir drüber gesprochen haben. Darin finden sich allgemeine Vorschläge und diffuse Rettungsschirme, aber es steht kein Wort darin, dass diese Rettungsschirme in der Vergangenheit hätten aufgespannt werden müssen. Ich erinnere daran, dass Sie zwischen 1980 und 2005, als der Aufwuchs der schlechten Zahlen stattfand, an der Regierung waren: erst 15 Jahre Rot, dann 10 Jahre Rot-Grün.

Insofern ist es entlarvend, wenn Herr Körfges die Halbierung der Investitionen erwähnt, die in einem Zeitraum stattgefunden haben, in dem er selber regiert hat. Das ist schon genial. Seinerzeit hätten Sie etwas tun müssen, anstatt uns jetzt anzuprangern.

(Beifall von CDU und FDP)

Im Übrigen hat das Handwerk unsere Bemühungen seit 2005 richtig erkannt und ausdrücklich gelobt.

(Widerspruch von Hans-Willi Körfges [SPD] – Horst Becker [GRÜNE]: Gestern nicht!)

Ich will nur einige Zahlen nennen, damit Sie sehen, was sich in den Jahren getan hat. Während wir im Jahr 1990 noch 215 Millionen € an Kassenkrediten hatten, waren es im Jahr 2000 2,4 Milliarden € und im Jahr 2005 10,6 Milliarden €. Das ist alleine in den fünf Jahren zwischen 2000 und 2005 ein Aufwuchs um 433 %. Wo sind denn hier im Hause die Schuldigen für diese Zahlen, meine Damen und Herren? Sie haben das Ganze verursacht. Hier rufen wieder die Brandstifter nach dem Feuerlöscher.

(Beifall von CDU und FDP)

Das Gleiche gilt beim Thema Verschuldung.

(Zuruf von Horst Becker [GRÜNE])

Sie wissen, dass Sie uns allein eine Zinslast von jährlich 5 Milliarden € hinterlassen haben, die den Landeshaushalt belastet und uns keine Möglichkeiten eröffnet, weitere Chancen zur Konsolidierung zu nutzen.

In den Jahren ab 2005 haben wir alle Chancen zur Verbesserung der Finanzen sowohl auf Landesebene als auch auf kommunaler Ebene genutzt; Kollege Engel hat es schon gesagt. Aber es ist klar, dass der Zeitraum zu kurz war, um eine völlige Remedur herbeizuführen.

Die Erfolge waren 2007 und 2008 sichtbar. In diesen beiden Jahren war der Finanzierungssaldo der Kommunen mit 754 Millionen € respektive 760 Millionen € positiv. Wann hat es das in der Zeit gegeben, in der Sie regiert haben? Wir haben im letzten Jahr einen Haushalt hingelegt, der zu einem Überschuss geführt hätte, wenn es nicht zur Krise gekommen wäre. Das ist 30 Jahre lang nicht möglich gewesen.

(Widerspruch von der SPD)

Also erzählen Sie uns bitte nicht, wir hätten nichts getan und nicht konsolidiert. Wir haben es getan. Das Volumen des Steuerverbundes für die kommunale Landschaft haben wir von 6,4 Milliarden € auf 8 Milliarden € gesteigert. Auch das kann sich sehen lassen. Auch der Rückgang der HSK-Kommunen ist beachtlich.

Nur zur Klarstellung für Sie, Herr Körfges: Die kommunalen Spitzenverbände sind mit uns einig, was den Kreditdeckel betrifft. Das ist sozusagen 1:1

auf das NKF übertragen worden. Es ist nichts verschlechtert worden. Das ist eine reine Mär, die Sie hier verbreiten.

Wir haben das Konjunkturpaket für die Kommunen mitgetragen. Es ist übrigens nicht nur ein Bundeskonjunkturpaket, sondern ein Bundes- und Landeskonjunkturpaket. Das heißt, wir engagieren uns mit dem Geld des Landes.

(Hans-Willi Körfges [SPD]: Ihr holt doch mehr heraus, als ihr hineingesteckt habt!)

Das muss leider Gottes auch wieder aufgenommen werden. Sie sind genau diejenigen, die fordern, Geld auszugeben, und an einer anderen Stelle kritisieren, dass neue Schulden aufgenommen werden müssen. Deswegen versuchen wir diesen schwierigen Spagat, automatische Stabilisatoren wirken zu lassen – das ist eben kein prozyklisches Streichprogramm – und auf der Basis Hilfestellung im Rahmen dessen zu geben, was vertretbar ist.

Das Konjunkturpaket läuft gut. Anders als andere Länder haben wir kein Antragsverfahren. Mit Stand von heute liegen uns bereits 160 Anmeldungen aus den Kommunen vor. Das heißt, es geht jetzt richtig los. Damit ist die Unterfütterung dessen, was an anderer Stelle ausfällt, endlich möglich.

Herr Engel und Herr Löttgen haben zu Recht darüber gesprochen, dass wir uns über die Gemeindefinanzen schon ein bisschen länger unterhalten und dass wir in Sachen Ifo-Gutachten und LenkGutachten zu den Kosten der Deutschen Einheit in zielführenden Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden stehen.